Grab Homuth. Foto Hahn & Stich, 2016

Johannes Homuth (1839-1922)

 

36 Jahre nach seinem Tod beschloss der Senat von Berlin am 9. Dezember 1958, das Grab von Johannes Homuth auf dem Friedhof Stubenrauchstraße zur Ehrengrabstätte zu erheben (Grablage 25-1). Die Laufzeit wurde, was für das geschichtsvergessene Berlin ungewöhnlich ist, 1978 und 1998 verlängert. Da das Bezirksamt Schöneberg nach Ablauf der Schutzfrist mit dem Einebnen von historisch interessanten Gräbern schnell bei der Hand ist, fragten wir am 26. Januar 2021 bei der Senatskanzlei an, und erhielten die Nachricht, dass Johannes Homuth eine Ehrengrabstätte des Landes Berlin hat, deren weitere Anerkennung zusammen mit den anderen Stadtältesten ab 2026 nach den dann geltenden Vorschriften geprüft wird. Da zu befürchten ist, dass nach den Kriterien des Senats das Wirken von Johannes Homuth einer breiteren Öffentlichkeit nicht mehr deutlich präsent ist, ist zu befürchten, dass dieses Grab spätestens dann seinen Schutz verliert.

 

 

 

 

 

Johannes Homuth, geboren am 30. März 1839, war Beamter im preußischen Finanzministerium. Bis 1871 hatte er es zum Geheimen Registrator gebracht. 1882 zog er mit Ehefrau Maria geb. Köhler (1843-1927) in die Steglitzer Körnerstraße Nr. 3 – am Morgen vom Wannseebahnhof Friedenau zum Dienst in die Wilhelmstraße, am Abend zurück. 1886 taucht er – inzwischen Kanzlei-Rath – im Friedenauer Adressbuch erstmals als Eigentümer des Grundstücks Saarstraße Nr. 17 auf. Seine Nachbarn waren in Nr. 14 der Geheime Rechnungs-Rath Wilhelm Fröauf (1814-1899) und in Nr. 15 der Geheime Kanzlei-Rath Ludwig Blankenberg (1821-1889), die 1871 mit dem Landerwerb- und Bauverein auf Actien die Landhauskolonie gründeten und ab 1874 als Kommunalpolitiker die Entwicklung der Gemeinde Friedenau wesentlich bestimmten.

 

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der jüngere Homuth dazu bewegt wurde, 1894 die Wahl als Gemeindeverordneter anzunehmen. Ein Jahr später hatte Se. Majestät der Kaiser dem Kanzlei-Rath Homuth zu Friedenau bei dessen Uebertritt in den Ruhestand den Charakter als Geheimer Kanzlei-Rath verliehen. Am 3. Dezember 1906 wurde Johannes Homuth von einer Deputation bestehend aus Mitgliedern des Gemeinde-Vorstandes und der Gemeinde-Vertretung ein Diplom überreicht, welches ausdrückt, daß durch Beschluß der Gemeinde-Vertretung die Straße 8 den Namen Homuthstraße erhalten habe.

 

Es kam die Sitzung der Friedenauer Gemeindevertretung am 17. März 1910 und die Rede von Bürgermeister Erich Walger: Meine Herren, 18 Jahre ist Herr Homuth hier ehrenamtlich tätig gewesen. Der Monat März ist ein wichtiger Monat für ihn. Mit diesem Monat beschließt er seine 18 jährige Tätigkeit in der Gemeinde-Vertretung; am 21. März sind 25 Jahre verflossen, seit er Friedenauer Bürger ist. Und in diesem Monat begeht er auch bald seinen 71. Geburtstag. Das Alter ist es ja auch, weshalb Herr Homuth sein Amt niedergelegt hat.

 

Wenn wir zurückblicken in die Zeit, da Herr Homuth sein Amt antrat, im Jahre 1892, wo die Einwohnerzahl 2137 betrug, so erkennen wir so recht den Aufschwung, den Friedenau seit jener Zeit genommen hat. Es gab damals 76 Villengrundstücke. Die Einkommensteuer wurde mit 85 Prozent erhoben, Kreissteuern gab's noch gar nicht. Die Einkommensteuer war mit 7150 M. angesetzt, die Grundsteuer mit 5893 M., die Hundesteuer, die mit 6 M. erhoben wurde, brachte 770 M. (Oh). Der Etat balanzierte mit 14000 M. (Heiterkeit). Wir sehen also, daß die Entwicklung eine große war. Die Schulen kosteten damals 1800 M (Heiterkeit) und der Armenetat betrug 1600 M. Sie, mein hochverehrter Herr Geheimrat Homuth, haben diese schwunghafte Entwicklung mitgemacht und sich dabei hervorragend betätigt; Sie gehörten der Schuldeputation, dem Schulkuratorium, dem Gesundheits-, dem Anleiheausschuß, dem Rechnungsprüfungs- und Steuerausschuß an. Nun, ich brauche wohl nicht viele Worte zu machen, Herr Homuth ist der ruhende Punkt in der Erscheinung Flucht gewesen. Besonders an der Etatsberatung hat er sich regebeteiligt, keiner kannte den Etat so genau, wie er, man hörte aufmerksam zu, was er sagte und sein Wort galt. So glaube ich wohl in aller Namen zu sprechen, wenn ich Herrn Homuth den besten Dank der Gemeinde für seine Tätigkeit ausdrücke (Zustimmung).

 

Wir haben nun, Herr Homuth, beschlossen (die Gemeindevertreter erheben sich von ihren Plätzen) Sie zum Gemeindeältesten zu ernennen. Wir gratulieren Ihnen und bitten Sie, die Ehre, die Ihnen dadurch zuteilwird, als eine wohl verdiente anzunehmen. Wir haben einen Ehrenbürgerbrief anfertigen lassen, den ich Ihnen hiermit überreiche. (Bürgermeister Walger überreicht bei diesen Worten Herrn Homuth einen wundervollen, von Herrn Professor Vital-Schmitt künstlerisch hergestellten Ehrenbürgerbrief). Ich hoffe, daß Sie durch diesen Brief an uns gefesselt bleiben. Nochmals herzlichsten Dank für die Aufopferung in den 18 Jahren und für alles, was Sie für die Gemeinde getan haben (Bravo).

 

Gemeindeältester Homuth antwortet tief bewegt: Meine Herren, Sie haben mich sehr überrascht. Nehmen Sie für diese Ehrung meinen herzlichsten Dank entgegen. Sie wissen ja, ich bin kein großer Redner. Daß Sie meiner in dieser Weise gedacht haben, ehrt mich sehr; aber, meine Herren, ich habe auch nicht mehr getan, wie meine Kollegen, nicht mehr, als wie es die Pflicht eines jeden Gemeindevertreters ist. Wenn ich mehr als andere in Ausschüssen beschäftigt wurde, so lag dies wohl daran, daß ich Zeit hatte. Mit dieser Ehrung haben Sie mich wirklich überrascht; man hat doch sonst immer etwas Ahnung, diesmal aber ist es so geheimnisvoll gemacht worden, daß ich wirklich nichts wußte (Heiterkeit). Sie können sich denken, daß mir der Entschluß, mich nicht mehr zur Wahl stellen zu lassen, schwer wurde. Doch die vielen Anforderungen und Aufgaben, die jetzt einem Gemeindevertreter gestellt werden, sind derart hohe, daß ich mich bei meinem Alter diesen nicht mehr gewachsen fühle, ich kann es nicht mehr machen. Herzlichen Dank für die große Ehre; ich werde! Friedenau treu bleiben und wenn ich auch nicht mehr hier mitwirken kann, so werde ich doch mit vollem Interesse allen Vorgängen in Friedenau folgen und, meine Herren, sollte ich Ihnen irgendwie nützlich sein können, so werde ich es gern tun. (Bravo). Ich hatte mich hier der Liebe und Freundschaft zu erfreuen gehabt; wir sind immer gut zuwege gekommen; es ist hier bisher alles friedlich und freundlich verlaufen und wenn einmal ein Mißton hineinkam, so hat doch keiner dem andern etwas nachgetragen, man war wieder Freund, wenn die Sitzung zu Ende war (sehr richtig). Ich wünsche, daß es auch ferner so bleiben möge. Mein Bestreben war stets darauf gerichtet, für das Wohl der Allgemeinheit einzutreten; ich habe niemals Sonderinteressen verfolgt. Wenn manche wünschten, daß für die Arbeiter und für Wohlfahrtseinrichtungen mehr geschehen könnte, so ist doch auch zu berücksichtigen, daß die Gemeinde mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln rechnen mußte. Was geschehen konnte, das ist geschehen (sehr richtig). Meine Herren, sollte ich in den Verhandlungen mal ein hartes Wort, obgleich ich mich dessen nicht erinnern kann, gesprochen haben, durch das sich Jemand verletzt fühlte, so bitte ich herzlich um Verzeihung. Ich wollte gewiß Niemand wehe tun. Nehmen Sie nun nochmals für die mir erwiesene Auszeichnung meinen tief gefühlsten, herzlichsten Dank entgegen. Ich werde Ihrer stets gedenken und wenn ich eine Bitte aussprechen darf, so ist es die, auch mir ein gutes Andenken zu bewahren (Bravo).

Aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger vom 18. März 1910

 

Johannes Homuth starb am 2. März 1922. Begraben wurde der Gemeindeälteste in einem Ehrengrab auf Friedhof Stubenrauchstraße (Grablage 25-1). Die Inschrift: Hier ruht in Frieden mein inniggeliebter Mann der Geh. Kanzleirat Johannes Homuth, Gemeindeältester zu Friedenau. Sein Leben war hilfsbereit, edel und gut. Fünf Jahre später starb seine Frau Maria geb. Köhler (1843-1927). Nach dem Tod von Johannes Homuth findet sich im Adressbuch unter Saarstraße Nr. 14 bis 1928 der Eintrag: Eigentümerin Homuth, M., verw. Geh. Kanzlei-Rath.

 

1929 erwarb der Malermeister Hans Walldorf das Anwesen. Laut Adressbuch war Walldorf bis 1954 Eigentümer. Am 24. November 2009 wurde im Grundbuch der Zeltlagerplatz e. V. Bonn eingetragen, der Vermögensträger der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Der Architekt Martin Beisenwenger übernahm Umbau und Modernisierung des denkmalgeschützten Landhauses. Am 12. März 2011 wurde das Luise & Karl Kautsky-Haus eröffnet.

 

In der Baubeschreibung heißt es beim Landesdenkmalamt Berlin (LDA), 1900-02 lebte hier der bedeutende sozialdemokratische Theoretiker Karl Kautsky (1854-1938), und fügt (sich absichernd) hinzu, wie eine Gedenktafel am Haus mitteilt. Dem LDA war bekannt, dass Kautsky seit der bis heute beibehaltenen Nummerierung von 1902 im Haus Saarstraße Nr. 19 wohnte. Dort wurde am 27. Januar 1980 auch jene Bronzetafel enthüllt, die später am (falschen) Haus Saarstraße Nr. 14 angebracht wurde. Das führte dazu, dass die Edition Friedenauer Brücke 2007 mit einer seltsamen „Lyrik“ aufwartete: Die Kautskys wohnten von 1900 bis 1902 in der kleinen Villa mit Garten in der Saarstraße 14. Zur Familie gehörten neben der Ehefrau Luise, den drei gemeinsamen Söhnen Karl, Felix und Benedikt und der Haushälterin Zenzi auch Minna Kautsky, die Mutter von Karl. Bei den regelmäßig stattfindenden Sonntagsgesellschaften im Hause Kautsky kam oftmals die gesamte Parteiprominenz zusammen, August Bebel und Franz Mehring, am häufigsten jedoch besuchte damals Rosa Luxemburg das Haus in der Saarstraße 14. Das alles wird seitdem nachgeplappert.

 

Entscheidend ist, dass das Homuthsche Landhaus von 1884 gerettet wurde. Wer sich die Fotos von vorher ansieht und das Haus heute außen und innen betrachtet, kann dem Architekten Martin Beisenwenger nur Hochachtung zollen. Was er bei einer Geschossflächenzahl von 604 m² geschickt untergebracht hat, nötigt Respekt ab, weil das ehrwürdige Haus respektiert wurde. Ob die steilen Stufen im Treppenhaus, Geländer, Fenster, Türen oder der Ziergiebel zur Straße, alles wurde umsichtig restauriert – selbst das Bidet von anno dunnemals wurde erhalten.