Entwurf Fritz Zahn, 28.März 1905. Quelle: Der Städtebau. Verlag Ernst Wasmuth Berlin .

 

Vom Berliner Platz über Maybachplatz zum Perelsplatz

 

Auf dem ersten Bebauungsplan für das zukünftige Friedenau sind 1873 fünf Schmuckplätze eingetragen: Im Zentrum der Friedrich-Wilhelm-Platz, seitlich davon zwei namenlose Rondelle. Einer davon wird 1883 zum Wilmersdorfer Platz und 1967 zum Renée-Sintenis-Platz. Der andere wird 1895 zum Schmargendorfer Platz und 1905 zum Schillerplatz. Nördlich davon sind die länglich rechteckigen Anlagen Hamburger Platz, auf dem später der Friedhof Stubenrauchstraße entsteht, und der Berliner Platz, der 1884 den Namen Maybachplatz erhält und 1961 in Perelsplatz umbenannt wird.

 

Wann immer es um den Maybachplatz ging, ob Männer-Turnverein, ob Mietanzeige für eine 4-Zimmer-Wohnung, immer erschien zusätzlich der Begriff Birkenwäldchen. Auch Ewald Balzer, der 1896 das Restaurant an der Ecke Handjerystraße übernommen hatte, ließ wissen, daß das Etablissement die frühere Bezeichnung ‚Zum Birkenwäldchen‘ beibehalten wird. Das mag daran gelegen haben, daß auf diesem Platz seit eh und je ein Birkenwald war.

 

Brief von Fritz Zahn an Schöffe Lichtheim, 22.10.1904

Brief von Fritz Zahn an Schöffe Gustav Lichtheim Friedenau

Eingang 24.10.04

 

Steglitz, 22. Okt. 04

Ahornstr. 27

Eingang 24.19.04

Herrn Stadtrat Lichtheim, Friedenau

 

Unter Bezugnahme auf unsere Unterredung am 10. d. Mts., die Ausarbeitung eines Entwurfs für den Maybach-Platz betreffend, teile ich ergebenst mit, dass ich für: Entwurf, Kostenaufstellung, weitere nötige Einzelzeichnungen, Bezeichnung der zu schlagenden Birken, sodann für die zum Entwurf nötige Vermessung, für welche die erforderlichen Arbeiter seitens der Verwaltung zu stellen sind, 600,0 M berechne.

 

Geneigter Auftrags-Erteilung entgegensehend

Mit besonderer Hochachtung

F. Zahn

 

 

Es war Gemeindebaumeister Johannes Duntz (1873-1963), der im Frühjahr 1904 verlauten ließ, daß der Maybachplatz gärtnerisch gestaltet werden sollte. Nachdem für die Baustellen von Gymnasium und Schuldirektorenwohnhaus ein Ende abzusehen war, war dies wohl auch vonnöten.

 

Vertrag

Zwischender Gemeinde Friedenau vertreten durch den collegialischen Gemeindevorstand einerseits und dem Lehrer für Gartenkunst Herrn Fritz Zahn in Steglitz andererseits ist nachfolgender Vertrag geschlossen worden.

 

§ 1 Herr Zahn übernimmt die Durcharbeitung seiner Entwürfe für die gärtnerische Umgestaltung des Maybachplatzes. Der Entwurf begreift folgende Arbeiten in sich: a).den Entwurf selbst, b) den Kostenvoranschlag, c) den Erläuterungsbericht nach Einzelbestiimmungen, d) die Bezeichnung der zu pflanzenden Birken, e) die für den Entwurf und die Ausführung erforderlichen Vermessungsarbeiten, für welche die Arbeiter seitens der Gemeinde gestellt werden.

 

§ 2 Der Entwurf ist spätestens bis zum 1. Februar 1905 an den Gemeindevorstand abzuliefern.

 

§ 3 Nach Ablieferung des in § 1 gedachten Entwurfs erhält Herr Zahn für denselben 300 M. Kommt der Entwurf zur Ausführung, so übernimmt Herr Zahn die Beaufsichtigung desselben und erhält nach Fertigstellung nochmal 300 M.Der Zeitpunkt der Ausführung bleibt der Gemeinde überlassen.

 

§ 4 Die Kosten dieses Vertrages übernimmt die Gemeinde Friedenau.

 

Friedenau, den 16. Dezember 1904

Der Gemeindevorstand

Schnackenburg (Gemeindevorsteher)

Lichtheim (Schöffe)

F. Zahn (Lehrer für Gartenkunst)

 

 

Im März 1905 informierte Gartenarchitekt F. Zahn, Steglitz, in der Monatsschrift Der Städtebau  über die Bedingungen der Gemeinde Friedenau, die notwendig zu erfüllen waren::

 

1. Möglichste Schonung des vorhandenen Birkenbestandes.

2. Rücksicht auf das Gymnasium als beherrschenden Monumentalbau.

3. Erhaltung der Schrägverbindung von der Lauterstraße zur Handjerystraße, wegen des Verkehrs nach dem Bahnhofe; gestattet war eine geringe Verschiebung.

4. Anlage eines großen Kinderspielplatzes

 

 

Es ging also um ein Wahrzeichen von Friedenau, den Erhalt des Birkenwäldchens. Das wusste auch Fritz Zahn: Unter strengster Befolgung dieser Bedingungen ist vorliegender Entwurf entstanden. Der Diagonalweg ist um einige Meter nach Westen gerückt, gedacht als gerade Waldschneise, an deren Ende der Turm des Gymnasiums als ‚point de vue‘ steht. Die Birken bilden den Rahmen und die seitlichen Wände mit einigen überhängenden ausladenden Ästen, die durch ihre lockere und leichte Form nichts verdecken, sondern zur malerischen Wirkung beitragen werden, Wo die Wand sehr gelockert ist, sollen dunkellaubige Erlen die Lücke austüllen. Die Streifen längs des Weges erhalten Waldblumen und Staudenschmuck, ebenso wie die übrige Pflanzung unter den Birken sich völlig dem Charakter des Birkenwaldes anpaßt.

 

Das Gymnasium ist in seinem Mittelbau mit dem Portal besonders herausgehoben durch ein in der Axe vorgelagertes Becken, dessen Rand aus Sandsteinplatten, die in Rasenhöhe liegen, besteht. Der seitliche Abschluß wird durch Taxushecken gebildet, über welche die Birken mit ihren hellen Stämmen hinwegragen. Die Querseite, dem Gymnasium gegenüber, nimmt ein um 3 Stufen erhöht liegender architektonischer Sitzplatz auf.

 

Die übrigen Teile sind mehr nebensächlich. Die Hähnelstraße findet gewissermaßen eine Fortsetzung in der Anlage durch regelmäßige Baumanpflanzung und ein mit vertiefter Mitte in Straßenbreite angelegtes Rasenstück. Sitzplätze sind, um auch den Bedürfnissen eines Erholungsplatzes zu genügen, an geeigneten Stellen vorgesehen. Die sehr wenig benutzte Schrägverbindung von Südwesten nach Nordosten vermittelt unter Benutzung des bereits vorhandenen Weges ein Pfad durch den Wald. Als Rasental gedacht ist der längs des Turnplatzes gelegene von Bäumen nicht bestandene Teil, der in Straßenbreite angelegt nach dem ehemaligen Bebauungsplan als Straße ausgebaut werden sollte. Dies Rasental wird an der Südseite begrenzt durch das Birkenwäldchen, an der Nordseite durch den Turnplatz.

 

Der die Verlängerung des zur Direktorwohnung führenden Bürgersteiges bildende Weg ist ein wenig in das Birkenwäldchen einschwingend geführt worden. Hierdurch wird einmal ein völlig schattiger Weg erzielt, dann aber auch ist es möglich, das hohe, den Turnplatz umschließende Drahtgitter durch entsprechende Pflanzung zu verdecken und den Turnplatz selbst den Blicken Vorübergehender zu entziehen. Der Eingang zum Turnplatz ist auf die verbrochene Ecke gelegt. Auf dem Spielplatz wird der Birkenbestand erhalten, nur die Oberständigen und Unterdrückten werden der Axt zum Opfer fallen. Ein dichter Ring von Unterholzpflanzung umgibt den Platz und schließt ihn völlig ab gegen die übrige Anlage. Wie im einzelnen die Auswahl und Anordnung der Gehölze usw. gedacht ist, darauf einzugehen, erscheint mir hier nicht nötig, ist auch, als völlige Kleinmalerei, ohne Belang für die Hauptanordnungen. Ich glaube damit den Beweis geliefert zu haben, daß selbst unter so schwierigen Verhältnissen eine alle Bedingungen erfüllende Anlage geschaffen werden kann.

 

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Originaltext von Fritz Zahn zur Gestaltung des Maybachplatzes, 28. März 1905

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Besichtigung durch den Bepflanzungs- Ausschuss, 1906

Bei Besichtigung des Maybachplatzes durch den Bepflanzungs-Ausschuss wurde festgestellt, daß der für die Anlegung dieses Platzes in diesem Jahr ausgeworfene Betrag bis auf 400 M verbraucht ist. Da es nun jedoch erwünscht, dass die Arbeiten innerhalb des Birkenbestandes fertig gestellt werden, so hat der Ausschuss in den Gemeindevorstand den Antrag eingereicht, die dazu erforderliche Rate von der Gemeindevertretung bewilligen zu lassen.

 

Der Gemeindevorstand beantragt:

 

Die Gemeindevertretung wolle 1000 Mark aus Abschnitt XIX Nr.7 zur weiteren Anlegung des Maybachplatzes innerhalb des Birkenbestands bewilligen.

 

Ref. Herr Schöffe Lichtheim, 8/5/06

 

Bürovorsteher Suder zur weiteren Veranlassung

 

 

 

Aus unerklärlichen Gründen wurden diese im Landesarchiv Berlin aufbewahrten Dokumente vom Landesdenkmalamt Berlin und von Gabriele Schulz in ihrem Beitrag über Gartendenkmale in der Topographie Friedenau des Jahres 2000 unterschlagen. So kommt es, daß alle Beschreibungen der Platzgeschichte von einem Situationsplan ausgehen, der 1930/31 vom Gartenamt Schöneberg erstellt wurde. Das ist eine verfälschende Darstellung, da am Maybachplatz mit dem Kriegerdenkmal (1923) und dem Sintflutbrunnen (1931) gravierende gestalterische Veränderungen einhergingen. Und so kommt es auch, daß sich Landschaftsarchitektin Anke Werner bei der gegenwärtigen Platzgestaltung auf Halbwahrheiten zurückzieht, und eine zeitgeistige Anlage kreiert, die überall zu finden ist, beliebig und austauschbar.

 

Situationsplan Gartenamt Schöneberg, 1930

 

Zur Verdeutlichung: In der Topograhie Friedenau heißt es, daß der Platz 1907 nach einem Entwurf von Fritz Zahn (1872-1942) gestaltet wurde. Abgesehen davon, daß Zahn 1947 starb, ist dem Text wenig Erhebendes zu entnehmen: Die ausgeführte Platzgestaltung ist stilistisch noch dem Historismus der Lenné-Meyer-Schule verpflichtet. Sie ermöglichte mit ihren landschaftlichen Partien in Verbindung mit repräsentativen geometrischen Platzbereichen sowie einem funktional geführten Wegenetz, das auch einen großen, eiförmigen Kinderspielplatz an der Ostseite einbezieht, schon zu dieser Zeit eine vielfältige Nutzung. Die Grundstruktur des Platzes ist im Vergleich mit Situationsplänen von 1929 bis heute überliefert. Dem ist zuzustimmen, aber das Birkenwäldchen ist verschwunden. An Stelle des so typischen und für Friedenau so ungewöhnlichen Birkenwäldchens entstand in der Folge ein belangloser Schmuckplatz, in dem die Birken verschwanden und durch Buchen, Eschen, Eiben, Blütensträucher, Bodendecker und Stauden ersetzt wurden.

 

Zur 2018/19 von Bezirksamt Schöneberg und Landesdenkmalamt Berlin verkündeten gartendenkmalpflegerischen Wiederherstellung des Platzes in den nächsten Jahren heißt es: Ursprünglich war der heute dichte Eibenbestand also sehr viel heller und überschaubarer und bot schöne Ausblicke auf die Schule. Dieser Zustand (der erst nach 1930 herbeigeführt wurde!) soll, angepasst an den heutigen Bestand, wiederhergestellt werden. Dies geschieht in der Absicht, auch die heutige Nutzung der Parkanlage angenehmer zu machen. Dazu werden zunächst die vorhandenen Eiben zurückgeschnitten und zum Teil gefällt. Danach ist es mögllich, eine abwechslungsreiche Pflanzung aus Blütensträuchern, Bodendeckern und Stauden neu anzulegen, die im Jahresverlauf Farbe und Leben in den Park bringen – ein Platz wie anderswo auch. Das für die Geschichte von Friedenau typische Birkenwäldchen wurde entsorgt.

 

Die Maßnahmen erfolgen in einzelnen Bauabschnitten. Die Sanierung der Anlage Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs (zu dessen Erhalt und Pflege das Bezirksamt Schöneberg verpflichtet ist) soll in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Finanz- und Personalmittel erfolgen. Im Juni 1923 wurde mit der Sanierung des Sintflutbrunnens begonnen. Im Herbst waren Skulptur restauriert und Brunnenbecken saniert. Anfang Februar 2023 bemühten sich die Berliner Wasserbetriebe um die Funktionstüchtigkeit der im Untergrund installierten Brunnentechnik. Die Brunnensaison beginnt in Berlin traditionell am Donnerstag vor Ostern. Das ist der 28. März 2024. Viel Zeit bleibt für die noch erforderlichen Arbeiten rund um den Sintflutbrunnen nicht. Obendrein droht neues Ungemach: Im Februar 2024 wurde das Kriegerdenkmal wegen Einsturzgefahr eingezäunt. 

 

 

Fritz Zahn - Biographisches

 

Fritz Zahn, der am 20. Januar 1872 in Gommern, Kreis Jerichow, als Christian Friedrich Paul Karl Zahn geboren wurde, bleibt ein Unbekannter. Vom 1. April 1890 bis 31. März 1892 absolvierte er eine Lehrzeit bei der 1860 gegründeten Handelsgärtnerei Chr. Bertram in Stendal – damals ein bedeutendes Unternehmen für Samenkulturen, Baumschulen, Obstbäume, Stauden, Blumen- und Gemüsepflanzen. Von 1892 bis 1894 besuchte er die Königliche Gärtnerlehranstalt am Wildpark bei Potsdam. Von 1894 bis 1896 war er in der Gartenverwaltung von Breslau angestellt. Es folgten Tätigkeiten beim Gartenarchitekten Fritz Gude in Düsseldorf (1897), der Königl. Badeverwaltung in Oeynhausen und der Stadtgärtnerei in Stendal. Ab 1. April 1903 war er zunächst in der Königlichen Gärtnerlehranstalt am Wildpark bei Potsdam und nach deren Umzug ab 1903 an der Königlichen Gärtnerlehranstalt in Dahlem als Lehrer der Gartenkunst und als Abteilungsvorsteher tätig. Am 26. Februar 1906 erfolgte die Ernennung zum Königl. Garteninspektor. Mit der Umbenennung der Königlichen Gärtnerlehranstalt in Höhere Gärtnerlehranstalt wurde Fritz Zahn am 10. November 1911 zum Königl. Gartenbaudirektor ernannt. 1924 wurde aus dem Institut die Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Berlin-Dahlem. 1929 folgte mit der Verstaatlichung die Fakultät für Gartenbau an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin.

 

Fritz Zahn schuf 1909/10 in Steglitz mit dem Lauenburger Platz eine Gartenlandschaft mit Teich, geschwungener Wegführung und einer Uferpromenade. Es folgte in Zusammenarbeit mit Gartenbauinspektor Rudolf Korte der Stadtpark Steglitz. In der Gartenkunst erschienen Betrachtungen zum Wettbewerb Stadtpark Schöneberg (1907) und Gartenkunstbetrachtungen aus Weimar (1920). An Büchern gab es Gartenlust und Gartenleben (1917) und Anleitung für das gärtnerische Planzeichnen (1928). Im Alter von 51 Jahren heiratete Fritz Zahn am 12. Januar 1923 auf dem Standesamt Steglitz Frieda Clara geborene Förster. Die am 6. Februar 1876 in Flensburg geborene Frau verstarb nach nur neun Ehejahren am 28. April 1932. Am 12. Januar 1933 heiratete der Witwer im Standesamt Steglitz Charlotte Ella Hildegard Noll, geboren am 31. Oktober 1886 in Steglitz. Sie war es, die dem Standesamt Lankwitz anzeigte, daß der Dozent an der Versuchs- und Forschungsanstalt für Gartenbau, außer Diensten, Gartenbaudirektor Christian Friedrich Paul Karl Zahn in seiner Wohnung Steglitz, Klingsorstraße 67, am 22. April 1947 an Herzmuskelschwäche, Thrombose, verstorben ist.