James Ruhemann. Archiv Alexander Scholz

James Ruhemann

(1865-1931)

 

Am 6. März 2019 teilte uns Baustadtrat Jörn Oltmann mit, dass das Bezirksamt Schöneberg für die Grundstücke Görresstraße Nr. 21 und Nr. 23 keine eigenen Abriss- oder Neubauplanungen verfolgt. Allerdings stünde die Bauwert AG als neuer Eigentümer seit Herbst 2018 in Bauberatungsgesprächen mit dem Stadtplanungsamt, da die Beräumung der Grundstücke mit einer nachfolgenden blockrandschließenden Neubebauung beabsichtigt ist. Nach derzeitiger Rechtslage kann der Abriss nicht verhindert werden. Die Grundstücke liegen nicht in einem sozialen oder baulichen Erhaltungsgebiet und stehen nicht unter Denkmalschutz.

 

Nachdem wir die Angelegenheit öffentlich gemacht, auf die städtebauliche Bedeutung und auf die Historie der Görresstraße hingewiesen hatten, sah sich der Baustadtrat schließlich doch veranlasst, das Landesdenkmalamt um Prüfung des Ensembles Görresstraße Nr. 21 bis Nr. 23 zu bitten.

 

Am 13. Mai 2019 stellte das Landesdenkmalamt Berlin das gesamte Anwesen Görresstraße 21-23 (vorher Wilhelmstraße 15-16) mit Landhaus, Ateliergebäude und dem vom Architekten James Ruhemann zwischen 1892 und 1893 geschaffenen Fuhrhof Pählchen unter Denkmalschutz.

 

Im Januar 2021 stellte uns Alexander Scholz aus der Wielandstraße Texte und Fotos zur Verfügung, so dass wir den Lebensweg von James Ruhemann nachzeichnen können. Dafür herzlichen Dank.

 

James Ruhemann wurde am 16. Mai 1865 in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren. Sein Vater war der aus Zempelburg in Westpreußen gebürtige Tapezierer und Dekorateur Julius Ruhemann, seine Mutter die Berlinerin Mathilde Speyer. Im Berliner Adressbuch von 1865 taucht der Name Ruhemann erstmals auf: Julius Ruhemann, Kaufmann, Manufactur- und Posamentierwarengeschäft, Roßstraße Nr. 1., Geschäftslocal: Roßstraße Nr. 1a. Sohn James absolvierte eine Lehre als Maurer und eröffnete nach der Meisterprüfung 1892 in der Friedenauer Handjerystraße Nr. 74 das Atelier für Architektur und Bauausführungen.

 

Da Hermann Pählchen seinerzeit nicht nur mit dem Bau der beiden Eckhäuser gegenüber der Kaisereiche und dem Landhaus des Fleischwarenhändlers August Striesche am Maybachplatz beschäftigt war, sondern sich auch noch bei der Gemeinde um einen Vertrag für die Friedenauer Müllabfuhr bemühte, übertrug er dem 27-jährigen James Ruhemann Entwurf, Baupläne und statische Berechnungen für die schlichten Bauten des Fuhrunternehmens Pählchen in der Wilhelmstraße mit Pferdeställen, Futterspeicher, Wagenremise, Kutscherwohnungen und Kontor. Am 30. Dezember 1892 wurde die Baugenehmigung erteilt, ab 10. März 1893 ging der Fuhrhof in Betrieb.

 

Ruhemann war im Geschäft. Er wurde Mitglied der Baugewerksinnung von Steglitz, Friedenau, Schöneberg, Deutsch-Wilmersdorf, Groß-Lichterfelde, Zehlendorf und Mariendorf, begrüßte vor dem Haus- und Grundbesitzerverein die neue Bauordnung für die Vororte von Berlin als den Wünschen der Baumeister und Architekten mehr entgegenkommend, und hebt hervor, dass die Anlage von störenden Betrieben, Fabriken usw. für Friedenau nicht mehr gestattet ist, allerdings auch, dass Künstlerateliers ebenfalls nicht mehr gebaut werden dürfen. Nach seinen Entwürfen entstanden die Mietswohnhäuser Albestraße Nr. 19 (1893) und Nr. 20 (1893), Handjerystraße Nr. 65 (1893), Wielandstraße Nr. 9 & Nr. 11 (1893), Wielandstraße Nr. 12 & Nr. 36 (1896), Handjerystraße Nr. 72 (1896), Rheinstraße Nr. 55 (1896), Roennebergstraße Nr. 4 (1902), und Rubensstraße Nr. 70 (1908).

 

Bei Grundstücksumsätzen erscheint der Name Ruhemann im Friedenauer Lokal-Anzeiger immer wieder: Herr Architekt Ruhemann hat das Grundstück Rheinstraße 24/25 von Herrn Klemme erworben (1898). Die Bauthätigkeit in unserem Orte verspricht demnach im kommenden Sommer eine echt emsige zu werden. 1899 ist das unbebaute Grundstück Handjerystraße Nr. 14, dem Kaufmann Hampe in Dresden gehörig, in den Besitz des Architekten Herrn Ruhemann übergegangen, welcher auf der Parzelle drei Wohngebäude zu erbauen beabsichtigt. Er offeriert als Architekt und Hauseigentümer in der Rheinstraße Nr. 55 Hochherrschaftliche Wohnungen von 4, 5. u. 6 Zimmern mit allem Comfort der Neuzeit. Schließlich hatte er auch die Bauparzelle Ecke Goßler- und Blankenburgstraße neben dem noch nicht fertigen Neubau gekauft. Er beabsichtigt auf dem Grundstück kleine Wohnungen zu bauen.

 

1906 erwarb James Ruhemann das Grundstück Kaiserallee Nr. 114. Auf dem ehemaligen Gärtnereigelände entstand bis 1908 nach seinem Entwurf ein Mietswohnhaus – natürlich ohne Künstleratelier – in dem der ledige Architekt wohnt und sein Büro unterbringt. Auffallend in all den Jahren ist, dass an seiner Seite immer die Namen H. Ruland (Oberingenieur) und S. Pazderski (Architekt) auftauchen. 1925 geht das Anwesen in den Besitz des 1923 gegründeten jüdischen Gewerbebetriebs Terra Aktiengesellschaft für Grundbesitz über. Im Jüdischen Adressbuch für Gross-Berlin steht bis 1931: Ruhemann, James, Architekt, Friedenau, Kaiserallee 114.

 

James Ruhemann starb am 12. September 1931 im Vinzenz Krankenhaus in Lichterfelde. Im Nachruft heißt es: Im Alter von 66 Jahren ist der Architekt und Maurermeister James Ruhemann, Kaiserallee 114, gestorben. Ruhemann war einer der ältesten Friedenauer Einwohner. Er kam 1892 nach dem damals in seinen Anfangsgründen befindlichen Ort und hat dessen Entwicklung nicht nur miterlebt, sondern tatkräftig dazu beigetragen. Zahlreiche Friedenauer Häuser wurden von ihm gebaut, darunter viele große Eckhäuser in der Rheinstraße. Im Friedenauer Haus- und Grundbesitzerverein spielte der Verstorbene eine wichtige Rolle, auch der Friedenauer Gemeindevertretung gehörte er an. Seit 1907 war er Mitglied des Friedenauer Krieger- und Landwehrvereins. Durch sein freundliches Wesen und seinen geraden Charakter hatte der Verstorbene sich überall Freunde erworben. James Ruhemann wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Das Grab ist erhalten.

 

Albestraße 19. Foto Hahn & Stich, 2019

Albestraße Nr. 19

1893

Entwurf Architekt James Ruhemann

Bauherr Kunstbauschlosser Heinrich Klemme

 

Das siebenachsige, viergeschossige Wohngebäude steht im Knick der Bauflucht. Die neobarocke Fassade wird durch einen Standerker asymmetrisch gegliedert, in dem das von Säulen flankierte, tiefe Eingangsportal angeordnet ist, das von einem aufgebrochenen Giebel, in dem eine Vase steht, bekrönt wird. Das Erdgeschoß des Hauses ist verputzt und mit schweren Bossenquadern rustiziert, die Obergeschosse sind mit gelben Ziegeln verkleidet und die Fenster und Türen mit weißen Putzfaschen versehen. Die Fassade zeigt im Osten Loggien, im Westen Balkons. Topographie Friedenau, 2000

 

Albestraße 20. Foto Hahn & Stich, 2019

Albestraße Nr. 20

1893

Entwurf Architekt James Ruhemann

Bauherr Schlossermeister R. Sotscheck

 

Das Mietwohnhaus ist ein symmetrisch aufgebautes, viergeschossiges, siebenachsiges Gebäude. Beiderseits der Mittelachse befindet sich je ein Erkervorbau mit Loggien. Das Eingangsportal in der Mittelachse wird von flankierenden Säulen mit einem aufgebrochenen Volutengiebel und einer Kartusche mit Frauenkopf gebildet. Auch dieses Haus ist im Erdgeschoß mit einer schweren Bossen-Rustika in Putz und einer Klinkerverkleidung in den Obergeschossen versehen. Die Fenster und Türen zeigen Putzfaschen. Topographie Friedenau, 2000

 

Handjerystraße 65. Foto Hahn & Stich, 2019

Handjerystraße Nr. 65

1893

Entwurf James Ruhemann

Ausführung & Bauherr Otto Kaiser

 

Das viergeschossige Mietwohnhaus an der Ecke Handjerystraße 65/Schmiljanstraße 12 mit 7:10 Achsen (ohne Eckerker) hat zwei Aufgänge, von denen der eine als Ein- und der andere als Zweispänner ausgelegt ist. Die Fassaden an den beiden Straßen sind jeweils durch einen Standerker in der Mittelachse gegliedert. Das Erdgeschoss mit Läden ist verputzt, die Obergeschosse sind mit gelben Ziegeln verblendet. Die Fenster haben breite Putzfaschen und die Fassaden sind mit architektonischen Elementen der Neorenaissance reich dekoriert. Topographie Friedenau, 2000

 

Handjerystraße 72. Foto Hahn & Stich,2019

Handjerystraße Nr. 72

1892-1896

Entwurf James Ruhemann

Bauherr Rudolf Straus

 

Ein viergeschossiges, elfachsiges, streng symmetrisch angelegtes Haus ohne Souterrain mit einem auskragenden Mittelerker. Die seitlichen Balkon-Loggien haben schmiedeeiserne Brüstungen. Das Entrée öffnet sich durch eine zweiflügelige, schmiedeeiserne, verglaste Haustür. Das Vestibül ist mit Mettlacher Fliesen auf dem Fußboden und Stuckrahmen und ionischen Pilastern an den Wänden ausgestattet. Das Vorderhaus ist ein Zweispänner. Die Seitenflügel haben eigene Aufgänge mit je vier Wohnungen. Topographie Friedenau, 2000

 

Rheinstraße 55. Foto Hahn & Stich, 2018

Rheinstraße Nr. 55

1896

Entwurf James Ruhemann

Bauherr Elisabeth Koch

 

Das viergeschossige Mietwohnhaus Rheinstraße 55/Moselstraße 13 wurde 1896 von James Ruhemann auf einem spitzwinkligen Grundstück erbaut und weist an beiden Straßenfronten Fassaden von je zehn Achsen auf. Es hat zwei Treppenaufgänge: Der Aufgang an der Moselstraße ist straßenseitig angeordnet, der an der Rheinstraße hofseitig. Der Hauseingang Moselstraße ist durch ein Säulenportal mit Aufbau geschmückt, wohingegen der Eingang an der Rheinstraße schlichter ausgebildet ist. Die Mittelachse der Fassade an der Rheinstraße wird durch einen im Grundriß dreieckigen Erker über dem Hauseingang betont. Beiderseits der Mittelachse springen breite Erker vor, die Nebenachsen bilden. Die Mittelachse an der Moselstraße wird vom Treppenhaus gebildet, zu dessen Seiten - wie an der Rheinstraße - breite Erker vortreten und so die Fassade gliedern. Der Kopfbau zum Platz ist zweiachsig und schmal. Topographie Friedenau, 2000

 

Roennebergstraße 4. Foto Bodo Kubrak

Roennebergstraße Nr. 4

1902

Entwurf Architekt James Ruhemann

 

Der Denkmalbereich Roennebergstraße umfaßt neun Häuser auf der Nord- und der Südseite der Straße, die Nummern 4, 5, 5A, 6 und 12-16, jedoch ist nur das Haus Nr. 4 ein Baudenkmal, die übrigen acht Häuser sind konstituierende Bestandteile des Ensembles. Drei davon stammen von dem Architekten James Ruhemann. Diese Häuser bilden einen zwischen 1895 und 1902 gewachsenen Denkmalbereich, ein geschlossenes Ensemble von Mietwohnhäusern mit weitgehend intakten Fassaden des Historismus und des Jugendstils, die zusammen die hohe gestalterische Qualität des Wohnungsbaus um 1900 in Friedenau dokumentieren.

 

Die symmetrisch angelegte Straßenfassade des Hauses zeigt beiderseits der Mittelachse je einen Erker mit seitlichen Balkons. Die Erker sind vor wenigen Jahren in der Dachzone aufgestockt und mit Turmhelmen versehen worden. Das Erdgeschoß weist bis zur Mitte des ersten Obergeschosses rotes Sichtziegelmauerwerk auf, darüber ist die Fassade glatt verputzt. Die Fenstergewände zeigen einfache neogotische Formen. Der breite Hauseingang öffnet sich zu einer Durchfahrt mit seitlicher Wechselpodesttreppe, die das Vorderhaus erschließt. Die Durchfahrt ist mit Boden- und Wandfliesen des Jugendstils ausgestattet. Die kurzen Seitenflügel mit freistehendem Quergebäude ermöglichen einen großen, gemeinsamen Hof mit dem Nachbarhaus Nr. 5. Topographie Friedenau, 2000

 

Rubensstraße 70. Foto Bodo Kubrak

Rubensstraße Nr. 70

1908

Entwurf Architekt James Ruhemann

Bauherr Ingenieur Georg Gallandi

 

Mit dem 1907-08 errichteten Mietshaus Rubensstraße 70 näherte sich der Architekt James Ruhemann, der sich zuvor in Friedenau durch auffallend prächtige Stuckbauten hervorgetan hatte, einer moderneren Auffassung. Zwar zeigt das Gebäude mit asymmetrischer Vorderfront, Standerker und Loggien immer noch den traditionellen Fassadenaufbau, aber in Materialien und Dekor deuten sich neue Tendenzen an. Über dem rot verklinkerten Erdgeschoss sind die durchgängig glatt ge­putzten Obergeschosse mit originellen figürlichen Stuckreliefs in Formen des Jugendstils geschmückt; im Bereich des Erdgeschosses ist die polychrome Rahmung des Eingangsportals besonders betont. Auch an den Hoffassaden finden sich Reliefs in interessanter Ausformung. Die Hofdurchfahrt, von der das Treppenhaus mit seinen zur Straßen sichtbaren Fenstern aufsteigt, ist elegant mit tiefblauen Fliesen und Spiegeln verkleidet. Landesdenkmalamt Berlin

 

Wielandstraße 11. Foto Bodo Kubrak

Wielandstraße Nr. 11 & 12

1893

Entwurf Architekt James Ruhemann

Bauherr Maurermeister Hermann Ette

Bauherr Ferdinand Reimann

 

Die etwa zeitgleich errichteten Häuser Wielandstraße 11 und 12 sind spiegelbildlich gleichartig gegliedert; die Fassade des Hauses Nr. 12 ist heute jedoch völlig entstuckt und ohne Balkone erhalten. Das 1892-93 ausgeführte Mietshaus Wielandstraße 11 zeigt hingegen noch den für Ruhemann charakteristischen neobarocken Stuckdekor, der die gesamte Fassade überzieht. Den Hauptakzent bilden der aus der Mitte gerückte dreigeschossige Standerker und die beidseitig angefügten Balkone mit schmiedeeisernen Brüstungen. Nur der Ziergiebel in der Dachzone über dem Erker fehlt, da das Dachgeschoss nachträglich ausgebaut wurde. Der Schmuckfreude des Äußeren, die die Vorgarteneinfriedung und das Rundbogenportal des Eingangs einschließt, entsprechen in der Durchfahrthalle Wand- und Deckenblenden mit feinem Stuck und floralen Wandmalereien. An das Vorderhaus schließt sich an der Nordseite des Grundstücks ein Seitenflügel an, dessen Fassaden ebenfalls mit Stuckdekor versehen sind. Die Häuser Nr. 11 und 12 bilden eine Hofgemeinschaft. Topographie Schöneberg, 2018

 

 

Wielandstraße 36. Foto LDA 2005

Wielandstraße Nr. 36

1896

Entwurf Architekt James Ruhemann

Ausführung Maurermeister August Colosser

Bauherr Maurermeister August Collosser

Umbau 1960 Ausführung Baugeschäft Joannes Giering

 

 

 

 

Das dem Grundstückszuschnitt entsprechend breit gelagerte viergeschossige Vorderhaus mit kurzen Seitenflügeln ist durch eine aufwendig gestaltete und durch Erker, Balkone und Loggien gegliederte Straßenfassade gekennzeichnet. Die Balkone wurden bei Sanierungsmaßnahmen 1960 zwar vereinfacht, deren schmiedeeiserne Brüstungen sowie der reiche Stuckdekor und die Ziergiebel über dem Hauptgesims jedoch erhalten. Besonders hervorgehoben ist das Eingangsportal durch flankierende ionische Säulen und einen Volutengiebel mit Blattwerk und Wappenkartusche. Auch das hell verputzte Erdgeschoss, das kräftige Konsolgesims und die Stuckeinfassungen an Erkern, Giebeln und Fenstern, die mit den rot verklinkerten Wandflächen einen reizvollen Kontrast bilden, tragen zur lebhaften Wirkung der Fassade bei. Im Eingangsbereich sind Wandflächen und Decke mit Stuck und die Fußbodenfliesen aus der Erbauungszeit bewahrt. Die Wohnungen werden von zwei Treppenhäusern erschlossen. Topographie Schöneberg 2018