1906 Marktplatz. Archiv Rüdiger Barasch

Rathaus Friedenau

 

Zwei Monate nach Gründung von Friedenau wurde am 11. Januar 1875 der Geheime Rechnungsrat Georg Roenneberg (1834-1895) zum ersten Gemeindevorsteher gewählt. Die Amtsgeschäfte erledigte er täglich 4 ½ bis 5 ½. in seinem Wohnhaus Moselstraße Nr. 4-5. Nachfolger wurde 1892 sein Bruder Major a. D. Albert Roenneberg (1842-1906), der im ersten Stock des Mietshauses Feurigstraße Nr. 8 (Schnackenburgstraße) immerhin ein Amts-Bureau einrichtete. Nach dem Rücktritt des Majors 1902 suchte die Gemeinde einen Beamten aus der Staats- oder Kommunal-Verwaltung, der seine Sache versteht. 1903 wurde der Jurist Bernhard Schnackenburg (1867-1924) zum Bürgermeister gewählt, der zuvor als Stadtrat in Posen (1886) und Halle (1899) tätig war.  1906 kam Regierungsbaumeister Hans Altmann (1871-1965) als Gemeindebaurat hinzu.

 

 

 

Mit Altmanns Erfahrungen als Stadtbauinspektor von Elberfeld und Schnackenburgs Autorität als Verwaltungsexperte wurde der Weg von der Landhauskolonie zum Berliner Vorort geschaffen – darunter die Bebauungspläne für Wagner-Viertel (1908) und Südwestkorso (1909). Nachdem Schnackenburg zum Oberbürgermeister von Altona gewählt worden war, folgte 1910 der Jurist Erich Walger (1867-1945) als Bürgermeister. Er war von 1901 bis 1904 Magistratsassessor in Charlottenburg und danach Stadtrat in Halle. Von 1906 bis 1909 gehörte er als Stadtrat dem Schöneberger Magistrat an.

 

Friedenau hatte 1910 über 30.000 Einwohner. Nun wurde wieder über den Bau eines Rathauses diskutiert. Der einst angedachte Standort am Wilmersdorfer Platz kam nicht mehr in Betracht, da dieses Grundstück inzwischen für das Reichspostamt vorgesehen war. Der Marktplatz kam ins Gespräch, da die Gemeinde im Besitz des Grundstücks Niedstraße Nr. 2 war und mit dem Ankauf des Anwesens Niedstraße Nr. 1 für den Rathausbau eine Fläche von 3.066 m² zur Verfügung stehen würde.

 

Ein Preisausschreiben für den Rathausbau brachte kein befriedigendes Ergebnis. Einzig der Entwurf von Hans Altmann erreichte die einstimmige Zustimmung der Gemeindevertreter. Beschlossen wurde, diesen Bauentwurf schnellstens auszuarbeiten. Da aber der Bau von Schulen drängender war, wurde vom Rathausbau einstweilen abgesehen. Die Planungen gingen weiter und mit ihnen erhöhte sich der Raumbedarf. Hinzu kamen Bürgermeisterwohnung, Feuerwache, Sparkasse, Ratskeller und Bürgerfestsaalmit separatem Eingang in der Hauptstraße, damit eine Störung des Geschäftsbetriebes im Rathaus vermieden wird. Entgegen der Bauordnung sollte die Höhe um ein Geschoss überschritten und ein Straßenstück dem Baugrundstück hinzugeschlagen werden. Obwohl dies eine Änderung der Baufluchtlinie um 12 Meter Tiefe zur Folge hatte, erteilte die Königlich-Preußische Regierung zu Potsdam am 25. Juni 1913 die Genehmigung.

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Grundsteinlegung mit Bürgermeister Walger (3) und Architekt Altmann (1)

Am 18. Oktober 1913 erfolgte die Grundsteinlegung. Bürgermeister Erich Walger ergriff das Wort: Wenn wir heute, am Tage der Schlacht bei Leipzig, die unserem Volke die Freiheit brachte, den Grundstein zu unserem Rathaus legen, so ist dies umsomehr ein Tag hoher Freude, als die Vorgeschichte dieses Baues eine Leidensgeschichte ist, wie sie in der Historie der Rathäuser wohl selten zu finden sein dürfte. Schon vor vielen Jahren war der Bau eines Rathauses geplant, aber wegen dringenderer Aufgaben immer wieder verschoben worden. Als aber dann wirklich ans Werk gegangen werden sollte, und statt des bis dahin in Aussicht genommenen Bauplatzes ein neuer vorgeschlagen wurde, entbrannte ein Kampf, der teils von Interessenten, teils von Uneigennützigen mit allen Mitteln geführt wurde. Möge der  Bau ein Wahrzeichen für den einigen, aufopfernden Bürgersinn der Gemeinde werden, und daß in ihm die Selbständigkeit, die Wohlfahrt und das Glück der Bürgerschaft allzeit ernste Förderung und unerschrockene Verteidiger finden möge.

 

Neun Monate später begann der Erste Weltkrieg. Walger und Altmann trieben den Bau voran. Im Juli 1915 zog die Feuerwache in den Gebäudeteil Lauterstraße ein. Im Oktober konnten Büros bezogen werden. Am 16. Dezember fand die erste Gemeindevertretersitzung statt. Am 23. Dezember wurde der Ratskeller eröffnet. 1916 waren Festsaal, Sparkasse und der 71 Meter hohe Turm fertiggestellt.

 

Die viergeschossige Vierflügelanlage umschließt einen quadratischen Innenhof. Zur Hauptstraße hin schließt sich der Seitenflügel mit der Sparkasse und darüber dem Festsaal an. An der Haupt- und Lauterstraße wird mit vielfältigen Bauformen und unterschiedlichstem Bauschmuck die plastische Architekturgestaltung von Bildhauer Bernhard Butzke (1876-1952) sichtbar. Opulent soll auch das Innere gestaltet gewesen sein: Holz, Täfeleien, Keramik, Stuck, Werkstein, Schnitzereien, Bleiverglasung, Treppengeländer. Die Wände des Sitzungssaals sind in halber Höhe mit heller Holzvertäfelung versehen, die obere Wandhälfte mit grüner Stoffbespannung. Der Boden ist mit einem Teppich in schwarz-weißem Rosettenmuster bedeckt. Erwähnt wurde die Gestaltung des Festsaals mit Wappenschmuck und der prächtige, säulenreiche Ratskeller, der zusammen mit diversen Trink- und Weinstuben das gesamte Kellergeschoss des Südriegels einnahm. Für Bürgermeister Erich Walger war der Bau Wahrzeichen eines Gemeindewesens, das sich seiner Kraft und seiner Bedeutung bewusst ist.

 

Gemeindesitzungssaal um 1917, Foto Emil Leitner. Quelle MTS

Im eigenen Heim

 

Die erste Sitzung unserer Gemeindevertretung im neuen Rathause am Donnerstag, dem 16. Dezember 1915. Das Rathaus steht! Es hat gestern durch den Einzug der Gemeindevertretung seine Weihe erhalten. Es ist fertig! Wenn auch der Turm noch nicht zu seiner vollen Höhe emporgestrebt ist, wenn auch der Bürgerfestsaal noch nicht ganz vollendet ist, und wenn auch hier und da noch die Hand des Handwerkers eingreifen muss. Das sind Nebensachen, die nicht unbedingt zum Bau gehören. In seiner Hauptsache ist das Rathaus fertig …

 

Viele Verhandlungen waren nötig bis der Bau so weit gelang. Unsere Bürgerschaft hat sich lebhaft mit ihm beschäftigt. In Vereins- und öffentlichen Versammlungen, in Berichten in der Zeitung: immer wieder bildete das Rathaus einen beliebten Gesprächsstoff, der zu manchen, teilweise sehr erregten Auseinandersetzungen Anlass gab.

 

 

Noch ist der Bau nicht abgeschlossen, seine Kosten sind wahrlich nicht gering. Doch wir müssen sie tragen und wollen sie tragen! in dem stolzen Bewusstsein, dass auch eine kleine deutsche Gemeinde Großes zu leisten vermag. Unsere Gemeindevertretung hat nun endlich ihr Heim gefunden, das sie so lange vermisst hat. Friedenauer Lokal-Anzeiger, 17.12.1915

 

Feuerwache Lauterstraße, 1917. Rathaus Friedenau. Archiv Rüdiger Barasch

Feuerwache

 

Als begonnen wurde, den kreisrunden Wilmersdorfer Platz (heute Reneé-Sintenis-Platz) mit Mietshäusern zu bebauen, blieb das Grundstück an der Ecke Handjerystraße Nr. 33-36 und Schmargendorfer Straße Nr. 27-29 frei. Hier hatte die Gemeinde ursprünglich den Bau des Rathauses Friedenau vorgesehen.

 

Am 4. Februar 1915 gab es eine Vorlage betreffend Verlegung der Feuerwache nach dem Rathause. Nach einer Bauzeit von 20 Monaten erfolgte am 25. Juli 1915 der Umzug der Feuerwache vom Wilmersdorfer Platz in das neue Rathausgebäude am Marktplatz. Die eigentliche Einweihung der neuen Wache an der Lauterstraße wird erst nach Friedensschluss stattfinden, da zurzeit von 45 Mann der Wehr 28 im Felde stehen. Friedenauer Lokal-Anzeiger, 25. Juli 2015

 

 

 

 

 

Rathausturm

 

Das Wahrzeichen Friedenaus, der weit über die Dächer unseres Ortes hinausschauende Rathausturm, ist jetzt vom Gerüst frei und zeigt sich nun dem Beschauer in seiner vollen Schönheit. Trotz seiner Massigkeit entbehrt der Turm doch auch nicht einer gewissen Schlankheit durch die gefällige, abgestufte Gliederung des Helms. Das Wahrzeichen Friedenaus grüßt nach allen Richtungen: es schaut hinüber zum Wilmersdorfer-Schöneberger Stadtpark, wir sehen es auf dem Wege vom Breitenbachplatz nach Schmargendorf aus dem Häusermeer der westlichen Vororte heraus leuchten, es grüßt nach Steglitz bis zum Steglitzer Rathaus und ist auch im Osten weithin sichtbar. Eins fehlt dem Turm noch: das ist die Uhr. Aber auch sie wird bald eingebaut werden und dann den Friedenauern allezeit verkünden, wie viel die Glocke geschlagen hat. Friedenauer Lokal-Anzeiger, 17.07.1916

 

 

 

Rathaus Friedenau, Bürgersaal, 1930. Foto Emil Leitner. Quelle MTS

Bürgersaal

 

Der Bürgersaal in unserm Rathaus ist nahezu fertig gestellt. Nur noch einige Malerarbeiten sind notwendig. Er ist in dem in die Rheinstraße vorspringenden Flügel des Rathauses errichtet. Beide Längsseiten haben hohe, buntverglaste Rundbogenfenster. Bis hinauf zur Decke ist der Saal mit einer dunkeln Holztäfelung versehen. Auch das Gestühl (Rohrstühle) weist die dunkle Farbe der Täfelung auf. Die Decke, eine Kassettendecke mit den elektrischen Beleuchtungskörpern, ist weiß. Sonst ist die hervortretende Farbe des Saales ein Purpurrot. Die Pfeiler zwischen den Fenstern weisen breite in dieser Farbe gehaltene Bänder auf, die mit schwarzen Arabesken bemalt sind. Auch die Decke unter der großen Galerie an der Rückseite des Saales hat diese Farbe. Purpurn sind auch die Fenstervorhänge (Gardinen) und die Bekleidungen der Bühne.

 

 

 

Die Bühne ist außerordentlich klein geraten. Sie stellt eigentlich nur ein Podium dar. Theatervorführungen und ähnliche Veranstaltungen sind auf ihr nicht möglich, ebenso wenig kann ein Sängerchor auf ihr Platz nehmen. Sie dürfte sich also nur für Einzeldarbietungen eignen, da ihr auch die Nebenräume fehlen. Zu beiden Seiten der Bühne befinden sich je zwei übereinander gelegene Logen. Die große, fast ein Viertel des Saales überdachende Galerie mit einem Klappgestühl haben wir schon erwähnt. An den Pfeilern zwischen den Fenstern sind Wandleuchter angebracht, die von Kronen tragenden Halbfiguren gebildet werden. Der Fußboden ist ein Parkettstabboden. Zu beiden Seiten des Hauptsaales befindet sich je ein kleiner Nebensaal mit den Einrichtungen zur Einnahme von Erfrischungen während der Pausen. Auch zu kleinen Gesellschaften sind diese Nebensäle geeignet. Friedenauer Lokal-Anzeiger, 09.01.1917

 

 


 

Ratskeller Friedenau, 1930

Ratskeller

 

Der Ratskeller wird morgen für unsere Mitbürger geöffnet. Damit erhält Friedenau nicht nur eine erstklassige Gaststätte, die, in vornehmer Weise geleitet, den verwöhntesten Ansprüchen genüge leisten wird, sondern unsere Mitbürger finden in dieser Gaststätte gleichzeitig den Ort, der sie zu froher Geselligkeit und zu anregenden Besprechungen über Friedenaus Gemeindeangelegenheiten vereinen wird. So dürfte der Ratskeller gleichsam der Mittelpunkt für unser künftiges Gemeindeleben werden. Der Haupteingang zu den im tiefen Erdgeschoss gelegenen Ratskellerräumen befindet sich an der Rheinstraße.

 

 

 

 

 

 

Eine vom Bildhauer Heinrich Mißfeldt geschaffene prächtige künstlerische Gruppe in Muschel-Kalkstein: Bachantin mit der Weinschale, zu ihren Füßen eine Putte mit der Laute, gleichsam „Wein, Weib und Gesang" darstellend, krönt auf einem Sockel den Eingang. Durch eine amerikanische Drehtür gelangen wir in den Hauptsaal des Ratskellers. Ein Kreuzgewölbe mit heller Decke, die Wände mit hohen Holzpanelen, geben dem Raum im Verein mit den in gleicher Farbe der Holztäfelung gehaltenen Kleiderständern, die den großen Saal in kleine „Buchten" einteilen, etwas Ruhiges, Freundliches. Dieser Eindruck wird noch erhöht durch die künstlerischen in hellblauer Farbe gehaltenen Kronen in Keramik sowie die Tischlampenbeleuchtung. Am Tage fällt das Licht durch helle, niedrige Bogenfenster in den Raum. Von der sogenannten Bierabteilung durch eine Galerie getrennt und einige Stufen höher gelegen, ist die Weinabteilung in dem nach der Lauterstraße zu liegenden Teil des Saales. Hier ist auch, nahe dem Zugang von der Lauterstraße, eine Kleiderablage geschaffen, die gleichzeitig für das große Vereinszimmer bestimmt ist. Inmitten des Ratskellers, an der Seite des Marktplatzes, wurde eine Ratslaube angelegt. Sie trägt rings an der Oberkante die Inschrift: Offen und wahr. Kühl in Gefahr. Bieder und stark, Deutsch bis ins Mark.

 

Gleich am Haupteingang neben dem Bierbüfett liegt der kleine Gesellschaftsraum, eine Bauernstube. Es ist ein mit roter Tapete bekleidetes Tonnengewölbe. In halber Höhe der Wände sind die vielfachen ländlichen Trachten in Aquarellen wiedergegeben. Ein hellblaues Möbel und dem Charakter des Raumes entsprechende Lampen sorgen dafür, dass der gewünschte Eindruck erzielt wird. Anschließend an das Bauernstübchen liegen die Küchen- und Wirtschaftsräume, dann folgt auf der rechten Seite des Kellers ein sogenanntes Kaltes Büfett und hiernach der Eingang zum Ratsstübl. Dieses ist vollständig in Holztäfelung gehalten. Eine große Geweihkrone sowie Deckenlampen spenden Licht. In die Wand eingelassen ist ein Büfettschrank, der eine kunstvolle Intarsienarbeit aufweist, die die Worte verzeichnet: Im Kriegsjahre 1915 wurde diese Ratsstube erbaut.

 

Glatte Holztische, die sich zu runder Hufeisenform vereinigen lassen, bilden das Möbel. Ein Prachtraum ist dann das große Vereinszimmer mit seiner hübschen elektrischen Krone und der ovalen Deckenbeleuchtung. In die hohen Holzpaneele sind zahlreiche unter Glas gelegte Bilder in Schwarz-Weiß-Malerei eingelegt, die uns das alte Friedenau vor Augen führen. Die Wände über der Holztäfelung sind bunt ausgemalt mit stilisierten Blumen und Vögeln. Die Malerei wird zwischen Haupteingangstür und einem Wandschrank durch ein großes Aquarellbild von unserm Rathause unterbrochen. Zu dem Vereinszimmer, unmittelbar am Eingang von der Lauterstraße gelegen, gehören eine besondere Kleiderablage und besondere Aborträume. Die Bedürfnisanlagen sind in hellen, lichten Farben gehalten und mit Desinfektionsapparaten usw. versehen. Auch hier hat die Bauleitung an alles gedacht, so dass selbst das Becken für 'Seekranke' nicht fehlt. Friedenauer Lokal-Anzeiger, 22.12.1915

 

Der Bildschmuck

 

 

 

Der Erbauer unseres Rathauses, Herr Gemeindebaurat Altmann, hat auch dem Bildhauer reichlich Gelegenheit gegeben, sich an den Einzelausführungen für das prächtige Gebäude zu beteiligen. Wir berichteten schon, dass die künstlerische Gruppe am Eingang zum Ratskeller — Wein, Weib. Gesang darstellend — vom Bildhauer Herrn Heinrich Mißfeldt (1872-1945), Wilhelmstraße 7, stammt. Herr Baurat Altmann hat aber auch in der übrigen Ausschmückung des Rathauses darauf verzichtet, Schablonenhaftes zu verwenden und übertrug somit die Anfertigung allen Zierates der Hand des Bildhauers, der, aus dem Eigenen schöpfend, sich in vielfacher Art betätigen konnte. So sind einige Ornamente und die beiden Adler an der Hauptseite des Rathauses, aus der Werkstatt des Bildhauers Herrn Richard Emil Kuöhl (1880-1961) hervorgegangen.

 

Aller übriger Bildschmuck aber, in Stein, Holz und Keramik, sowohl an den Außenflächen des Rathauses wie innerhalb des Gebäudes, ist nach Modellen des Bildhauers Herrn Bernhard Butzke (1876-1952), Bornstr. 21, Kunstwerkstatt Fehlerstr. 11. angefertigt worden. Herr Butzke hat es in ausgezeichneter Weise verstanden, die ihm vom Baumeister gegebenen Ideen in künstlerischen Bildern zum Ausdruck zu bringen. Sehen wir uns zunächst die Westseite des Rathauses, an der Lauterstraße, an, so finden wir hier über den hohen Bogentüren des Heims unserer Feuerwehr Putten mit den Feuerwehremblemen ...

 

Die Eckbilder unterhalb des ersten Stockwerks an den Erkern, Lauter- und Niedstraße und Nied- und Rheinstraße, stellen, von der Lauterstraße ausgehend, dar: Krieg, Industrie, Handel und Landwirtschaft. Sehr reichen Bildschmuck trägt dann die Ostseite des Hauses an der Hauptstraße. Außer hübschen Ornamenten finden wir hier in der Höhe des zweiten Stocks die sprechend ähnlichen Köpfe hervorragender Deutscher: Wagner, Beethoven, Bismarck, Hindenburg, Goethe, Luther, Menzel und Schinkel.

 

Gehen wir nun durch den Haupteingang in das Rathaus hinein, so fällt uns gleich oberhalb der Eingangstür das Kopfbildnis unseres jetzigen Amts- und Gemeindevorstehers, des Herrn Bürgermeisters Walger, auf, der hier als Amtsherr mit der Halskrause dargestellt ist. Im Innern des Rathauses sind dann die Türeinfassungen, das Treppengeländer, die Beleuchtungskörper, und im zweiten Stockwerk auch die Säulen in Keramik hergestellt, wozu ebenfalls Herr Butzke die Modelle geliefert hat. Modelliert hat er ferner für den Gemeindevertretersitzungssaal die in Holzbildhauerei ausgeführten Türrahmen, die Uhreinfassung, die Lehne des Bürgermeisterstuhls und den Zierat an den Tischen. Eine der besuchtesten Stätten unseres Rathauses aber ist der Ratskeller, an dessen Ausschmückung Herr Butzke gleichfalls hervorragend Anteil hat. Er modellierte die dort angebrachten Köpfe der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, die Putten über dem Büfett und im großen Vereinszimmer, das Wappen über der Tür zum Ratsstübl, die Keramiken der Beleuchtungskörper, die Verzierungen der Säulenköpfe, die Deckenrosetten, die sich in gleicher Form auch im Gemeindevertretersitzungssaal wiederfinden, kurz die gesamten Bildhauerarbeiten im Ratskeller. Für den noch im Bau befindlichen Bürgerfestsaal wird der Künstler einige Statuen, die die Leuchter halten, liefern. Noch nicht abgeschlossen ist das Hauptportal des Rathauses. Friedenauer Lokal-Anzeiger, 31. Januar 1916

 

 

1917 Rathaus Friedenau. Foto Emil Leitner

1920 verlor das Rathaus seine eigentliche Bestimmung. Mit der Bildung von Groß-Berlin war die selbstständige Gemeinde Friedenau nur noch ein Ortsteil und das Rathaus ein Bürogebäude für die Schöneberger Verwaltung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1945 Rathaus Friedenau. Quelle MTS

Zerstörung

 

Es muss um den 25. April 1945 geschehen sein, als die Hauptfront des Friedenauer Rathauses teilweise zerstört wurde. So schlimm waren die Schäden allerdings nicht, denn im August 1945 gab es im Bürgersaal mit dem ''Barbier von Sevilla' die erste Opernaufführung nach dem Krieg.

 

Bestätigt wurde das auch Jahrzehnte später von der Architekturhistorikerin Susanne Willen: Die noch vorhandene Bausubstanz hätte eine Wiederherstellung des alten Zustandes in reduzierter Form sicherlich gerechtfertigt: sowohl das reich ausgeschmückte Hauptportal einschließlich Eingangstür, der Mittelgiebel als auch die beiden Eckerker waren in wesentlichen Teilen erhalten. Von dem üppigen plastischen Bauschmuck hatten sich im kriegsbeschädigten Kopfbau größere Fragmente bewahrt.

 

Das Schöneberger Hochbauamt stellte jedoch 1949 das Ausmaß der Schäden dramatischer dar: Der gesamte Gebäudeteil am Lauterplatz von der Rhein- bis zur Lauterstraße ist ausgebrannt. Das Eisenbinderdach ist eingestürzt, die Decken sind zerstört oder stark beschädigt. Stehen geblieben sind die Außenwände, ein Teil der inneren Eisenfachwerkkonstruktionen und die Treppenanlage am Hofvorbau.

 

Mit dem Wiederaufbau wurde Hans Altmann (1871-1965) beauftragt. Da er mit der vom Hochbauamt geplanten Vereinfachung der Fassade nicht einverstanden war – Abriss des mittleren Frontgiebels und der beiden Eckerker sowie eines einfachen Satteldaches – wurde ihm der Auftrag entzogen:

 

 

Eine weitere Beauftragung an Altmann kommt nicht in Frage. Infolgedessen ist Herr Altmann auch nicht berechtigt, diesbezügliche Verhandlungen mit der Baupolizei zu pflegen. Für alle Angelegenheiten betr. Wiederaufbau ist nur das Hochbauamt Schöneberg zuständig.

 

Obwohl es auch im Hochbauamt noch 1951 Überlegungen zu einer Rekonstruktion einiger besonders signifikanter Gliederungselemente gab, wurden Giebel und überflüssige Details abgetragen. Am 7. Mai 1953 fand das Richtfest für das wiederaufgebaute Rathaus statt. Die Architekturhistorikerin Susanne Willen schreibt dazu 2008: Die stark veränderte Wiederaufbauplanung unter radikaler Eliminierung noch bestehender An- und Aufbauten ist typisch für die herrschende architektonische Haltung in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Purifizierung zahlreicher historistischer Stuckfassaden in jenen Jahren belegt, dass das Verständnis für eine derart traditionsbezogene Architektursprache nicht mehr gegeben war. Der ausgeführte Entwurf zum Wiederaufbau des Rathauses steht somit in der Tendenz der Zeit und kann nicht nur auf Aspekte der Kostenersparnis zurückgeführt werden. Im Vergleich zur stark plastischen Fassadengestaltung des Altbaues wirkt die neue Platzfront gleichförmig und schlicht. Welche architektonische Vielgestaltigkeit das Rathaus einst besaß, lässt sich heute an den Seitenfassaden in der Lauterstraße und am Ostflügel in der Hauptstraße ablesen.

 

Instandsetzung dringend erforderlich

 

Im Jahr 2008 gab das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg die Broschüre Das Rathaus Friedenau heraus. Im Vorwort von Siegmund Kroll, dem damaligen Leiter des Amtes für Planen, Genehmigen und Denkmalschutz, stehen bemerkenswerte Sätze:

 

Das Rathaus am Breslauer Platz markiert das Zentrum von Friedenau. Der gewaltige Baukomplex prägt gleich drei Straßenzüge - sein hoch aufragender Turm bildet nicht nur eine Dominante im Bereich von Haupt- und Rheinstraße, sondern er ist auch weit über die Ortsgrenzen hinaus als städtebauliche Landmarke wirksam. In seinen beachtlichen Dimensionen kündet der Bau auch heute noch vom Bürgerstolz der für kurze Zeit selbständigen Landgemeinde; seine Geschichte ist eng verknüpft mit der Entwicklung von Friedenau. Mit der Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin 1920 verlor Friedenau seine kommunale Eigenständigkeit und gehörte fortan zum Bezirk Schöneberg. Das stolze Rathaus diente nunmehr Verwaltungszwecken innerhalb des neuen Bezirksamtes. Trotzdem hat sich seine Bezeichnung Rathaus Friedenau bis heute gehalten.

 

Für die Bewohner Friedenaus bilden Rathaus und der ihm vorgelagerte Breslauer Platz einen wichtigen Identifikationsort. In Hinblick auf die anstehende Sanierung gilt es, die architektonischen Qualitäten beider Bauphasen herauszuarbeiten und sichtbar zu machen.Die vorliegende Broschüre möchte die Geschichte des Friedenauer Rathauses wieder ins Bewusstsein bringen.

 

 

Aus der anstehenden Sanierung wurde bekanntlich nichts. Geblieben ist eine eindrucksvolle Dokumentation mit Fotografien, Bauzeichnungen und Detailaufnahmen, die von der Architekturhistorikerin Dr. Susanne Willen erarbeitet wurde. Diese Broschüre wird der Öffentlichkeit vorenthalten und ist nur im Geschäftszimmer des Stadtentwicklungsamts im Rathaus Schöneberg erhältlich.

 

Als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung entschied das Bezirksamt 2011, das Objekt Rathaus Friedenau aufzugeben, weil der Investitionsbedarf für die Sanierung sehr hoch ist und die laufenden Kosten explodieren. Außerdem ist auf Grund des Personalabbaus der Raumbedarf jetzt insgesamt niedriger. Für den kommunalpolitischen Pressedienst paperpress eine Fehlentscheidung, weil die Büroräume in absehbarer Zeit fehlen werden. Und wenn es dann soweit ist, wird man wieder andernorts für teures Geld Büroräume anmieten müssen.

 

2013 sind die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) und das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg übereingekommen, im Rathaus Friedenau das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen unterzubringen. Das Grundstück Niedstr. Nr. 1 & 2 wurde vom Schöneberger Eigentümer zum 01.01.2013 dem Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin zugewiesen. Als Mietbeginn ist der 01.01.2017 vorgesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Mietflächen von der BIM hergerichtet.

 

Die Maßnahmen umfassen Anpassung des Flächenzuschnitts, Herstellung der Raumqualitäten, Ertüchtigung des Brandschutzes sowie Bauwerksunterhaltung. Neben einem zusätzlichen Außenaufzug im Innenhof sind im gesamten Dienstgebäude Treppenlifte vorgesehen. Die geschätzten Baukosten betragen rd. 8,4 Mio. € zzgl. rd. 670.000 € für Umzugs- und umzugsbedingte Folgekosten. Der Mietvertrag wird mit einer Laufzeit von 10 Jahren abgeschlossen werden. Die Mietfläche wird ca. 12.025 m² umfassen – inkl. der bisherigen Gerhart-Hauptmann-Bibliothek. Ausgenommen war der Bürgersaal, der bei einer Nutzung durch Dritte baulich und organisatorisch vollständig vom Mietbereich des Finanzamtes abgetrennt werden muss.

 

Der Umzug des Finanzamtes wurde nicht vollzogen, weil im Dezember 2015 das Bezirksamt das inzwischen freigezogene Rathaus Friedenau für das LAGeSo zur Flüchtlingsunterbringung sichergestellt hatte. Das Finanzamt hat danach die Pläne für das Projekt Rathaus Friedenau abgebrochen. Laut paperpress herrschte bei den Fahndern große Freude, da der geplante Umzug nach Friedenau gegen den Willen erfolgen sollte. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat Hauptausschuss, Abgeordnetenhaus und Senat nahegelegt, die bisher nicht in Anspruch genommenen Rücklagen in Höhe von 7.844.741 € für die Sanierung des Daches, der Fassade, der Blitzschutzanlage, der geschädigten Hofkellerdecke und der Wassererwärmungsanlage im Objekt Niedstraße 1/2, ehemaliges Rathaus Friedenau einzusetzen. Obwohl in dem Gebäude inzwischen Flüchtlinge untergebracht worden waren und die Außenfassade komplett eingerüstet war, erfolgten die Bauarbeiten im Inneren vom Kellergeschoss bis unter das Dach.