Fuhrunternehmen Pählchen, 1912. Archiv Rüdiger Barasch

Hermann Pählchen (1861-1895)

 

Der Name Pählchen war in Friedenau in Vergessenheit geraten, obwohl die Liste der Kulturdenkmäler mit einigen seiner Bauten aufwartet. Im Adressbuch taucht der Name erstmals unter Wilhelmstraße 1894 mit dem Eintrag Pählchen’sches Haus auf. Eigentümer des Grundstücks war der Bauunternehmer Hermann Pählchen (1861-1895). Seit 1890 wohnte er mit Ehefrau Johanna sowie den Söhnen Max (1886-1915) und Ernst (1890-1918) im Haus Rheinstraße Nr. 52. Der gelernte Maurer Hermann Pählchen hatte in den neuen Vororten Friedenau und Groß-Lichterfelde innerhalb weniger Jahre eines der größten Baugeschäfte geschaffen. Mehrfach war er für Entwurf und als Bauherr verantwortlich. Erhalten sind von ihm die zwischen 1891 und 1894 entstandenen Mietswohnhäuser Rheinstraße 17, 18 und 19 und das dreigeschossige Mietswohnhaus Perelsplatz 17. Pählchen war Gemeindeverordneter.

 

 

 

Auf dem Areal Wilhelmstraße Nr. 15 (heute Görresstraße Nr. 21-23) entstand ein Fuhrunternehmen mit Pferdeställen, Futterspeicher, Wagenremise und Geschirrschuppen. Im Obergeschoss entstanden zwei Wohnungen für die Kutscher Wilhelm Rogalla und Stanislaus Tyß. Darunter zur Straße hin das Kontor mit zwei Stuben. Entwürfe, Baupläne und statische Berechnungen lieferte der Architekt James Ruhemann. Die Baugenehmigung wurde am 30. Dezember 1892 erteilt. Ab 10. März 1893 wurden die Gebäude genutzt. Es waren die ersten Bauten in der Wilhelmstraße. Unmittelbar im Anschluss an den Fuhrhof entstand auf dem linken Grundstücksteil ein Landhaus. In der am 13. Mai 2019 vom Landesdenkmalamt Berlin veröffentlichten Neueintragung heißt es dazu: Ein seitlich links zurückgesetztes Treppenhaus, ehemals bekrönt von einem Spitzturmaufsatz aus Fachwerk (nach Kriegsschaden abgebrochen), erschließt Souterrain, Beletage und Dachgeschoss. Die Mitte des Baukörpers ist durch ein Zwerchhaus über einem Standerker akzentuiert, der im Dach Raum für einen Balkon bietet. In der Beletage schließt rechts an den Erker ein Balkon an. Das Haus besitzt zwei Wohngeschosse in Souterrain und Hochparterre. Im Zwerchhaus sind nur zwei Zimmer ohne Nebenräume, nicht als eigene Wohnung nutzbar. Die Baugenehmigung für das im Januar eingereichte Projekt wurde am 19. Mai 1893 erteilt. Das Landhaus entspricht den Vorschriften der Bauordnung vom 5. Dezember 1892 für die Vororte von Berlin, die für Friedenau landhausmäßige Bebauung vorschrieb. Es ist das jüngste der Landhäuser in Friedenau und das letzte erhaltene Beispiel von nur dreien, die in der Wilhelmstraße noch erbaut wurden, ehe sich nach der Jahrhundertwende dort die geschlossene Bauweise ausbreitete.

 

Mit Schreiben vom 2. Februar 1895 teilte Hermann Pählchen der Gemeindeverwaltung Friedenau mit, dass das Fuhrunternehmen inzwischen auf seine Frau übergegangen sei, und daher den Gemeindevorstand bittet, den mit ihm abgeschlossenen Vertrag für die Müllabfuhr auf seine Frau zu überschreiben.Wenige Monate später ist der frühere Gemeindevertreter, Herr Bauunternehmer Hermann Pählchen, am Sonnabend, 27. Juli 1895 gegen 7 Uhr abends im Alter von 34 Jahren an einem Lungenleiden verstorben. Er war vor etwa 10 Jahren als einfacher Maurer nach Friedenau gekommen, hatte dann durch selbstständige Unternehmungen eines der größten Baugeschäfte der Vororte geschaffen und hat durch dasselbe viel zu der jetzigen Gestaltung Friedenaus beigetragen. Der Rückgang im Baugewerbe in den letzten zwei Jahren sowie die Übernahme einer zu großen Zahl von Bauten (im Ganzen hat der Verstorbene während seiner Tätigkeit in Friedenau und Umgegend 111 Bauten ausgeführt) haben den Rückgang seines Geschäfts veranlasst. Im Allgemeinen ist dem Verstorbenen nachzurühmen, daß er ein fleißiger und tätiger Mann war, der stets bereit war, für gemeinnützige und wohltätige Zwecke mit einzutreten, wie er zum Beispiel auch für unsere Kirche „Zum Guten Hirten' zwei kunstvolle Altarfenster gestiftet hat. Friedenauer Lokal-Anzeiger 31. Juli 1895

 

Witwe Johanna Pählchen mit ihren minderjährigen Söhnen Max und Ernst musste handeln. Sie konzentrierte sich auf den übernommenen Vertrag mit dem Haus- und Grundbesitzerverein Friedenau für die Müllabfuhr, empfahl in Anzeigen den sehr geehrten Herrschaften Müllabfuhrgeschäft und Arbeitsfuhrwerk zu soliden Preisen in der Wilhelmstraße Nr. 7 und startete am 25. September 1895 die erste Zwangsversteigerung: Morgen, Donnerstag 10 ½ Uhr gelangen folgende Grundstücke des verstorbenen Bauunternehmers Hermann Pählchen zur Versteigerung und zwar: Die im Grundbuche von Friedenau, Band 1, Blatt Nr.166, und Band 43, Blatt Nr.1300 von Deutsch-Wilmersdorf eingetragene, zu Friedenau, Saarstraße 1 und Illstraßen-Ecke, bzw. zu Deutsch-Wilmersdorf, Bernhardstraße 1, Ecke Ringbahnstraße, belegenen Grundstücke. Flächenraum 11,29 Ar. Nutzungswert zur Gebäudesteuer 9800 M., bzw. 7,87 Ar und 8800 M. Nutzungswert zur Gebäudesteuer. Drei Tage später war das Grundstück Saarstraße 1 und Illstraßen-Ecke in den Besitz des Schneidermeisters Wolff übergegangen. Johanna Pählchen blieb Eigentümerin des Grundstücks Wilhelmstraße Nr. 15, gab das Wohnhaus Rheinstraße Nr. 23 auf, zog mit den Söhnen in die Wilhelmstraße und betrieb dort das Fuhrgeschäft.

 

Sohn Max Pählchen, Studierender der Technischen Hochschule Berlin, Inhaber des Eisernen Kreuzes, starb am 16. Juli 1915 auf dem Felde der Ehre. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof an der Stubenrauchstraße in der Anlage Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Erster Weltkrieg. Sohn Ernst Pählchen, Ersatz-Reservist und Inhaber des Eisernen Kreuzes 2. Klasse, verstarb am 29. Mai 1918 im Alter von 28 Jahren durch Verschüttug im Unterstand den Heldentod.

 

Siehe auch Görresstraße & Exkurs Fuhrhof

 

Perelsplatz 17, um 1920. Archiv Rüdiger Barasch

Perelsplatz Nr. 17

1890

Entwurf Maurermeister Hermann Pählchen

Bauherr Fleischwarenhändler August Striesche

 

Das dreigeschossige, sechsachsige Mietswohnhaus Perelsplatz 17 wurde 1890 nach Plänen des Maurermeisters Hermann Pählchen erbaut. Sein Grundriss mit einer Fläche von 15 x 13 Metern zeigt in der Mittelachse eine zweiläufige Geschosstreppe, die je zwei 3-Zimmer-Wohnungen pro Geschoss erschließt. Den Wohnzimmern ist jeweils ein Balkon vorgelagert. Die Straßenfassade zeigt im Souterrain und im Hochparterre Putznutung. In der Mittelachse ist der Hauseingang mit einem Säulenportal mit Segmentbogen angeordnet. Die Obergeschosse sind verklinkert. Die Fenster sind mit aufwendigen Ädikulen, Laibungen, Sohlbänken und Brüstungen geschmückt. Das Haus gehört zur Übergangsphase der Friedenauer Bebauung zwischen den Bauordnungen von 1887 und 1892.

Topographie Friedenau, 2000

 

 

 

 

 

 

 

Rheinstraße 17 um 1932. Archiv Rüdiger Barasch

Rheinstraße Nr. 17

1893

Entwurf & Bauherr Hermann Pählchen

 

Das Haus Rheinstraße 17 stammt - wie die anschließenden Wohnhäuser Rheinstraße 18-20 beiderseits der Kreuzung mit der Schmiljanstraße - von dem Architekten Hermann Pählchen. Das viergeschossige, neunachsige Zweispänner-Mietwohnhaus Nr. 17 wurde 1893 erbaut. Seine Straßenfassade weist in der Mittelachse einen Erker auf, ist mit einem Spitzturm bekrönt und zeigt Loggienbalkons, die im dritten Obergeschoss rundbogig geschlossen und mit einem Dreiecksgiebel bekrönt sind. Der gelbrote Ziegelbau hat an den Fenstern Putzgewände und -verdachungen. Die Ladenzone im Erdgeschoss ist stark verändert. Der Bau besteht aus Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude, was der Bauordnung von 1892 entspricht.

Topographie Friedenau, 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rheinstraße 18 & 19, um 1905. Archiv Rüdiger Barasch

 

Rheinstraße Nr. 18

Ecke Schmiljanstraße Nr. 17 (vorher Kirchstraße)

1894

Entwurf & Bauherr Baugeschäft Hermann Pählchen

 

Das Haus hat zwei Treppenaufgänge, die jeweils als Zweispänner angelegt sind. Das viergeschossige Mietwohnhaus mit 9:10 Achsen weist eine abgeschrägte Ecke mit zwei Achsen auf, die durch einen hohen Zwiebelturm mit Ausguck überhöht wird. Der rote Klinkerbau wird mit weißen Fenstergewänden, Säulchen, Balustraden und im ersten Obergeschoß durch Putzbänderungen belebt. Jede der beiden Straßenfassaden wird in der Mittelachse durch einen zweiachsigen, mit einem Quergiebel bekrönten Risalit mit seitlichen Balkons gegliedert. Topographie Friedenau, 2000

 

Rheinstraße 19

Ecke Schmiljanstraße 16 (vorher Kirchstraße)

1891

Entwurf & Bauherr Baugeschäft Hermann Pählchen

 

Das zweite große Eckhaus Rheinstraße 19/Schmiljanstraße 16 (vorher Kirchstraße) wurde 1891 errichtet. Es ist fünfgeschossig, was in Friedenau ungewöhnlich ist. Das Mietwohnhaus hat - wie sein Gegenüber - zwei Treppenaufgänge. An der Rheinstraße ist das Haus als Ein-, an der Schmiljanstraße als Zweispänner ausgebildet. Im Vergleich zum gegenüberliegenden Haus hat das Gebäude eine breitere, fünfachsige, abgeschrägte Ecke mit einem dreiachsigen Risalit. Das Haus weist deshalb nur 4:7 Achsen an den beiden Straßen auf. Die Ecke wird durch ein überhöhtes Dach betont, dem ursprünglich - wie beim Gegenüber - ein Turm aufgesetzt war. Das Haus ist als roter Klinkerbau mit Putzbänderung, -gewänden und -verdachungen an den Fenstern ausgeführt worden. Es wird außerdem durch flache, von Quergiebeln bekrönte Seitenrisalite mit flankierenden Balkons an den beiden Straßenfronten gegliedert. Die Erdgeschoßzone wurde durch neuere Ladenfronten stark überformt. Topographie Friedenau, 2000