Luftaufnahme, Hahn & Stich, 2000

Das Luftbild von 2000 macht deutlich, daß der Friedrich-Wilhelm-Platz tatsächlich einmal der Mittelpunkt von Friedenau war. Angedacht war mit der Kaiserallee ein  Boulevard mit vier Baumreihen, breiten Trottoirs und eingefriedeten Vorgärten, der als Mittelallee den Platz in seiner gesamten Länge durchziehen sollte. Der Platz wurde um 1873 nach Kronprinz Friedrch Wilhelm (1831-1888) benannt, der 1858 vor allem auch nach der Heirat mit der englischen Prinzessin Victoria (1840-1901) als liberale Hoffnung angesehen wurde. Nach dem Tod seines Vaters Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) wurde aus dem Prinzen Kaiser Friedrich III, der nach 99 Tagen auf dem Thron verstarb. Nachfolger wurde sein Sohn Kaiser Wilhelm II (1859-1941).

 

Die Bebauung des Friedrich-Wilhelm-Platzes mit Mietshäusern erfolgte in zwei Bauphasen – von 1881 bis 1887 sowie von 1887 bis 1914. Es kamen die Kirche Zum Guten Hirten (1893), das Denkmal für Wilhelm I (1901), der Brunnen mit seinen Fontainen und der Ausbau der elektrischen Straßenbahn, deren Gleise um den Schmuckplatz herumgelegt wurden.

 

Der Friedrich-Wilhelm-Platz hat den Zweiten Weltkrieg einigermaßen unbeschadet überstanden. Dies dokumentiert jedenfalls 1947 der amtliche Schadensplan, auf dem für die Häuser Nr. 1,  Nr. 5, Nr. 17 sowie Kaiserallee Nr. 131 (Bundesallee) Ecke Bismarckstraße (Sarrazinstraße) vielleicht wiederherstellbar vermerkt war. Dennoch wurden die Gebäude in den Wirtschaftswunderjahren abgerissen, durch einfältige Neubauten ersetzt bzw. entdekoriert.

 

Der gravierende Eingriff erfolgte in den 1960er Jahren. Nach Zustimmung der Schöneberger BVV 1964 genehmigte der Senator für Bau- und Wohnungswesen Rolf Schwedler (SPD) 1965 die Bebauungspläne IX-73 und X-106. Dazu kam der Bau der U-Bahn-Linie 9 und 1971 die Eröffnung der U-Bahn-Station Friedrich-Wilhelm-Platz mit (mittlerweile) rund um den Platz verteilten sieben Zugängen. Der Mittelpunkt von Friedenau wurde ruiniert und verlor vollends seinen ursprünglichen Charakter als Dorfanger.

 

Nach der Berliner Wiederrvereinigung und den einhergehenden Veränderungen der Verkehrsströme wäre eine generelle Stadtreparatur vonnöten gewesen. Stattdessen wurde der Friedrich-Wilhelm-Platz irgendwie zur Müllhalde – untergebracht wurde alles, neben Schallschutzmäuerchen auf der westlichen Seite eine Wartezone für die BVG-Busse 184 und 246, City-Toilette, Imbiss, Taxistand, Kfz-Stellplätze und Trafohäuschen. Keine Lösung wurde bisher für die unsägliche Kreuzung Bundesallee, Schmiljanstraße und Wiesbadener Straße gefunden, die weder Fußgängern, Fahrrädern, Autos noch BVG-Bussen gerecht wird.

 

Seit Jahren bemühte sich der Verein Initiative Friedrich-Wilhelm-Platz (bisher vergeblich) um eine Verschönerung des Platzes. Bei dem von der Senatsverwaltung 2018 gestarteten Wettbewerb zur Freiraumgestaltung des Friedrich-Wilhelm-Platzes ging es wiederum nur um die Neugestaltung des inneren Bereichs – und irgendwie nebenbei auch um die Quartiere im Osten (Niedstraße) und Westen (Wilhelmshöher Straße). Getrennte Quartiere können aber nicht wieder verbunden werden, wenn dazwischen die vielspurige Bundesallee liegt. Das Schöneberger Grünflächenamt wird also den ehemaligen Schmuckplatz bis auf weiteres nur als minderwertiges Straßenbegleitgrün behandeln.

Die Kirche Zum Guten Hirten, um 1930

Kirche Zum Guten Hirten

 

Nachdem die Villenkolonie Friedenau 1889 aus dem kirchlichen Verband von Deutsch-Wilmersdorf ausgeschieden war und zu einer eigenständigen Kirchengemeinde erhoben wurde, bemühte sich der 1887 unter der Leitung des Geheimen Kanzleirates Robert Lefèvre (1843-1905) gegründete Kirchbauverein um den Bau eines eigenen Gotteshauses – selbstverständlich auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz. Die Gemeindevertretung kam in die Bredouille, da der  Bau von Gotteshäusern schließlich zu den Lieblingsprojekten von Kaiser Wilhelm II. gehörte. Nach einigem Hin und Her war die Gemeinde 1890 nur bereit, einen Bauplatz am südlichen Platzrand zur Verfügung zu stellen.

 

Im Grundbuch wurde dazu ein Vermerk aufgenommen: Der Kirchengemeinde Friedenau steht an diesem Grundstück der ungestörte und unentgeltliche Besitz, Gebrauch und Genuss zu, und wird dasselbe erst dann wieder freies Eigentum der politischen Gemeinde Friedenau, wenn die darauf erbaute evangelische Kirche als solche eingeht. Die Größe des von der Kirche eingenommenen Platzes beträgt 11 a 3 qm. Der Platz um die Kirche herum ist durchweg Eigentum der bürgerlichen Gemeinde geblieben, und daraus erklärt sich auch, dass die dort befindlichen gärtnerischen und sonstigen Anlagen von der bürgerlichen und nicht von der Kirchengemeinde unterhalten werden.

 

Vorgesehen war eine Langhauskirche mit Seitenschiffen und ein 70 Meter hoher Turm. Den Entwurf für das neogotische Bauwerk lieferte Karl Doflein (1852-1944). Er fand den besonderen Beifall Ihrer Majestät der Kaiserin Auguste Viktoria (1858-1921). Die Gemeinde Friedenau nutzte das aus. Die Kaiserin übernahm die Schirmherrschaft, Friedenau gab das Grundstück und der Kaiser beteiligte sich an den Baukosten. 1891 erfolgte die Grundsteinlegung. Am 10. November 1893 wurde die Kirche Zum Guten Hirten eingeweiht. Im Centralblatt der Bauverwaltung erschien im selben Jahr ein ausführlicher Bericht, den wir auf nachfolgender PDF veröffentlichen.

 

 

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Kirche Zum Guten Hirten, Centralblatt der Bauverwaltung 11. November 1

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125 Jahre Zum Guten Hirten

 

Die Kirche Zum Guten Hirten am Friedrich-Wilhelm-Platz wurde am 10. November 1893 eingeweiht. 19 Jahre nach Gründung der Landhauskolonie hatte Friedenau eine eigene evangelische Kirche. Anlass genug, auf 125 Jahre zurückzublicken. Dass es innerhalb der Kirchengemeinde auch Getrennte Wege gab, machte der Historiker Dr. Hansjörg Buss deutlich, der in der Kirche am 26. Oktober vor einem erstaunlich großen Publikum über die Zeit des Nationalsozialismus sprach. Seine Ausführungen bekamen eine besondere Brisanz, da sich das Grab von Pfarrer Paul Vetter (1869-1938) auf dem Friedhof Stubenrauchstraße in einem erbärmlichen Zustand befindet.

 

Paul Vetter hatte sein Friedenauer Amt am 1. Juni 1910 angetreten. Mit den Pfarrern Otto Görnandt (1851-1918) und Rudolf Kleine (1870-1928) hatte der fortwährend im Wachstum begriffene Vorort nun einen dritten Geistlichen.

 

Paul Vetter wurde am 16. Oktober 1869 in Berlin geboren. Er besuchte das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, studierte Theologie an den Universitäten Tübingen, Halle und Berlin, bestand die erste theologische Prüfung 1892, die zweite 1894 in Berlin, war zwischen beiden Prüfungen Einjährig-Freiwilliger beim Infanterie-Regiment 35 in Brandenburg und besuchte das Lehrerseminar in Cammin. Von 1893 bis 1895 war er Mitglied des Predigerseminars in Wittenberg und 1895 bis 1896 Lehrvikar in Frankfurt an der Oder. Nach der Ordination am 6. November 1896 wurde er bis 1897 Hilfsprediger an der Lutherkirche und Pfarrverweser in Charlottenburg. 1898 wurde er Pfarrer in der Ofenstadt Velten. Mehr als 12 Jahre hat er dort gewirkt. Er wäre gerne geblieben, wenn ihn nicht die Ausbildung seiner Kinder veranlasst hätte, von hier fortzugehen, da hier höhere Schulen noch fehlen. Nach seiner Berufung zog er mit Frau Elisabeth und drei Kindern in das Friedenauer Gemeindehaus. Elisabeth Vetter wurde in den Vorstand der Ev. Frauenhilfe Friedenau gewählt. Er selbst übernahm bis 1917 die Leitung des „Christlichen Vereins Junger Männer“. Als Seelsorger war Vetter für den Bezirk III mit Büsing- 1-22, Frege- 25-27b, Goßler- 1-10, 24-30, Handjery- 44-66, Ill- 1-14, Kirch- 1-28, Rhein- 19-39a, 45-54, Ring- 15-42, Rönneberg- 1-17, Rotdorn- 1-17, Saar- 1-9, 14-21, Stubenrauch- 1-17, 59-73, Wiesbadener Straße 1-8, 83-89 sowie für Kaiserallee 76-130 und Friedrich-Wilhelm-Platz 8-9 zuständig.

 

 

 

 

Friedenau hatte inzwischen 39.400 Seelen. Eine vierte Pfarrstelle wurde nötig. Am 1. März 1916 trat Bruno Marquardt (geb. 1885), bisher Hilfsprediger an der Friedenskirche in Potsdam, sein Amt an. Nach dem Tod von Pfarrer Otto Görnandt übernahm Pfarrer Karl Foertsch (geb. 1883) im Jahr 1919 diese Stelle. Die freigewordene Stelle von Pfarrer Rudolf Kleine wurde nach seinem Tod 1928 mit Pfarrer Siegfried Nobiling (geb. 1891) besetzt.

 

Hier setzen die Forschungen von Hansjörg Buss an. Denn mit Pfarrer Nobiling hält die innerevangelische Glaubensbewegung der Deutschen Christen Einzug in Friedenau. Sie ist von Anfang an eng mit den Nationalsozialisten verbunden und kann kurz nach deren Machtergreifung bei den reichsweiten Kirchenwahlen 1933 auch in Friedenau eine satte Mehrheit für sich verbuchen. Repräsentiert wurden die Deutschen Christen in Friedenau von den Pfarrern Siegfried Nobiling, Bruno Marquardt und dem farblosen Mitläufer Adolf Wolff. Hakenkreuz und Christenkreuz, so meinte 1934 Pfarrer Bruno Marquardt, seien keine Gegensätze: Bringt das Christuskreuz unsere christliche Gesinnung zum Ausdruck, so fügt das Hakenkreuz dem unsere restlos deutsch-völkische Einstellung hinzu.

 

In Opposition dazu scharte sich in dieser Zeit eine Minderheit der Friedenauer Protestanten um Pfarrer Paul Vetter. Diese Gemeindegruppe der Bekennenden Kirche, so Buss, lehnte den Führungsanspruch der Nationalsozialisten innerhalb der Kirche ab und führte fortan ein „unabhängiges Gemeindeleben“ in den Räumen der benachbarten Goßner Mission in der Handjerystraße. Damit war die Spaltung der Friedenauer Kirchengemeinde zu einer Tatsache geworden.

 

Historiker Hansjörg Buss führte in seinem Vortrag zahlreiche Beispiele für diese Spaltung an, die von Auseinandersetzungen und einem regelrechten Kleinkrieg begleitet wurde. So füllt der Streit um die Nachfolge von Pfarrer Nobiling einen dicken Aktenordner. Am Ende setzte sich Lothar Nerger durch, Mitglied der Deutschen Christen und der SA. Führungspersönlichkeiten der Bekennenden Kirche in Friedenau seien als Volks- und Staatsfeinde denunziert worden, so Buss. Pfarrer Paul Vetter durfte sogar sein 25-jähriges Gemeindejubiläum im Jahr 1935 nicht im angestammten Gemeindesaal feiern, sondern musste auf Räume der benachbarten Ev. Matthäus-Kirchengemeinde in Steglitz ausweichen. Auch Hansjörg Buss konnte nicht restlos darüber aufklären, wie sich das alltägliche Nebeneinander der beiden Friedenauer Kirchengemeinden während der Zeit des Nationalsozialismus darstellte. Pfarrer Paul Vetter wurde häufig verbal attackiert und bei der Kirchenleitung angeschwärzt. Seine Frau verlor ihren Führungsposten innerhalb der Evangelischen Frauenhilfe Friedenau. Zur Verhaftung oder weitergehenden Sanktionen kam es aber nicht.

 

Pfarrer Paul Vetter starb 1938 und wurde auf dem Friedhof Stubenrauchstraße beerdigt. Sein Grab ist erhalten, befindet sich aber in einem sehr schlechten Zustand. Die Gründe dafür konnten am Vortragsabend in der Kirche Zum Buten Hirten leider nicht geklärt werden. Pfarrer Peter Martins regte an, dass sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigen solle, damit das Grab in Zukunft wieder in einen würdigen Stand versetzt wird. Die weiteren Entwicklungen müssen wir also abwarten.

 

Die Stelle von Pfarrer Vetter wurde nach 1938 übrigens zunächst nicht wieder besetzt. Die Friedenauer Notgemeinde der Bekennenden Kirche setzte sich aber über die Blockade durch die Deutschen Christen hinweg und berief Pfarrer Wilhelm Jannasch, einen Gegner der Nationalsozialisten, zu ihrem Seelsorger. Jannasch war es dann, der die beiden Kirchengemeinden nach dem Ende des Kriegs als geschäftsführender Pfarrer wieder zusammenführte. Bis auf Bruno Marquardt schieden nach 1945 die Anhänger der Deutschen Christen aus ihren Pfarrämtern in Friedenau aus.

 

Unter dem Menüpunkt Friedhof Stubenrauchstraße finden Sie einen Beitrag zu Pfarrer Paul Vetter.

 

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Vortrag Dr. Hansjörg Buss, Getrennte Wege

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Wilhelm Jannasch

Wilhelm & Elisabeth Jannasch

 

Die Kirche Zum Guten Hirten hat mitgeteilt, daß das Ehepaar Wilhelm und Elisabeth Jannasch von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem für ihre lebensrettende Hilfe verfolgter Juden und Christen jüdischer Herkunft als Gerechte unter den Völkern aufgenommen wurde.

 

Wilhelm Jannasch (1888-1966) war von 1914 bis 1934 Hauptpastor der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck. Bereits 1931 sprach sich Wilhelm Jannasch öffentlich gegen Antisemitismus aus. Den NS-Staat lehnte er konsequent ab. Seine offene Positionierung sorgte dafür, dass ihn die Lübecker Kirchenleitung im April 1934 mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzte. 1935 wurde er für sieben Tage inhaftiert und musste Lübeck unter Androhung einer erneuten Verhaftung endgültig verlassen. Das Ehepaar Jannasch ging 1935 nach Berlin. 1939 übernahm er das Pfarramt der Notgemeinde der Bekennenden Kirche in Berlin-Friedenau. Diese war von der nationalsozialistischen Kirchenpartei der Deutschen Christen, die seit 1934 den Gemeindekirchenrat der Gemeinde Zum Guten Hirten dominierte, aus den Gemeinderäumen verdrängt worden. Ihre Gottesdienste und Gemeinderveranstaltungen fanden seitdem im Haus der Gossner-Mission in der Handjerystraße statt.

 

 

 

Jannasch selbst berichtete nach Kriegsende über die wichtigsten Hörer des gepredigten Wortes, denen volles Heimrecht gewährt und denen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten geholfen wurde. Er berichtete auch über die großen Schwierigkeiten in einer feindlichen Umgebung und bedrückende Erlebnisse wie die Verfolgung und Deportation von Gemeindegliedern und Suizide. Als Gemeindepfarrer hat sich Jannasch wiederholt für die durch den nationalsozialistischen Staat verfolgten Juden und Christen jüdischer Herkunft eingesetzt. 1943 engagierte sich Wilhelm Jannasch gegen Gesetzespläne zur Zwangsscheidung sogenannter Mischehen. Dafür reiste er unter anderem nach Breslau, um gemeinsam mit dem katholischen Kardinal Adolf Bertram Gegenmaßnahmen der beiden großen christlichen Kirchen abzustimmen. Wilhelm und Elisabeth Jannasch überlebten. 1946 wurde Wilhelm Jannasch als Gründungsdekan und Professor für Praktische Theologie an die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz berufen. 1962 erhielt der Theologe für seine Haltung zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, seinem Wirken im Kirchenkampf und für seine Verdienste beim Aufbau der Mainzer Theologischen Fakultät das Große Bundesverdienstkreuz. Wilhelm Jannasch starb am 4. Juni 1966 in Frankfurt, Elisabeth Jannasch starb am 6. Juni 1970 in Mainz.

 

Denkmal Wilhelm I.

Denkmal Wilhelm I.

 

Nach dem Sieg am 2. September 1870 der preußischen, bayerischen, württembergischen und sächsischen Truppen über die französische Armee in der Schlacht bei Sedan kam der Kriegerverein auf die Idee, für die jährliche Feier zum Sedantag auch in Friedenau ein Kriegerdenkmal zu errichten. Der Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden. Baumeister Ludwig Dihm (1849-1928) erbot sich für Entwurf und Ausführung – selbstverständlich auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz, südlich die Kirche Zum Guten Hirten, nördlich das Denkmal Wilhelm I., das am 18. Oktober 1901 eingeweiht wurde.

 

Dem Centralblatt der Bauverwaltung vom 12. Oktober 1901 schien der Platz weniger geeignet: Hätte man seinerzeit die Anlage eines Denkmals schon berücksichtigen können und eine wirkliche, geschlossene Platzgestaltung erstrebt, und hätte man dazu die Kirche auf der Mitte des Platzes oder besser noch weiter zurück errichtet, so würde dies die höchst erwünschte Folge gehabt haben, dass das Denkmal vor der Haupteingangsseite der Kirche errichtet werden konnte. Nunmehr musste es im Rücken der Kirche aufgebaut werden. So kann doch von der Schaffung eines schönen, einheitlichen Platzbildes leider nicht die Rede sein.

 

In den 1960er Jahren wurde die Bundesallee unter Herausnahme der Straßenbahn autobahnähnlich ausgebaut und die Straßenführung am Friedrich-Wilhelm-Platz umgestaltet. Die ursprüngliche Angerform des Platzes ging verloren. Mit dem Knick am südlichen Ende wurde das Reststück der Bundesallee zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Walther-Schreiber-Platz seiner ehemaligen Funktion beraubt. Der Verkehr der Bundesallee wurde auf die Schmiljanstraße und weiter zur Westtangente geführt. Mit dem Bau des U-Bahnhofs Friedrich-Wilhelm-Platz wurde 1966 das Denkmal für Wilhelm I. abgerissen. Antiquarius Rüdiger Barasch stellte uns Aufnahmen vom Abbruch des Denkmals zur Verfügung.

 

 

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Das Kaiser Wilhelm-Denkmal. Centralblatt der Bauverwaltung 12.10.1901

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Unsere bisherigen Beiträge über den Friedrich-Wilhelm-Platz mußten aktualisiert, ergänzt und neu geordnet werden. Der Rundgang über den Friedrich-Wilhelm-Platz ist schwierig, da einige Häuser zwar direkt am Platz stehen, aber in Grund- und Adreßbüchern unter den abzweigenden Seitenstraßen aufgeführt werden. Für einigeHausnummern gibt es keine Beiträge, da uns dazu bisher das Material fehlt  Wir hoffen, daß wir mit dieser neuen Ordnung einen Überblick schaffen. Unser Rundgang beginnt an der nördlichen linken Ecke mit dem Haus Bundesallee Nr. 75 Ecke Görrestraße.

 

 

 

Am Friedrich-Wilhelm-Platz

Bundesallee Nr. 75 Ecke Görresstraße Nr. 2

 

Nachdem der Architekt Hermann Klitscher für den Bauherrn W. Behrens 1901/1902 das Landhaus Goßlerstraße Nr. 12 geschaffen hatte, gründete er mit dem Architekten Hermann Afdring als Offene Handelsgesellschaft, Handelsregister-Eintragung Nr. 29008, die Architektengemeinschaft Klitscher & Afdring. Kurze Zeit später erwarben sie das Grundstück Kaiserallee Nr. 75 Ecke Wilhelmstraße Nr. 2.

 

Mit dem zweigleisigen Ausbau der elektrischen Straßenbahn Steglitz-Friedenau-Bahnhof Zoologischer Garten war Friedenau 1905 zu einer neuen Fluchtlinienfestsetzung in der Kaiserallee zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Ringbahn gezwungen. Die Anlieger der beiden nördlichen Eckgrundstücke, Klitscher & Afdring (zur Wilhelmstraße, heute Görresstraße) sowie Schröder & Apelt (zur Bismarckstraße, heute Sarrazinstraße) erklärten sich bereit, von ihren Grundstücken den für das Straßenland erforderlichen Geländestreifen von zirka 4 Meter Tiefe an die Gemeinde kostenlos abzutreten. Mit der Bebauung sind vor den neu errichteten Häusern an beiden Ecken gegen den Friedrich-Wilhelm-Platz größere Plätze entstanden, die nicht in die Vorgarten einbezogen sind. Damit diese mit den Anlagen des Friedrich-Wilhelm-Platzes in Einklang zu bringen sind, konnte mit den Eigentümern im Frühjahr 1906 in Verhandlungen ein Ergebnis herbeigeführt werden. Die Eigentümer sind bereit, die erwähnten Plätze auf ihre Kosten durch die Gemeindegärtnerei herrichten zu lassen, wenn letztere die dauernde Unterhaltung übernimmt.

 

Nachdem dies alles geklärt war, erschien im Mai 1906 im Friedenauer Lokal-Anzeiger eine Anzeige: Feinste Lage Friedenaus am Friedrich-Wilhelm-Platz, Kaiserallee 75, Ecke Wilhelmstraße, nur Vorderwohnungen im verschlossenen Hause, von 7, 6, 5, 4 und 3 großen Zimmern mit viel Nebenraum, neuester Komfort, Wasserheizung, Warmwasserversorgung, elektrisches Licht, Gas zum 1. Oktober 1906 (beziehbar früher). Näheres dort oder beim Eigentümer Klitscher & Afdring, Hauffstraße 5/6 im Büro, Telefon 92.

 

Die Läden im Erdgeschoss waren verpachtet, mal Zigarren, Schreibwaren oder Radiohaus, immer aber eine Gastwirtschaft, die 1940 von Gertrud Strzoda als Casino Privat Mittagstisch geführt wurde. In diesen Räumen gab es ab den 1960er Jahren die Dichterkneipe Bundeseck, die von Nicolas Born,  Hans-Christoph Buch, Max Frisch, Günter Grass, Max Halbe, Uwe Johnson und einigen anderen geradezu legendär gemacht wurde. Günter Eich war auch da. Sein Gedicht Bundeseck erzählt von einem Aufenthalt:

 

Dazu kann ich nicht viel beitragen,

war bloß einmal da, fand das Bier

schlecht, die Buletten dito.

Aber die haben 24 Stunden auf,

da kann man manches loswerden.

Wer fragt morgens um 5 nach dem Gehackten,

wenn man schon abends um neun,

zum Beispiel bei Herbach im Buchhändlerkeller,

nicht danach fragt.

Aber Peter Hille, und der war doch wer,

hätte sicher ein Freibier akzeptiert

und sich dann auf seine Manuskriptsäcke

gelegt bis zum Ruhetag Sonntag früh.

 

1975 mußte das Bundeseck schließen. Nach jahrelangem Leerstand wurde der Altbau restauriert und im Mai 2013 als Hotel Klee mit Restaurant PaulLily eröffnet – eine herbeigeredete Hommage à Paul und Lily Klee. Die Herberge, ob nun Superior Kunsthotel, WellnessCityhotel oder Designhotel genannt, macht nicht viel her. Im PaulLily waren wir – wie einst Günter Eich im Bundeseck - nur einmal – und nie mehr wieder. 2020 war Schluß mit Hotel Klee und PaulLily. Nun firmiert Bundesallee Nr. 75 als Apartments & Community Spaces The Berlin House. Mindestmietdauer 1 Monat, Kasse im Voraus, Kaution 1000 € plus Service Fee 250 € plus Miete von 780 € bis 1500 € pro Monat. Das Restaurant PaulLily nennt sich nun Noumi Lounge und soll die Gäste mit gesunden und farbenfrohen Nudelgerichten erfreuen.

 

 

Friedrich-Wilhelm-Platz 1 bis 4

Zwischen Görresstraße & Wilhelmshöher Straße

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 1/2

Architekt Oscar Haustein

 

Im April 1896 stand beim königlichen Amtsgericht Berlin II das Grundstück zu Friedenau, Friedrich-Wilhelm-Platz 2, Ecke Wilhelmstraße, belegen, dem Kaufmann Fritz Pax gehörig,  zur Versteigerung an. Flächenraum 10,18 Ar. Nutzungswert 11.800 Mark. Meistbietende blieben der Rentier Gustav Haustein und der Architekt Oscar Haustein, beide zu Friedenau, mit dem Gebot von 141.430 Mark. 1897 war das viergeschossige Mietshaus errichtet und bezogen.

 

Im Dezember 1896 fiel der Gemeindeverwaltung auf, dass sie an Pax seinerzeit vor den Grundstücken Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 2 und Nr. 3 eine Parzelle von 11 Ruthen Straßenland für den Preis von 1641 M. verkauft habe. Infolge Beschlagnahme der Mieten für Steuern schulde nun Pax der Gemeinde für das Straßenland noch 777,89 M. Die Verwaltung hat dem gegenwärtigen Besitzer, Herrn Haustein, angeboten, diese Parzelle für den Restbetrag aufzulassen, was er ablehnte. Die Gemeinde erklärte nun, die Sache auf gerichtlichem Wege mit Pax zu erledigen und dann das Straßenland wieder in Besitz zu nehmen. So kam es, daß für Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 3 eine Administration eingesetzt wurde, bis das Anwesen 1907 an die Pommersche Hypothekenbank ging.

 

Gustav Haustein (1826-1918) und seiner Ehefrau Auguste Wilhelmine Pauline geb. Lehmann waren in der Friedrichstraße viele Jahre als Schneider für Herren & Inhaber eines Lagers für in- und ausländische Stoffe tätig. 1871 erwarb er vom Landerwerb- und Bauverein ein Anwesen in der Ahornstraße (heute Moselstraße) und gehörte damit zu den ersten Siedlern der Villenkolonie Friedenau. 1891 zog die Familie in die Ringstraße. Nr. 41 (heute Dickhardtstraße).

 

Sein Sohn Oscar Haustein (1866-1920) wurde Maurer, Zimmermeister und schließlich Architekt. Ab 1895 war er Eigentümer des Hauses Hauffstraße Nr. 18. Für seinen ersten Bau als Architekt, ein viergeschossiges Mietswohnhaus in der Ringstraße Nr. 7-8 (Dickhardtstraße) fungierte er zugleuích als Bauherr. Im Februar 1895 verkündeten Oscar Haustein und Marie geb. Marx ihre Vermählung. Von der Ringstraße kam er nicht mehr los. Um die Jahrhundertwende gelang im der Erwerb eines Landhauses. Er ließ es abreißen und erstellte den Entwurf für das (eigene) viergeschossige Mietshaus Ringstraße Nr. 5, seitlich des Eingangs noch heute die Inschrift: Oscar Haustein Architekt - Erbaut 1902. Das Haus steht unter Denkmalschutz.

 

Nach Fertigstellung des Hauses am Friedrich-Wilhelm-Platz eröffnete er dort ein Baugeschäft für Entwürfe u. Ausführungen von Bauten jeder Art u. Stilrichtung eröffnet. Neubauten sowie jede Reparatur wird prompt und reell ausgeführt, auch werden Anschläge und Zeichnungen angefertigt. Über Haus- und Terrainkäufe erteilt Auskunft Oscar Haustein. An Bauten entstanden in Friedenau die Mietswohnhäuser Dickhardtstraße Nr. 7-8 (1895), Schnackenburgstraße Nr. 11 (1896), Beckerstraße 6 (1898), Umbau des 1885 von Max Nagel geschaffenen Landhauses Niedstraße Nr. 18 (1898), Dickhardtstraße Nr. 5 (1902), Dickhardtstraße Nr. 2. (1909). Der Erwerb von Grundstücken, auch über Zwangsversteigerungen, kam hinzu.

 

Am Freitag, den 30. Januar 2020, überraschte der Friedenauer Lokal-Anzeiger mit der Nachricht, dass der Architekt und Zimmermeister Herr Oscar Haustein gestern Abend im Alter von 54 Jahren aus dem Leben geschieden ist. Tage später erschien die Todesanzeige, in der Witwe Marie Haustein geb. Marx und die Kinder Anna, Ada und Gustav mitteilten, dass der Tag der Beerdigung noch bekannt gegeben wird. In der Zwischenzeit erfuhren die Friedenauer, daß Oscar Haustein in der letzten Zeit sehr krank war. Ein Gehirnleiden machte ihm viele Beschwerden und er musste vor einigen Jahren schon einmal längere Zeit ein Sanatorium aufsuchen. Oscar Haustein war 21 Jahre lang Mitglied unserer Gemeindevertretung. Als 1920 die Neuordnung kam, die Eingemeindung der bisher selbstständigen Landgemeinde zu Schöneberg, wurde auch er nicht wiedergewählt, weil er offensichtlich gegen die Zerschlagung der Selbstverwaltung Friedenaus und für den Erhalt des Selbstbestimmungsrechts war.

 

In der Todesurkunde, ausgestellt am 4. Februar 1904, heißt es: Der Amtsvorsteher von hier (gemeint ist Bürgermeister Erich Walger) hat mitgeteilt, daß der Architekt und Zimmermeister Oscar Haustein, 53 Jahre alt, evangelischer Religion, wohnhaft Berlin-Friedenau, Ringstraße 5, zu Friedenau, auf dem Trockenboden des Hauses Ringstraße 5, am 29. Januar 1920 nachmittags um fünf Uhr tot aufgefunden worden sei. Tag und Stunde des Todes ist nicht festgestellt worden. Am 6. Februar 1920 fand die Beerdigung auf dem Friedhof Stubenrauchstraße statt. Die Wandgräber der Familien Gustav und Oscar Haustein in der Abteilung 12 existieren noch immer.  Mehr dazu finden Sie unter Friedhof Stubenrauchstraße.

 

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Festrede zum 30. Bestehen von Friedenau 1904
Von Gustav Haustein

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Friedrich-Wilhelm-Platz 5 bis 7

Zwischen Wilhelmshöher Straße & Wiesbadener Straße

Friedrich-Wilhelm-Platz 5 Ecke Wilhelmshöher Straße

 

Das Grundstück Friedrich-Wilhelm-Platz 5 Ecke Wilhelmshöher Straße ging 1901 in den Besitz des Marine-Bauinspekteurs Stieber. Bis 1907 war es als Baustelle ausgewiesen. Der zweigeschossige Bau mit dem Flachdach müsste demnach um 1908 mit dem neuen Eigentümer Ingenieur K. Rose entstanden sein. 1920 geht das Anwesen in den Besitz von David Spicker über, Inhaber von David Spicker‘s Konfektion in Charlottenburg. Nach dem Schwarzen Freitag an der New Yorker Börse kommt 1931 das Bankhaus Rambaum & Co zum Zug. Ab 1935 ist (zumindest) im Adreßbuch als Eigentümer das Wohlfahrts Institut St. Joseph GmbH mit St. Joseph Altersheim GmbH und Vorsteherin Laufer eingetragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verliert sich die Spur. Unverständlich ist, daß dieser architektonisch doch interessanter Bau vom Landesdenkmalamt Berlin bisher nicht erwähnt wird.

 

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 6

Oskar Anwand (1872-1946)

 

Die Neuauflage des Romans Die Primadonna Friedrichs des Grossen macht auf einen Schriftsteller aufmerksam, der 43 Jahre Friedenauer war und dennoch in der Friedenau-Literatur vergessen wurde: Oskar Anwand. Das mag daran liegen, dass der Doktor der Philosophie zeitlebens den verschiedensten Tätigkeiten nachging: Er war Lektor, Kritiker, Essayist, Redakteur und Herausgeber der Zeitschrift „Moderne Kunst“ von 1911 bis 1918 und von 1925 bis 1936 – und, als sein Schulfreund und Schauspieler Friedrich Kayssler 1918 die Direktion der Volksbühne am Bülowplatz übernommen hatte, sein Stellvertreter in künstlerischen Angelegenheiten.

 

Oskar Paul Wilhelm‏ Anwand wurde am 16. Juli 1872 als Sohn des Mühlenbesitzers Albert Anwand und dessen Ehefrau Emma geb. Dietrich in Breslau geboren. Am Gymnasium St. Maria-Magdalena lernte er Friedrich Kayssler kennen. 1893 traten sie in einer Schüleraufführung auf: Friedrich Kayssler (1874-1945) als Orest und Pylades auf. Der Dritte im Bunde kam schon 1885 hinzu: Christian Morgenstern (1871-1914). Dieser musste seinem ungeliebten Vater folgen, der als Professor für Landschaftsmalerei von München an die Königliche Kunstschule in Breslau berufen worden war. Von da an verband Anwand, Kayssler und Morgenstern eine lebenslange Freundschaft.

 

Anwand studierte in Leipzig und München, wo er 1897 über die Lyrik von Jakob Michael Reinhold Lenz promovierte. Er heiratete Clara Ostler, die Cousine von Christian Morgenstern, und begann gemeinsam mit Christian Morgenstern den Schwank Oswald Hahnenkamp. Richtig voran kamen die beiden Dramatiker nicht. 1904 hieß es: Der Schwank ist gestern bis zum Schluss des ersten Aktes gediehen; es steckt schon ein Übermaß von Tollheit darin, aber zweiter und dritter Akt muss noch darüber hinaus gehen. Der zweite Akt soll eine vollständige wirklichkeitsgetreue Anleitung dazu sein, wie man sich als bewusster Kurpfuscher emporarbeitet, ein direktes Dokument des Kurpfuschertums. Das Stück wurde fertig und nie gespielt. Der Schriftsteller Dr. Oskar Anwand taucht 1903 erstmals im Friedenauer Adressbuch unter Roennebergstraße Nr. 17 auf.

 

1905 kommt die zweite Tochter Waltraud zur Welt. 1910 zieht die Familie in die Ringstraße Nr. 48 (Dickhardtstraße), aber ein Jahr später an den Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 6. Hier entstanden seine biographisch-historisch geprägten Werke: Strindberg, Essays (1924), Das deutsche Morgenrot. Ein Arndt- und Stein-Roman (1927), Am Urquell der Sprache. Vom Tierlaut zur klassischen Dichtung (1927), Carl Maria von Weber. Ein Leben für die Kunst (1934), die Novelle Hofbesuch (1943) – und der Roman Die Primadonna Friedrichs des Großen (1930).

 

Man kann im Leben nicht alles gelesen haben, daher ist Die Primadonna Friedrichs des Großen, 1930 im Verlag Richard Bong Berlin erschienen und 2011 im Berlin-Story-Verlag neu aufgelegt, für uns eine späte Entdeckung. Es geht um Demoiselle Gertrud Elisabeth Schmehling. Wenn man seinen Goethe richtig studiert hätte, hätte man von ihr wissen können. Der Studiosus schrieb ihr 1871 nach einer Opernaufführung in Leipzig:

 

Klarster Stimme, froh an Sinn –

Reinste Jugendgabe –

Zogst Du mit der Kaiserin

Nach dem heil’gen Grabe.

Dort, wo alles wohlgelang,

Unter die Beglückten

Riß Dein herrschender Gesang

Mich den Hochentzückten.

 

Von ihrem gleichmäßigen Stimmumfang, der vom kleinen g bis zum dreigestrichenen f reichte, also fast drei Oktaven umfasste, hatte auch Friedrich der Große (1712-1786) gehört. Er, der bisher an der Königlichen Oper statt Frauen lieber italienische Kastraten singen ließ, war von seinem Hof unterrichtet worden, dass die Sopranistin 1771 auf der Durchreise in Potsdam war. Am folgenden Tag wurde sie zum Vorsingen nach Sanssouci befohlen.

 

Kennen Sie die Oper ‚Britannico‘ von Graun? Kann Sie vom Blatte singen? Die Arie ‚Mi paventi‘? Der Alte Fritz reichte ihr das Blatt. Sie schaute einige Zeit darauf. Also muss Sie doch erst die Noten lesen, um sie zu treffen. Fräulein Schmehling erwiderte: Nicht um sie zu treffen, Majestät, sondern um die Arie mit Ausdruck zu singen. Diese Antwort hatte der Preußenkönig nicht erwartet, ebensowenig, dass sie die berühmte Bravourarie wohl ein halbes Mal schneller als üblich vortrug. Vortrefflich! Vortrefflich! Sechs Wochen lang musste sie jeden Tag in Sanssouci singen. Im Sommer wurde im Schlosstheater die Liebesgeschichte zwischen Piramo und Tisbe von Johann Adolph Hasse angesetzt. Danach wurde Gertrud Elisabeth Schmehling als erste deutsche Sängerin auf Lebenszeit an die Königliche Oper in Berlin berufen: Die Primadonna Friedrichs des Großen.

 

Oskar Anwand war 1929 auf die Geschichte gestoßen. Da hatte die Schriftstellerin Rosa Kaulitz-Niedeck (1881-1973) im Eugen Salzer Verlag Heilbronn Die Mara. Das Leben eine berühmten Sängerin veröffentlicht – ein Roman um die ungewöhnliche eigenwillige und skandalumwitterte Diva des 18. Jahrhunderts. Die preußischen Historiker hielten sich bei der Lebensgeschichte von Gertrud Elisabeth Mara geborene Schmehling (1749-1833) kaum auf. Sie kommt in den Büchern über Friedrich den Großen kaum vor.

 

Im Nachwort der Neuauflage schreibt Herausgeber Wieland Giebel: Eine junge, ehrgeizige Sängerin und ein alter, zynischer Monarch treffen aufeinander. Oskar Anwand hat diese einfache, klare und klassische Konstellation für den Roman historisch präzise und emotional in vielen Facetten funkelnd herausgeschliffen. Für Gertrud Elisabeth mit ihren 21 Jahren sollte es der Beginn einer überwältigenden europäische Karriere werden. Für Friedrich bedeutete diese junge Frau wieder erwachendes Lebensglück. Im Jahr 1771 war er 59 Jahre alt - schon lange der Alte Fritz. Er hatte die Lust an der Oper verloren, seinem ersten Bauwerk überhaupt, und wollte die Königliche Hofoper Unter den Linden gerade an einen italienischen Impresario verkaufen.

 

Oskar Anwand bleibt mit seinem Roman an der Zeit. Sie beginnt in Sanssouci mit einer Episode, die vordergründig das Verhältnis der Brüder Friedrich und Heinrich andeutet, aber eigentlich die preußische Gegenwart beschreibt. Noch vor ihrem Auftritt beim König hört die Sängerin den Klang eines Violoncells. Der Kammerhusar erklärt: Konzertmeister Mara von der Kapelle des Prinzen Heinrich, nicht von der Kapelle des Königs. Die königliche Hoheit hat ihren Konzertmeister heute aus Rheinsberg mitgebracht, damit seine Majestät die Kunstfertigkeit des Herrn Mara kennenlernt. Diesen Johann Mara (1744-1808) heiratet Gertrud Elisabeth – und fällt damit bei ihrem Gönner in Ungnade. 1774 schlug ihr der König ein Gesuch um Urlaub für ein Gastspiel in London ab, und als das Ehepaar trotzdem den Versuch machte, die Reise auszuführen, erhielt der Gatte 10 Wochen Arrest. Mit mehr Erfolg für eine Flucht setzte sie 1780 eine Kur in Teplitz durch, reiste mit ihrem Mann von dort nach Prag. Gertraud Elisabeth Mara, wie Anwand sie aufleben lässt, konnte enge Fesseln nicht ertragen. Der Alte Fritz gab auf und schickte ihr schließlich die Entlassung aus den preußischen Diensten. Der Roman Die Primadonna Friedrichs des Großen von Oskar Anwand ist eine wunderbar spannende Lektüre zu einer anderen preußischen Geschichte.

Am Friedrich-Wilhelm-Platz

Goßlerstraße Nr. 1

Landhaus Kunow, 1890

 

Das eingeschossige freistehende Landhaus von Paul Kunow in rotem Ziegelsichtmauerwerk fällt durch sein steiles Walmdach, sein spitzes Ecktürmchen neben dem Erker und durch die drei Quergiebel zu den beiden Straßen und zum Platz hin auf. Es hebt sich malerisch vom Hintergrund der durchgehenden Brandwand der beiden angrenzenden Landhäuser ab. An der Goßlerstraße ist dem Gebäude eine hölzerne Eingangslaube vorgesetzt, über eine Freitreppe betritt man das Haus. Der Grundriss (9 x 7 Meter) ist ein abgewandelter Vierfelder-Grundriss. Auf dem gartenseitigen Anbau befindet sich ein Altan des ausgebauten Dachgeschosses. Der ursprünglich vorhandene Vorgarten fiel den Straßenerweiterungen am Friedrich-Wilhelm-Platz in den siebziger Jahren zum Opfer. Topographie Friedenau, 2000.

 

Paul Kunow war Postbausekretär beim Reichspostamt. Beim Ausscheiden aus dem Dienst 1911 wurde dem 63-Jährigen der Titel Rechnungsrat verliehen. Nach den Richtlinien der Oberpostdirektion für die Einstellung von mittleren (technischen) Beamten müsste er ein Bauhandwerk erlernt, die Baugewerkschule besucht und eine mehrjährige praktische Beschäftigung bei Hochbauten der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung absolviert haben. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger verkündete denn auch mit Stolz, dass dem großen Saal des Schützenhauses, welcher gleichzeitig als Saal für das Stadttheater benutzt wird, allgemeine Anerkennung gezollt und von unserem Mitbürger Architekt Kunow erbaut wurde.

 

Kunow gehörte der Gemeindevertretung seit 1898 an, war Mitglied in vielen Ausschüssen, darunter dem wichtigen Bauausschuss, auch der kirchlichen Gemeindevertretung Zum Guten Hirten und dem Männer-Turn-Verein. 1908 erhält er „anlässlich des Krönungs- und Ordensfestes den „Roten Adler-Orden 4. Klasse“. 1918 Kunow lehnte er eine Wiederwahl für die Gemeindevertretung aus Altersrücksichten ab: Als 70-jähriger Mann fühle er nicht mehr die Kraft in sich, ein solches Amt auszuüben. Wenige Wochen später wurde er am 31. März 1918 zum Ehrenbürger und Gemeindeältesten ernannt. Selbst der Lokal-Anzeiger konstatierte, dass Kunow streng nach seinem besten Wissen und Gewissen geurteilt und seiner einmal gefassten Meinung rückhaltlos Ausdruck gegeben hat. Er hielt an dieser seiner Meinung fest, selbst wenn er damit allein stand oder nicht im Sinne seiner Freunde handelte. Ein ‚Umfallmann‘ war er jedenfalls nicht. Paul Kunow starb am 12. Januar 1936 und wurde auf dem Friedhof Stubenrauchstraße beerdigt (Grabstelle Abt. 27-287-289). Die Familiengrabstätte wurde 1911 nach dem frühen Tod seines ersten Sohnes Karl Heinrich Kunow (1889-1911) angelegt. Wenige Jahre danach kam nach langem schweren Leiden der zweite Sohn Erich Kunow (1892-1919) hinzu. Es folgten Ehefrau Katharina (1858-1943) und Tochter Elfriede (1883-1975). Das Grab von Paul Kunow ist Ehrengrabstätte des Landes Berlin.

 

Am Friedrich-Wilhelm-Platz

Bundesallee Nr. 76A

Entwurf Hans Altmann

Bauherr Kirchengemeinde Zum Guten Hirten

 

Das viergeschossige Gemeinde- und Pfarrhaus der Evangelischen Kirchengemeinde Zum Guten Hirten wurde auf dem spitzen Grundstück Bundesallee 76-76 A Ecke Goßlerstraße 30 am Friedrich-Wilhelm-Platz 1911-13 nach den Plänen des Architekten Hans Altmann (1871-1965) erbaut. Durch seine originellen Staffelgiebel zum Platz und zu den beiden Straßen hin wird das Gemeindehaus als öffentlicher Bau charakterisiert und der stadträumliche Bezug zur Kirche mit ihren Quergiebeln über den Seitenschiffen hergestellt. Der Baukörper des Hauses ist unter anderem durch Erker, Loggien und ungewöhnliche Fensterformate gegliedert. Der große zweigeschossige Gemeindesaal mit Empore befindet sich im Bauteil Bundesallee 76A im zweiten und dritten Obergeschoss, darunter liegen die Konfirmandensäle und die Küsterei. Die vier großen Pfarrwohnungen sind im Kopfbau am Friedrich-Wilhelm-Platz angeordnet und jeweils in einen dienstlichen und einen privaten Bereich geteilt. Weitere kleine Gemeindesäle und die Schwesternstation befinden sich im Bauteil Goßlerstraße 30. Das Gemeinde- und Pfarrhaus ist als Meisterwerk Altmanns anzusehen. Topographie Friedenau, 2000

Friedrich-Wilhelm-Platz Ecke Kaiser-Allee, 1905. Archiv Barasch

Am Friedrich-Wilhelm-Platz

Bundesallee Nr. 130

 

Kaum war die Baupolizeiordnung für die Vororte von Berlin am 5. Dezember 1892 beschlossen, nach der auch in Friedenau mehrstöckige Mietshäuser errichtet werden durften, präsentierte der Maurermeister R. Miethe, Inhaber eines Baugeschäfts in Berlin N, Hochmeisterstraße Nr. 31, seine Entwürfe der vier keilförmig angeordneten viergeschossigen Mietshäuser zwischen Kaiserallee (Bundesallee) und Kirchstraße (Schmiljanstraße).

 

 

 

 

Das Haus Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 9 an der Ecke Kaiserallee und Kirchstraße besteht aus drei Zweispännern, die sich von drei Hauseingängen aus erschließen. Die dreiachsige Stirnseite zum Platz hin ist durch einen Mittelrisalit und eine Freitreppe aus Granit betont, die mit einem schönen schmiedeeisernen Geländer zum Eingang führt. Von den beiden Wohnungen pro Geschoß orientiert sich die eine zur Bundesallee und die andere zur Schmiljanstraße. Jede hat einen Erker mit zwei Balkons. In den beiden Zweispännern in der Bundesallee 130 und Schmiljanstraße 1 ist jeder Wohnung wieder ein - diesmal - dreiachsiger Erker mit zwei flankierenden Balkons zugeordnet. Topographie Friedenau, 2000

 

Das letzte Wohnhaus dieser Mietshausgruppe, Schmiljanstraße 3, wurde auf einer schmaleren Parzelle als Einspänner gebaut, es ist nur fünfachsig und besitzt einen Mittelerker mit Seitenbalkons. Es ist über dem Eingang inschriftlich "AD 1893" datiert und offenbar das zuletzt fertiggestellte Haus der Gruppe von Miethe. Die Fassaden der Hausgruppe haben ein durchgängiges, rhythmisiertes Fenster-Erker-Kompositionsschema. Das Eckhaus hat eine durchlaufende zweigeschossige Sockelzone mit reicher Stuckdekoration, darüber sind die Wandflächen durchgehend mit roten Ziegeln verblendet, die Erkerpfeiler und Fenstergewände verputzt. Die anschließenden Häuser sind insgesamt verputzt. Kleine Dachpavillons betonen die Mittelachsen des Eckhauses, die Mittelachsen der anschließenden Häuser zeigen kleine Quergiebel.

 

 

Friedrich-Wilhelm-Platz 10

Das Haus Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 10 Ecke Schmargendorfer Straße Nr. 20 existiert nicht mehr.  Es mußte dem U-Bau-Bau weichen und wurde 1967 gespreng. Eine annehmbare architektonische Lösung für die angrenzenden verbliebenen Häuser wurde nicht für erforderlich gehalten. Zu besichtigen sind Brandwände. Auf der Fläche entstand ein Zugang zum U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz.

 

Friedrich-Wilhelm-Platz 11. Deutsche Bauzeitung, 1889

Zwischen Schmargendorfer Straße und Niedstraße

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11

Architekt Otto Hoffmann (1853-1927)

 

Die Geschichte beginnt im Anhaltinischen mit dem Lehrer Johann Gottfried Hoffmann. Seine Söhne  Carl Wilhelm Hoffmann (1810-1895) und Friedrich Eduard Hoffmann (1818-1900) besuchen das Gymnasium, werden Maurer, absolvieren die Bauakademie und legen die Prüfungen für Bauführer und Baumeister ab. Nach Entwürfen des Königlichen Bauinspektors Carl Wilhelm Hoffmann entstehen 1845 in der Berliner Almstadtstraße Nr. 16 und Nr. 18 Mietshäuser, die heute als Baudenkmale ausgewiesen sind. Sein Bruder Friedrich Eduard Hoffmann entscheidet sich für eine Laufbahn im Eisenbahnbau bei der preußischen Bauverwaltung. Er geht in die Geschichte als Techniker, Industrieller und Erfinder des Ringofens ein. 1845 heiratet er Bertha geb. Fügel. Aus der Ehe gehen zwischen 1848 und 1854 vier Kinder hervor, die 1855 Opfer des Scharlachs werden.

 

 

Der Vater verläßt die Bauverwaltung und beschäftigt sich mit der Ziegelbrennerei. 1858 erhielt er das Preußische Patent für die Erfindung des Hoffmannschen Ringofens, mit dem das ununterbrochene Brennen von Ziegeln möglich wurde. 1865 gründete Hoffmann den Deutschen Verein für die Fabrikation von Ziegeln, Tonwaren, Kalk und Zement, ab 1868 gab er die Deutsche Töpfer- und Ziegler-Zeitung heraus. 1876 erwarb Friedrich Eduard Hoffmann bei einer öffentlichen Versteigerung Ziegelei und Tonlager mit Verladegleis an der Eisenbahnlinie Breslau-Berlin. Er errichtete zwei Ringöfen. 1877 ging die Anlage als Siegersdorfer Werke AG Friedrich Hoffmann in Betrieb.

 

Siegersdorfer Werke

Sein Bruder Carl Wilhelm Hoffmann heiratete Eda Anna Bertha geb. Benda. Am 21. August 1853 wird in Berlin Sohn Heinrich Otto Hoffmann geboren. Nach Gymnasium und Maurerlehre absolviert er die Berliner Bauakademie und legt die Püfungen für Bauführer und Baumeister ab. Am 25. November 1876 erschienen beim Standesamt Berlin zum Zweck der Eheschließung der Architekt Heinrich Otto Hoffmann, wohnhaft zu Berlin, Grenadier Straße 32, und die Anna Louise Karoline geb. Ranfft, wohnhaft zu Berlin, Unter den Linden 38, Tochter des Ernst Karl Friedrich Ranfft und Ehefrau Luise geb. Benke.

 

Am 13. Januar 1880 wurde Sohn Ernst Friedrich Wilhelm Otto Hoffmann (1880-1952) geboren. Nach dem Prinz Heinrichs Gymnasium in Schöneberg studiert er Philologie und Theologie in Berlin, Heidelberg und Göttingen. 1906 heiratet Dr. phil. Ernst Hoffmann Dorothea geb. Zürcher (1882-1965) und zieht vorerst mit Ehefrau in das Anwesen seines Vaters Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11. Ab 1907 unterrichtete er am Charlottenburger Mommsen-Gymnasium.

 

 

1922 wurde Ernst Hoffmann zum ordentlichen Professor der Philosophie an die Universität Heidelberg berufen. In seiner Rede als Dekan der philosophischen Fakultät über Die Freiheit der Forschung und Lehre am 17. Januar 1931 warnte Ernst Hoffmann vor dem heraufziehenden politischen Extremismus. Zum 1. November 1935 erfolgte seine Zwangsemeritierung. Nach der NS-Gesetzgebung galt er als jüdischer Mischling. 1945 konnte er seine Lehrtätigkeit als Emeritus wieder aufnehmen. Ernst Hoffmann gilt bis heute als einer der bedeutendsten Platon-Kenner. Er starb am 28. Januar 1952 in Heidelberg

 

Am 25. November 1876 erschienen beim Standesamt Berlin zum Zweck der Eheschließung 1. der Architekt Heinrich Otto Hoffmann, evangelischer Religion, wohnhaft zu Berlin, Grenadier Straße 32, und 2. die Anna Louise Karoline geb. Ranfft, evangelischer Religion, geboren den 27. Februar 1853 zu Spandau, wohnhaft zu Berlin, Unter den Linden 38, Tochter des Ernst Karl Friedrich Ranfft und Ehefrau Luise geb. Benke. Am 13. Januar 1880 wurde Sohn Ernst Friedrich Wilhelm Otto Hoffmann (1880-1952) geboren.

 

1882 erwirbt sein Onkel Friedrich Eduard Hoffmann in Berlin N, Kesselstraße Nr. 7, ein Mietshaus, in das neben der Redaktion der Töpfer- und Ziegler-Zeitung auch Neffe Architekt Heinrich Otto Hoffmann mit Familie einzieht – als Vertreter der Verblendziegelei Siegersdorfer Werke mit Bürozeiten von 8 bis 9 und von 2 bis 4 Uhr. Zuvor war 1881 eine Vereinigung mit dem Zwecke gegründet worden, ihren Mitgliedern die Beschaffung billiger Wohnhäuser zu ermöglichen. Diese Häuser sollten von den Vereinsmitgliedern mittels geringer Anzahlung und durch allmähliche Abzahlung erworben werden können. Diese Verbindung bestand aus den Herren Otto Hoffmann in Gemeinschaft mit dem Ziegeleibesitzer Friedrich Eduard. Hoffmann, dem Zimmermeister Friedrich Wilhelm Hesse, dem Maurermeister M. Ziegra und dem Architekten Max Nagel. Die Aufmerksamkeit des Vereins richtete sich besonders auf Friedenau, da die Verbindung mit Berlin (täglich Züge mit einer Fahrzeit von 9 bis 10 Minuten) hier die bequemste ist. Dazu kommt die Lage an zwei verschiedenen Bahnen, der Potsdamer Bahn und der Ringbahn.

 

1884 erschien im Centralblatt der Bauverwaltung ein Artikel von Architekt Max Nagel (1848-1904) zu den Landhausbauten in der Umgegend von Berlin, in dem er sich über die geradezu trostlosen Erfahrungen äußerte, welche in den früheren Jahren mit dem Putzbau gemacht worden sind. Nagel plädiert vehement für die Ausführung sämtlicher Bauten in Ziegelrohbau. Alle dem Wetter ausgesetzten Teile der Gebäude sind aus gutem und echtem Material hergestellt. Die Dächer sind fast sämtlich mit Siegersdorfer Falzziegeln gedeckt, die sich als vorzügliches Deckmaterial bewährt haben.

 

1885 erwarben die Architekten Otto Hoffmann und Max Nagel (1848-1904) je ein Landhaus am Friedrich-Wilhelm-Platz. Unmittelbar danach entstehen nach Entwürfen von Max Nagel Häuser in der Handjerystraße Nr. 18 (1885), Nr. 21 (1886), Nr. 47 (1887), Nr. 87 (1885), Nr. 88 (1886) Niedstraße Nr. 39 (1889), Perelsplatz Nr. 12 (1886), Schmargendorfer Straße Nr. 15 (1882). Otto Hoffmann konzentrierte sich auf den Bau der Häuser Albestraße Nr. 24 (1888), Goßlerstraße Nr. 2 (1890), Schmargendorfer Straße Nr. 22 (1889) und Wiesbadener Straße Nr. 89 (1890). Beschreibungen und Details zu diesen Bauten finden Sie jeweils unter den Straßennamen.

 

Hoffmanns Interesse galt vor allem seinem eigenen Anwesen auf dem Grundstück Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11 Ecke Schmargendorfer Straße Nr. 18 & 19. Dort wurde am 30. Juli 1888 der zweite Sohn Paul Gerhard Hoffmann geboren. Er wurde Zahnarzt und eröffnete 1912 im Haus eine Praxis. Am 31. August 1912 heiratete er Emma Lina Margarete Katherina geb. Kunz, die Tochter des Kunstdruckereibesitzers Hermann Gustav Adolf Kunz und seiner Ehefrau Berta Wilhelmine Emma geb. Scholz. Als Zeuge war u. a. Bruder und Oberlehrer Dr. phil. Ernst Hoffmann zugegen.

                   

Immer wieder fanden Otto Hoffmann und Max Nagel zusammen, in der Niedstraße Nr. 13 erweiterte Hoffmann 1899 den Ursprungsbau von Nagel von 1892. Das gilt auch für die Bauten des Lorenzschen Gymnasiums in der Schmargendorfer Straße Nr. 24 bis Nr. 25A.  Max Nagel hatte 1882 für den Gründer Dr. Carl Lorenz das Haus Nr. 25A geschaffen. 1884 schuf Otto Hoffmann für den Lehrer Dr. Helmut Bach das eingeschossige Wohnhaus Nr. 24 und 1900 in zweiter Baulinie das viergeschossige Schulgebäude.

 

Friedrich-Wilhelm-Platz 11. Deutsche Bauzeitung 1889

Am 21. September 1889 publizierte die Deutsche Bauzeitung unter dem Titel Wohnhaus-Anlage zu Friedenau bei Berlin die erste und zugleich verlässlichste Beschreibung des Anwesens Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11 Ecke Schmargendorfer Straße.

 

Das zu Friedenau, an der Ecke des Friedrich-Wilhelms-Platzes und der Schmargendorfer Straße gelegene Grundstück hat an dem Platze eine Front von 35,50 m, an der Schmargendorfer Str. eine Länge von 48,0 m. Die Lage des Grundstücks an dem größten und monumental aufgefassten Platze des Vororts, der als Kirch- und Schmuck-Platz in Zukunft noch eine bedeutende Rolle zu spielen berufen sein dürfte, war für den Architekten Otto Hoffmann, der zugleich der Besitzer und Bewohner des Anwesens ist, Veranlassung, die auf dem mäßig großen Grundstück zu errichtenden Baulichkeiten so anzuordnen, dass die ganze Anlage als eine geschlossene Gruppe von Gebäuden erschien, von denen jedes einzelne Haus bestimmt war, den Eindruck des anderen zu heben und die Abmessungen sowohl in der ebnen Fläche wie in den Höhenmaaßen größer und eindrucksvoller erscheinen zu lassen, als sie in der That sind. Zu gleicher Zeit beabsichtigte er, die Lage der beiden Wohnhäuser zu einander derart einzurichten, dass dieselben, wenn gewünscht, als ganz selbständige Grundstücke mit Hofraum, Garten usw. veräußert werden könnten! Weiter als PDF.

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Deutsche Bauzeitung 1889, Wohnhaus-Anlage Friedenau

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1893 beteiligte sich Otto Hoffmann am Wettbewerbe um eine Kirche für die evang. Gemeinde in Prüm, der unter den Mitgliedern des Berliner Architekten-Vereins ausgeschrieben war. Eingegangen waren 6 Entwürfe, die im Architekturmuseum der TU Berlin archiviert sind. 1910 erfuhren die Friedenauer, daß die Kirche auf dem Oelberg in Jerusalem von unserem Mitbürger Herrn Königl. Baurat Otto Hoffmann erbaut wurde und unser Gemeindeverordneter Herr Kommissionssatz Heinrich Sachs dafür das Kreuz stiftete.

 

Weiteres in Vorbereitung

 

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 12

Entwurf & Bauherr Architekt Max Nagel

1884

1907 Umbau

 

Der ursprünglich freistehende, zweigeschossige Landhaus aus roten Ziegeln wurde später nach Norden und Süden um zwei Achsen erweitert. , vierachsige Bau ist 1911 nach Norden und Süden um je zwei Achsen erweitert worden. Mit dem Ausbau von Bundesallee und der Umgestaltung des Friedrich-Wilhelm-Platzes wurde der Vorgarten entfernt.

Das Haus wird heute vom Bezirksamt Schöneberg als Kindertagesstätte genutzt – vorn die sechsspurige Bundesallee mit der Kreuzung Bundesallee, Schmiljanstraße, Wiesbadener Straße und Goßlerstraße, hinten ein Spielplatz, eingekeilt von Brandwänden.

 

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 13

Ecke Niedstraße Nr. 23

Entwurf Peter Fischer

Bauherr Ernst Scheldt & Peter Fischer

1891

 

Das viergeschossige Haus ein Zweispänner mit großen Wohnungen - ist ein zwölfachsiger neobarocker Bau mit kräftiger Putzrustika im Erdgeschoss und feiner Putzquaderung in den Obergeschossen, zweiachsigen (ursprünglich) offenen Loggienvorbauten, einem Säulenportal, einem breiten, von Konsolen getragenen Kranzgesims und einem Quergiebel mit Kartusche. Auch die Seitenansicht zur Niedstraße ist mit einem Rustikasockel und Putzquaderung versehen, in den Obergeschossen kragt ein dreieckiger Erker aus, der diese Fassade gut gliedert. Topographie Friedenau, 2000

 

In diesem Haus soll, so wird vielfach und immer mit derselben Formulierung geschrieben, in den zwanziger Jahren der Schriftsteller Maxim Gorki (1868-1936) verkehrt sein. Das könnte möglich gewesen sein, da dort eine Frau Prof. M. Garmaschow im Jahr 1928 Mieterin war. Auch Friedrich Luft (1911-1990) soll sich im Rückblick auf das Jahr 1928 an Maxim Gorki erinnert haben. Der damals 17-Jährige ist Gorki auf der Straße begegnet.

 

Zwischen Niedstraße & Sarrazinstraße

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 14 bis 17

 

Die Häuser Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 14 bis Nr. 17 hatten den Zweiten Weltkrieg überlebt, dokumentiert auf dem Schadenplan von 1947, auf dem für das Haus Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 17 Ecke Sarrazinstraße vermerkt war, vielleicht wiederherstellbar. Dennoch wurde das um 1897 errichtete Mietshaus in den Wirtschaftswunderjahren abgerissen und durch einen einfälltigen Neubau ersetzt. Es kann davon ausgegangen werden, daß in diesem Zusammenhang das Haus Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 16 entdekoriert wurde – einschließlich Abriss der Balkone

 

 

Prinzess-Café, Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 14. Archiv Barasch

Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 14

Ecke Niedstraße Nr. 22

Entwurf Johannes Schuster

Bauherr Arthur J. Bach (Charlottenburg)

1911

 

Bei diesem Grundstück war alles rasch geklärt. 1910 Baustelle, 1912 Eigentümer und Bauherr der Baumeister Arthur J. Bach aus Charlottenburg, 1913 im Besitz von Zimmermeister Ullrich aus Berlin, bis zur Einführung der Vermögenssteuer im März 1922. Der viergeschossige Bau wird als Reformmietshaus bezeichnet, da er mit traditionellen Baukonzepten bricht und mit einer lebhaften Gliederung der Fassade durch Erker, Loggien, Balkons und Altane aufwartet. Im Erdgeschoss wurde ein Caféhaus mit Vorgarten eröffnet, das der Cafétier Quelms einige Jahre führte, bis er 1919 die Direktion vom Tanzpalast Schramm am (ehemaligen) Wilmersdorfer See übernahm.

 

 

 

Das Etablissement am Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 14 übernahm Max Lautenbusch. Er kreierte den Namen Prinzess-Café und bat schon für Sylvester 1918 um rechtzeitige Tischbestellung. Dem Werbespruch Jehn wa bei Schramm tanzen setzte er anderes entgegen. Am 19. Januar 1919 wurde das Café Wahllokal für den 8. Stimmbezirk Albestraße zur Deutschen Nationalversammlung. Pfingstsonntag gab es als Matinee ein Mittagskonzert mit dem Geiger Fritz Nagel und der Pianistin Maria Katerla. In Ermanglung eines fachkundigen Musikkritikers schickte der Friedenau Lokal-Anzeiger einen Lokalreporter: Man traf gutes Publikum und so viel, dass es fast schwer fiel, noch einen Platz zu bekommen. Es gab ein gediegenes Programm, F-Dur-Sonate von Grieg, Violinkonzert von Bruch, D-Dur-Romanze von Paganini, Tschaikowski, Schumann, Mendelssohn. Neben dem weichen Geigenstrich wurde die gute Klavierbegleitung erwähnt. Das bessere Friedenauer Publikum, man sah es bei dieser Gelegenheit wieder, war dankbar und wird weitere derartige Veranstaltungen mit Freude besuchen. Das Café am Friedrich-Wilhelm-Platz hat es dank der Rührigkeit seines Besitzers verstanden, sich eine gute solide Kundschaft zu schaffen und durch solche Veranstaltungen wird es den Kreis seiner Gäste nur erfreulich erweitern.

 

Dieses Konzert hat der wohl bekannteste Mieter des Hauses Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 14 nicht erlebt. Der Archäologe Wilhelm Dörpfeld (1853-1940) zog 1913 ein. Kurz darauf war er schon wieder mit Ausgrabungen beschäftigt, nun in Pergamon. Er hatte Architektur an der Berliner Bauakademie studiert und fand über seinen Lehrer Friedrich Adler (1827-1908) zur archäologischen Bauforschung. Bereits mit 24 Jahren kam er 1877 als Assistent des Grabungsarchitekten Richard Bohn (1849-1898) nach Olympia. Ein Jahr später wurde Dörpfeld die technische Grabungsleitung übertragen. 1882 gewann ihn Heinrich Schliemann (1822-1890) für die Ausgrabung Trojas. Er grub in Tiryns (Peloponnes), auf der Akropolis von Athen und nach Schliemanns Tod wieder in Troja. Dörpfeld gilt als Begründer des wissenschaftlichen Grabungswesens in der Archäologie. Auf seine präzisen Dokumentationen, Beschreibungen und Lagepläne von den antiken Stätten greifen die Reiseführer für Griechenland und die Türkei noch heute zurück. Wilhelm Dörpfeld starb, wie konnte es anders sein, am 25. April 1940 auf der griechischen Insel Lefkada im Alter von 83 Jahren an einem Herzleiden. Dort wurde er auch begraben.

 

Friedrich-Wilhelm-Platzes Ecke Bundesallee 131. Foto Jürgen Henschel, 1979. Museum Schöneberg

Am Friedrich-Wilhelm-Platz

Bundesallee Nr. 131 Ecke Sarrazinstraße

 

In Erinnerung sei gerufen, daß vom Friedrich-Wilhelm-Platz bis zur Ringbahntasse zwischen Kaiserallee (Bundesallee) und Bismarckstraße (Sarrazinstraße) vom Berliner Magistrat noch 1880 eine Gasanstalt geplant war. Der Bau wurde vom zuständigen Landrat Ernst von Stubenrauch auch genehmigt. Friedenauer Gemeindevorstand, Landerwerb- und Bauverein auf Actien und Gemeindekirchenrat reichten 1884 eine Beschwerde bei Reichskanzler Otto von Bismarck ein. Er verfügte, dass der besondere Charakter des Vorortes Friedenau, die Bestimmung desselben als Villenanlage und als ein für Sommerwohnungen gesuchter Ort, eine gewerbliche Anlage, wie die hier projektierte Gasanstalt, ohne sanitäre Belästigungen und Nachteile für die einen gesunden Aufenthalt Suchenden nicht zulasse und deshalb die Genehmigung zu versagen sei.

 

 

Die Gasanstalt war vom Tisch. In der Kaiserallee wurden die Grundstücke Nr. 97 bis Nr. 131 parzelliert. Eigentümer des Areals war nach wie vor die Stadt Berlin. Sie verpachtete das dahinterliegende Gelände an die Sportpark Gesellschaft mbH. Die bisherige Carlsruher Straße wurde 1884 zur Bismarckstraße. Da auf dem Sportpark laut Friedenauer Lokal-Anzeiger 1899 nur selten etwas los war, konnte die Gemeinde Friedenau das Terrain günstig erwerben. Gewichtige Gemeindevertreter plädierten alsbald für den Verkauf des Geländes und eine Bebauung. 1904 konnte die Berlinische Boden-Gesellschaft von der Gemeinde das Gelände erwerben – mit der Erlaubnis zum Bau viergeschossiger Mietshäuser bei einer Traufhöhe von 22 Metern.

 

Bauunternehmer Georg Haberland gelang es für das Wagner-Viertel, eine Vielzahl von jüngeren Architekten zu aktivieren, darunter für die Ecke Bismarckstraße Nr. 10 und Kaiserallee Nr. 131 die Architekten Appelt & Schröder, deren Bau 1907 bereits von zehn Mietparteien bezogen war..Vor ihrem Haus war, wie auch beim gegenüberliegenden Pendant der Architekten Klitscher & Afdring, außerhalb der Vorgärten kleine Plätze entstanden. Mit dem zweigleisigen Ausbau der elektrischen Straßenbahn Steglitz-Friedenau-Zoologischer Garten war Friedenau zu einer neuen Fluchtlinienfestsetzung in der Kaiserallee zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Ringbahn gezwungen. Die Eigentümer erklärten sich bereit, von ihren Grundstücken den für das Straßenland erforderlichen Geländestreifen von zirka vier Meter Tiefe an die Gemeinde kostenlos abzutreten. Sie sind bereit, die erwähnten Plätze auf ihre Kosten durch die Gemeindegärtnerei herrichten zu lassen, wenn letztere die dauernde Unterhaltung übernimmt.

 

Das Mietshaus blieb bis 1920 im Besitz von Appelt & Schröder. 1925 folgt die Bau AG. 1941 ist als Eigentümer die Pensionsanstalt für Bühne, Film und Rundfunk aufgeführt. Wir gehen auf Grund der vom Fotografen Jürgen Henschel 1979 erstellten Aufnahme davon aus, daß in den Wirtschaftswunderjahren der Eckplatz aufgegeben wurde und einem Flachbau weichen mußte, in dem vor vielen Jahren eine fesche Nürnbergerin einen italienisch angehauchten Feinkostladen eröffnete, der unter dem Namen Primavera noch immer existiert.

 

 

U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz

 

Mit Eröffnung der U-Bahnlinie 9 erhielt die Station Friedrich-Wilhelm-Platz 1971 sechs Zugänge von den Seitenstraßen mit Teppen zum Zwischengeschoss und Bahnsteig. 2013 begann die BVG mit den Planungen für einen barrierefreien Ausbau. Das war wegen der im Bogen angelegten Gleise kompliziert. Zur Umfahrung der mittig auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz gelegenen Kirche Zum Guten Hirten mußten seinerzeit Mittelbahnsteig und Stützen als Krümmung angelegt werden. So blieb für einen barrierefreien Zugang von der Straße zum Bahnsteig nur der Bau eines Aufzugs vom Mittelstreifen der Bundesallee – weder eine baukonstruktive noch architektonische Meisterleistung, zumal der Aufzug an der Niedstraße 2019 noch mit einer Ampelanlage gesichert werden mußte.

 

Nichtsdestotrotz machte sich die BVG obendrein noch an die Umgestaltung des im Original erhaltenen U-Bahnhofs Friedrich-Wilhelm-Platz aus den 1960er Jahren – ein unverantwortlicher und bisher einmaliger Eingriff in die denkmalgeschützte Gestaltung der Berliner U-Bahn-Stationen.

 

Seit Alfred Grenander (1863-1961), der zwischen 1903 und 1931 einen Großteil der Berliner U-Bahnhöfe gestaltet hatte, die noch weitgehend im Originalzustand erhalten sind, war es bis heute eisernes Gesetz, diese Praxis beizubehalten. Der aus Schweden stammende Architekt entwickelte für die Gestaltung seiner Stationen das Prinzip der Kennfarbe, bei dem sich jede Station durch eine Farbe deutlich von den jeweils davor bzw. dahinter liegenden Bahnhöfen unterscheidet.

 

Selbst Stadtbaurat Friedrich Gerlach (1856-1938) orientierte sich beim Bau der Schöneberger U-Bahn an Grenander und gab seinen Stationen 1910 eine Kennfarbe – vom Nollendorf Platz. zum Innsbrucker Platz waren dies die Farben Grün, Hellgrün, Blau, Türkies und Weinrot. Die Entwürfe für die Zugänge überließ er allerdings verschiedenen Architekten.

 

Als nach dem Mauerbau ab den 1960er Jahren wieder U-Bahn-Lienen entstanden, übernahm der Architekt Rainer G. Rümmler (1929-2004) die Gestaltung der Stationen. Auch er hielt am Prinzip der Kennfarbe fest, abzulesen an den 1971 eröffneten Friedenauer Bahnhöfen Bundesplatz, Friedrich-Wilhelm-Platz und Walther-Schreiber-Platz. Bei den später entstandenen Bauten versuchte er allerdings, das Umfeld der U-Bahn-Stationen mitzugestalten. Die Bahnhöfe wurden Einzelkunstwerke. Diese Rümmlersche Phase bewegte die BVG, am Friedrich-Wilhelm-Platz die oberirdische Geschichte von Friedenau in den Untergrund zu bringen.

 

Ausgehend vom Namensgeber der Station wurden die Wände nun mit großflächigen Fotos aus der Zeit von Kronprinz Friedrich Wilhelm dekoriert, was für das Schöneberger Verlautbarungsorgan Stadtteilzeitung sogleich nicht nur einen eleganten Eindruck macht, sondern auch den schwarz-weißen Farben Preußens in der Regierungszeit des Namenspatrons entspricht. Da nicht genügend Fotomaterial zur Verfügung stand, wurde ein Notenblatt mit dem Text des Friedenauer Gassenhauers aus den 1880er Jahren an die Hintergleiswand gebracht: Komm mit nach Friedenau, da ist der Himmel blau..

 

Mit Rechtschreibung und Geschichtskenntnissen hat die BVG nichts am Hut. Fatal war nur, daß die Beschriftungen der Fotografien in Keramikfliesen eingelassen waren und die Fehler nicht ohne Weiteres auszumerzen waren.

 

Bei KRONPRINZENPALLAIS war ein „L“ zu viel. Das DENKMAL KAISER-WILHELM kam mit einem ganz überflüssigen Bindestrich daher.  Der FRIEDENAUER LOKALANZEIGER erschien im Original von 1894 bis 1920 durchgängig mit Bindestrich zwischen Lokal und Anzeiger. Bei DREI KAISERGENERATIONEN und FAMILIE DES KRONPRINZEN 1870 waren falsche Jahreszahlen angegeben. Die Beschriftung der Fotografie von 1882 ist zudem unglücklich, da neben den drei Kaisern Wilhelm I. (1797-1888) mit seinem Sohn (links), dem späteren Kaiser Friedrich III. (1831-1888) und seinem Enkel (rechts), dem späteren Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), auf dem Schoß von Kaiser Wilhelm I., auch iFriedrich Wilhelm (1882-1951) abgelichtet ist.

 

Die Umgestaltung des U-Bahnhofs Friedrich-Wilhelm-Platz erinnert an den Fehrbelliner Reitermarsch von 1893, der nach dem Ende des Kaiserreichs mit seinem witzigen Text zum Gassenhauer und zur Hommage à Friedrich Wilhelm wurde Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben. Aber den mit dem Bart, dem langen Bart.

 

So schwärmten unsere Eltern von der guten alten Zeit.

Sie liegt so fern und weit, die alte Kaiserzeit.

Doch war sie wirklich besser, diese gute alte Zeit.

Als einst der Opapa die Omama hat wohl gefreit

 

Mein Opa schwörte Stein und Bein, dass noch vor hundert Jahren

Der Rheine noch so gar, die Luft durchsichtig war

Und Oma sagte ohne Scherz, dass sie als junge Dirn

Noch aus der Elbe trinken konnte, ohne krank zu wer'n

 

Ja, mit Jagdgesang und mit Hörnerklang

Rings um Fehrbellin durch die Wälder ziehn

Ja, mit Jagdgesang und mit Hörnerklang

Ritt die Omama mit dem Opapa

Doch sie hielten an und küssten sich

Sonst wärn wir heut nicht da

 

Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben

Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben

Aber den mit dem Bart, mit dem langen Bart

Aber den mit dem Bart, mit dem langen Bart

 

Rümmlers Stil war nicht jedermanns Sache, aber er gehört nun einmal zur Stadtgeschichte.

 

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Bebauungsplan XI-106, Bezirksamt Schöneberg, 1964

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Bebauungsplan XI-114. Bezirksamt Schöneberg, 1965

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Bebauungsplan XI-58. Bezirksamt Schöneberg, 1957

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