Max Nagel (1848-1904)

 

Aus den Gründungsjahren von Friedenau ist als einziger Bau das dreigeschossige Mietswohnhaus Moselstraße Nr. 12 von 1876/77 erhalten. Bauherr war Carl August Dittmann. Der gelernte Hufnagelschmied aus Schlesien hatte das Porzellanbrennen gelernt und 1838 in Berlin Breite Straße Nr. 30 eine Kitt- und Brennanstalt gegründet. Das preußische Königshaus brachte ihm waschkörbeweise zerbrochenes Porzellan und wurde sein bester Kunde. So bekam der Porzellankitter das nötige Kapital für seinen Wohnsitz in Friedenau zusammen. Es entstand ein dreigeschossiges Haus in spätklassizistischen Formen, dessen Grundriss und Fassadengestaltung dem Villenbau entnommen, aber dem Mietwohnungsbau mit zwei Wohnungen pro Geschoss angepasst worden war.

 

Hinter der üppigen Dekoration mit Mittelrisalit, Veranda, Quergiebel, Fenstergewänden und Rosettenfries verbarg sich ein Bau aus Ziegelsteinen, die aus Lehm geformt und in der Sonne getrocknet waren. Da ihre poröse Struktur relativ viel Wasser aufnehmen konnte, musste die Fassade als Schutz vor dem Wetter zusätzlich eine Putzschicht erhalten.

 

Inzwischen aber revolutionierte der Hoffmannsche Ringofen die Ziegelei. Über das kontinuierliche Brennen der im Ofen gestapelten Ziegel wurde neben einer gleichbleibenden Qualität zugleich eine Steigerung der Produktion erreicht. Schöner Nebeneffekt: Die Stapeltechnik im Ofen führte dazu, dass es nun Ziegel mit unterschiedlichen Farbschattierungen gab. Zwischen 1870 und 1887 legten sich die nahen Ziegeleien in Glindow, Werder, Ketzin, Paetzow und Reetz Ringöfen zu.

 

In dieser Zeit nun trat der Architekt Max Nagel erstmals in Friedenau auf. Über den Mann ist sehr wenig bekannt. Die spärlichen Daten lassen sich kurz zusammenfassen: Im Adressbuch von 1882 ist er als Baumeister in der Blumenthalstraße Nr. 17 in Berlin eingetragen. 1884 zog er als Mieter in das Haus von Direktor Simon (Berlin) in die Saarstraße Nr. 11. Laut Teltower Kreisblatt vom 24.09.1885 wurde bei der heute stattgehabten Wahl Herr Architekt Max Nagel mit 78 von 85 abgegebenen Stimmen zum Gemeindevertreter gewählt. Von 1885 bis 1890 ist Nagel Eigentümer des Anwesens Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 2, das 1891 von Ratszimmermeister Hesse (Berlin) übernommen wird. Im Berliner Adressbuch von 1893 ist Nagel, M., Architekt, Nürnberger Straße 66, III. aufgeführt. Mehr Lebensstationen ließen sich nicht ermitteln.

 

Doch zurück zu Friedenau: Im Herbst 1881 wurde der Verein für die Beschaffung billiger Wohnhäuser gegründet: Die Sache war so gedacht, dass ein Bauunternehmer die Bodenflächen erwerben und sie mit Häusern besiedeln sollte. Diese Häuser sollten von den Vereinsmitgliedern mittels geringer Anzahlung und durch allmähliche Abzahlung erworben werden können. Diese Verbindung bestand aus den Herren Architekt Otto Hoffmann (1853-1930) in Gemeinschaft mit Ingenieur Friedrich Hoffmann (1818-1900), dem „Erfinder des Ringofens“ und Besitzer der Siegersdorfer Werke bei Bunzlau (Schlesien), Zimmermeister F. W. Hesse, Maurermeister M. Ziegra (Eigentümer der Ziegelei Steinfurth bei Eberswalde) und Architekt Max Nagel, der die gesamte künstlerische und geschäftliche Leitung des Unternehmens übernahm, jedoch mit der Maßgabe, dass die Gesellschaft zur Sicherstellung der von ihr geleisteten Arbeiten und Lieferungen mit den Bauherrn behufs Abschluss der Verträge selbst in Verbindung tritt.

 

Im Centralblatt der Bauverwaltung vom 12. Juli 1884 erläuterte Max Nagel in dem Artikel Landhausbauten in der Umgegend von Berlin das Vorhaben: Bei den geradezu trostlosen Erfahrungen, welche in den früheren Jahren in diesen Villenvororten mit dem Putzbau gemacht worden sind, ist die Ausführung sämtlicher Bauten in Ziegelrohbau erfolgt. Alle dem Wetter ausgesetzten Teile der Gebäude sind aus gutem und echtem Material hergestellt. Stuck ist gar nicht zur Verwendung gelangt. Die Dächer sind fast sämtlich mit Siegersdorfer Falzziegeln gedeckt, die sich als vorzügliches Deckmaterial bewährt haben. Auf die Sicherung der Häuser gegen Erdfeuchtigkeit ist das größte Gewicht gelegt worden, da bei dem meist vorhandenen fetten Lehmboden die Gefahr der Schwammbildung nahe lag. Asphaltisolierungsschicht, Goudronanstrich und Luftisolierschicht sind daher in jedem Hause zur Ausführung gebracht. Der fast immer gestellten Anforderung nach Wasserleitung ist dadurch Genüge geschehen, dass in den Küchen der Wohnungen besondere Pumpen angebracht sind, so dass das Wasserholen vom Hofe überflüssig wird.

 

Max Nagel hatte überzeugende Vorarbeit geleistet. Sein Artikel im Centralblatt wurde mit der Darstellung von zwei Häusern illustriert, von welchen das eine für espedirenden Secretär Herrn Ritter, das andere in Friedenau für Herrn Maler J. Günther zur Ausführung gelangt ist. Beide sind charakteristisch für die von uns gewählte Form bei Anwendung überstehender Dächer oder bei Hochführung massiver Giebel. Das erstere ist gleichzeitig ein ziemlich getreues Abbild der von uns erbauten billigsten Häuser. Die Grundrissanordnung ist bei beiden Häusern dem von uns entworfenen Normalgrundriss entsprechend.

 

Zuvor war 1882 in der Niedstraße Nr. 13 das zweigeschossige Landhaus für den von Kaiser Wilhelm II. hochgeschätzten Marinemaler Hans Bohrdt (1856-1945) entstanden – ein Bau aus weißgrauen Ziegeln, durchsetzt mit roten Ziegelbändern und Ziegelornamenten. In der Schmargendorfer Straße Nr. 24, 25 und 25 A schufen Max Nagel und Otto Hoffmann zwischen 1882 und 1884 schließlich die Bauten für das Lyzeum von Dr. Carl Lorenz und den Lehrer Helmut Bach.

 

Seine Grundgedanken formulierte Max Nagel …..: Es kam ursprünglich vor allem darauf an, billige Bauten herzustellen, und man hat daher, ohne der technischen Tüchtigkeit zu schaden, überall die einfachste Ausführung zu Grunde gelegt. Als Bedürfnis wurden für das kleinste Haus 5 Wohn- und Schlafräume nebst den erforderlichen Wirtschaftsräumen wie Küche und Speisekammer, Waschküche und Keller sowie Bodenraum festgestellt. Es ist stets ein Abtrittsraum im Hause selbst geschaffen worden. Bedeutende Schwierigkeiten bereitete die Verlegung der Schlafzimmer in ein besonderes oberes Stockwerk, da hier die Berliner Gewohnheit, alle Räume in einem einzigen Stockwerk vereint zu haben, in Frage kam. Die Küche in das Kellergeschoss zu verlegen, wie es bei größeren Villenbauten sonst so häufig geschieht, scheiterte an dem lebhaften Widerspruch fast sämtlicher Hausfrauen. Es kann auch nicht geleugnet werden, dass derjenigen Hausfrau, welche sich persönlich viel um die Küche bekümmern muss, eine bedeutende Zunahme an Arbeit entsteht, wenn die Küche im Keller, die Wohnräume im Erdgeschoss und die Schlafräume im I. Stock liegen.

 

Nagel und Hoffmann entwarfen und bauten bis in die 1890er Jahre hinein zahlreiche Friedenauer Wohnhäuser, so in der Wiesbadener- und Schmargendorfer Straße, am Perelsplatz und in der Niedstraße. Doch die Zeit der villenartigen Einfamilienhäuser endete in den Berliner Vororten schlagartig mit der Einführung der neuen Berliner Bauordnung 1887. Nun war es möglich, die Straßen mit Fünfgeschossern in geschlossener Bauweise zu bebauen.

 

Mit seinem Versuch, mittels einer eigenen Bauordnung einen Kompromiss anzustreben, drang der Teltower Landrat Stubenrauch nicht durch. Schützenhilfe erhielt Stubenrauch von Max Nagel, der für eine behutsame Entwicklung in den Vororten plädierte und seine Gedanken in einem Artikel für den Friedenauer Lokal-Anzeiger am 16.01.1892 formulierte: Als begeisterter Anhänger des Einfamilienhauses und Erbauer zahlreicher kleinerer und größerer Villen in Friedenau, Steglitz, Lichterfelde, und, wie ich wohl behaupten darf, vertraut mit den örtlichen Verhältnissen, kann ich nicht unterlassen, zu Gunsten der vielgeschmähten Bauordnung des Herrn Landrath Stubenrauch eine Lanze zu brechen.

 

Die Details, wie die Beschränkung der bebauungsfähigen Fläche und die Herabminderung der Anzahl der Geschosse, erscheinen vorläufig nebensächlich gegenüber der Hauptsache, daß der Landrath seinem Kreise die Wohlthat bereiten wollte, eine Bauordnung zu erlassen, welche die ländliche Bebauung fördern, die städtische Bebauung einschränken sollte. Dies war eine energische männliche That und es ist wohl zu hoffen gestattet, daß trotz der überraschend schnellen Aufhebung der Verordnung, dieselbe dennoch – vielleicht mit einigen Abänderungen – ihren siegreichen Einzug in die Vororte halten wird.

 

Die Aufsichtsbehörde, welche einst durch die Ausdehnung der Berliner Bauordnung auf die Vororte einen schweren Mißgriff gethan hat, ist mit der unbedingten Aufhebung der Stubenrauch‘schen Bauordnung nicht glücklicher gewesen, sondern hat über das Ziel hinausgeschossen. Die Speculanten, welche auf ihren Grundstücken Miethskasernen nach Berliner Vorbild erbauen, sind nach Einführung und durch die Einführung der Berliner Bauordnung immer zahlreicher geworden und dem strebsamen Bürger ist es an vielen Stellen unmöglich gemacht, auf billigem Grund und Boden ein eigenen Heim zu gründen. Die Gefahr ist zu groß, neben dem eigenen Häuschen plötzlich in stolzer Pracht der Stuckverzierungen eine Miethskaserne erstehen zu sehen, welche Licht und Luft dem Hause und dem Garten entzieht und die Früchte mühevoller Arbeit vernichtet.

 

Liegt denn ein Bedürfnis vor, die Berliner Bauweise in die Vororte zu übertragen? Ist für die Vergrößerung Berlins kein anderer Platz vorhanden? Dies ist durchaus nicht der Fall! Nach der Bauordnung des Landraths, welche eine Grenze an der Ringbahn annimmt, könnte der Süden, Westen und Norden Berlins noch mehr wie einer Million Menschen Platz gewähren und das wäre doch wohl vorläufig genug. Ist es denn nun nicht mit Freuden zu begrüßen, daß um diese Millionenstadt herum ein Gürtel blühender Gärten mit Landhäusern zur Erholung geschaffen werden soll? Wird hierdurch die Allgemeinheit benachtheiligt oder vielleicht nur wenige speculationsfähige Eigentümer? Ist hier der Widerstand des Einzelnen oder ganzer Gemeinden berechtigt? Darum mögen diejenigen, welche sich einst in den Vororten angesiedelt haben, um dem Gewirre der Großstadt zu entrinnen, dafür eintreten, daß die guten Absichten des Landraths zur That werden können. Die Villenbesitzer, welche einst für das Einfamilienhaus agitirt haben, sie mögen jetzt die Fahne erheben mit dem Rufe nach einer neuen verbesserten Bauordnung! Max Nagel, Architekt

 

Mit diesem Plädoyer für einen Landhaus-Gürtel um Berlin herum verstummen die Quellen, die Auskunft über das Denken und die Tätigkeit Max Nagels geben. Der für Friedenau bedeutende Architekt lebt nur noch in seinen erhaltenen Häusern weiter, die zu den eindrücklichsten des Kiezes gehören.

 

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Max Nagel, Landhausbauten in der Umgegend von Berlin,1884
Cetralblatt der Bauverwaltung

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Eingesandt. Leserbrief von Max Nagel
Friedenauer Lokal-Anzeiger, 16.01.1892

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