THE FRIEDENAUER, Blick von der Ruben- Ecke Hauptstraße Quelle OFB

The Friedenauer

 

Auf dem Bahndamm, auch Friedenauer Höhe genannt, entsteht derzeit The Friedenauer, ein elfgeschossiges Bürohochhaus mit einem sechsgeschossigen Quergebäude für Büros, Einzelhandel und Gastronomie. Auftraggeber ist die OFB Projektentwicklung GmbH Berlin. Der Entwurf stammt von Tschoban Voss Architekten, die derzeit Stadt und Land mit einfältigen Bauten möblieren. Angeführt wird das Unternehmen von Sergei Tschoban, der 1962 in Leningrad geboren wurde und an der dortigen Kunstakademie der UdSSR Architektur studierte. 1991 kam er nach Deutschland und erhielt 1995 die deutsche Staatsbürgerschaft. Als sich 2017 abzeichnete, daß sich seine Entwürfe für die Bebauung der Friedenauer Höhe durchsetzen würden, gründete er die Tschoban Voss Architekten GmbH. Seither ist sein Büro dort mit schrecklichen Bauten im Geschäft.

 

 

 

 

 

 

Von der Geschichte rund um den Innsbrucker Platz will Tschoban nichts wissen. Es interessiert weder den Bauherrn OFB noch Tschoban Voss, daß ihre Bauten nicht für sich allein stehen, sondern zu den Häusern der Nachbarschaft stehen sollten. Sie bauen nach ihrem schlichten Geschmack, ohne rechtes Maß und angemessene Form - ein vulgärer Bau, gerasterte Fassade, weiß geputzt, schmale Fenster, im Erdgeschoss Aldi, Lidl, Edeka oder Rewe, oben drauf eine grüne Dachterrasse, damit die Versiegelung des Bodens ausgeglichen wird.

 

Das Schlimme daran ist, daß derzeit mehr als 1,75 Millionen Quadratmeter Bürofläche nicht gebraucht werden und die Nachfrage weiter sinkt. Mit einer Baugenehmigung des Bezirksamtes Tempelhof- Schöneberg kommen bis zum zweiten Quartal 2027 ca. 21.000 mz hinzu, schöngeredet mit 114 Pkw- Stellplätzen (teilweise mit E-Lademöglichkeiten) und 70 Fahrradstellplätzen, alles selbstverständlich umweit- und klimagerecht mit einem CO2 neutralen Gebäudebetrieb.

 

Begonnen hat es am Innsbrucker Platz 1926/27 mit der Architektengemeinschaft von Paul Mebes und Paul Emmerich, die für die DeGeWo als Blockrandbebauung eine fünfgeschossige Wohnanlage schufen, die zum Platz hin mit einem sechsgeschossigen Kopfbau abgeschlossen wurde. Obwohl die Bauten im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurden, hielt Berlin an diesem Konzept fest und ließ die Gebäude 1949/50 wieder errichten.

 

Wenige Jahre später begann eine neue Zeit. Im Westen Berlins war die Gefahr eines Krieges zwischen Ost und West allgegenwärtig. Die Wohnungsnot blieb. 1956/58 entstand nach einem Entwurf von Architekt Hans Schoszberger in der Hauptstraße Nr. 92 bis Nr. 93 über einem zweigeschossigen Sockelbau für Büros und Ladenlokale ein elfgeschossiges Wohnhochhaus mit 77 Ein-Zimmer-Apartments und 44 Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen als Stahlbetonskelettbau mit versteifenden Stahlbetondecken. Diese Konstruktion mit zwei separaten, möglichst weit voneinander entfernt liegenden Stahlbetontürmen für Treppen und Aufzüge, zwischen denen die Wohnungen über Laubengänge erschlossen wurden, boten den größtmöglichen Schutz. Der Volksmund nennt den Bau Atomhochhaus.

 

1995 entstand gegenüber an der Hauptstraße 65 schließlich ein Bürocenter mit einer energiesparenden Fassade. Das architektonisch ansprechende Gebäude erstreckt sich insgesamt über neun Etagen und die Erschließung erfolgt ausgehend von einem zentralen Eingangsbereich über ein Haupttreppenhaus mit drei Personenaufzügen.

 

Doch zurück zum The Friedenauer. Denn so ganz scheint Bauherr OFB Projektentwicklung GmbH Berlin selbst nicht überzeugt zu sein. Propagiert wird eine hervorragende Verkehrsanbindung und überzeugende Zentralität. Neben der sehr guten innerstädtischen, regionalen und überregionalen ÖPNV-Anbindung sowie dem nahen ICE-Bahnhof am Berliner Südkreuz bietet der Standort außerdem eine direkte Anbindung zum Stadtring. Geworben wird aber insbesondere mit Friedenau als ruhige und gutbürgerliche Wohngegend, womit das Bürohaus aber augenscheinlich gar nichts zu tun hat.

 

Die Absurdität des Projekts zeigt sich schon im verdruckst weitläufig daherkommenden Namen The Friedenauer. Das ist Werbesprech der schlimmsten Sorte, eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, eine glatte Irreführung. Friedenau ist vom The Friedenauer so weit entfernt, wie die Sonne von der Erde. Gutbürgerlicher Glanz des Kiezes soll abfallen auf das schnöde Bürogebäude neben der Autobahn. Wer’s glaubt, wird selig. Die Betonwüste der sogenannten Friedenauer Höhe zeigt bereits jetzt, welche Trostlosigkeit uns die verfehlte Baupolitik des Bezirkes beschert hat und mit The Friedenauer weiterhin bescheren wird.

 

Auf dem Bahndamm. Foto Hahn & Stich, 13.05.2020

 

 

Die Bau- und Immobilienbranche schreckt auch vor Lügen nicht zurück. Die geplanten 1500 Wohnungen sollen unter dem Slogan Friedenauer Höhe an die Leute gebracht werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Höhe, sondern um einen Bahndamm, der Ende des 19. Jahrhunderts für den Bau der Ringbahn aufgeschüttet wurde und etwa 7 Meter über dem eigentlichen Niveau von Friedenau liegt. Auf dem Damm befinden sich die Trassen für den Güterinnenring der Deutschen Bahn und die S-Bahn - und gleich nebenan die A 100 (Stadtring) mit den Aus- und Auffahrten Innsbrucker Platz. Suggeriert wird, dass im Herzen Berlins ein Zukunftsquartier entsteht, das die Vorzüge eines schönen, historisch gewachsenen Stadtteils harmonisch mit den Ansprüchen an wegweisend urbanes Leben verbindet. MAN MIETET EINE WOHNUNG UND GEWINNT EINEN GANZEN LEBENSRAUM. Laut Werbung wächst ein historischer Stadtteil in die Zukunft. Angeblich nur, denn vorrangig gilt das Motto: Bauen, was Berlin am meisten braucht, attraktive Mietwohnungen, ergänzt um Einzelhandel, Cafés, Restaurants und Büros. Das nahezu autofreie Areal und die vielen Grünflächen, Spielplätze, Fuß- und Radwege sowie die exzellente Verkehrsanbindung machen das Quartier zu einem entspannt urbanen Lebensraum, das in jeder Hinsicht und Ansicht überzeugt. Kurzum: Das neue Quartier: ist ein Vorbild im Stadtbild - mit ca. 1.150 attraktive Mietwohnungen (ohne geförderten Wohnungsbau), ca. 20.000 m² Gewerbeflächen, über 2.000 Fahrradeinstellplätze in Tiefgaragen, ca. 550 PKW-Tiefgaragenplätze. Verkündet wird: Ende 2022 geplante Fertigstellung Wohnungsbau und öffentliche Grün-/Weganlagen, Ende 2023 geplante Fertigstellung gesamtes Quartier. Mitte Juni 2020 sieht es nicht danach aus. Gebaut wird auf einem Bruchteil des Areals. Der große Rest ist Sandwüste.

 

Da wir auf dieser Webseite nicht darum herumkommen werden, über dieses Bauprojekt zu berichten, haben wir uns nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, unsere Beiträge dazu unter dem Titel Auf dem Bahndamm zu veröffentlichen.

 

 

Kein Lärmschutz am Innenring

 

Bekannt wurde Anfang April 2018, dass die Deutschen Bahn AG den Antrag auf Planfeststellung für die Elektrifizierung des westlichen Güter-Innenrings zurückgezogen. Das ist bedauerlich für die gesamte Bahntrasse zwischen Westend und Tempelhof, das ist letztendlich auch eine schlechte Nachricht für die Wohnbebauung auf dem ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf. Es wird also keine Verbesserungen beim Lärmschutz an der von S-Bahn, Bahn und Stadtautobahn stark belasteten Strecke geben. Auch Friedenau wird weiterhin mit den von Dieselloks gezogenen Güterzügen leben müssen.

 

Mit der Elektrifizierung des Innenrings hätten die bisherigen Anlagen ihren „Bestandsschutz“ verloren. Damit wäre die gesamte Trasse als „Neubau“ eingestuft worden, für die Lärmschutz nach aktuellen Maßstäben verpflichtend ist. Mit der Befürwortung des DB-Antrags wollten auch SPD und GRÜNE von Tempelhof-Schöneberg zwei Fliegen mit einer Klappe wollten schlagen, weil die DB damit für einen umfassenden Lärmschutz mit bis zu 6 Meter hohen Lärmschutzwänden hätte sorgen müssen.

 

Fakt wäre allerdings gewesen, dass die Deutsche Bahn AG nach der Elektrifizierung in der Lage gewesen wäre, ICE- und Güterzüge aus allen Himmelsrichtungen mitten durch die Stadt fahren zu lassen. Das hätte zweifellos zu einer Zunahme des Zugverkehrs geführt. Nach dieser Pleite orientiert das rot-grüne Tempelhof-Schöneberg auf das kleinere Übel: Mit dem Diesellokbetrieb werden die Belastungen wohl auch in Zukunft überschaubar bleiben.