Das Wandgrab Hirt mit Dach

 

Die Kosten waren sicher erheblich und ausgesprrochen schön ist der Anblick mit dem Dach auch nicht, aber was blieb der Erbengemeinschaft anderes übrig, als das von Valentino Casal 1908 geschaffene Wandgrab aus feinem Carrara-Marmor vor weiteren Umwelteinflüssen zu schützen. Danke!

 

Zu erwarten ist, daß beim nächsten Besuch auf dem Friedhof Stubenrauchstraße der marmorne Stein wieder ebenso hell leuchtet wie nebenan beim Grabmal von Wilhelm Prowe. Die Privatinitiative ist beispielhaft und sollte das Schöneberger Bezirksamt dazu bewegen, das vom Friedenauer Gemeindebaurat Hans Altmann 1916 geschaffene und unter Denkmalschutz stehende Columbarium endlich grundlegend zu sanieren.

 

 

Grabstätte Familie Albert Hirt. Foto H&S, 2014

Grabstätte Hirt

 

Das Wandgrab Hirt ist ein Kunstwerk. „Es ist noch in unserer Hand und wir haben das Nutzungsrecht. Erst kürzlich wurde meine Cousine Waltraud beigesetzt. Ihre Mutter war eine geborene Hirt. Das Blumengeschäft an der Ecke pflegt das Grab.“ Für diese Aufklärung sorgte ein Theatermann, der 1983 in New York die „Elysium Theater Company“ und 1985 die „Erwin Piscator Award Society“ gründete. Mal schreibt er uns als Gregorij von Leitis, mal als Gregorij H. von Leitis. Darüber klärt er auf: „Da die Linie von Landgerichtspräsident Franz Hirt ausgestorben wäre, nahmen er und seine Mutter Charlotte Leitis geb. Hirt den Namen Hirt zusätzlich auf – das H.“

 

Viele Namen auf einmal. Die Geschichte beginnt mit Julius Franz Hirt (1811-1882), höchster Richter im Fürstentum Reuß-Gera und verheiratet mit Louise Francisca geb. Raithel (1814-1881). Das Ehepaar hatte sieben Kinder, darunter Albert Hirt (1849-1905). Er wurde Apotheker, heiratete Marie Bräunlich (1863-1930) und ließ sich 1891/92 das Haus mit Ladengeschäft und 2 Etagen in der Friedenauer Rheinstraße Nr. 16 bauen. 1892 erteilte ihm die Gemeinde die Lizenz für die „Adler-Apotheke“. Beim „Krieger- und Landwehr-Verein Friedenau“ brachte er es bis zum Kgl. Ober-Apotheker der Landwehr.

 

 

 

 

1903 verkaufte er die „Adler-Apotheke“ an den Apotheker Paul Sadée. Mit dem Erlös erwarb er von der Witwe G. Hildebrand die vor 1890 errichtete Landhausvilla in der Wielandstraße Nr. 15. Am 26. November 1905 verstarb der erst 56-jährige Albert Hirt. Vier Tage nach Totensonntag wurde er auf dem Friedhof Stubenrauchstraße begraben. Der „Friedenauer Lokal Anzeiger“ berichtete: „Dem Zuge, der sich von der Wohnung Wielandstraße Nr. 15 aus bewegte, ging der Krieger- und Landwehrverein, dessen Mitglied der Verstorbene war, voraus. Die Trauermusik führte die Schützengilde aus. Außer den Familienangehörigen hatten sich eine große Anzahl Leidtragender dem Trauerzuge angeschlossen. Äußerst unangenehm berührte es, dass durch unverzeihliche Nachlässigkeit des Berliner Fuhrherrn, der den Leichenwagen stellte, das Trauergefolge eine volle Stunde unnütz der Kälte ausgesetzt war; allgemein war man mit Recht über die unerhörte Unpünktlichkeit dieses auswärtigen Fuhrunternehmers entrüstet.“

 

Von Gregorij H. von Leitis erfahren wir, dass sein „Großvater Albert Hirt mit den Casals befreundet“ war. Das waren Valentino Casal und seine Frau Ida Eva. Der Steinmetz und Bildhauer hatte sich 1899 in der Wilhelmstraße Nr. 7 (heute Görresstraße) ein Haus für seine Familie errichten lassen. Auf dem Nachbargrundstück Bachestraße Nr. 10 war sein „Bildhauerhof“ entstanden, in denen 11 von 32 Marmormonumenten für die Siegesallee im Tiergarten gefertigt wurden. Casals stand in der Gunst von Kaiser Wilhelm, der ab und an kam, um die Arbeiten zu begutachten und für Friedenau schließlich den Begriff „Klein-Carrara“ prägte.

 

In seinen Memoiren führt Valentino Casal unter „Liste II von meinen eigenen modellierten Arbeiten“ auf: „1908 Portrait-Relief von Herrn Hirt (Gips) Friedenau; 1908 Grabdenkmal Hirt (Marmor) Friedenau.“ Entstanden war auf der Südseite des Friedhofs Stubenrauchstraße ein mit weiß-grauem Marmor der Sorte „Venato“ verkleidetes dreiteiliges Wandgrab. Davor wurde – farblich abgesetzt – eine Engelsfigur aus dem ziemlich wertvollen weißen „Statuario“ platziert. Der Engel steht auf einem mehrteiligen Sockel aus grob behauenen Granitsteinen, auf denen die Signatur „V. Casal“ noch immer erhalten ist.

 

Obwohl die Familie die Grabstätte vor einigen Jahren restaurieren ließ, haben inzwischen wieder Algen und Moos den Stein überzogen. So kommt es, dass die Inschriften gegenwärtig nur noch mühsam zu entziffern sind.

 

Ruhestätte der Familie Hirt

Die Liebe höret nimmer auf.

Albert Hirt, Apotheker (5. April 1849-26. November 1905)

Ehefrau Marie Hirt geb. Bräunlich (2. Juli 1863-23. Februar 1930)

Tochter Ruth Heilgendorff geb. Hirt (13. März 1894- 28. Januar 1986)

Ehemann Fritz Heilgendorff (9. Juli 1880-26. Februar 1957)

Tochter Charlotte Hirt (1. Mai 1896-19. November 1985)

Tochter Gabriele Hirt (31. Juli 1897-11. Juli 1958)

 

Hinzugekommen ist ein Steinblock mit den Inschriften „Waldtraut Unsoeld geb. Große, 1918-2009“ sowie „In Memoriam Jakob und Martha v. Leitis“.

 

Wie ging es weiter? Die Landhausvilla in der Wielandstraße Nr. 15 blieb bis 1930 im Besitz der Witwe Marie Hirt. Nach ihrem Tod sind von 1931 bis 1943 die Gymnastiklehrerin Charlotte Hirt und die Kindergärtnerin Gabriele Hirt als Besitzerinnen eingetragen. Die spätere Alleinerbin Gabriele Hirt, die vor dem Weltkrieg in der Wielandstraße einen Kindergarten betrieb, hat das Anwesen Ende der 1950er Jahre verkauft. Ab 1959 lautet ihre Adresse Homburger Straße Nr. 21 in Wilmersdorf, der Wohnung von Fritz und Ruth Heilgendorff geb. Hirt.