Plan von 2000. Senat von Berlin

Am 25. Juni 1906 brachte Bürgermeister Bernhard Schnackenburg (1867-2914) zur öffentlichen Kenntnis, dass die Straßen und der Platz auf dem früheren Sportparkgelände wie folgt benannt worden sind: Platz G: Wagner-Platz; Straße A: Isoldestraße; Straße B zwischen Handjerystraße und Wagner-Platz: Evastraße; Zwischen Wagner-Platz und Kaiserallee: Sentastraße; Straße C von der Bismarckstraße bis zum Wagner-Platz: Elsastraße und vom Wagner-Platz bis Varziner Straße: Brünnhildestraße; Straße D: Kundrystraße; Straße E: Ortrudstraße; Straße F: Sieglindestraße.

 

Über die Benennung wurde zuvor viel diskutiert. Mit Blick auf das im Friedenauer Teil von Schöneberg entstandene Malerviertel, wo den Malern und Bildhauern in den Straßennamen eine Ehrung zuteil geworden, sollten hier Komponisten verewigt werden. Andere wollten die unerfreuliche Tatsache aus der Welt schaffen, dass keine Straße in Friedenaum einen weiblichen Vornamen hat. Das führte schließlich zu Richard Wagner (1813-1883) und seinen Opernheldinnen, darunter Sieglinde, eine Figur aus der Oper Die Walküre, wo Siegmund in der Hütte Hundings auf seine geraubte Zwillingsschwester trifft und beide von einer verbotenen Leidenschaft übermannt werden.

 

Filmplakat Alma & Oskar

Cosima - Wiedereröffnung am 6. Juli 2023

 

Am zweiten Juni-Wochenende erreichte uns eine höchst erfreuliche Nachricht von Norbert Wassmund aus der Lauterstraße: Nun ist es soweit: am 1. Juli 2023 wird das Cosima-Kino wieder seinen Betrieb aufnehmen. Kino-Betreiber Karlheinz Werich-Opitz hat mit Unterstützung durch Hausbesitzerin Cornelia Bettenhausen trotz monatelanger Verzögerungen bei den technischen Installationen die Sanierung des Kinos fast beendet. Letzte Feinarbeiten laufen derzeit. 119 bequeme Sitze mit Beinfreiheit, eine große Leinwand und moderne Ton- und Lichtinstallationen sollen für ein ansprechendes Filmerlebnis sorgen. Vor dem Kino werden Sitzmöglichkeiten angeboten.

 

Als Journalist und Filmredakteur i. R. im benachbarten Deutschlandradio (und Friedenauer) habe ich die Bemühungen von Herrn Opitz, dem Cosima wieder Leben einzuhauchen, verfolgt. Letzten Donnerstag habe ich mit ihm das Kino besichtigt und mich über die Arbeiten informiert. Am 1. Juli sind  alle Interessierten zu einer kostenlosen Kino-Tour um 16, 18 und 20 Uhr eingeladen. Das reguläre Kinoprogramm startet am 6. Juli 2023 mit Alma & Oscar, ein Spielfilm von Dieter Berner mit Emily Cox als Alma Mahler und Valentin Postlmayr als Oskar Kokoschka.

 

Nach dem Tod von Gustav Mahler im Mai 1911 verführt dessen Witwe und  Grande Dame der Wiener Gesellschaft Alma Mahler im Frühjahr 1912 den jungen Maler und das Enfant terrible der Kunstszene Oscar Kokoschka. Aus einem sexuellen Abenteuer entwickelt sich eine leidenschaftliche Affäre. Oskar sieht Alma als seine Muse und will sie besitzen, während Alma selbst als Komponistin tätig ist. Es entwickelt sich ein Spiel um Abhängigkeit und Macht, das die beiden an den Rand der Selbstzerstörung bringt

 

 

 

Nach der Premiere im November 2022 beim International Film Festival of India wurde der Film im Januar 2023 auf den Solothurner Filmtagen und Ende März 2023 auf der Diagonale in Graz vorgestellt. Mit dem deutschen Kinostart von Alma & Oscar im Cosima am 6. Juli 2023 setzt der neue Kinobetreiber Karlheinz Opitz die dezidierte Filmauswahl seines Vorgängers Lothar Bellmann mit herausragenden Filmen fort. Toi-toi-toi und allerbeste Wünsche.

 

Ein erster Blick

 

Man geht so gern ins Cosima, 1949

Sieglindestraße Nr. 10

Cosima

 

Vor einigen Jahren dachten wir über das Cosima nach, und fragten uns, wann wir zum letzten Mal dort waren. Das Kino mit seiner dezidierten Filmauswahl hatte unsere Abstinenz nicht verdient. Etwas beruhigt waren wir, als dem Betreiber Lothar Bellmann 2013 eine Förderung für die erstmalige technische Umstellung von Filmtheatern auf digitales Filmabspiel bewilligt wurde.

 

Die offizielle Adresse des Cosima ist Sieglindestraße Nr. 10. Das Eckgrundstück Brünnhilde- und Sieglindestraße gehörte der Berlinischen Boden-Gesellschaft und wurde 1906 vom Berliner Baumeister Karl Graf erworben, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Haus nach seinem Entwurf errichtet wurde. 1942 wurde das Anwesen von Jacques Bettenhausen (1866-1944) erworben. Bettenhausen hatte einst im Dresdner Hauptbahnhof mit einem Bauchladen preiswerte Bücher verkauft. Bald hatte er einen Kiosk in der Bahnhofshalle. Er gründete die Firma Jacques Bettenhausen & Sohn, pachtete weitere Standorte, auch in den Berliner S- und U-Bahn-Stationen. Mit den Gewinnen kaufte er Immobilien, Lahmann-Sanatorium und Parkhotel auf dem Weißen Hirsch in Dresden. In den 1930er Jahren kamen Lichtspieltheaterbetriebe hinzu, darunter die Berliner Kino-Kette Thomas & Co., zu der wohl auch das Cosima gehörte, das als Cosima Lichtspiele allerdings erstmals 1943 im Adressbuch aufgeführt ist. Die Weltkriegsbomben haben das Haus verschont. Bis 1950 wird das Filmtheater von der Treuhand-Verwaltung H. Pätzold geführt. Danach wird bis 1962 als Inhaber die W. Schönstedt Polygon-Lichtspiel-Betriebe Schönstedt & Co. KG genannt. Ab 1993 ist es die Bundesplatz-Studio Kinobetrieb GmbH.

 

 

 

 

Anfang Februar 2021 startete Orkan Özdemir seinen Wahlkampf um einen Platz im Berliner Abgeordnetenhaus. Seit zehn Jahren gehörte er zur SPD-Fraktion in der BVV von Tempelhof-Schöneberg. Was er bewegt hat, bleibt sein Geheimnis. Der Dipl. Politologe studierte am Otto-Suhr-Institut der FU Politikwissenschaften, was nach dem Fall Giffey auch keine besondere Reputation bedeutet. Er bekam dennoch einen Job als politischer Grundsatzreferent in der Senatsverwaltung für Inneres. Da ihm für den Wahlkampf in Friedenau nicht viel einfiel, stürzte er sich auf die Nachricht, dass dem langjährigen Betreiber des ‚Cosima‘ Lothar Bellmann gekündigt worden sei. Angeblich  soll es auch eine Protestpetition gegeben haben, von der wir, gewöhnlich gut informiert, nichts vernommen haben. Die Newsletter-Produzentin des ‚Tagesspiegel‘ sprang auf das Trittbrett. Zwei Tage später ruderte Sigrid Kneist zurück: Aufgrund eines Irrtums erschien im gestrigen Tagesspiegel (17.2.2021) auf der Seite Stadtleben eine veraltete Version der Geschichte um das Cosima-Kino.

 

Hätten Özdemir & Kneist anständig recherchiert, dann hätten sie erfahren können, dass die Hauseigentümer das Cosima auf jeden Fall erhalten möchten, dass es Lothar Bellmann selbst war, der Karlheinz Opitz vom Filmtheater Eva als Nachfolger empfohlen hatte, dass weitgehendes Einvernehmen zwischen Hauseigentümer und Kinobetreiber besteht, und dass es letztendlich zwischen Bellmann und Opitz um die Ablöse ging. Stattdessen wurde hier wie dort auf die Tränendrüse gedrückt: Das Cosima-Filmtheater hatte Bellmann in den sechziger Jahren von seiner Mutter übernommen. Es ist eine Institution, die einen festen Bestandteil der Friedenauer Kiezkultur darstellt und kaum wegzudenken ist. Die Geschichte war peinlich. Sie sprach weder für die Seriosität der Journalistin Sigrid Kneist noch für die Glaubwürdigkeit von Orkan Özdemir.

 

Am 4. November 2021 erhielten wir die Nachricht, dass das Cosima vorübergehend geschlossen ist. Wir informierten Sigrid Kneist per Mail mit der Bitte um Recherche. In der Tat klebten die Zettel noch am 8. November in den Schaukästen: Das Cosima bleibt mit sofortiger Wirkung geschlossen sowie Das Cosima ist vorübergehend geschlossen. Es öffnet wieder. Zwei Wochen brauchte die Tagesspiegel-Newsletter-Lieferantin für die Recherche. Am 17. November dann in LEUTE Tempelhof-Schöneberg wieder nur Informationen aus zweiter Hand: Wie der Friedenauer Autor Christian Walther auf Facebook postete und Bellmann war jetzt für eine Stellungnahme nicht zu erreichen sowie Die Hausverwaltung äußert sich nicht zum Stand der Dinge. Das hatte sie bereits im Februar 2021 geschrieben. Vor Ort war sie jetzt nicht.

 

Andreas Hartmann hat für die taz zum Fall Cosima recherchiert. Seine Beiträge:

taz, 22.2.2021 https://taz.de/Kino-in-Friedenau/!5750186/

taz, 18.11.2021 https://taz.de/Streit-um-Kino-in-Friedenau/!5812468/

 

Für Orkan Özdemir hat sich die Cosima-Petition gelohnt. Bezog er bisher in der BVV eine Aufwandsentschädigung von 625 € monatlich, so erhält er nun neben seiner Referenten-Vergütung der Senatsverwaltung als Mitglied des Abgeordnetenhaus eine Aufwandsentschädigung von monatlich 6.250 €. Dazu kommt eine monatliche Kostenpauschale für Schreibarbeiten, Porto, Telefon, Fahrkosten und die Unterhaltung eines Büros außerhalb von 2.642 €. Außerdem übernimmt das Land für jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses die nachgewiesenen Zahlungsverpflichtungen, die ihm aus der Beschäftigung von bis zu drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen, soweit der vereinbarte Arbeitslohn insgesamt einen Betrag von monatlich 4.327 Euro zuzüglich der gesetzlichen Lohnnebenkosten des Arbeitgebenden nicht übersteigt. (Zitiert aus § 6, Leistungen für Abgeordnete).

 

Kino-Werbung 1918

Lichtspieltheater in Friedenau

 

Friedenau hatte einige Kinematographen-Theater. Zwei haben (bis heute) überlebt, das Cinema und das Cosima. Ein Überblick:

 

Bundesallee 72, damals Kaiserallee, 1912-1915 Pfalzburg-Lichtspiele, 155 Plätze

 

Bundesallee 102, damals Kaiserallee. 1912 als Kammerlichtspiele mit 150 Plätzen eröffnet, später umbenannt in Rheineck-Lichtspiele (1918), Thalia-Lichtspiele (1929) und Friedenauer-Lichtspiele (1948). Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. Auf dem Grundstück entstanden nacheinander die Neubauten Kaufhaus Held (1953), Kaufhaus Hertie (1973) und Schloss-Straßen-Center (2007).

 

Bundesallee 111, damals Kaiserallee. 1911 als Corso-Lichtspiele eröffnet, 119 Plätze, später umbenannt in Kolibri-Lichtspiele (1919), Friedenauer-Lichtspiele (1928-1959) und Cinema (1959).

 

 

 

Handjerystraße 64, Hohenzollern-Lichtspiele (1912-1938), 600 Plätze. Das Kino auf dem Hof der Hohenzollern-Festsäle wurde in den Saal eingebaut. Werbung: Vornehmstes Tagesrestaurant, Familienlokal mit tadelloser Kegelbahn, Friedenauer Vereinslokal und Filmpalast Hohenzollern. Gebäude zerstört.

 

Hauptstraße 78/79, Roxy-Palast (1922-1977), 1106 Plätze. Auf die 1977 etablierte Diskothek La Belle wurde in der Nacht vom 4. auf den 5. April 1986 ein Bombenanschlag verübt, bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Die Diskothek wurde danach nicht mehr geöffnet. Nachmieter bis 2009 Gota Fachmarkt. Mit dem Einzug des LPG Biomarkts wurden Saal und Balkon des Roxy rekonstruiert und wieder sichtbar gemacht.

 

Rheinstraße 14, Biophon-Theater (1909-1932), 300 Plätze. Damalige Werbung: Ältestes, bedeutend vergrößertes und aufs Beste ventiliertes Kinematographen-Theater am hiesigen Platze. Stets wechselndes Programm. Täglich 2 große Schlager. Große Revue der neuesten Ereignisse aus aller Welt. Anfang sonntagnachmittags 4 Uhr. Wochentags 6 Uhr. Billige Eintrittspreise. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Es entstand ein Neubau, in dem heute der REWE-Supermarkt untergebracht ist.

 

Rheinstraße 60, Rheinschloß-Lichtspiele (1912-1975), 488 Plätze. Danach ALDI. Mit dem Einzug des Biomarkts und der erfolgten Restaurierung ist der Kinosaal wieder erkennbar.

 

Rheinstraße 65 Unter den Namen Kino-Welttheater (1907), Kronen-Filmtheater (1916-1969), 420 Plätze. Die Presse schrieb zur Eröffnung am 6. Januar 1907: Der Kinematograph ist in der letzten Zeit in Verruf geraten; man denkt an einen Ort, wo dem Sinnenkitzel verlebter Kreise Befriedigung geboten wird, man denkt an einen Ort, wo man unsere überreizten Nerven sinnlich aufregen will, wo unsere Jugend verführt wird - kurz an eine Stätte, wo das Laster zu Hause ist! In diese Vorstellungsreihen hinein tönt nun der Ruf: Reform! Saal erhalten, heute Trattoria dell’ arte.

 

Stubenrauchstraße 21 Baby-Lichtspiele (1952-1969), Plätze 156. Das kleinste Kino in der größten Stadt Deutschlands. Gebäude erhalten.

 

Südwestkorso 64 Korso-Lichtspiele (1956-1973), 156 Plätze. Seit 1973 Kleines Theater am Südwestkorso.

 

Sieglindestraße 4. Foto Jürgen Hentschel

Sieglindestraße Nr. 4

 

 

In Vorbereitung

 

Sieglindestraße Nr. 6

Julius Kaapke‘s Bier-Quelle

 

Das Grundstück Sieglindestraße Nr. 6 hatte der Wilmersdorfer Schlossermeister Eggert 1906 für einen Neubau erworben. 1908 war das mehrstöckige Mietswohnhaus errichtet, allerdings hieß der Eigentümer dann schon Fritsch. Die Photographie von Julius Kaapke‘s Bier-Quelle und den Läden für Confitüren und Seifen muss unmittelbar danach entstanden sein. Kaum hatte die Terraingesellschaft Berlin-Südwest mit den Bauten am Südwestkorso begonnen, sah Julius Kaapke dort das bessere Geschäft und beantragte für das Haus Südwestkorso Nr. 4 eine Schankerlaubnis für ein größeres Lokal.

 

 

Da die Gemeindeverwaltung diese verweigerte, klagte er vor dem Kreisausschuss, und betonte in seinem Gesuch, dass in dem Straßenzug zwischen Kaiserallee und Stubenrauchstraße sich kein solches Lokal befindet. Die Ortsbehörde erkannte ein Bedürfnis nicht an, da sich in einem Umkreise von 300 Meter bei einer Einwohnerzahl von 3747 bereits 18 Schankwirtschaften befänden. Kaapke bemerkte, er habe sein bisheriges Geschäft 3 ¼ Jahr betrieben und es sei sein Wunsch, seinen Betrieb zu verlegen und ein größeres Restaurant zu führen. Die Räume seien auch der Gegend entsprechend eingerichtet. Die Gemeinde widersprach: Von einer Verlegung könne keine Rede sein, da das bisher von Kaapke innegehabte Lokal vom Hauswirt weiter betrieben wird. Der Kreisausschuss gab dem Kläger Recht und berücksichtigte dabei, dass einige der vorhandenen Wirtschaften für die dortige, an Einwohnerzahl schnell zunehmende Gegend, kaum in Betracht kommen könnten.

 

Kaapke setzte sich durch. Die von ihm eröffnete Kneipe in der Sieglindestraße Nr. 6 blieb mit wechselnden Pächtern bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen. Geblieben sind bis heute die drei Ladenlokale im Erdgeschoss, die inzwischen allerdings anderweitig genutzt werden.