Name seit 1903, vorher Straße 12, benannt nach Bad Kreuznach. Zu Friedenau gehört das Haus Nr. 2, die Häuser Nr. 1-67 (ungerade) zu Steglitz, die Häuser Nr. 10-70 (gerade) zu Wilmersdorf.

 

 

Urnenwandgrab Grünbaum, C 46-44, Columbarium Friedhof Stubenrauchstraße

Kreuznacher Straße Nr. 62

Herbert Grünbaum (1903-1981)

 

Ein junger Mann kommt zu „Peachum & Co.“ Der Inhaber verkauft Lizenzen fürs Betteln und stattet die Bettler mit Maskeraden und Verkleidungen aus, die auf der Straße ein mehr an Mitleid erzeugen – und damit mehr Geld erbringen. Diesen Dienst läßt sich Peachum bezahlen. Der junge Mann wurde von Peachums Leuten zusammengeschlagen, weil er beim Betteln „ohne Genehmigung“ erwischt wurde. Nun bittet er um eine Lizenz. Er erhält die Ausstattung E: „Junger Mann, der bessere Tage gesehen hat, beziehungsweise dem es nicht an der Wiege gesungen wurde.“ Er akzeptiert und bekommt Distrikt Baker Street zugeteilt.

 

Mit dieser Szene an der Seite von Fritz Rasp als Jonathan Peachum wurde Herbert Grünbaum als Bettler Filch, umgeben von den Kollegen Rudolf Forster (Mackie Messer), Carola Neher (Polly), Reinhold Schünzel (Tiger-Brown), Valeska Gert (Celia Peachum) und Lotte Lenya (Jenny) über Nacht bekannt. Im „Atrium“ in der Berliner Straße Ecke Kaiserallee gab es am 19. Februar 1931 vor über 2000 Zuschauern die Uraufführung des Films „Dreigroschenoper“ von Regisseur Georg Wilhelm Pabst.

 

 

Der Name Herbert Grünbaum ist heute ebenso vergessen wie seine Urnengrabstätte im Tiefgeschoss des Columbariums auf dem Friedhof Stubenrauchstraße (Grabstelle C 46-44). Grünbaum war ein deutscher Jude, geboren am 27. August 1903 in Berlin. Nach Engagements in München, Halle und Hamburg gehörte er zum Ensemble des Züricher Schauspielhauses. Da seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wurde, musste er 1933 zurück. Wer in Deutschland als Schauspieler arbeiten wollte, musste Mitglied der „Reichstheaterkammer“ sein, wer keinen „Ariernachweis“ erbringen konnte, wurde nicht aufgenommen. Grünbaum wird wohl auch jenen Brief erhalten haben, in demr ihm mitgeteilt wurde, dass „gemäß § 10 der Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1.11.1933 die Aufnahme in die Reichskulturkamme abgelehnt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller die für die Ausübung seines Berufes erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzt. Nach den getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass Sie die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift besitzen. Mit dieser Entscheidung verlieren Sie das Recht zur Berufsausübung“.

 

In der Zwischenzeit war der „Jüdische Kulturbund“ gegründet worden und auf Initiative des Musikwissenschaftlers Kurt Singer (1885-1944), des Dramatikers Julius Bab (1880-1955), der Dirigenten Joseph Rosenstock (1895-1985) und Wilhelm Steinberg (1899-1978) sowie der Regisseure Fritz Jessner (1889-1946) und Fritz Wisten (1890-1962) das Selbsthilfeunternehmen „Theater des Jüdischen Kulturbunds“ in der Charlottenstraße 90-92 entstanden. Grünbaum konnte wieder auf der Bühne stehen – in „Jeremias“ von Stefan Zweig, „Antigone“ von Sophokles, „Die Goldene Kette“ von Jizchok Leib Perez, „Judith“ von Friedrich Hebbel, „Der Golem“ von Leivick Halpern).

 

1939 verließ Grünbaum Deutschland und ließ sich nach einem Aufenthalt in den Niederlanden in Palästina nieder. In Tel Aviv war man gerade im Begriff mit Berufs- und Laienschauspielern ein Theaterensemble zu installieren, aus dem dann 1945 offiziell das „Cameri-Theater“ wurde. Seine Erfahrungen als Regisseur und Schauspieler müssen nicht beglückend gewesen sein. Sie werfen Fragen zu jenen Emigrantendarstellern auf, die Israel und das hebräische Theater hinter sich gelassen haben und in die deutsche Sprache zurückkehren. Grünbaum begriff wohl, dass er nur in Deutschland eine befriedigende Arbeit als Schauspieler finden kann. 1953 reist er überraschend ab, traf Fritz Wisten wieder, der inzwischen die Intendanz der Volksbühne übernommen hatte. Er wohnte in West-Berlin und arbeitete in Ost-Berlin, an der Volksbühne am Luxemburgplatz, beim Fernsehen der DDR, bei der DEFA. Als das nach dem Mauerbau nicht mehr möglich war, wurde er in das Ensemble des Schillertheaters aufgenommen und obendrein mit der Dienstbezeichnung „Staatsschauspieler“ bedacht.

 

Friedrich Luft hat den Schauspieler im Osten und im Westen beobachtet. Zu Jean-Paul Sartres „Nekrassow“ an der Volksbühne unter der Regie von Fritz Wisten notierte er 1956: „Herbert Grünbaum fällt auf, ein Komiker von Graden, ein Getretener, der seine bezahlten Tritte willfährig im Druck austeilt“. Und im Westen dann Jean Genets „Wände“ im Schloßpark-Theater unter der Regie von Hans Lietzau: „Ein Photograph (Herbert Grünbaum) fixiert das blöde Chaos idiotisch auf Postkartenformat. Diese französische Uraufführung in Steglitz ist ein Hoffnungsschein im europäischen Theaterjahr.“

 

Grünbaum war ein viel beschäftigter Mann, als Typ bei Film und Fernsehen, gefragt auch seine Stimme für Hörspiel und mit 25 Sprechrollen als Synchronsprecher. Herbert Grünbaum starb am 23. September 1981. Nicht weit von seiner Wohnung in der Kreuznacher Straße Nr. 62, in der er seit 1956 lebte, fand er und zwei Jahre später auch seine Frau Margarete (1904-1983) die letzte Ruhe – im Urnenwandgrab C 46-44 im Tiefgeschoss des Columbariums auf dem Friedhof Stubenrauchstraße.

 

Friedrich Luft: Die Stimme der Kritik zu Herbert Grünbaum

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