Johannes Götz (1865-1934)

Wilhelmstraße Nr. 6 (heute Görresstraße)

 

Die in Fürth lebende Historikerin Barbara Ohm hatte 2008 im Jungkunz Verlag Fürth die Biografie Johannes Götz – Bildhauer in Fürth und Berlin veröffentlicht. Da wir  bisher nur unzureichend über Johannes Götz und sein Haus in der Wilhelmstraße Nr. 6 informiert waren, telefonierten wir mit Frau Ohm. Wenige Tage später erhielten wir ihr Buch, in dem ein umfangreicher Bildnachweis neugierig machte: Familienarchiv Ursula Mennerich Unterhaching.

 

Am 18. August 2019 schrieben wir einen Brief an Frau Mennerich. Wenige Tage später hatte sie unsere Beiträge auf der Webseite über die Bildhauerkolonie „studiert“ und schickte am 23. August eine Mail: Ihr Bericht hat mich sehr beeindruckt. Sie haben ja wirklich sehr umfangreiches Material zusammengetragen. Ich möchte gerne mit meinen Fotos dazu beitragen. Ich halte es allerdings für sinnvoll, wenn Sie die Bilder aus dem Archiv selbst aussuchen. Aus diesem Grund wäre ich bereit, mit meinen Schätzen bei Ihnen anzureisen. Noch bevor es dazu kam, ging am 25. August unter Betreff Klare Verhältnisse folgende Vereinbarung ein: Ursula Mennerich überlässt das gesamte Fotomaterial, einschließlich Zeichnungen, Skizzen und Aufsätze aus dem Nachlass von Johannes Götz kostenlos den Herren Peter Hahn und Jürgen Stich zur Veröffentlichung auf der Webseite www.friedenau-aktuell.de.

 

Am 1. September setzte sich Ursula Mennerich in Unterhaching mit der (wirklich) sehr pflegeleichten französischen Bulldogge, Oskar genannt, ins Auto. Am Nachmittag war sie in Friedenau. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie hatte tatsächlich wahre Schätze im Gepäck. Über diese Dokumente und Fotografien wird die Berliner Zeit von Johannes Götz über die Bildhauer Fritz Schaper und Reinhold Begas bis hin zu Kaiser Wilhelm II. über bisher unveröffentliche Fotografien eindringlich beleuchtet. Das auf dieser Webseite erstmals veröffentliche Material vermittelt einen Eindruck von der Wilhelmstraße in den Jahren von 1905 bis 1911.

 

Am 12. Februar 1906 zogen wir ins neugebaute Haus Friedenau Wilhelmstraße 6. Mit dieser handschriftlich verfassten Seite eröffnet der Bildhauer Johannes Götz ein neues Kapitel in seinem Familienalbum. Wir, das waren Johannes und Marianne Götz geb. Schwartzkopff. Sie hatten zwei Kinder, Sohn Rudolf (1904-1979) und Tochter Dorothee (1906-1983). Die Ehe des Arztes Rudolf Götz blieb kinderlos. Dorothee heiratete den Dipl. Ing. Wilhelm Mennerich und brachte drei Söhne zur Welt: Gerhard (heute Tierarzt in Lauf a. d. Pegnitz), Konrad (heute Augenarzt in Dachau) und Klaus, dessen Ehefrau Ursula nach seinem Tod den Götz‘schen Nachlass unter dem Namen Familienarchiv Ursula Mennerich betreut.

 

Wir danken Frau Barbara Ohm für die Anregung und Frau Ursula Mennerich für die Überlassung der Dokumente für diese Webseite.

 

Johannes Götz in Fürth. Familienarchiv Ursula Mennerich

Von Fürth nach Berlin

 

Ich Unterzeichneter bin geboren am 4. Oktober 1865 zu Fürth in Baiern, absolvierte dortselbst die kgl. Realschule und besuchte dann die kgl. Kunstgewerbeschule zu Nürnberg. Im Jahre 1884 immatrikulierte ich mich an der kgl. Akademie der Künste zu Berlin. Nachdem ich ein Jahr die Aktklasse des Hr. Prof. Schaper besucht, trat ich ins akademische Meister-Atelier für Sculptur unter Leitung des Hr. Prof. Reinh. Begas ein. Ich bin gegenwärtig noch Schüler derselben.

 

Eine bessere Entscheidung hätte Johannes Götz 1885 nicht treffen können. Reinhold Begas (1831-1911), so zornig und rücksichtslos er (nach Meinung von Carl Ludwig Schleich) sein konnte, wer ihm ohne Hehl nahte, konnte alles von ihm erreichen. Begas war dafür bekannt, dass er die Meisterschüler in seine Projekte einbezog. Als er sich 1888 für den Berliner Magistrat an die Ausführung des Neptunbrunnen machte, gehörten neben seinem Bruder Karl Begas (1845-1916) auch Karl Albert Bergmeier (1856-1897), Karl Bernewitz (1858-1934) und Johannes Götz dazu. Nebenbei wartete Götz mit einer ersten eigenständigen Arbeit auf: Die Statue Balancierender Knabe (1888).

 

Die Landeskunstkommission erkannte die Vorzüglichkeit des Modells und empfahl der Nationalgalerie den Ankauf für 1000 Mark. Da sich nichts tat, Götz dringend Geld benötigte, machte er im Februar 1889 darauf aufmerksam, dass ich einen Bronzeabguss meines wohl von der Ausstellung bekannten ‚balancierenden Jungen‘, auf den mir die ehrenvolle Erwähnung zuteil wurde, zur Verfügung habe. Da meiner Arbeit schätzenswerter Seite Aufmerksamkeit geschenkt wurde, und man mir eine Möglichkeit des Erfolgs von einer Eingabe an dieser Stelle versprach, erlaube ich mir, diesen Bronzeabguss der Kgl. National-Galerie zu einem Preise von 700 Mark anzubieten. Es ist vielleicht an dieser Stelle nicht gebracht, meine pekunären Verhältnisse auseinanderzusetzen, die wohl nicht viel ungünstiger und misslicher sein könnten, und denen eine kleine Unterstützung sehr nottun würde, darum erlaube ich mir nur die Bemerkung, dass die Ehre, die mir mit einem ev. Ankauf zuteil werden würde, gewiss fördernd auf meine Weiterentwicklung wirken würde und ich bestrebt sein würde, mich dieser Auszeichnung fernerhin voll und ganz würdig zu erweisen.

 

 

Die Nationalgalerie kaufte und hatte 300 Mark gespart. Die Gießerei Gladenbeck in Friedrichshagen brachte die Statuette unter dem Titel Kugelläufer auf den Markt, in Originalgröße von 76 cm sowie 48 und 25 cm). Diese Bronze, unsigniert und ohne Gießereistempel, wird heute mit der Anmerkung reduzierte Fassung nach dem Modell von 1888 ohne die gegossene Plinthe in einer späteren Ausformung einer unbekannten Gießerei auf Auktionen zum Preis von 950 Euro offeriert. Zu den wenigen von Johannes Götz erhaltenen Werken gehört auch die Wasserschöpferin, die während seines einjährigen Studienaufenthalts 1882/83 in Rom entstanden ist und von der Gießerei Gladenbeck in mehreren Abgüssen vervielfältigt wurde. Für die Werbung sorgte schließlich auch der Fotograf Waldemar Titzenthaler (1869-1937), der sie Skulptur umgehend auf Platte dokumentierte. So kommt es, dass diese Jugendstilbronze nicht nur in der Berliner Nationalgalerie und der Städtischen Sammlung Fürth zu finden ist, sondern von einem Auktionshaus mit Taxe 9.500 Euro angekündigt wird.

 

Moabiter Brücke, 1894

 

Die Angaben zur Moabiter Brücke basierten bisher auf der Beschreibung von Bauingenieur Karl Bernhard (1859-1937), die Anfang 1896 im Centralblatt der Bauverwaltung unter dem Titel Der Neubau der Moabiter Brücke veröffentlicht wurde. Den Entwurf hatte Baurat Otto Stahn (1859-1930) geschaffen, der für die künstlerische Ausgestaltung der neuen Berliner Brücken zuständig war, und Karl Bernhard aus dem Technischen Büro der Kommunalen Bauverwaltung Berlins war von Stadtbaurat James Hobrecht (1825-1902) mit der Bauleitung und Bearbeitung der Baupläne beauftragt worden.

 

Als die seit 1835 bestehende hölzerne Spreebrücke bei Moabit den wachsenden Verkehr zwischen dem Vorort und Berlin nicht mehr bewältigen konnte, das Land Preußen 1876 die Eigentumsrechte an Brücken und Straßen der Stadt Berlin übertragen hatte und die Regulierung der Unterspree abgeschlossen war, entstand 1893/94 an derselben Stelle eine neue Brücke aus Stein im romanischen Stil.

 

 

Als Abschlüsse der Brüstung wurden 3 Meter hohe Sockel errichtet, auf denen vier gewaltige Bären aus Bronzeguss gesetzt wurden. Die Entwürfe schufen die Bildhauer Karl Begas (1845-1916), Johannes Boese (1856-1917), Johannes Götz (1865-1934) und Carl Piper (1856-1914). Der Guss erfolgte durch die Firma Martin & Piltzing in der Chausseestraße. Nach sechzehnmonatiger Bautätigkeit wurde die Brücke am 2. November 1894 dem Verkehr übergeben. Im Zweiten Weltkrieg wurden die vier Bronzebären eingeschmolzen und gingen damit verloren. 1981 wurden diese durch gusseiserne Bären des Bildhauers Günter Anlauf (1924-2000) ersetzt.

 

Der Kunsthistoriker Jörg Kuhn nennt in Bildhauerei in Berlin Piper, Begas und Boese, die den plastischen Figurenschmuck für die Moabiter Brücke geschaffen haben, und unterschlägt den Bildhauer Johannes Götz, obwohl dieser ebenfalls bereits 1896 im Centralblatt der Bauverwaltung als Schöpfer eines der vier Bären genannt wurde. 2008 erinnerte die Historikerin Barbara Ohm in Johannes Götz – Bildhauer in Fürth und Berlin mit historischen Aufnahmen an die Götzsche Bärenskulptur. Im Familienarchiv von Johannes Götz entdeckten wir 2019 eine Aufnahme, die um 1893 im Atelier in der Friedenauer Wilhelmstraße Nr. 5-6 entstanden ist: Johannes Götz sitzend neben dem überlebensgroßen Gipsmodell des Bären – mit erhobener Tatze und heraushängender Zunge.

 

Zu guter Letzt erreichten uns Anfang Dezember 2021 Fotos mit jenem Bären als Statuette, patiniert mit J. Götz 94. Diese ist etwa 50 cm lang und hat eine Höhe von etwa 43 cm. Sie stand ursprünglich auf einem Podest im Treppenhaus der Villa des Kaufmanns Walter Quincke in Groß-Lichterfelde, Bahnhofstraße Nr. 1/2. Er war der Schwiegersohn von Baurat James Hobrecht und nebenbei auch ehrenamtlicher Handelsrichter an der Kammer für Handelssachen. Die Familie war in den Neubau 1885 eingezogen. Die Aufnahmen von Haus und Bären-Statuette stammen vom Lichterfelder Fotografen Johannes Lüpke aus der Boothstraße 1A und entstanden nach 1910. Wir danken Herrn Rötger Quincke für die Erlaubnis, die Fotos auf dieser Webseite veröffentlichen zu dürfen.

 

Nationaldenkmal. Zeichnung G. Halmhuber. Centralblatt der Bauverwaltung

 

Nationaldenkmal

 

Nach zwei Wettbewerben und diversen Auseinandersetzungen unter den Bildhauern errang der vom Kaiser hochgeschätzte Bildhauer Reinhold Begas (1831-1911) den ersten Preis für das geplante Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal. Begas erkannte den komplizierten Bauplatz auf dem vorgesehenen Gelände der Schloßfreiheit. Diese Zeile von zehn Häusern, die der Große Kurfürst 1672 entlang des Spreekanals zwischen Schleusenbrücke und Schlossbrücke hatte errichten lassen, weil er mehr Leben am Schloss wünschte, missfielen Kaiser Wilhelm II., da sie den Blick auf das Berliner Schloss verstellten. 1894 wurden sie abgerissen. Auf dem freigewordenen Platz zwischen dem Eosanderportal des Schlosses und dem Spreekanal brauchte ein Denkmal dieser Größenordnung mit einer 21 Meter hohen Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I. (1897-1888) im Zentrum eine städtebauliche Lösung, die nur im Zusammenwirken von Baumeistern und Bildhauern entstehen konnte.

 

Begas holte sich für die technisch-architektonische Umsetzung den Architekten Gustav Halmhuber (1862-1936). Begas und Halmhuber suchten eine gewisse Weite, brauchten Platz. Dazu wurden nach Stadtschleuse und Schleusenbrücke Mühlgraben und Spreekanal wieder zusammengeführt. So konnte das Monument teilweise im Kanal errichtet werden, was die Breite von 42 Metern auf 18 Meter verringerte. Die Wasserbauverwaltung protestierte, da sie Probleme bei der Regulierung der Spree befürchtete. Gegenüber dem Eosanderportal entstand als baulicher Hintergrund für das Reiterbild eine Kolonnade. Sie begrenzte den Platz und markierte gleichzeitig den Übergang zur Schinkelschen Bauakademie. Die Bauarbeiten begannen 1894, Grundsteinlegung war 1895, die Enthüllung erfolgte 1897.

 

Die halbe Berliner Bildhauerschule fertigte dafür eigenständige Kunstwerke. Seit jener Zeit, so das Centralblatt der Bauverwaltung am 27. März 1897, ist nun in den Werkstätten Begas’ und derjeniger seiner Schüler, mit denen in Gemeinschaft er an die Bewältigung der großen Aufgabe ging, sowie später nicht minder auf der Baustelle und in den Architekturwerkstatten eine fieberhafte Tätigkeit entfaltet worden.

 

Es fügte sich, dass der Architekt Bernhard Sehring (1855-1941) mit dem Bau des Theater des Westens zu Ende kam und sein Grundstück Fasanenstraße Nr. 11 an den Stadtbahnbogen 561, 562 und 563 als Werkstätte nicht mehr benötigte. Die Bildhauer griffen zu, darunter Ludwig Manzel, Hans Dammann, Fritz Heinemann, Hans Latt, Norbert Pfretzschner, Ernst Seger – auch Valentino Casal und Johannes Götz. Nicht ungelegen war, dass in 561 die Firma Merluzzi & Co mit Marmor handelte, in 562 eine Schlosserei und in 563 eine Zimmerei ansässig war.

 

Dort entwarf Johannes Götz für den nördlichen Eckpavillon des Nationaldenkmals das später von der Bildgießerei Gustav Lind in Kupfer getriebene kraftvolle Viergespann der Borussia als Verkörperung von Norddeutschland. Den südlichen Eckpavillon mit dem bronzenen Viergespann der Bavaria gestaltete Carl Hans Bernewitz (1858-1934). Am 22. März 1897 wurde das Nationaldenkmal enthüllt: Es bedarf kaum der Hervorhebung, dass allen diesen Beteiligten ein erhebliches Verdienst an dem glücklichen Zustandekommen des großen Werkes zuzusprechen ist, und zwar ganz besonders in Anbetracht der außerordentlichen Schwierigkeiten, die aus der Kürze der Ausführungszeit erwuchsen. Sie alle dürfen in Gemeinschaft mit den Künstlern mit Stolz auf die Leistung blicken, die ihrem Können und ihrer Tatkraft ein dauernd ehrendes Zeugnis ausstellt (Centralblatt der Bauverwaltung).

 

Die Kolonnaden selbst wurden gefüllt mit Kunstwerken von Eugen Boermel (1858-1932), Peter Christian Breuer (1856-1930), August Gaul (1869-1921), August Kraus (1868-1934), Ludwig Cauer (1866-1947), Hermann Hidding (1863-1925) und Karl Begas (1845-1916).

 

Das Nationaldenkmal hat den Zweiten Weltkrieg weitgehend unversehrt überstanden. 1950 ließ die DDR den Bau abreißen. Die plastischen Kunstwerke wurden vernichtet. Der Sockel blieb wohl wegen der befürchteten Unwägbarkeiten im Untergrund erhalten. Darauf soll nun ein Freiheits- und Einheitsdenkmal entstehen. Den Preis für diese Einheitswippe gewann das Büro Milla & Partner, bis dato eigentlich nur bekannt als Agentur zur Gestaltung von Messeauftritten und Events für Bauma, Bayer, Bosch, Bugatti sowie den Reinigungsspezialisten Kärcher. Daher muss sich der Kreativdirektor der Agentur mächtig ins Zeug legen. Das Denkmal soll eine soziale Skulptur darstellen, es soll Leben gewinnen, wenn die Besucher sich zusammenfinden, verständigen und gemeinsam bewegen, es soll aktivieren und zur Partizipation einladen – gleichsam ein Bild für gelebte Demokratie.

 

Es half alles nichts. Das von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) immer noch unterstützte 17-Millionen-Euro-Projekt wird von der Mehrheit der Deutschen rundweg abgelehnt. Sinnvoller ist aus unserer Sicht allerdings der Vorschlag, die historische Kolonnade ohne die plastischen Zutaten als bauliches Bindeglied zwischen Schloss, Spreekanal und Schinkelscher Bauakademie zu rekonstruieren. Wir können uns allerdings kaum vorstellen, dass diese Einheitswippe zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 2020 eingeweiht wird.

 

 

Nationaldenkmal. Centralblatt der Bauverwaltung, 1897

ePaper
Teilen:
1902 Plan der Siegesallee

Siegesallee

 

Am 27. Januar 1895 verkündete Kaiser Wilhelm II., dass er im Tiergarten eine Siegesallee mit Marmor-Standbildern der Fürsten Brandenburgs und Preußens errichten lassen wolle, beginnend mit Albrecht dem Bären und schließend mit dem Kaiser und König Wilhelm I.

 

Vorgeschrieben waren Carrara-Marmor, Sockelhöhe von 1,70 m, Standbildhöhe von 2,40 m, Gesamtbreite je Denkmal 9 m, Abstand zwischen den 32 Denkmälern je 36 Meter. Ja nicht modern sollten diese sein, weil den verirrten Anhängern der Moderne der Weg zurück zur wahren Kunst aufgezeigt werden soll.

 

Die künstlerische Oberleitung wurde Reinhold Begas (1831-1911) übertragen. Am 9. Januar 1896 wurden die ersten Aufträge an die Bildhauer Walter Schott (1861-1938) und Max Unger (1854-1918) erteilt. Begas hatte gewarnt: Die Bildhauer haben ja von der handwerksmäßigen Technik kaum eine Ahnung. Sie sind ja nur Modelleure. Schnell will man schaffen, immer Neues, und so wandert Modell auf Modell zum Steinmetz. Es ist doch ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen dem Modelliren und dem Meißeln. Zwei ganz verschiedene Principien: dort das des Auflegens, hier das des Abnehmens; dort die weiche Masse, wo sich immer wieder umformen, verbessern lässt, und hier ein Centimeter, oft nur ein Millimeter zu viel fortgeschlagen oder gebosselt, und die Arbeit ist verdorben.

 

 

 

 

Walter Schott war das erste Opfer. Beim Modellieren seiner Gruppe 1 Markgraf Albrecht der Bär hatte er (laut Historikerin Uta Lehnert) weder gerechnet noch gemessen und die Figur in einer beliebigen Größe aufgebaut. Am Ende hätte das Modell fast die natürliche Größe gehabt. Die Steinausführung der Skulpturen erfolgte anfangs noch in Italien. Die dortige Firma beachtete eine Zusatzklausel von Schotts Vertrag nicht, in der die endgültige Höhe des Standbildes vorgeschrieben war und übertrug das Modell im Maßstab 1:1 in den Stein, so dass es 8 cm zu klein geriet. Die zweite Ausfertigung in der geforderten Größe wurde nicht mehr rechtzeitig fertig. Außerdem musste Schott sie aus eigener Tasche zahlen. Er tat dies in der Hoffnung, durch einen zweiten Auftrag für die Siegesallee entschädigt zu werden. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

 

Max Unger sicherte sich ab und stellte sein Gipsmodell Gruppe 2, Markgraf Otto I. erst einmal im Rathaus aus. Als dieser Test bestanden war, beauftragte er Valentino Casal (1867-1951) mit der Umsetzung in Marmor. Casal, der damals in Berlin weder mit einer Werkstatt noch mit Helfern aufwarten konnte, die etwas von Punktieren, Konturieren und Ziselieren verstanden, zog mit dem Modell nach Carrara, machte Unger auf die unterschiedlichen Qualitäten von Statuario, Bianco und Ordinario aufmerksam und lieferte das fertige Denkmal in den Tiergarten.

 

Nach dem 13. März 1896 standen mit Joseph Uphues (Gruppe 3 Markgraf Otto II.) und Johannes Boese (Gruppe 4 Markgraf Albrecht II.) die nächsten Kunden vor der Tür. Da beide Denkmale bereits am 22. März 1898 enthüllt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass diese in der Fasanenstraße Nr. 11 gearbeitet wurden. Dort hatte Casal (wie Johannes Götz und Ludwig Manzel) im Herbst 1895 am Stadtbahnbogen Nr. 561 neben der Marmorhandlung Merluzzi & Co eine erste Werkstatt eingerichtet.

 

Als nächster kam der Bildhauer Max Baumbach (1859-1915). Er hatte am 16. März 1896 den schwierigsten Auftrag erhalten. War bisher für das Zentrum des Denkmals nur ein Protagonist vorgesehen, sollte Baumbach mit der Gruppe 5 Markgraf Johann I. und Markgraf Otto III. an die beiden Gründer Berlins erinnern. Für diese Doppelskulptur war ein großer Marmorblock erforderlich. Casal fand einen besonders schönen und gleichmäßigen Stein, der allerdings 700 Zentner wog und nicht transportiert werden konnte. Mit Bewilligung Seiner Majestät durfte Casal den Stein in Italien punktieren.

 

Casal hatte in der Zwischenzeit im Gewerbehof Leibnizstraße Nr. 33 eine Werkstatt gemietet. In der Halle nebenan war Johannes Götz mit dem Modell seines Viergespanns der Borussia für das Nationaldenkmal beschäftigt, bevor es in der Bildgießerei Gladenbeck in Bronze verwandelt und am 22. März 1897 vor dem Stadtschloss enthüllt wurde

 

Obwohl die Aufträge für die Marmordenkmäler ab 1896 erteilt und jene von Boese, Schott, Unger und Uphues bereits im Frühjahr 1898 eingeweiht wurden, wurde Johannes Götz erst am 22. März 1898 mit der Gestaltung der Gruppe 19 Kurfürst Joachim I. und den Büsten von Markgraf Albrecht von Brandenburg und Dietrich von Bülow in den erlauchten Bildhauerkreis aufgenommen.

 

Götz brachte sein Gipsmodell zu Valentino Casal in die Wilhelmstraße Nr. 7. Dort war inzwischen ein Bildhauerhof mit diversen Ateliers entstanden, in denen mit Hochdruck an den Denkmälern für die Siegesallee punktiert, konturiert und ziseliert wurde. In Arbeit waren Gruppe 11 Markgraf Ludwig II. (Emil Graf Görtz zu Schlitz), Gruppe 13 Kaiser Karl IV. (Ludwig Cauer), Gruppe 15 Kurfürst Friedrich I. (Ludwig Manzel), Gruppe 19 Kurfürst Joachim I. (Johannes Götz), Gruppe 26 König Friedrich I. (Gustav Eberlein), Gruppe 28 König Friedrich II. (Joseph Uphues), Gruppe 30 König Friedrich Wilhelm III. (Gustav Eberlein) und Gruppe 32 Wilhelm I. (Reinhold Begas).

 

Dazugekommen war im September 1899 aus Carrara der immer noch 400 Zentner schwere Marmorblock für die Doppelgruppe 5 Markgraf Johann I. und Markgraf Otto III. von Max Baumbach. Für Kaiser Wilhelm II. ein Ereignis, weshalb er am 7. November 1899 mit großem Gefolge nach Friedenau kam.

 

Mit dabei auch der aus Wien stammende Journalist Arthur Brehmer (1858-1923), den Ullstein im Frühsommer 1899 als Chefredakteur engagiert hatte. Während die Herrschaften mehrere andere noch in Arbeit befindliche Denkmäler im Atelier besichtigten, fiel wohl auch das Kaiser-Wort von Klein Carrara. Exakt lässt es sich nicht datieren, aber es ist davon auszugehen, dass die Formulierung von Brehmer aufgegriffen, erstmals in der Berliner Illustrirte Zeitung, 8.Jg./1899, Nr.47 zu lesen war und immer weiter kolportiert wurde: Casals Atelier, die ‚größte Handlangerei der Kunst‘, wurde vom Kaiser scherzhaft als ‚Klein-Carrara’ bezeichnet. Brehmer, dem nachgesagt wurde, dass er dem Wiener Schmäh eher verpflichtet schien als der Wahrheit, hatte im Bildhauerhof tatsächlich eine Massenproduktion erlebt, die selbst für Valentino Casal weniger von Kunst als vielmehr vom Handwerklichen geprägt war.

 

Mitten in der Arbeit von Casal und Götz am Standbild von Kurfürst Joachim I. und den Büsten von Markgraf Albrecht von Brandenburg und Bischof Dietrich von Bülow kam am 23. Oktober 1899 die Nachricht vom Marmorattentat auf die Siegesallee. Der Magistrat setzte eine Belohnung von 500 Mark aus und entsandte nachts Patrouillen in den Tiergarten. Nach einem Bericht des Friedenauer Lokal-Anzeiger fuhr der Kaiser am 8. Januar 1900 nach dem Atelier des Bildhauers Casal, dem die Reparatur der geschändeten Denkmäler in der Siegesallee übertragen worden war.

 

Bei der Gruppe Albrechts des Bären sind an der Nebenfigur des Bischofs von Brandenburg die beschädigten Teile durch eine entsprechende Reparatur ersetzt worden. In ähnlicher Weise werden jetzt an der Gruppe Ottos II. den Begleitfiguren Heinrich von Antwerpen und Johann Hans zu Puttlitz, der zertrümmerte Gänsekiel und die Dokumentenrolle neu ersetzt. Hier lassen sich die abgeschlagenen Bruchstücke in künstlerischer Vollendung wieder herstellen. Dagegen lässt sich eine derartige Flickarbeit an vier Nebenfiguren bei der Gruppe Ottos I. und Albrechts II. nicht durchführen, da es sich bei denselben um eine Nachmodellierung von Gesichtszügen handeln würde, die von sachverständiger Seite von vornherein für wenig aussichts- und erfolgreich gehalten wurde. An der Gruppe Ottos I. hatten die Vandalen in der Nacht zum 23. Oktober dem Fürsten Pribislaw die Nase abgeschlagen und das Gesicht zerhauen, dem Abte Sibold sämtliche Finger der rechten Hand, den Hirtenstab und die Nase zertrümmert; an der Gruppe Albrechts II. waren Hermann von Salza und Eike von Repkow ebenfalls die Nasen abgeschlagen worden.

 

Kein gutes Omen für Johannes Götz. Dennoch wurde am 28. August 1900 schließlich auch sein Denkmal enthüllt. Nach 17 opulenten Enthüllungsfeiern in vier Jahren wurde die 750 Meter lange Siegesallee 1901 vollendet – und als Puppenallee verspottet.

 

Uta Lehnert über die Gruppe 19 von Johannes Götz

ePaper
Teilen:
28. August 1902 Hochzeit. Familienarchiv Ursula Mennerich

Hochzeit

 

Der 37-Jährige hatte am 28. August 1902 die 17 Jahre jüngere Marianne Schwartzkopff (1882-1954) geheiratet. Die Historikerin Barbara Ohm hat dazu im Stadtarchiv Fürth Details entdeckt. Am 7. Januar 1903 schrieb er: Ich beabsichtige, mich mit Frl. Marianne Schwartzkopff aus Magdeburg zu verheiraten und bitte zu diesem Zweck den hochverehrlichen Magistrat der Stadt Fürth um ein Verehelichungs- oder Familienzeugnis. Er bat um Eile, da er den Hochzeitstermin auf den 3. Februar festgelegt habe. In Fürth hatte man ein Einsehen, zumal Mutter Götz persönlich vorgesprochen hatte, und stellte mit dem Vermerk ‚Eilt sehr‘ die entsprechenden Unterlagen am 8. und 10. Januar aus.

 

 

 

 

Marianne stammte aus einer wohlhabenden Magdeburger Kohlenhändlerfamilie. Das sagt einiges, aber nicht alles. Wer das Erbbegräbnis der Familie Schwartzkopff auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof betrachtet, ahnt, dass es sich um eine weitverzweigte Familie handeln muss, darunter ein Theologe, ein Zoologe, ein preußischer Beamter, ein Geistlicher, der als Förderer des Werkes von Ernst Barlach bekannt wurde, auch der Architekt Ernst Schwartzkopff, der mit Kollegen Heinrich Theising das Büro Schwartzkopff & Theising betrieb. Einer davon war Louis Schwartzkopff (1825-1892). Seine Vorfahren waren in Magdeburg durch mehrere Generationen hindurch Maurermeister gewesen, darunter auch sein Großvater, der nebenbei den Gasthof Stadt Hamburg besaß. Louis‘ Vater brach mit der Tradition, betrieb eine Holzhandlung, die er später durch den Handel mit Kohlen erweiterte. Er übernahm als Erbe seiner Stiefmutter das Gasthaus Zum Goldenen Schiff, in dem 1825 Louis geboren wurde Er besuchte das Domgymnasium und die Gewerbeschule, auf der er mit Wilhelm Siemens einen Freund kennenlernte, mit dem er zeitlebens verbunden blieb. Louis Schwartzkopff war Lokomotivführer auf der Berlin-Hamburger Eisenbahn, Maschinenmeister auf der Magdeburg-Wittenbergeschen Eisenbahn und gründete danach – unter dem Taufspruch Die Liebe höret nimmer auf mit Unterstützung der Familie – die die Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft. Für die Berlin-Dresdener Eisenbahngesellschaft lieferten seine Moabiter Werke 14 dreiachsige Personenzug-Dampflokomotiven sowie für die Militäreisenbahn von Schöneberg über Zossen und dem Schießplatz Kummersdorf zum Truppenübungsplatz Jüterbog zwei weitere. Schwartzkopff erhielt den Titel Kommerzienrat und wurde in den Staatsrat der Preußischen Regierung berufen. Die Familie wusste, was sie Reich, Kaiser (und seinen bevorzugten Bildhauern) schuldig war.

 

Johannes und Marianne Götz zogen in eine Mietwohnung in der Pfalzburger Straße Nr. 74. Dort wurde am 3. Juli 1904 Sohn Rudolf (1904-1979) geboren. Götz nutzte das Atelier Leibnizstraße Nr. 33 noch bis 1905 – mitunter, wie die Fotos aus dem Familienalbum zeigen, während der Arbeit besucht von Marianne und Rudolf. Die Gruppe 19 wurde am 28. August 1900 enthüllt. Es kann davon ausgegangen werden, dass seine für Magdeburg vorgesehenen Denkmäler für Königin Luise (Marmor) und Gutenberg (Bronze) sowie Antonius Pius (Bronze) für die Saalburg 1901 in Charlottenburg gearbeitet wurden – zwischendurch begutachtet von Kaiser und Kaiserin mit Gefolge. Es folgten 1904 das Mommsen-Denkmal (Marmor) für die Saalburg und der bronzene Mommsen für die Universität. Nach Fertigstellung der Evangelisten Lucas und Johannes (Kupfer) und dem Relief Luther und die Reformatoren (Bronze) für den Berliner Dom gab Götz das Atelier 1905 auf.

 

 

Berliner Dom, Luther im Kreise der Reformatoren. Bronzerelief von Johannes Götz

Berliner Dom

 

In Berlin ist wenig geblieben von Johannes Götz. Zerstört der Bär (1891) auf der Moabiter Brücke, abgerissen die Quadriga (1896) vor dem Schloss, eingeebnet die Siegesallee mit Kurfürst Joachim (1900), ersetzt sein Landhaus mit Atelier (1906) in der Wilhelmstraße (Görresstraße). Es ist schon ein Wunder, dass ausgerechnet am „umstrittenen“ Berliner Dom zwei Werke erhalten sind: Sein Relief Luther mit Reformatoren und Weggefährten und die von Gerhard Janensch (1860-1933) und Johannes Goetz geschaffenen Statuen der Vier Evangelisten.

 

Es war der zweite deutsche Kaiser Wilhelm, der entschieden hatte, einen neuen protestantischen Dom nach dem Entwurf des Architekten Julius Raschdorff (1823-1914) im Stil des Historismus errichten zu lassen, und es war wohl auch Wilhelm, der dafür sorgte, dass der Skulpturenschmuck an der Westfassade von seinen Bildhauern geschaffen wurde, darunter die Christusfigur von Fritz Schaper, die begleitenden Apostel von Max Baumbach, Carl Begas, Adolf Brütt, Alexander Calandrelli, Ernst Herter, Ludwig Manzel, Friedrich Pfannschmidt, die Engel und Allegorien von Walter Schott und Wilhelm Widemann. Die Bauarbeiten begannen 1894, die Einweihung war 1905.

 

 

 

 

 

Die in Bronze gegossene Darstellung Luthers von Johannes Götz zeigt den Reformator im Kreis von Männern, die an Übersetzungen der Bibel beteiligt waren, als Reformatoren tätig oder in Wittenberg als Universitäts-Professoren und Prediger wirkten. Auf dem Relief sind (von links) eingetragen (Johann) Forster, (Johannes) Buggenhagen, (Caspar) Kruziger, (Philipp) Melanchton, (Matthäus) Aurogallus und (Justus) Jonas. Eine nachdenkliche Runde, die sich unter Führung von Martin Luther offensichtlich gleichzeitig mit Bibelübersetzung und Reformationsplänen beschäftigt.

 

Nicht bekannt ist, wer Götz zu welcher Zeit den Auftrag für das Relief Luther mit Reformatoren und Weggefährten erteilt hat. Da das benachbarte Relief Luther auf dem Reichstag in Worms von Gerhard Janensch mit fec. 1904 signiert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass dieses Werk – wie die Standfiguren der Evangelisten Lucas und Johannes von Janensch und Götz – um diese Zeit entstanden sind.

 

Wilhelmstraße 6, 1906. Familienarchiv Ursula Mennerich

Das Haus in der Wilhelmstraße

 

Am 12. Februar 1906 zogen wir ins neugebaute Haus Friedenau Wilhelmstraße 6. Mit dieser handschriftlich verfassten Seite eröffnet der Bildhauer Johannes Götz sein neues Familienalbum.

 

Laut Friedenauer Adressbuch von 1905 ergab sich für die vom Friedrich-Wilhelm-Platz aus gesehene rechte Straßenseite folgende Situation: Nr. 1-5 Baustellen, Nr. 6 Baustelle Eigentümer Bildhauer Prof. J. Götz (Charlottenburg), Nr. 7 Eigentümer Valentino Casal mit den Bildhauern G. Hengstenberg und M. Lewy als Ateliernutzern, Nr. 8 Baustelle Eigentümer Direktor E. J. Hensel (Schöneberg), Nr. 9 Eigentümer Bildhauer Prof. L. Manzel (Wilmersdorf) mit E. Gomansky und P. Hubrich als Mieter des Ateliers.

 

 

 

 

 

 

 

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Entwurf für das Haus von den Architekten Martin Altgelt und Heinrich Schweitzer (1871-1953) stammt. Altgelt betrieb seit 1894 gemeinsam mit Alfred Messel (1853-1909) ein Architekturbüro, in dem auch der junge Architekt Heinrich Schweitzer (1871-1953) als Mitarbeiter tätig war. Nachdem das Wertheim-Warenhaus an der Leipziger Straße eröffnet war, löste Messel 1900 die Zusammenarbeit mit Martin Altgelt auf. Ab 1903 gab es in der Genthiner Straße Nr. 7 das Architectur- und Baubureau Altgelt & Schweitzer, so dass beide Architekten für den zeitgeistigen Stilmix zwischen Neorenaissance und Neobarock verantwortlich zeichnen. Schweitzer eröffnete 1906 in der Magdeburger Straße Nr. 20 ein eigenes „Bureau für Architektur“, in dem die Pläne für den Admiralspalast in der Friedrichstraße und später für einige Villen in Dahlem entstanden.

 

Für den Umzug der Familie Götz in das zweigeschossige Landhaus Wilhelmstraße Nr. 6 gab es mehrere Gründe. Friedenaus erster Bürgermeister Bernhard  Schnackenburg (1867-1924) brachte es später auf den Punkt: Die Kunst wohnt ja in Friedenau. Die Musik wird hier vor allem durch Herrn Prof. Max Buch vertreten, dann haben wir hier bedeutende Maler und gerade die Bildhauerkunst hat in Friedenau hervorragende Männer, wie die Herren Haverkamp, Götz, Casal usw. Wenn man eine Kunstausstellung besichtigt, wird man wiederholt einen hiesigen Künstler verzeichnet finden.

 

Die Großen der Berliner Bildhauerschule, Max Baumbach, Reinhold Begas, Ludwig Cauer, Gustav Eberlein, Emil Graf Görtz zu Schlitz, Joseph Uphues, ließen im Bildhauerhof von Valentino Casal in der Wilhelmstraße Nr. 7 aus ihren Gipsmodellen die Marmordenkmäler für die Siegesallee entstehen. Ludwig Manzel hatte sich obendrein auf dem Grundstück Wilhelmstraße Nr. 9 ein Landhaus bauen lassen. Seit dem ersten Besuch von Kaiser Wilhelm II. am 7. November 1899 war Friedenau als Klein Carrara in aller Munde. Dabei war damals als Berichterstatter auch der Journalist Arthur Brehmer (1858-1923), den Ullstein aus Wien als Chefredakteur für seine Blätter verpflichtet hatte. Exakt lässt es sich nicht datieren, aber es ist davon auszugehen, dass die Formulierung von Brehmer aufgegriffen wurde, erstmals in der Berliner Illustrirte Zeitung, 8.Jg./1899, Nr.47 zu lesen war und immer weiter kolportiert wurde: Casals Atelier, die ‚größte Handlangerei der Kunst‘, wurde vom Kaiser scherzhaft als ‚Klein-Carrara’ bezeichnet. Brehmer, dem nachgesagt wurde, dass er dem Wiener Schmäh eher verpflichtet schien als der Wahrheit, erlebte einen Bildhauerhof, auf dem zu diesem Zeitpunkt mit Hochdruck an den Denkmälern für die Siegesallee punktiert, konturiert und ziseliert wurde.

 

Götz selbst war wohl kaum in der Lage, den Bau zu finanzieren. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzierung von seiner Frau Marianne „geregelt“ wurde. Zu den Merkwürdigkeiten gehört, dass Götz ein Porträt-Medaillon schuf und dieses mit dem Schriftzug Marianne über dem Hauseingang anbringen ließ. Befremdlich ist auch, dass nach der Hochzeit der aus Magdeburg stammende Illustrator Georg Barlösius (1864-1908) das Exlibris Johannes und Marianne Götz kreierte. Im Mittelpunkt die Götz‘ Wasserschöpferin von 1892, darüber Hammer und Meißel als Werkzeuge des Bildhauers sowie die Fassade des Magdeburger Doms und die Nürnberger Stadtmauer. In ihrem Buch Johannes Götz – Bildhauer in Fürth und Berlin (Jungkunz Verlag, 2008) wundert sich darüber zu Recht auch die Historikerin Barbara Ohm: Kein Motiv aus Fürth, der Geburtsstadt.

 

Unter den Standesamtsnachrichten gab der Friedenauer Lokal-Anzeiger schließlich bekannt, dass dem Bildhauer Johannes Götz am 10. Oktober 1906 ein Mädchen geboren wurde: Tochter Dorothee (1906-1983). An spektakulären Ereignissen war wenig zu verkünden. Am 25. Oktober 1906 gab es eine Gartenbau-Ausstellung des Privatgärtner-Vereins, um die Erzeugnisse der Gärten und Treibhäuser von Privatbesitzern einem weiteren Publikum vor Augen zu führen, zu der die Herren Bildhauer Professor Götz, Harro Magnussen, R. Schreier-Bergemann und Professor von Uechtritz liebenswürdiger Weise eine Anzahl solcher Skulpturen zur Verfügung gestellt, welche speziell für Gartenanlagen und Wintergärten bestimmt sind, um das Interesse für den künstlerischen Schmuck eines Gartens zu wecken.

 

Dies Buch wurde von mir und meiner lieben Frau angelegt im Jahr 1905. Familienarchiv Ursula Menner

Alltag in Friedenau

 

Wenige Monate nach ihrem Einzug in die Wilhelmstraße Nr. 6 wurde die Familie Götz mit einem allgemein bekannten Friedenauer Problem konfrontiert: Es scheint, als wenn hier die Kanalisation noch nicht den Ansprüchen vollständig genügt, da bei kleinen Regengüssen schon in den Straßen Überschwemmungen eintreten. Im Friedenauer Lokal-Anzeiger bekamen sie es am 29. Juni 1906 auch gedruckt: Ein schweres Gewitter zog heute in der achten Morgenstunde über unsern Ort. Eine Viertelstundelang zuckte Blitz auf Blitz und folgte Donner auf Donner, dabei herrschte tiefe Finsternis. Begleitet war dieses Gewitter von einem wolkenbruchartigen Regen, der binnen kurzem einige Straßen vollständig überschwemmte. So standen die Goßler-, Wiesbadener-, Wilhelm-, Taunusstraße, Kaiserallee am Friedrich-Wilhelm-Platz, die Friedenauerstraße an der Ringbahnbrücke und die Rheinstraße an der Schönebergerstraße vollständig unter Wasser, verschiedentlich bis zu einem Fuß hoch.

 

Ein Jahr zuvor hatte Deutschlands großer Afrikaner Hermann von Wissmann (1853-1905) am 15. Juni 1905 bei einem Jagdunfall in der Steiermark das Leben verloren. Tausende erwiesen ihm die letzte Ehre. Kaiser und Reichskanzler blieben fern. Im Juni 1906 startete das Wissmann-Denkmal-Komitee einen Aufruf an die Künstler Deutschlands behufs Einreichung von Modellen. Götz wollte sich dieser Ehrung für den Forschungsreisenden nicht entziehen, zumal in Neukölln (1890) und Wilmersdorf (1898) schon zwei Straßen nach Wissmann benannt worden waren. Er machte mit und gewann den ersten Preis. So konnte der Friedenauer Lokal-Anzeiger am 1. Mai 1907 wieder ein Ereignis verkünden: Der Arbeitsausschuss des Wissmann-Denkmal-Komitees hat die Ausführung des Wissmann-Denkmals in Lauterberg dem Bildhauer Prof. Johannes Götz übertragen.

 

Johannes Götz dürfte die Lebensgeschichte von Wissmann bekannt gewesen sein, zumal der in Deutschland verehrte Afrika-Forscher auch mit der blutigen Niederschlagung des Araberaufstandes von 1889/1890 in Verbindung gebracht wurde. Nach Ansicht des Historikers Thomas Morlang erfolgte diese militärische Strafaktion auf der Grundlage des ‚Gesetzes, betreffend den Schutz der deutschen Interessen und die Bekämpfung des Sklavenhandels in Ostafrika‘. Der Name dieses Gesetzes schuf den Mythos, Wissmann habe gegen die Sklaverei gekämpft. Der eigentliche Grund für die Niederschlagung war die Durchsetzung der Interessen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, deren Handelshäuser mit denen der arabischen Oberschicht in Konkurrenz standen.

 

Nun also sollte in Friedenau ein Wissmann-Denkmal für den Kneipp-und-Schroth-Kurort Bad Lauterberg entstehen. Am 4. September 1908 wurde es übergeben. Im Kurpark steht seitdem auf einem Hügel ein Granitblock und darauf wiederum eine mehr als drei Meter hohe Bronzeskulptur mit der Inschrift: Deutschlands großem Afrikaner Hermann von Wissmann. Geb. den 4. Sept. 1853. Gest. den 15. Juni 1905. Das dankbare Vaterland. Er kämpfte erfolgreich gegen den Sklavenhandel und für die Freiheit der Unterdrückten.

 

Bevor es aber soweit war, mussten in der Wilhelmstraße einige Vorkehrungen getroffen werden. Götz erwarb 1907 zusätzlich das Grundstück Nr. 5 und ließ sich im Anschluss an seine bisher bescheidene Bildhauerwerkstatt ein großes und vor allem hohes Atelier bauen, in dem er das riesige Gipsmodell von Wissmann bastelte. Das wiederum hatte zur Folge, dass der Garten vollkommen neu gestaltet wurde, dass es nun einen Portier Namens Pehlmann gab, der wenig später als Diener aufgeführt wird. Der hatte alsbald auch viel zu tun, denn am 24. Mai 1908 ging ein derartiges Unwetter über unsern Ort wie seit langem nicht mehr.

 

Der Friedenauer Lokal-Anzeiger berichtete ausführlich: Ringsherum am Horizont zuckten die grellen Blitze, die Nacht tageshell erleuchtend. Der wolkenbruchartige Regen und starke Hagelschlag gab zu Überschwemmungen in unseren Straßen Anlass. Da die Abflusskanäle nicht imstande waren, die Wassermassen aufzunehmen. Der Maybachplatz glich einem förmlichen See. Viele Keller standen unter Wasser. Die Schöneberger Feuerwehr rückte heute Mittag mit der Dampfspritze an, um den Keller beim Restaurant Birkenwäldchen auszupumpen; das ganze Haus ist hier unterspült. Weitere große Überschwemmungen fanden in der Rheinstraße, an der Peschkestraße, in der Odenwaldstraße, am Friedrich-Wilhelm-Platz und in der Wilhelmstraße statt. In der Wilhelmstraße 2 war die Tapezierwerkstatt des Herrn Krüger bis heute morgen 9 Uhr mehrere Fuß hoch mit Wasser angefüllt. Die Materialien, Gerätschaften usw. schwammen im Wasser. Der Herrn Krüger zugefügte Schaden ist bedeutend. Unsere Feuerwehr hatte die ganze Nacht durch bis heute Abend mit dem Auspumpen von Kellern usw. zu tun. Blitzschaden ist in Friedenau nicht zu verzeichnen. Der Hagel hat dagegen viele Zerstörungen verursacht Ganz besonders dürfte die Obsternte sehr mitgenommen sein, manche schöne Hoffnung auf reichen Obstertrag ist vernichtet worden.

 

Denkmal für Hermann von Wissmann

 

 

Bau des Ateliers

Kaiser Wilhelm II. in Friedenau, Wilhelmstraße 6. Familienarchiv Ursula Mennerich

Der Kaiser in Friedenau

 

Der Bau des großen Ateliers für das monumentale Wissmann-Denkmal auf dem Grundstück Wilhelmstraße Nr. 5 sollte sich für Johannes Götz kurze Zeit später weiter auszahlen. Einzelheiten teilte Kaiser Wilhelm II. nach seiner persönlichen Abdankung in den Erinnerungen an Korfu mit, die 1924 vom Verlag Walter de Gruyter Berlin und Leipzig publiziert wurden.

 

Der deutsche Kaiser hatte im Jahr 1905 den König Georg von Griechenland auf Korfu besucht. Besichtigt wurde auch Schloss Achilleion, das seit dem Tod von Kaiserin Elisabeth nicht mehr genutzt wurde. Wilhelm II. war völlig überwältigt von dem Zauber der klassischen Antike, der über dem Ganzen schwebte. König Georg schlug mir vor, das Achilleion zu kaufen und daraus einen Ruheplatz für das Frühjahr nach anstrengendem Winter für die Kaiserin und mich zu schaffen. Er und sein Land würden froh sein, mir Gastfreundschaft nach altbewährter Griechenart zu bieten, ebenso seine Regierung. Das Schloss stehe schon lange zum Verkauf, aber es habe sich noch niemand gemeldet, außer einem Bankier und einer Gesellschaft, die ein Hotel daraus machen wollen nebst Spielhölle; diese habe er aber ein für allemal verboten.

 

Durch den Vorschlag ermuntert, wandte ich mich brieflich an Kaiser Franz Joseph mit einem Angebot. Dieser gab seiner Freude Ausdruck und zugleich seiner Befriedigung, dass der Lieblingssitz seiner teueren Heimgegangenen mit allen Erinnerungen an sie in meinen Besitz übergehen solle. Er könne das Achilleion in keinen besseren Händen wissen. Nur könne er das letzte Wort nicht sprechen, da seine Tochter Prinzessin Leopold von Bayern ebenfalls darüber zu disponieren habe.

 

 

 

 

Nachdem ich mit der Prinzessin gleichfalls Verbindung aufgenommen und einen freundlichen Brief erhalten hatte, in dem es hieß, wenn auch das Haus nicht zum Verkauf gestanden habe, so sei sie doch bereit, darüber zu verhandeln, jedoch könne sie letzten Endes nicht entscheiden, das sei Sache des Kaiserlichen Vaters. Die weiteren Verhandlungen verliefen ergebnislos.

 

Am Ostersonnabend 1907 las Kaiser Wilhelm in der Illustrated London News, dass das Achilleion an eine Hotelgesellschafft verkauft worden sei: Sofort setzte ich mich mit der Prinzessin Leopold in Verbindung und fragte an, ob die Nachricht zutreffe. Auf die verneinende Antwort machte ich ein neues Angebot, das nunmehr angenommen wurde. Laut Testament hatte der Kaiser Franz Joseph das Besitzrecht, seine Tochter aber den Nießbrauch am Achilleion. Nun vollzog sich alles schnell und glatt. So war mir denn eigener Privatbesitz zuteil geworden im Lande Homers und des klassischen Altertums, auf einer der schönsten Inseln des Mittelmeeres.

 

Im Jahre 1908 reisten Kaiser und Kaiserin auf der S. M. Y. Hohenzollern von Venedig über Syrakus, Palermo und Messina nach Korfu, und Wilhelm II. konstatierte auf Achilleion, dass der schöne ‚Sterbende Achill‘ in weißem Marmor, von Herters Meisterhand für Kaiserin Elisabeth einst gebildet, für die große Terrasse doch zu klein war, zumal er von mächtigen Dattelpalmen beschattet war, deren Zweige bis über vier Meter lang sich ausstreckten. So ließ ich ihn auf die kleinere Mittelterrasse hinaufbringen.

 

Ein sterbender Held, der, wenn er auch nur an einer einzigen Stelle verwundbar war, könnte auf Wilhelms soeben erworbener Trauminsel von Gästen missdeutet werden. Der deutsche Kaiser erinnerte sich an Johannes Götz, der früher schon (mit dem Schwertkämpfer) eine kleine Bronze von so feinem, klassischem Empfinden gebildet hatte, dass der große Begas zu mir einmal sagte: ‚Ich gäbe mein halbes Leben dafür, wenn ich das gemacht hätte. Das sieht aus, als ob es in Pompeji ausgegraben worden wäre. Wenn nun Eure Majestät mal ein antik-empfundenes Bildwerk brauchen, dann wenden Sie sich an den Mann, er wird etwas Gutes leisten, denn er kann antik denken‘.

 

Der Kaiser wollte ganz sicher gehen, setzte sich hin und fertigte 1908 für Götz zur Orientierung die Skizze eines riesenhaften kämpfenden Achill. Im Atelier in der Wilhelmstraße wurde fortan an einem siegreichen Gipsmodell des Achill gebastelt. Am Vormittag des 15. Oktober 1908 kam der Kaiser nach Friedenau in das Atelier des Herrn Prof. Götz, Wilhelmstraße Nr. 6, und der Friedenauer Lokal-Anzeiger war dabei: Der Künstler hatte mehrere Entwürfe für die Achillesstatue in Korfu gefertigt. Der Kaiser hat nun einen Entwurf genehmigt, der Achill zum Kampfe bereit, mit der Rechten an die Lanze gelehnt, in der Linken den Rundschild, zeigt. Die Statue wird in hellpatinierter Bronze ausgeführt, und einzelne Teile wie Lanze, Schild und Helmbusch sollen durch leichte Vergoldung belebt werden. Die Höhe der Figur wird ungefähr 5 bis 6 Meter betragen; die endgültige Größe soll noch erst durch eine Kulisse an Ort und Stelle festgesetzt werden. Vorläufig wird ein Modell der Statue in Größe von etwa 2,20 Meter angefertigt. Die Vollendung und Aufstellung des Werkes auf Korfu ist im Frühjahr 1910 zu erwarten. Das Postament wird in griechischem Marmor ausgeführt und vom Kronprinzen von Griechenland besorgt; es erhält eine Höhe von ungefähr 2 ½  Meter. Nach dem der Kaiser im Garten einen Brunnen in Augenschein genommen hatte, besichtigte er noch eingehend das Haus des Künstlers und interessierte sich aufs lebhafteste für die einzelnen Teile der sehr künstlerisch eingerichteten Wohnräume.

 

Götz war erleichtert: Der Kaiser hat meinen Achilles Entwurf genehmigt. Damit habe ich ein schweres halbes Jahr abgeschlossen, denn die Sache war nicht leicht und ich habe mich an einem Dutzend Entwürfe wie ein Wilder abgeschuftet. Gott sei Dank hat er mirs nun genehmigt wie ichs wünschte. Ganz so war es wohl nicht.

 

Am Nachmittag des 18. Februar 1909 trafen gegen 3 Uhr in 3 Automobilen das Kaiserpaar, Prinzessin Viktoria Luise und Gefolge vor der Wohnung des Bildhauers Herrn Prof. Johannes Götz, Wilhelmstraße Nr. 6 ein. Die hohen Herrschaften wurden von dem Künstler und seiner Gemahlin am Wagenschlag empfangen und zum Atelier geleitet. Auch diesmal galt der Besuch den Bildwerken für Korfu.

 

Vorbereitet waren Gleis und Güterlore, auf der Achill aus dem Atelier in den Garten gefahren und von Götz in Friedenauer Natur präsentiert wurde. Die Besichtigung des Ateliers und der künstlerisch eingerichteten Wohnräume währte etwa eine ¾ Stunde. Darauf verabschiedete sich das Kaiserpaar und Prinzessin Viktoria in herzlicher Weise von dem Künstler und seiner Gemahlin.

 

Als Schauplatz des nächsten Aktes wurde die Internationale Gartenbauausstellung in den Ausstellungshallen am Zoo ausgewählt. Noch vor der offiziellen Eröffnung am 2. April 1909 kam der Kaiser zur Inspektion. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger berichtete: Den Clou der Ausstellung bildet das prächtige Diorama ‚Schloss Achilleion auf Korfu‘ mit der plastischen und naturgetreuen Darstellung der Schlossterrasse. In der großen Halle nimmt das Diorama den ganzen Orchesterraum ein. Mitten in der herrlichen Umgebung steht das Abbild des Achill, den der Kaiser von unserem Mitbürger Herrn Professor Johannes Götz herstellen lässt. Auf besonderen Wunsch des Monarchen findet dieser neue Achilles inmitten der farbenprächtigen Flora seinen Platz.

 

Kaiser Wilhelm war wohl auch danach noch unsicher. Am 5. Mai 1909 meldete der Friedenauer Lokal-Anzeiger unter dem Titel Mit dem Kaiser nach Korfu, dass sich der Bildhauer Herr Prof. Joh. Götz, Wilhelmstraße  5/6, z. Zt. mit unserem Kaiser auf Korfu befindet. Und Wilhelm II. schreibt dazu in seinen Erinnerungen an Korfu: Der von mir nach Korfu berufene Bildhauer war im Nu unter dem Zauber des Achilleion, gehoben in dem Gedanken, an dieser Stelle ein Werk von sich aufstellen zu dürfen. Er war sofort, wie man sagt, im Bilde. Nach der Rückkehr ging die Arbeit in Friedenau weiter,

 

Am 14. März 1910 besuchte das Kaiserpaar in Begleitung von Prinzessin Viktoria Luise und Prinz Oskar die Bildgießerei der Aktiengesellschaft Gladenbeck in Friedrichshagen, wo aus dem Gipsmodell inzwischen die bronzene Achillesstatue gegossen worden war. Die kaiserlichen Auftraggeber waren überwältigt. Der Direktor erzählte uns, dass Klassen einzelner Gymnasien und anderer Schulen, auch ein Arbeiterverein das Standbild besehen hätten und tief beeindruckt gewesen seien von seiner Schönheit und Wucht, sowie von der Großartigkeit der Aufgabe, mit der der Künstler betraut war.

 

Danach wurde die Riesenfigur in einzelne Teile zerlegt, in Kisten verpackt und nach Triest transportiert. Im Hafen lag schon das Schulschiff S.M.S. Victoria Luise, dass die Kaiserliche Marine am 11. August 1910 ins Mittelmeer geschickt hatte. Götz kam frühmorgens in Triest an, eilte zum Schiff und erfuhr, dass die Figur in etwa einer halben Stunde eingeschifft werden würde. Durch die Adria ging es nach Korfu. Unter Aufsicht von Götz und Monteuren der Bildgießerei wurde Achilles im September 1910 innerhalb einer Woche aufgestellt. Anfang Oktober war Johannes Götz wieder in Berlin. Da hatte die Admiralität dem Kaiser längst positive Berichte über Korfu geliefert.

 

Dennoch wurde Götz für einen eigenen Bericht ins Neue Palais in Potsdam gerufen. Diese Begegnung wurde von Johannes (oder Marianne) Götz auf 20 Schreibmaschinenseiten unter dem 2. Oktober 1910 festgehalten – ein fragwürdiges Dokument zwischen direkter und indirekter Rede. Der Kaiser war jedenfalls zufrieden. Sie haben ihre Sache schön gemacht. Götz bekam den Königlichen Kronen Orden dritter Klasse und den nächsten Auftrag, eine Büste für den Architekten Louis Jacobi (1836-1910), dessen Name mit der Rekonstruktion des römischen Kastells Saalburg verbunden ist: Von dem will ich oben auf der Saalburg eine Büste aufstellen. Ich möchte, dass Sie mir diese Büste machen. Da sie im Freien stehen wird, soll sie in Bronze werden, und als Sockel nehmen wir wohl am besten den roten Sandstein von oben, den wir schon öfter verwendet haben. Machen Sie es, dass es antiker Form entspricht.

 

Ostern 1911 war der Kaiser bei prächtigem Frühjahrswetter auf Korfu eingetroffen, sah erstmals den Achilles und schickte ein Telegramm nach Berlin: Wir standen alle in stummer Bewunderung vor Ihrem herrlichen Kunstwerk. Stolz in den blauen Aether ragend steht der königliche Held, den Blick auf die fernen Berge gerichtet, wie ein Denkmal aus alter Zeit. Nunmehr ragt der mächtige Held der Homerischen Ilias in Erz auf der Terrasse des Achilleions als Wahrzeichen des Hauses und als Denkmal uralter Geschichte des Landes, in voller Jugendkraft und Schönheit, selbstbewusst und stolz, der achäische Fürst der Myrmidonen. Wunderbar ist der Augenblick, wenn am Abend die untergehende Sonne den gewaltigen Schild mit seiner Goldverzierung, sowie Helmbusch und Speerspitze, die gleichfalls vergoldet sind, mit ihren feurigen Lichtpfeilen trifft, so dass sie weit über die Insel hin erglänzen. Magisch dagegen, wie in überirdischem Zauber, wirkt das Standbild, wenn es in dunkler Nacht auf pechschwarzem Hintergründe des Palmenhaines von Scheinwerfern beleuchtet wird. Dann sieht es von weitem aus, als schwebe eine weiße, glühende, anscheinend durchsichtige Geistergestalt über dem dunklen Berge, um in Wehr und Waffen das Achilleion zu schirmen.

 

Kaiser Wilhelm II. sprach Johannes Götz von Herzen nochmals meinen wärmsten Dank aus zugleich im Namen aller Anwesenden, deren ungeteilten Beifall Ihr Achilles gefunden hat und wünschte Götz noch Viel Vergnügen in Villa Falconieri.

 

Götz bedankte sich umgehend: Da ich aus dem freundlichen Schluss der Depesche ersehen darf, dass Ew. Majestät auch meine Bitte um einen vorübergehenden Aufenthalt in der Villa Falconieri Allergnädigst gewährt haben. Es war seit langer Zeit mein sehnlicher Wunsch, wieder einmal auf klassischem Boden, unter dem Einfluss alter großer Kunst stehend, zu meiner künstlerischen Weiterentwicklung eingehendst zu arbeiten, weshalb ich an den kürzeren Aufenthalt in der Villa Falconieri noch einen längeren in Rom knüpfen werde. (GStA)

 

Am 19. Januar 1911 meldete der Friedenauer Lokal-Anzeiger: Die Villa des Herrn Prof. Götz ist bekanntlich in den Besitz des Herrn Kommissionsrat Heinrich Sachs (1858-1922) übergegangen. Herr Prof. Götz wird in nächster Zeit seinen Wohnsitz nach Berlin verlegen. Das Atelier bleibt jedoch hier bestehen, da nur das Wohngebäude von Herrn Kommissionsrat Sachs käuflich erworben wurde. Von 1913 bis 1929 wird das Atelier von Bildhauer Eberhard Encke (1881-1936) genutzt. Mit der Umbenennung der Wilhelmstraße in Golzheimer Straße Mitte der 1930er Jahre wird das Anwesen aufgeteilt. Nr. 5 (neue Nr. 12) bleibt im Besitz von Witwe Bertha Sachs. Für Nr. 6 (neu Nr. 14) wird als Eigentümer der Kunstmaler O. Kyser genannt.

 

Der Entschluss von Johannes und Marianne Götz muss kurzfristig gefallen sein, denn im April 1910 suchte das Ehepaar zum Oktober noch einen verheirateten Atelierdiener, der etwas Gartenarbeit versteht. Freie Wohnung, Gehalt nach Übereinkunft. Nun gaben sie Landhaus und Atelier in Friedenau auf und zogen nach Italien.

 

Bornstedt, Kirche. Foto Hahn & Stich, 2019

Nach Potsdam

 

Im Nachlass von Götz befinden sich ein Foto und ein Zeitungsbericht aus Rom. Das Foto zeigt Johannes und Marianne Götz mit den Kindern Rudolf und Dorothee vor der Villa Falconieri. George Sand besang das leuchtende Haus auf den immergrünen Abhängen des Albanergebirges, hoch über dem wonnigen Frascati und der feierlichen Campagna Roms. Bekannt geworden ist das Haus durch den Schriftsteller Richard Voß (1851-1918) und seinen Roman Villa Falconieri. Die Geschichte einer Leidenschaft. Voß verträumte ein halbes Menschenleben in Francesco Borrominis köstlichem Sommerpalast. Das pathologische Lebens- und Liebesdrama, welches daselbst mit einem ihm brüderlich nahestehenden italienischen Dichter sich abspielte, will er nunmehr berichten. Er tut es an des Freundes Schreibtisch, vor dem Abguss von Michelangelos ‚sterbendem Sklaven‘, in dem farbenfrohen Freskenzimmer Carlo Marattas, wo der arme ‚Märtyrer seiner Phantasie‘ lebte und litt.

 

 

 

1905 kaufte der Berliner Bankier Ernst von Mendelssohn-Bartholdy die Villa und machte sie 1907 Kaiser Wilhelm II. zum Geschenk. Die Hohenzollern hatten wohl kein übermäßiges Interesse an Aufenthalten in dieser ältesten Villa von Frascati. Vor der Ankunft der Familie Götz ist lediglich im April 1911 ein Besuch von Kronprinz Wilhelm und seiner Frau Prinzessin Cecilie verzeichnet. Das Resümee von Richard Voß: Der Künstler muss zusehen, wie er mit sich selbst und der Welt fertig wird, ohne an der Welt und sich selbst zu Grunde zu gehen.

 

Götz suchte in Italien jedenfalls nach einer neuen Aufgabe. Aus dem Zeitungsbericht Deutsche Kunst in Rom geht hervor, dass der Deutsche Künstlerverein in Rom durch einen neuen Vorsitzenden, den Bildhauer Professor Götz, zu neuem Leben erweckt wird. Götz hat in wenigen Monaten aus dem morschen Schutt wunderbar jugendfrische Reiser sprießen lassen, und die entnervende, lähmende Kritik der Pessimisten ist plötzlich in Nichts zerstoben, wie Nebel im Morgenwind. Der rührigen Tatkraft des jungen Zauberers ist nun ein Wurf gelungen, dank welchem der Künstlerverein mit einem Schlage in den Mittelpunkt des römischen Kunstlebens gerückt wird: eine retrospektive Ausstellung, in welcher Lenbach mit zehn in Deutschland unbekannten Porträts, Böcklin mit drei, Feuerbach mit vier Landschaften, Stauffer-Bern mit einer Anzahl herrlicher Radierungen vertreten ist. Drei lebenden Künstlern – Max Klinger, Otto Greiner und Volkmann – hat Professor Götz einen besonderen Saal angewiesen, und was man da von ihnen sieht, Bilder, Radierungen und Plastiken, ist ein neuer Beweis für ihre in Schönheit und Kraft schaffende Künstlerseele.

 

Als Italien den Dreibund mit Deutschland und Österreich-Ungarn beendete und wenig später auf der Seite der Entente in den Ersten Weltkrieg eintrat, musste die Familie Götz Italien verlassen – wie umgekehrt der Italiener Valentino Casal Deutschland. 1921 wurde die Villa vom italienischen Staat enteignet. Johannes und Marianne Götz zogen 1914 mit den Kindern in das vom Friedenauer Architekten Leberecht Thon entworfene und von der Berlinischen Boden-Gesellschaft errichtete Mietswohnhaus Rüdesheimer Platz Nr. 6, I. Etage  – direkt vor der U-Bahn-Station.

 

Seit mehr als zwei Jahrzehnten reihte sich Auftrag an Auftrag, private, städtische, kaiserliche. Nun blieben sie aus. 1919 stellte er in der Großen Berliner Kunstausstellung zum letzten Mal aus, die Bronze Falkenjäger. In seiner Geburtsstadt knüpfte er da an, womit er als junger Bildhauer begonnen hatte. Es entstanden einige Grabmale für Fürther Persönlichkeiten. Sein 60. Geburtstag wurde in den Lokalzeitungen gewürdigt. Der Kunstverein organisierte 1927 eine Ausstellung. Vielmehr war da nicht.

 

Die Historikerin Barbara Ohm veröffentlichte in ihrem Buch Johannes Götz – Bildhauer in Fürth und Nürnberg“ einige Dokumente aus dem Stadtarchiv Fürth, darunter vom Januar 1929 ein Brief von Johannes Götz an den Oberbürgermeister. Der Bildhauer bot seine Statue Die Sklavin an, die er angesichts der ungünstigen Zeitverhältnisse ... um 2600 Mark hergeben wollte. Er betonte, dass diese Summe nur den Materialwert ausmachte: Ich ersuche Sie, diese Angelegenheit mit Ihrem mir stets entgegengebrachten Interesse wohlwollend zu betrachten. Die Figur wurde für 2500 Mark erworben, aber Götz musste zweimal, um das Geld flehend, nachfragen: Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass ich infolge der besonderen Ausgaben knapp geworden bin und Ihnen sehr dankbar wäre, wenn Sie mir von dem Restbetrag wenigstens 500 Mark anweisen würden, falls es nicht möglich, dass ich denselben jetzt ganz erhalte, nachdem die Stadt nun doch im Besitz der Figur ist. Sieben Wochen später musste er wieder um die Auszahlung der restlichen 1000 Mark bitten, da ich sie nun sehr gut gebrauchen könnte.

 

Die Wohnung am Rüdesheimer Platz wurde aufgegeben. Die Familie zog nach Magdeburg in das Elternhaus von Marianne. 1929 folgte dann Seestraße Nr. 3 am Heiligen See in Potsdam: Eigentümer Marianne Götz und Dr. Ruth Schwartzkopff. In diesem zweigeschossigen Haus befand sich im Erdgeschoss die Arzt-Praxis von Mariannes Schwester Ruth. Das Ehepaar Götz wohnte im oberen Stock.

 

Am 9. November 1934 starb Johannes Götz. Beerdigt wurde er auf dem Bornstedter Friedhof in Potsdam. Die Inschriften sind mühsam zu entziffern. Das Grab mit den drei einheitlich gestalteten Grabplatten gibt Rätsel auf – auch die zeitliche Belegung. Zuerst bestattet wurde dort Max Schneider, *7. Okt. 1870; † 12. April 1933 mit der Inschrift IHR GLÜCKLICHEN AUGEN, WAS JE IHR GESEHN, ES SEI WIE ES WOLLE, ES WAR DOCH SO SCHÖN (Goethe). Er soll Innenarchitekt gewesen sein. Unklar bleibt, in welcher Beziehung er zu Johannes und Marianne Götz stand. Ein Jahr später starb Johannes Götz. Seine Grabplatte nimmt die Mitte der Grabstätte ein: Professor Joh. Gottfried Götz, Bildhauer, * 4. Okt. 1865; † 9. Nov. 1934 mit dem Grabspruch GOTT WOHNT IN EINEM LICHT, ZU DEM DIE BAHN GEBRICHT: WER ES NICHT SELBER WIRD, DER SIEHT IHN EWIG NICHT (Angelus Silesius). Links davon befindet sich die Grabplatte von Marianne Götz geb. Schwartzkopff, * 2. Aug. 1889; 7. Aug. 1954, Inschrift WER WEISS, OB NICHT DAS LEBEN IST, WAS STERBEN HEISST, UND LEBEN TOD? (Euripides).

 

Bleiben die Kinder von Johannes und Marianne Götz. Sohn Rudolf wurde Arzt. Seine Ehe blieb kinderlos. Nach 1945 soll er in Ost-Berlin tätig gewesen sein. 1960 wohnte er in Halensee, Kurfürstendamm Nr. 71. Rudolf Götz starb 1979. Tochter Dorothee (1906-1983) heiratete den Dipl. Ing. Wilhelm Mennerich. Sie brachte drei Söhne zur Welt: Gerhard wurde Tierarzt und lebt heute in Lauf a. d. Pegnitz), Konrad ist Augenarzt in Dachau. Seit dem Tod von Sohn Klaus im Jahr 2005 betreut seine Ehefrau Ursula Mennerich das Familienarchiv in Unterhaching.

 

Am 6. September 2023 war unser Leser Andreas Kuhn auf dem Friedhof in Potsdam und fand erst durch Nachfrage das Grab von Götz und schickte uns ein aktuelles Grabfoto.. Zugegeben, unsere Suche war auch 2019 schon schwierig, da die Grablage auf dem Plan aus unerklärlichen Gründen nicht eingezeichnet ist. Nun, da die Grabplatten mit Moos bedeckt und die Inschriften nicht mehr zu erkennen sind, dürfte sich das Aufsuchen noch schwieriger gestalten. Johannes Götz gehört wie Lennè, Persius und Sello zu unserer Geschichte. Die Freunde des Bornstedter Friedhofs sollten etwas großzügiger denken.