Grabstätte Oscar Haustein, 31. Januar 2022. Foto Hahn & Stich

Oscar Haustein (1866-1920)

 

Am 30. Januar 1920 kam die Nachricht, dass der Architekt und Zimmermeister Herr Oscar Haustein gestern Abend aus dem Leben geschieden ist. Es vergingen mehrere Tage, bis die Todesursache geklärt, die Leiche freigegeben und die Beerdigung am 6. Februar 1920 auf dem Friedenauer Ortsfriedhof stattfinden konnte. In der Zwischenzeit erfuhren die Friedenauer aus der Zeitung, dass Oscar Haustein in der letzten Zeit sehr krank war. Ein Gehirnleiden machte ihm viele Beschwerden und er musste vor einigen Jahren schon einmal längere Zeit ein Sanatorium aufsuchen. Haustein war 21 Jahre lang Mitglied unserer Gemeindevertretung. Als die Neuordnung kam, gemeint war die Bildung von Groß-Berlin, wurde auch er, wie so viele andere, nicht wiedergewählt, weil er gegen die Zerschlagung der Selbstverwaltung Friedenaus und für den Erhalt des Selbstbestimmungsrechts war.

 

 

 

 

 

Oscar Haustein war der Sohn von Gustav und Auguste Wilhelmine Pauline Haustein geb. Lehmann. Das Ehepaar betrieb in Berlin für viele Jahre die Firmen Schneider für Herren und Lager für in- und ausländische Stoffe. 1871 erwarben sie vom Landerwerb- und Bauverein ein Anwesen in der Ahornstraße (Moselstraße) und gehörten damit zu den ersten Siedlern der Villenkolonie Friedenau. Oscar wurde Maurer, Maurer- und Zimmermeister. 1895 gab es die Vermählung mit Marie geb. Marx. 1896 wurde Tochter Anna geboren.

 

Als Architekt gehörte er zu den Befürwortern großer vornehm-klassischer Wohnungen, die allerdings nur in erster und zweiter Etage gelegen sein dürfen. Als erster Bau entstand 1896 an der Ringstraße (Dickhardtstraße Nr. 7-8) Ecke Moselstraße das viergeschossige Mietswohnhaus. Es folgten Häuser in der Schnackenburgstraße Nr. 11 (1896), Beckerstraße 6 (1898), der Umbau des 1885 vom Architekten Max Nagel entworfenen Landhauses Niedstraße Nr. 18 (1898), Mehringdamm Nr. 64 (1899), Dickhardtstraße Nr. 5 (1902), Dickhardtstraße Nr. 2 (1909).

 

Am 29. April 1896 stand beim Königl. Amtsgericht II Berlin das Grundstück zu Friedenau, Friedrich-Wilhelm-Platz 2, Ecke Wilhelmstraße, belegen, dem Kaufmann Fritz Pax gehörig, zur Zwangsversteigerung. Flächenraum 10,18 Ar. Nutzungswerth 11800 M. Meistbietende blieben der Rentier Gustav Haustein und der Architekt Oscar Haustein, beide zu Friedenau, mit dem Gebot von 141430 M. Am 16. Dezember 1896 fiel der Gemeindeverwaltung auf, dass sie an Fritz Pax seinerzeit vor den Grundstücken Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 2 und Nr. 3 eine Parzelle von 11 Ruthen Straßenland für den Preis von 1641 M. verkauft habe. Infolge Beschlagnahme der Mieten für Steuern schulde nun Pax der Gemeinde für das Straßenland noch 777,89 M. Die Verwaltung hat dem gegenwärtigen Besitzer, Herrn Haustein, angeboten, diese Parzelle für den Restbetrag aufzulassen, was Herr Haustein ablehnte. Die Gemeindevertreter erklärten nun, die Sache eventuell auf gerichtlichem Wege mit Pax, wenn derselbe auch nicht aufzufinden sei, zu erledigen und dann das Straßenland wieder in Besitz zu nehmen, da die Parzelle als zugehörig zu den Grundstücken Friedrich-Wilhelm-Platz 2 und 3 zu den Grundbuchakten nicht zugeschrieben und daher außer der Subhastation geblieben sei. Das Ende der Angelegenheit ist nicht bekannt.

 

Am Friedrich-Wilhelm-Platz hatte Oscar Haustein ein Baugeschäft für Entwürfe u. Ausführungen von Bauten jeder Art u. Stilrichtung eröffnet. In Anzeigen verkündete er: Neubauten sowie jede Reparatur werden prompt und reell ausgeführt, auch werden Anschläge und Zeichnungen angefertigt. Über Haus- und Terrainkäufe erteilt Oscar Haustein Auskunft.

 

Der Friedenauer Lokal-Anzeiger berichtete über Hausteins Aktivitäten: Das große Eckhaus an der Ring- und Moselstraße ist von Herrn Baumeister Oscar Haustein zum Preise von 190000 M verkauft worden (1899). Das Mietshaus Mehringdamm Nr. 64 wurde nach einjähriger Bauzeit anstelle einer älteren Vorgängerbebauung errichtet. Die Entwürfe erstellte der Bau- und Zimmermeister Oscar Haustein (1899). Zwangsversteigerungsergebnis: Rubensstraße Nr. 38 in Schöneberg, dem Kaufmann Johannes Schäffer in Lichterfelde gehörig. Fläche 13,07 Ar. Nutzungswert nicht vermerkt. Mit dem Gebot von 52400 M bar und Übernahme von 12200 M Hypotheken blieb der Baumeister Oscar Haustein in Berlin-Friedenau, Friedrich-Wilhelm-Platz Nr.1, Meistbietender (1912).

 

Oscar Haustein wurde auf dem Friedhof an der Stubenrauchstraße in einem Wandgrab (Abt. 12, Grabstellen 13-15) beigesetzt, unmittelbar neben dem Wandgrab Nr. 16+17 seiner Eltern Gustav und Auguste Haustein, das noch existiert. Vom Grab des Architekten Oscar Haustein ist nur noch das Wandgrab geblieben. Die Namen wurden entfernt, geblieben ist nur noch der Spruch LIEBET EINANDER WIE ICH EUCH GELIEBT. Auf der Fläche davor, unter der sich immer noch die Gebeine der Verstorbenen in Grabkammer oder Gruft befinden, hat die Schöneberger Friedhofsverwaltung eine Deponie für entsorgte Grabsteine des Friedhofs eingerichtet. Schlimmer geht’s nicht.

 

 

Beckerstraße 6A. Foto LDA, 2005

Beckerstraße Nr. 6 & 6A

1900

Entwurf & Bauherr Architekt Oscar Haustein

 

Die beiden nahezu identisch gestalteten Mietshäuser Beckerstraße 6 und 6A entstanden unter der Regie des Bauunternehmers Oscar Haustein. Die viergeschossigen Vorderhäuser mit Souterrain und Berliner Dach mit abgetreppten Giebeln an den Brandmauern besitzen jeweils zwei Seitenflügel. Die in sich symmetrisch gegliederten Straßenfassaden sind durch den Kontrast von Putz- und Stuckelementen mit rot geklinkerten Wandflächen bestimmt: Die Mittelachse mit Eingangsportal und Tür zum Untergeschoss wird jeweils flankiert von zwei Standerkern mit dekorierten Dreiecksgiebeln darüber; in den Außenachsen sind Loggien mit schmiedeeisernen Gitterbrüstungen an allen Wohngeschossen angeordnet. Souterrain und Erdgeschoss sind mit Putzquaderung als Sockel zusammengefasst, Fensterrahmungen und Erker sowie ein breites Gesims über dem Erdgeschoss sind ebenfalls geputzt und mit feinen Stuckornamenten geschmückt. Sowohl die Eingänge mit ihren rundbogigen Gewändeportalen und feinen Kielbogenblenden wie auch der Dekor an Fenstern und Erkern ist in gotisierenden Formen gestaltet. Im Hof des Hauses Beckerstraße 6 sind ein Brunnen und Teile der alten Gartengestaltung, in Vestibül und Treppenhaus Malereien und Stuckdekor erhalten. Topographie Friedenau, 2000

 

 

 

Dickhardtstraße 2. Foto LDA, 1988

Dickhardtstraße Nr. 2

1910

Entwurf Oscar Haustein

Bauherr Gottfried Bierhahn

 

Das viergeschossige Mietshaus zeigt eine symmetrisch angelegte Jugendstilfassade über dem Souterrain. In der Mittelachse befindet sich der Hauseingang mit dem Treppenhaus, das den Zweispänner erschließt. Das Treppenhaus wird durch verschiedene Fenster belichtet: durch drei kleine gereihte Fenster,  darüber durch ein hohes Fensterfeld über zwei Geschosse mit einer Vielzahl kleiner Fenster (mit Farbverglasung und - abschließend - wieder durch drei kleine gereihte Fenster. Beiderseits der Mittelachse springen Erker mit seitlichen Balkons vor, die im ersten und dritten Obergeschoss geschweifte Kupferblechbrüstungen zeigen. Im dritten Obergeschoss treten an die Stelle der seitlichen Balkons jeweils Loggien. Die Erker werden von Kupferblechhauben bekrönt. In der Mittelachse erhebt sich ein steiler Quergiebel mit Kartusche. Das Haus besitzt noch sein Jugendstil-Vorgartengitter mit geometrischen Motiven. Topographie Friedenau, 2000

 

 

 

 

Dickharrdtstraße 4-5. Foto LDA, 1999

Dickhardtstraße Nr. 5

1902

Entwurf Oscar Haustein

Bauherr Oscar Haustein

 

Eine Inschrift seitlich des Eingangs lautet: „Oscar Haustein Architekt - Erbaut 1902“. Die asymmetrische Straßenfassade zeigt im Souterrain und im Erdgeschoss Rohziegelmauerwerk, darüber Putzquaderung. Beiderseits der Mittelachse sind zwei unterschiedliche Erker angeordnet: im Süden ein rechteckiger mit Quergiebel, im Norden ein abgeschrägter mit Turmhaube. Auf beiden Erkern sind Relief-Medaillons, der Kopf eines jungen Mannes und der einer jungen Frau, angebracht. Die Brüstungsfelder schmückt Jugendstil-Dekor. Auch das Eingangsportal zeigt Jugendstil-Motive. Die Rundbögen der Loggien sind mit Drachenköpfen und Masken verziert. Topographie Friedenau, 2000

 

 

Dickhardtstraße 7-8. Foto LDA, 1999

Dickhardtstraße Nr. 7-8

1896

Entwurf Oscar Haustein

Bauherr Oscar Haustein

 

Das Eckhaus Dickhardtstraße 7-8/Moselstraße 7-8 von 1895-96 ist dagegen schon ein „klassisches“ viergeschossiges Mietwohnhaus von Oscar Haustein, der seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts als Landhaus-Architekt bekannt geworden war. Es hat einen Eingang an der Mosel- und einen an der Dickhardtstraße, von denen jeder einen Zweispänner erschließt. Das Haus zeichnet sich durch rötlich-gelbe Klinkerfassaden an den beiden Straßenfronten und einen vorspringenden Erker an der Hausecke aus. Die schmalere Fassade an der Moselstraße wird durch einen Erker über dem Hauseingang betont, die längere an der Dickhardtstraße dagegen durch zwei Erker beiderseits des Hauseingangs. Zwischen dienen Erkern befinden sich in den Obergeschossen lange Balkons. Beide Hauseingänge sind jeweils mit einem Rundbogen überwölbt, der von zwei kurzen Säulen getragen wird. Topographie Friedenau, 2000

 

 

Mehringdamm 64. Foto Jörg Zägel, 2012

Mehringdamm Nr. 64

1899

Entwurf Oskar Haustein

Bauherr August Schade

 

Das Mietshaus Mehringdamm 64 wurde 1899 nach einjähriger Bauzeit anstelle einer älteren, über Jahrzehnte gewachsenen Vorgängerbebauung errichtet. Die Entwürfe erstellte der Bau- und Zimmermeister Oskar Haustein, dessen Betätigungsfeld damals wesentlich auf dem Gebiet des vornehmen Mietwohnungsbaus lag. Das Haus besteht aus dem Vordergebäude, zwei unterschiedlich langen Seitenflügeln auf der linken Seite und einem Quergebäude. Um das recht schmale Gebäude wirkungsvoll in Szene zu setzen, versah es Haustein mit einer bewegten neobarocken Fassade. Der Wandaufbau setzt sich aus einem dreiachsigen, in sich symmetrisch gegliederten Teil und einer links daran anschließenden Loggienachse zusammen. Im Gegensatz zu den Fassaden der älteren Nachbargebäude findet man eine Vielzahl unterschiedlicher Architekturmotive, darunter Erker, Loggien, Balkone, unterschiedliche Bogenformen sowie kräftig aufgetragene Stuckgliederungen, was für ein gleichermaßen lebhaftes wie plastisches Fassadenbild sorgt. Ein wichtiges Gestaltungselement sind die Fenster, die in Form, Höhe und Breite variieren. Auffällig sind die fein geschwungenen Profile der oberen Fensterflügel. Hierin wie auch beim Putz- und Stuckdekor zeigt sich der Einfluss des Jugendstils. Das Dach ist zweiteilig angelegt. Den größeren Teil krönte ursprünglich eine mächtige Kuppel, die allerdings nicht erhalten ist. Im Erdgeschoss betrieb die Familie Schade, die das Haus für sich erbauen ließ, ein Restaurant. Daran erinnert einzig der frühere Festsaal, der sich im Quergebäude befindet. In den Obergeschossen verfügte das Haus ursprünglich über komfortabel ausgestattete Sechs- und Drei-Zimmer-Wohnungen mit Mädchenkammer, Bad und separatem Dienstboteneingang. Topographie LDA, 2000

 

 

Niedstraße 18. Foto Topographie Fridenau, 1988

Niedstraße Nr. 18

1885

Entwurf Max Nagel

1898 Umbau

Entwurf Oscar Haustein

 

In der Niedstraße überwiegen wie in der Schmargendorfer Straße die ein- und zweigeschossigen Landhäuser der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts, sie sind allerdings nicht so zahlreich und dicht vertreten wie in der Parallelstraße. Das Haus Niedstraße 18 ist als eingeschossiges, ursprünglich vierachsiges Landhaus in rotem Sichtziegelmauerwerk mit Quergiebel und ausgebautem Dachgeschoss von Max Nagel 1885 gebaut worden. Es wurde 1898 von Oskar Haustein nach Osten und nach Westen zu beiden Bauwichen hin um je zwei Achsen erweitert, so dass ein breit gelagertes Landhaus entstand. Der ursprüngliche vierachsige Bau besaß einen Vierfelder-Grundriss und einen seitlichen Hauseingang. Im Zuge der Erweiterungen wurden im Osten der Hauseingang mit einer hölzernen Vorlaube, ein großes repräsentatives Treppenhaus und eine Küche angelegt, im Westen entstanden zwei weitere Wohnräume. Die alte Treppe wurde entfernt. Dem Haus ist zum Garten hin eine kleine Veranda mit einer Treppe vorgelagert. Die Quergiebel des Hauses zur Straße und zum Garten zeigen Rundbogendoppelfenster und darüber ein Ziersprengwerk. Das originale Gitter ist erhalten. Topographie Friedenau, 2000

 

 

Schnackenburgstraße 11. LDA 1999

Schnackenburgstraße Nr. 11

1896

Entwurf Oscar Haustein

Bauherr Rechnungsrat Otto Bauer

 

Das Zweispänner-Mietshaus ist ein siebenachsiger, viergeschossiger, gelblich-roter Ziegelbau. Die symmetrische Fassade zeigt einen Erker mit seitlichen Balkons. Das Erdgeschoß ist in Putzrustika ausgeführt. Die Fassade wird mit einem reichen Konsolgesims abgeschlossen. Topographie Friedenau, 2000