Gymnasium, Turnhalle und Sportplatz von der Lauterstraße. Archiv Barasch, Hahn & Stich, 1903

 

Das Gelände zwischen Maybachplatz und Güterbahnhof Wilmersdorf-Friedenau hatte einst die Stadt Berlin für den Bau einer Gasanstalt erworben. Nachdem sich Bismarck dagegen ausgesprochen hatte, kam die Gemeinde Friedenau auf die Idee, das Terrain für den Bau des Gymnasium zu erwerben. Berlin hat den Verkauf jedoch an die Bedingung geknüpft, daß das Bauterrain nur zu kommunalen Zwecken und nicht etwa zur Spekulation verwendet werden darf. Da für Gymnasium, Schuldirektorwohnhaus und Turnhalle nur ein Teil gebraucht wurde, stellte die Gemeinde die andere Hälfte im Mai 1901 dem hiesigen Männer-Turnverein in zuvorkommender Weise für einen Turn- und Spielplatz zur Verfügung.  Der 1886 gegründete Verein frohlockte: Er dürfte dort für eine größere Reihe von Jahren sein Heim aufschlagen können, da der Bau eines Schulgebäudes voraussichtlich noch lange auf sich warten lassen wird.

 

Im  Juni 1901 waren zwei ausgemusterte Eisenbahnwaggons aufgestellt, welche eine Untermauerung von je sechs Pfeilern erhalten. Der rechts von dem am Maybachplatz neuhergestellten Eingang zum Platze stehende Waggon wird als Garderobenraum dienen und durch die Waggontür an der Längsseite, vor welcher eine Treppe angelegt wird, zugänglich sein. Der andere Waggon ist als Geräteraum bestimmt. Er erhält die Tür an der dem Platze zugekehrten Schmalseite, damit auch lange Gerätestücke bequem hinein transportiert werden können. Von Geräten ist bereits ein neun Meter hohes Gerüst aufgestellt, an dessen Spitze das Kletterseil angebracht wird. Unsere Turner werden demnach Gelegenheit haben, ihre Armkräfte an einem ungeheuer langen Hangseil zu erproben. Im übrigen werden die auf dem alten Platze befindlichen Geräte, Rundlauf, Schwebebaum, Barren und Reck auf dem neuen Platze aufgestellt werden. Ein zweites neues Reck ist in Bestellung gegeben. Dem Verein erwachsen durch die Herrichtung des Platzes nicht unerhebliche Unkosten. Da die Gemeinde aber dankenswerter Weise den Platz unentgeltlich dem Verein überlassen hat, kann das Opfer mit Freuden gebracht werden. Die Förderung der Turn-und Jugendspiele gehört ja zu den Hauptaufgaben unseres so überaus tätigen Vereins.

 

1910, Gymnasium, Direktorenwohnhaus und Sportplatz. Archiv FBS

Der Verein hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nach knapp zwei Jahren wurde das Gymnasium am Maybachplatz mit der Turnhalle an der Handjerystraße am 18. April 1903 eingeweiht. 1905 war auch das Schuldirekorenwohnhaus errichtet – als halbes Haus, da noch heute ersichtlich ist, daß auf dem anschließenden Grundstück ein weiterer Bau geplant war.

 

1907 wurde Gartenbaudirektor Fritz Zorn mit dem Umbau des Maybachplatzes zu einer Schmuckanlage mit einem kleinen See und Springbrunnen beaufragt. 1909 kam für den Fußweg, der am Spiel- und Sportplatz und am Gymnasium entlangführt, eine bessere Beleuchtung hinzu, da dieser Weg von den im Wagnerviertel und am Südwestkorso Wohnenden viel benutzt wird, um durch die Bennigsen- oder Hähnelstraße nach der Hauptstraße und zum Wannseebahnhof Friedenau zu gelangen.

 

 

 

Mitte Mai 1909 war auch die Neuherrichtung des öffentlichen Turn-und Spielplatzes am Maybachplatz nahezu vollendet. Der Platz wird jetzt durch neu angepflanzte Bäume eingesäumt. Der größte Teil des Platzes in der Mitte wird in eine dichte Grasfläche umgewandelt, der Grassamen ist bereits seit einiger Zeit ausgestreut, in etwa 2 Monaten dürfte die Grasdecke wohl soweit sein, dass sie betreten werden kann. Rings um die Grasfläche ist der Platz mit Sand und Kies befestigt worden. Vollkommen erneuert wurden auch die Gerätschaften, wie Klettergerüst, Reck und Rundlauf.

 

 

1960 Turnhalle, Blick von der Lauterstraße. Foto Hahn & Stich, 2023

Nachdem die 1903 errichtete Alte Turnhalle an der Handjerystraße (25 m lange und 13 m breit) im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, die auch vom Friedenauer Turnverein mit benutzt wurde, entstand 1960 auf dem bisher noch unbebauten Schulgelände unmittelbar an der nördlichen Grenze des Platzes an der Lauterstraße eine neue Turnhalle. Sie wurde tagsüber von der Schule und abends vom Friedenauer TSC 1886 genutzt. Der Bau besteht aus zwei miteinander verschachtelten Teilen. Im verklinkerten Flachbau sind Umkleidekabinen, Duschen und Toiletten untergebracht. Die eigentliche Turnhalle mit Parkettboden befindet sich in einem zweigeschossigen Hochbau, dessen Außenwände mit Glasbausteinen ausgeführt wurden, so dass ausreichend Tageslicht gesichert war.

 

 

 

 

 

 

2010 wurde die Aula der Friedrich-Bergius-Schule baupolizeilich gesperrt. Sie ist seither nicht mehr nutzbar. In Windeseile wurde 2011 auf dem Schulhof entlang des Bahndamms ein zweigeschossiges Mehrzweckgebäude mit Turnhalle, Mensa sowie Freizeit- und Unterrichtsräumen errichtet – und Friedenau damit ein weiteres Stück Freifläche genommen. Die Turnhalle im Obergeschoss wird tagsüber vom Schulsport und abends vom Friedenauer TSC 1886 genutzt.

 

Ziemlich viel Streit gab es in den vergangenen Jahren zwischen Schule, Bezirksamt Schöneberg, TSC und Verein SC Kiezmove (Sport für Kids) über Nutzung und Trainingszeiten des Sportplatzes. Das ging soweit, dass der TSC den Kids die Tore abräumte.

 

 

 

 

 

Modell TSH 60 Innen. Quelle Senat

2009 hatte das Bezirksamt Schöneberg entschieden, daß aufgrund der im Konjunkturpaket II zur Verfügung stehenden Mittel, die Alte Turnhalle an der Lauterstraße mittelfristig durch einen Neubau zu ersetzen ist.

 

2019 wurde bekannt, daß auf dem Spiel-, Sport- und Freizeittplatz eine Wettkampfsporthalle mit einer Spielfeldfläche von 22 x 45m nebst Tribüne für 60 Zuschauer gebaut werden soll. Dafür sollte die Alte Sporthalle an der Lauterstraße nicht saniert und nach Fertigstellung der Wettkampfsporthalle abgerissen werden.  soll, formierte sich eine Bürgerinitiative: Friedenau ist der dichtbesiedelste Ortsteil Berlins: Mit dem Bau von 1500 Wohnungen auf der Friedenauer Höhe wird weiter zugebaut. Das Klimakonzept der Friedenauer Höhe ging von einer unbebauten Sportplatzfläche zur Belüftung des Neubaugebiets aus. Bei der Planung der Friedenauer Höhe wurde keine Sporthalle vorgesehen.

 

 

 

 

Der Vorschlag, die ungenutzten Hangars des Tempelhofer Flughafens zu nutzen. Länge 93m, Tiefe 44m, Höhe 12-16m. Toiletten sind dort vorhanden für Damen 5 Kabinen und für Herren 3 Kabinen plus 4 Urinal. Der Friedenauer TSC lehnte rundweg ab – zu weit.

 

Im Januar 2023 wurde bekannt, daß die Ausschreibung für eine standardisierte Typensporthallen (Modell TSH 60) von der Vergabekammer des Landes gestoppt worden ist. Der Bezirksstadtrat wies darauf hin, dass die Schule nun auf nicht absehbare Zeit ohne eine neue Halle auskommen muss. Auswirkungen sieht er auch für den Vereinssport – und läßt damit die Katze aus dem Sack. Die Friedrich-Bergius-Schule hat seit 2011 eine moderne und funktionstüchtige Mehrzweckhalle.

 

Die Karten müssen neu gemischt werden. Das Landesdenkmalamt sollte prüfen, ob die Alte Turnhalle an der Lauterstraße vpn 1960 mit Spielplatz, Weitsprunganlage, 100-Meter-Laufbahn und Volleyballplatz nicht doch denkmalwürdig ist. Diverse Baumerkmale, Klinker, Glasbausteine, Sichtbetonteile, Fenstergestaltung, Belüftung, Raumgestaltung und Parkettboden weisen daraufhin. Für Architekturhistoriker muss ein Abriss nicht sein. Nachgedacht werden sollte auch über die Restaurierung der Aula. Deren Nutzung würde der Friedrich-Bergius-Schule ganz schön helfen.

 

Vereine fördern die Bestrebungen ihrer Mitglieder und stören die der Anderen. (Robert Musil)