Friedenauer Waldfriedhof Güterfelde, 1920. Gartenamt Wilmersdorf

Planung

 

Am 20. Januar 1911 erfolgte die Auflassung des Friedhofsgrundstücks in Gütergotz. Im November 1911 war unser Friedhofsausschuss flott an der Arbeit, um die Pläne und Vorbereitungen für die Belegung des von der Gemeinde erworbenen Friedhofsgrundstücks bei Gütergotz zu erledigen. Nach der Berechnung des Herrn Schöffen Lichtheim wird der hiesige Friedhof nur noch 1 ½ Jahre ausreichen.

 

Am 2. Februar 1912 wurden weitere Details bekannt: So soll der Haupteingang an der Chaussee liegen, die Kapelle möglichst im Mittelpunkt des Friedhofs, um eine gute Orientierung zu ermöglichen und um auch den Leichentransport zu erleichtern. Es sind 5 Pläne ausgearbeitet worden, von diesen hat der Friedhofsausschuss den Plan 1 zur Ausführung empfohlen.

 

 

 

 

 

Bei Plan 1 führt eine breite Straße vom Haupteingang an der Chaussee zur Kapelle, von der sich zwei große Hauptwege abzweigen, die wieder verschiedene Nebenwege haben. Der Teil, der Waldbestand ist, soll als solcher bestehen bleiben und als Waldfriedhof angelegt werden. Es würden dann hier Wahlgrabstellen einzurichten sein, während auf dem freiliegenden Gelände Reihengräber vorgesehen sind. An der Chaussee soll ferner ein 6 Meter breiter Streifen freibleiben, der für Verbreiterung der Chaussee bei Durchführung von Straßenbahnlinien usw. verwendet werden kann. Bei Plan 1 ist von jedem Wege aus die Kapelle sichtbar. Bei der Aufstellung des Planes im Ausschuss war auch Herr Baurat Altmann zugegen. Die Einzelheiten der Anlage werden noch später festgelegt werden. Die vorliegenden Pläne sind nur Orientierungspläne. Ein endgültiges Projekt werde, wenn man dem Ausschuss die weitere Ausarbeitung überlasse, vom Obergärtner und Baurat noch aufgestellt werden. Man soll sich heute nur grundsätzlich darüber entscheiden, ob man eine Ausschreibung wünsche oder ob man die weitere Bearbeitung der Pläne dem Bauausschusse bzw. der Gartenverwaltung überlasse. In der folgenden Abstimmung wird der Antrag des Gemeindevorstandes, eine Ausschreibung zu veranstalten mit 8 gegen 12 Stimmen abgelehnt. Der Antrag, dem Friedhofsausschuss die weitere Bearbeitung des Projekts 1 zu überlassen, wird mit großer Mehrheit angenommen.

 

Sitzung der Gemeindevertretung am 24. April 1913: Die Bauentwürfe sind im Einvernehmen mit dem vereinigten Garten- und Bauausschuss ausgearbeitet, eingehend geprüft und endgültig für die Bauausführung festgelegt worden. Die Ausnutzung der zu errichtenden Baulichkeiten sind innerhalb des gegebenen Raumkörpers aufs weitgehendste vorzunehmen, um eine möglichst große Anzahl von Wohnungen zu schaffen, die an Arbeiter, welche auf dem Friedhof beschäftigt werden, vermietet werden können. Es sind daher außer den bisher in Aussicht genommenen beiden Büroräumen im Verwaltungsgebäude und der Verwalterwohnung von 3 Zimmern, Küche und Zubehör im Erdgeschoss, im Dachgeschoss noch zwei Wohnungen und zwar eine solche von 2 Zimmern, Küche und Zubehör und eine von einer Stube, Küche, Kammer und Zubehör untergebracht worden. Für die Blumenverkaufshalle, welche mit zwei für Männer und Frauen bestimmten Abortanlagen verbunden ist, wurde gleichfalls im Dachgeschoss eine Wohnung von Stube, Küche, Kammer und Zubehör ausgebaut und infolgedessen ein den polizeilichen Anforderungen entsprechendes Treppenhaus notwendig.

 

Da es sich nun nicht empfiehlt, jetzt zunächst die oben genannten Baulichkeiten am Eingang zum Friedhof und etwa in einem halben Jahre die Friedhofshalle in Angriff zu nehmen, schlagen wir im Einverständnis mit dem vereinigten Bau- und Friedhofsausschusse vor, sich damit einverstanden zu erklären, dass die auf dem mittleren Teile des Friedhofsgeländes geplante Friedhofskapelle zugleich mit den übrigen Bauten zur Ausführung gelangt. Entwurfszeichnung wird gleichzeitig zur grundsätzlichen Genehmigung vorgelegt. Die Friedhofskapelle wird enthalten: Einen Kapellenraum mit 84 Sitzplätzen und etwa 100-120 Stehplätzen, außerdem eine kleine offene Vorhalle mit zwei daneben belegenen geschlossenen Warteräumen für die Leidtragenden. Diese Räume können evtl. bei besonderem Andrange auch durch größere Türöffnungen mit der Halle in Verbindung gebracht werden. Außerdem sind ein Raum zur Unterbringung von Pflanzen und Blumen der Gärtnerei und ein kleinerer Raum für einen Geistlichen mit daneben belegenem Aborte vorgesehen. Im Kellergeschoss sind außer einem Raum für Leichen, ein Sezierraum und ein Raum für die Zentralheizungsanlage mit Kohlenraum vorgesehen worden. Außerdem lässt sich über dem Raum des Geistlichen im ausgebauten Giebel des kleinen Anbaues ein Raum für die Leichenträger herrichten.

 

Wir beantragen daher, die Gemeindevertretung wolle sich damit einverstanden erklären, 1. Dass die Einfriedigung, das Verwaltungsgebäude und die Blumenverkaufshalle nach Maßgabe der nunmehr ausgearbeiteten und vorgelegten Bauzeichnungen und Modelle schleunigst zur Ausführung gelangen. 2. Mit den vorgelegten Bauskizzen für die Friedhofskapelle erklärt sich die Gemeindevertretung grundsätzlich mit der Maßgabe einverstanden, dass die Aufstellung des Kostenanschlages und des Bauentwurfes so beschleunigt erfolgt, dass die Ausführung der Halle mit den übrigen oben bezeichneten Bauausführungen gleichzeitig erfolgen kann.

 

Das Projekt Friedenauer Waldfriedhof Gütergotz wurde vom Gemeindebauamt in der Lauterstraße Nr. 10 betreut. Leiter des Amtes war Gemeindebaurat Hans Altmann. Es kann davon ausgegangen werden, dass er die Gesamtplanung übernommen hatte. Die Anlage in Güterfelde erinnert mit ihren im Halbrund geschwungenen Wegen (Handjery- und Stubenrauchstraße) und den Schmuckplätzen an die Friedenauer Carstenn-Figur. Die gartenarchitektonische Gestaltung schuf Garteninspektor Ernst Stabe. 1924 schreibt Altmann: In den Jahren 1913 und 1914 wurde der Waldfriedhof in Gütergotz angelegt, der den modernen Anschauungen über Friedhofskunst entsprechend, nicht mehr den Charakter der üblichen Begräbnisstätten mit ihrer nüchternen Gleichförmigkeit trägt, sondern dem Besucher den versöhnlichen Eindruck gibt, in dem Garten Gottes, dem schönen märkischen Wald seine Toten besuchen und sich in Andacht der Stimmung des Ortes hingeben zu können. Dem Bund Deutscher Architekten teilt Altmann 1930 unter Angabe von Werken eigenen Entwurfs, unter eigenem Namen ausgeführt an: Friedhofskapelle und Friedhofsanlage Gütergotz.

 

Nachdem am 2. Juni 1913 die eingleisige Strecke der Friedhofsbahn von Wannsee nach Stahnsdorf-Friedhof eröffnet worden war, erwarb die Gemeinde Friedenau am 30. September 1913 in einer außerordentlichen geheimen Sitzung, ein an das Friedhofsgelände in Gütergotz anschließendes weiteres Grundstück.

 

Sitzecke auf dem Friedenauer Waldfriedhof Gütergotz, 1914. Foto Privat

Garteninspektor Ernst Stabe

 

In den Berichten über die Gestalter der Berliner Friedhöfe in Stahnsdorf fallen immer nur die Namen von Gartenbaumeister Louis Meyer (1877-1955) für den Südwestkirchhof (1909) und Stadtgartendirektor Erwin Barth (1880-1933) für den Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf (1920). Ernst Stabe, der zweifellos die gärtnerische Gestaltung des Friedenauer Waldfriedhofs in Gütergotz übernommen hatte, fällt unter den Tisch. Das mag daran liegen, dass beim 1914 eröffneten Friedenauer Waldfriedhof in Gütergotz vor allem die Bauten von Hans Altmann beeindrucken.

 

Stabe und Altmann setzten sich von Meyers unübersichtlich verwunschener Landschaft des synodalen Friedhofs sowie von Barths streng geometrischer Gestaltung ab. Wer auch auf den Gedanken kam, Altmann oder Stabe, es war eine Idee. Zu Grunde gelegt wurde der nur aus der Luft erkennbare Kern des Friedenauer Ortsgrundrisses – das U mit Handjery- und Stubenrauchstraße, dessen Zentrum vom Friedrich-Wilhelm-Platz geprägt ist. Genau in diese Mitte wurde die Kapelle gesetzt..

 

Ernst Stabe wurde am 20. Juli 1881 in Lychen geboren. Von 1897 bis 1900 absolvierte er eine Lehre in der Handelsgärtnerei von Spielberg & de Coene in Französisch-Buchholz bei Berlin und war danach bei dieser Firma als Gehilfe tätig. 1903 war er in England und Frankreich, wo er in den Baumschulen von Nomblot Bruneau in Bourg la Reine und während der Weinlese in der Umgebung von Beaune arbeitete. Von 1904 bis 1906 absolvierte er die Gärtnerlehranstalt am Wildpark in Potsdam. 1906/1907 leistete er seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger beim 177. Inf.-Rgt. in Dresden ab. Von Oktober 1907 bis August 1909 war Stabe Hilfsarbeiter beim Verein zur Beförderung des Gartenbaus für die Große Internationale Gartenbau-Ausstellung Berlin. Nach einer Zwischenstation als Garteninspektor des Ritterguts Rüdersdorf bei Berlin wurde er im Oktober 1910 auf Betreiben von Gemeindebaurat Hans Altmann von der Gemeinde Friedenau als Obergärtner eingestellt.

 

Ausgangspunkt war, dass der bisherige Obergärtner Körte in den Dienst der Gemeinde Steglitz getreten ist, die Stelle im Etat stehe und der Gemeindevorstand daher verpflichtet war, die Stelle probeweise und auf Kündigung neu zu besetzen. Schon am 25.1.1911 wurde Ernst Stabe als Beisitzer in den Vorstand des Vereins der Gartenfreunde Friedenau gewählt, wo er im März einen Vortrag über die Pflege der Obstbäume, Beeren und Ziersträucher in den Lauben und Vorgärten hielt. Nachdem er die Gartenmeisterprüfung abgelegt hatte, wurde er am 1.10.1911 offiziell zum Obergärtner der Gemeinde Friedenau berufen. Einen Monat später konnte der Friedenauer Lokal-Anzeiger berichten, dass Gemeindeobergärtner Herr Stabe auf der Nordspitze des Friedrich-Wilhelm-Platzes ein prachtvolles Chrysanthemen-Beet geschaffen hat, dass jetzt, wo draußen der Blumenflor aufgehört hat, sicher eine Sehenswürdigkeit bildet. Wie uns hierzu von Fachleuten und Laien erklärt wird, übertrifft das hier auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz geschaffene Beet bei weitem dasjenige vor dem Kgl. Schloss in Berlin, sowohl in der Schönheit der Anlage wie in der Farbenpracht.

 

Die Gemeindegärtnerei befand sich damals in der Laubacher Straße Nr.1. Stabe, der zuerst in der Lefèvrestraße Nr. 17 wohnte, zog mit Ehefrau in die Laubacher Straße Nr. 6. Dort wurde am 22. Mai 1912 der dritte Sohn Friedrich Wilhelm geboren.

 

Für den 27.6.1912 setzte die Gemeindevertretung eine Besichtigung des Friedhofsgeländes in Gütergotz an. 14 Herren trafen sich am Bahnhof in Wannsee, wo das Automobil der Berliner Stadtsynode bereitstand, um die Herren zunächst nach dem Synodalfriedhof zu fahren. Hier wurden die Kapellen und sonstigen Gebäude, die Begräbnisanlage, die Gärtnerei in Augenschein genommen. Bei großen Begräbnissen stellt die Synode Automobilomnibusse der Berliner Omnibusgesellschaft zur Beförderung der Leidtragenden bereit. Sie bezahlt dafür das Kilometer 1 M., während die Fahrgäste 30 Pfg. für die Fahrt zahlen, so dass die Synode für jede Person 90 Pfg. Fahrgeld zuzahlt. Nachdem man noch den Eisenbahnbau, der schon ziemlich weit fortgeschritten ist, besichtigt hatte, fuhr man nach unserem Friedhofsgrundstück, das nun unter Führung des Herrn Gemeindebaurat Altmann eingehend besichtigt wurde. Von den Herren Obergärtner Stabe und Bauwart Linke waren die Stellen abgesteckt worden, an denen die Kapelle und sonstigen Baulichkeiten errichtet werden sollen, wo sich der Haupteingang, die Gärtnerei usw. befinden soll. Gegen 6 Uhr fuhr man nach Wannsee zurück. Hier vereinigte man sich noch zu einem Glase Bier und kehrte darauf mit der Wannseebahn nach Friedenau zurück, wo man gegen 9 Uhr wieder eintraf.

Für den Friedenauer Waldfriedhof in Gütergotz wurden weder Kosten noch Mühen gescheut: Eine Führung vom Kgl. Obergärtner Gilbert durch die Kgl. Gärten von Sanssouci, wo Stabe Gelegenheit hatte, der Kaiserlichen Familie auf dem Spaziergange in Sanssouci zu begegnen, eine Reise zum Parkfriedhof Hamburg-Ohlsdorf, eine Fahrt von Bürgermeister Walger, Schöffe Wossidlo und Obergärtner Stabe der Ausstellung für Friedhofskunst in Halle und 1913 noch ein Besuch der Gartenbauausstellung in Breslau.

 

Kaum war der Friedenauer Waldfriedhof in Gütergotz am 7. Juni 1914 eröffnet, begann am 28. Juli 1914 der Weltkrieg. Stabe musste an die Front, wurde alsbald verwundet und verbrachte Wochen in einem Offizierserholungsheim im Taunus. Bevor sich der inzwischen zum Leutnant Beförderte wieder bei der 8. Kompanie seines Infanterie-Regiments 132 melden musste, verbrachte er im September 1915 einige Tage bei Frau und Söhnen in der Laubacher Straße. Letztendlich kehrte er erst nach 4 ½ Kriegsjahren nach Friedenau zurück. Da musste er sich am 13. Februar 1919 erst einmal für einen seiner inzwischen vier Söhne per Anzeige zur Vorbereitung eines Volksschülers für Sexta einen Primaner suchen.

 

Bereits am 28. Juli 1919 trat unser Garteninspektor Herr Stabe einen sechsmonatlichen Urlaub an, um die auf Veranlassung der Heeresverwaltung s. Zt. bei Mitau (Kurland) angelegten großen Obstplantagen weiterzuführen. Die Plantagen waren unter Leitung des Herrn Stabe angelegt, sind nun von einem Konsortium, unter denen sich auch ein Deutscher befindet, angekauft und sollen weiter ausgebaut werden. Kaum zurück, wurde er auf der Unpolitisch-christlichen Kandidatenliste für die Wahlen zum Elternbeirat für das Realgymnasium in der Homuthstraße am 7. März 1920 aufgestellt. Noch vor der Eingemeindung Friedenaus nach Schöneberg sorgte er im April 1920 dafür, dass auf dem Dachgarten der Königin-Luise-Schule ein Obst- und Gemüsegarten angelegt wurde. 1922 ist die Wohnung in der Laubacher Straße aufgegeben.

 

Ernst Stabe machte sich danach selbstständig. Er konnte in Preußisch Eylau südlich von Königsberg ein Grundstück erwerben, auf dem er eine Gärtnerei und Baumschule  einrichtete. Eine Spezialität von ihm waren Hochstämme von Johannisbeer- und Stachelbeersträuchern. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs verliert sich die Spur. Stabe galt zunächst als verschollen. Am 31, Dezember 1945 wurde er gerichtlich für tot erklärt.