Goldener Bär, Internationale Filmfestspiele Berlin

Auf dem Situationsplan von 1872 sind für Friedenau fünf Plätze eingezeichnet. Drei davon sind wenig später benannt: Friedrich-Wilhelm-Platz, Hamburger Platz (Friedhof Stubenrauchstraße) und Berliner Platz (Perelsplatz). Zu welchem Zeitpunkt der Schmargendorfer Platz (Schillerplatz) und sein Pendant, der Wilmersdorfer Platz, ihre Namen erhalten haben, lässt sich nicht eindeutig festmachen. Beiden ist allerdings gemeinsam, dass die auf sie zuführenden Straßen, hier Wiesbadener- und Stubenrauchstraße, dort Handjery- und Schmargendorferstraße, auf ein Wegekreuz geführt wurden, das zu einem Rondell mit Viertelkreisflächen gestaltet wurde. Aus der Erbauungszeit ist davon einzig nur noch das Rondell vom Wilmersdorfer Platz erhalten, der am 1. April 1967 in Renée-Sintenis-Platz umbenannt wurde.

 

Erstaunlich ist, dass auch Friedenauer weder mit dem Renée-Sintenis-Platz noch mit der Bildhauerin Renée Sintenis (1888-1965) etwas anfangen können. Deshalb sei daran erinnert, dass 1951 im Titania-Palast die ersten Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnet wurden, und am Ende der Schweizer Regisseur Leopold Lindtberg für seinen Film Die Vier im Jeep den ersten Goldenen Bären entgegennahm.

 

Diese Bronzeskulptur hatte Renée Sintenis bereits 1932 unter dem Titel Junger Bär in der Bildgießerei von Hermann Noack herstellen lassen. Vom Bundesbeauftragten für die Förderung der Berliner Wirtschaft erhielt sie 1956 den Auftrag zu einer Neugestaltung. Diese wird seither von Noack gegossen und am Ende der Filmfestspiele als Großer Preis überreicht. 1957 kam zur Begrüßung der Transitreisenden an der Grenzübergangsstelle Dreilinden Checkpoint Bravo ein lebensgroßer Berliner Bär hinzu.

 

 

 

 

 

Der Lebensweg von Renée Sintenis gab Anlass zu allerlei Spekulationen. 1917 heiratete sie den 13 Jahre älteren Buch- und Schriftgestalter Emil Rudolf Weiß (1875-1942). Mit ihren Freunden, dem Kunsthändler Alfred Flechtheim und den Schriftstellern Rainer Maria Rilke und Joachim Ringelnatz zog sie durch angesagte Lokale, dem Bildhauer Georg Kolbe stand sie für einen Frauenakt Modell. 1931 wurde sie in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen und 1934 unter Hinweis auf die jüdischen Vorfahren ihrer Mutter ausgeschlossen. Da ihre Kunst kaum als entartet galt, konnte sie die NS-Zeit zurückgezogen überstehen. Nach dem Tod ihres Ehemannes lebte sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Magdalena Goldmann (1900-1981) in der Innsbrucker Straße Nr. 23. Das Haus hat den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. Renée Sintenis verlor Wohnung, Atelier und einen großen Teil ihres Werkes. Nach dem Ende des Nazi-Regimes erhielt sie 1948 eine Professur für Bildhauerei an der Hochschule für bildende Kunst in Berlin. Allerdings vergingen zehn Jahre, bevor sie wieder in die Akademie der Künste gebeten wurde.

 

Der Wilmersdorfer Platz wurde 1955 von Gartenarchitekt Karl Tümler (1893-1945?) teilweise neu gestaltet. Dokumentiert ist, dass die einfassenden Tiergartengitter und die Festons hinter den die Wege säumenden Hecken verschwanden. Die Wege erhielten eine Befestigung aus Kleinsteinpflaster mit Schlackesteinen als Einfassung. Im Mittelrondell befinden sich vier Sitzbankgruppen mit Kopf an Kopf aufgestellten, durch Hecken getrennten Bänken. Nach der Umbenennung in Renée-Sintenis-Platz kam 1970 die Bronzeplastik Grasendes Fohlen hinzu. Sie war bereits 1929 entstanden und gehört zu den seltenen Arbeiten von Renée Sintenis, die in der Bildgießerei von Hermann Noack in ein größeres Format übertragen wurden.

 

 

Postamt Friedenau

 

Nachdem Gemeindevertreter Robert Hertel (1824-1886) sein Grundstück Handjerystraße Nr. 37 der Gemeinde 1902 überlassen hatte, besaß Friedenau am Wilmersdorfer Platz (Renée-Sintenis-Platz) mit den Grundstücken Handjerystraße Nr. 33-36 eine Fläche von 3.050 m², auf dem das Rathaus gebaut werden sollte. Vereinbart wurde, dass die Hauptschauseite des Gebäudes nach dem Wilmersdorfer Platz zu richten ist und außer einem Kellergeschoss ein Erdgeschoss und zwei Obergeschosse erhalten soll. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Möglichkeit zu einem organisch sich anschließenden Erweiterungsbau gewahrt wird. Besonderes Gewicht ist auf die Gestaltung der angemessen geräumig anzunehmenden Höfe und auf gute Lichtverhältnisse zu legen. Die Wahl der Architekturformen ist freigestellt, doch ist Backsteinbau tunlichst zu vermeiden.

 

Nach dem Amtsantritt von Bürgermeister Bernhard Schnackenburg (1867-1924) und Gemeindebaurat Hans Altmann (1871-1965) entschied sich die Gemeindevertretung allerdings 1911 für den Bau des Rathauses am Marktplatz (damals Lauterplatz, später Breslauer Platz). Das Grundstück am Wilmersdorfer Platz ging für ein Kaufgeld von 232.322,40 M. an die Reichspostverwaltung für den Bau eines Postamts. Die Post begründete das Vorhaben mit der Einwohnerzahl, die von 26.000 im Jahre 1903 auf 70.000 im Jahre 1913 gestiegen sein könnte. Die Zahl der Briefsendungen könnte sich von rund 10 Millionen auf 42 Millionen entwickeln, die Zahl der Fernsprechteilnehmer von 1068 auf 13.731.

 

Bei der neuerlichen Vermessung des Postgrundstücks am Wilmersdorfer Platz stellte sich gegen die frühere Größenangabe ein Mehr von 2 Quadratmetern heraus. Unsere Gemeindeverwaltung beschloss am 3. Januar 1913, es aber bei dem einmal der Post mitgeteilten Preise zu belassen und keine Mehrforderung zu stellen. Für den Bau, mit dem 1915 begonnen werden sollte, veranschlagte die Reichspostverwaltung im Ganzen 598.800 M. Mit dem Entwurf wurde der Architekt Ludwig R. Meyer (1869-1934) beauftragt. Er gehörte damals zur älteren Garde der Postbauräte. Nach Stationen in Frankfurt am Main, Berlin, Halle und Erfurt hatte er 1908/10 die Ausführung für den Neubau des Postamts Berlin W 8 in der Französischen Straße Nr. 9-12 übernommen.

 

Beim Entwurf für den Neubau Postamt 410 Friedenau standen städtebauliche Vorgaben im Vordergrund. Der Grundriss hatte sich der Kreisform des Wilmersdorfer Platzes anzupassen. Mit der geforderten geschwungenen Hauptfassade blieb dem Architekten eigentlich nur die Möglichkeit, das Gebäude im spätbarocken Stil zu errichten. Für den Architekturhistoriker Falk Jaeger entwarf Ludwig Meyer einen kräftigen Rustika-Sockel mit Rundbogenfenstern, setzte darüber zwei Normalgeschosse, abgeschlossen vom mehrteiligen Hauptgesims. Das dritte Stockwerk erscheint als vergrößertes Attikageschoss. Beherrscht wird die Hauptfassade von der Kolossalordnung der fünf Mittelachsen. Stark kanellierte ionische Pilaster fassen drei Geschosse zusammen und tragen das als Gebälk ausgebildete Hauptgesims.

 

Meyers Dilemma: Eine spätbarocke Kolossalfassade wäre nicht vollständig ohne eine Balustrade mit ordentlichen Vasen auf dem Dach. Gleichfalls unverzichtbar der Belvedere-Turm auf dem Dachfirst in Form eines sechssäuligen Monopteros mit Kuppel. Ob das Belvedere den Zweiten Krieg überstand, ist nicht aktenkundig. 1987 ist es nach Falk Jaeger ebenso verschwunden wie die monumentalen Vasen der Balustrade, die in den Plänen der fünfziger Jahre noch verzeichnet waren. Ein einziges Foto vom Postamt Friedenau aus der Zeit vor dem Weltkrieg befindet sich in der Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation. Die Aufnahme der Reichspostdirektion Berlin von 1935 zeigt den Seitenflügel in der Handjerystraße und über dem Dach den Monopteros auf dem Mittelbau.

 

Am 21. Dezember 1916 beklagte der Friedenauer Lokal-Anzeiger, dass der Neubau unseres Postgebäudes am Wilmersdorfer Platz seit längerer Zeit schon zum Stillstand gekommen ist. Nur ein kleiner Teil des Gebäudes an der Schmargendorfer Straße konnte bisher das Dach erhalten. Der ganze übrige langgestreckte Bau ist nun schon seit Monaten ohne das schützende Dach und allen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Die Einstellung der Bautätigkeit liegt, wie wir hören, an dem Mangel an Arbeitskräften.

 

Am 26. November 1917 teilte das Kaiserliche Postamt mit, dass die Paketabholung für die nach dem Briefbestellbezirk des Postamts in Berlin-Friedenau bestimmten Pakete einschl. der Geld- und Einschreibpakete vom Postamt in Berlin-Schöneberg abgezweigt und in den Posthausneubau Berlin-Friedenau, Handjerystraße 36 verlegt wird. Die Schalterstunden für die Abholung der Pakete werden wie folgt festgesetzt: Werktags von 8-7, sonntags von 8-9 und 12-1 Uhr. Am 29. September 1918 erfolgte die Einweihung des Gebäudes und der Friedenauer Lokal-Anzeiger zog eine erste Bilanz: Am 1. Oktober 1918 hat das Friedenauer Postamt seine bescheidenen Räume im Mietshause Nied- und Lauterstraße verlassen und ist ins Eigenheim am Wilmersdorfer Platz übergesiedelt. Damit sind für Friedenau in postlicher Beziehung endgültige Zustände geschaffen worden. Denn wir dürfen wohl annehmen, dass das jetzige Postgebäude, das auch noch ein Fernsprechamt erhalten soll, in alle Zukunft den Friedenauer Bedürfnissen genügen wird.

 

Friedenau, das nach dem Friedensschluss 1871 gegründet wurde, erhielt auf Antrag des damaligen ‚Gemeinnützigen Vereins‘, der für Friedenau die erste Selbstverwaltung darstellte, am 1. Juli 1874 eine Postagentur, die dem Buchhalter des ‚Landerwerb- und Bauvereins‘ Pintschovius übertragen wurde. Anscheinend noch in demselben Jahre ging die Postagentur auf Gastwirt Schneider, Rheinstraße 14, über. Einige Jahre später wurde sie dann dem Haltestellenvorsteher Tornow (Wannseebahnhof Friedenau) übertragen. Ende der siebziger Jahre befand sich die Postagentur bei dem Kaufmann Schäka, Schmargendorferstraße 1.

 

Am 1. Februar 1879 wurde in der Lauterstraße 17 ein Postamt 3. Klasse, dessen Vorsteher der Postverwalter Rogge wurde, eingerichtet. Rogge arbeitete mit einem Unterbeamten und erhielt 1881 einen zweiten Unterbeamten, der jetzt noch im Dienst befindliche Geldbriefträger Krüger. Von der Lauterstraße kam das Postamt nach der Villa Hedwigstraße 14, Ecke Fregestraße, und am 1. April 1888 nach dem neugebauten Postdienstgebäude Rheinstraße 4, dem Schlächtermeister Schettler (später Schlächtermeister Krusche) gehörig. Hier blieb die Post 14 Jahre. Am 1. Juli 1902 bezog sie das Miethaus Niedstraße 40/41, Ecke Lauterstraße, das sie nun nach 16 Jahren auch verlassen hat, um in dem neuerbauten Reichspostgebäude endlich die Wanderschaft zu beenden.

 

In den früheren Jahren gehörte Friedenau noch nicht zum Ortsbestellbezirk Groß-Berlin, sondern galt als eine außerhalb dieses Bezirks gelegene Gemeinde. Die vom Haus- und Grundbesitzerverein an die Oberpostdirektion, an den Staatssekretär und das Reichspostamt gerichteten Eingaben um Einführung der Ortsbrieftaxe wurden damals abschlägig beschieden. Erst der Antrag desselben Vereins im Jahre 1896, im Briefverkehr zwischen Berlin und Friedenau ungenügend freigemachte Briefe nicht mehr mit Strafporto zu belasten, hatte Erfolg. In ein Postamt erster Klasse wurde das hiesige Postamt am 1. April 1898 umgewandelt. Rohrpostverbindung erhielt es am 12. Juli 1907.

 

Das nun bezogene neue eigene Heim ist ein großes, vierstöckiges Gebäude mit einem nach dem Wilmersdorfer Platz gerichteten Mittelbau und zwei Seitenflügen nach der Handjerystraße und der Schmargendorferstraße. Der Mittelbau passt sich dem kreisrunden Wilmersdorfer Platz an und ist höher wie die Seitengebäude. Augenblicklich fehlt ihm noch das Dach, wie dieser Gebäudeteil überhaupt noch weit zurück ist, und jetzt erst auch äußerlich verputzt wird. Auch der Flügel an der Schmargendorferstraße steht noch im Rohbau. Dagegen bietet sich der Flügel an der Handjerystraße bereits äußerlich als ein vollendeter Bau dar und lässt bei aller Schlichtheit eine recht geschmackvolle Front erkennen. Der Hauptschalterraum liegt im Mittelgebäude am Wilmersdorfer Platz. Ein großer, saalartiger hellbelichteter Raum steht hier dem Publikum und den Schalterbeamten zur Verfügung. Etwa 15 Schalter sind vorhanden, darunter zwei besondere Markenschalter und zwei Schalter für Telegrammaufgabe. Daneben befinden sich zwei Fernsprechautomaten und eine Fernsprechstelle für Ferngespräche. Auch für die Rohrpost ist ein besonderer Schalter. Für diejenigen, die ihre Postsachen selbst abholen, ist ein Fächerschrank eingebaut, deren Fächer von außen durch den Abholer selbst geöffnet werden können. Die kahlen Wände sind in der Höhe der Schalteranlagen gleichfalls mit Holz getäfelt. Augenblicklich fehlt der Holztäfelung noch die Farbe, alles ist noch im rohen Zustande. Das Gebäude weist dann noch drei weitere Eingänge auf, von denen zwei in der Handjerystraße liegen und zu den geräumigen Paketraum und zur Wertpaketausgabe wie zu den übrigen Posträumen führt. Der dritte Haupteingang an der Schmargendorferstraße führt zu dem Vizepostdirektor, der Zeitungsstelle usw., während ein Nebeneingang an der Handjerystraße den Aufgang zum Postdirektor, zum Amtszimmer und zur Zahlstelle darstellt. Ob Eingänge für später die gleichen Bestimmungen behalten werden, steht noch nicht fest. Denn, wie gesagt, der Bau ist noch weit zurück, an seiner vollständigen Fertigstellung, die durch die Kriegsverhältnisse verzögert wurde, wird zurzeit fieberhaft gearbeitet. Erst wenn alle Baulichkeiten und Räume für das Postamt fertig gestellt sind, wird auch an die Herstellung der Räume für das neue Fernsprechamt gegangen werden, dessen Eröffnung noch mindestens ein Jahr dauern wird. An das Friedenauer Fernsprechamt werden wahrscheinlich außer den Friedenauer Teilnehmern alle außerhalb der Ringbahn wohnenden Teilnehmer Wilmersdorf angeschlossen werden.

 

So hat sich das Friedenauer Postamt in 44 Jahren von einer kleinen Agentur zu einem großen Betriebe entwickelt, dem zwei höhere Postbeamte, der Postdirektor Scholz und der Vizepostdirektor Donath vorstehen. Nach dem letzten Friedensstande gehörten unserem Postamte außer den genannten höheren Beamten 31 mittlere Beamte (das sind die Oberpostsekretäre, Postsekretäre und Assistenten), 188 Unterbeamten (Oberschaffner, Schaffner, Briefträger und  Postboten) und 15 jugendliche Postaushelfer an. Durch die Kriegsverhältnisse hat sich der Personalstand erheblich verändert. Denn rund 120 Beamte sind zum Heeresdienst eingezogen. An ihre Stelle sind Aushilfskräfte getreten und ferner war eine Personalvermehrung notwendig, durch die Einführung der Paketausgabe, die früher von Schöneberg aus erfolgte. So sind neben den im Postamte noch verbliebenen Beamten jetzt noch rund 325 Kriegsaushelfer tätig.

 

Zwei Jahre später, am 16. Januar 1920, kam die Nachricht, dass in Neubauten von Postämtern künftig keine Schalter mehr errichtet werden und bei den bestehenden Ämtern die bestehenden Schalter abgerissen werden sollen. Der schmucke Schalterbau in unserem neuen Postamt wird also auch eines Tages verschwinden, und an offenen Tischen, an offener Barre, werden die Postbeamten dann die jetzt oft lange auf die Schalteröffnung Harrenden abfertigen.

 

Postamt Friedenau Grundriss EG, 1915
Fernsprechamt 1 Berlin um 1881

Fernsprechamt Friedenau

 

Am 1. April 1881 ging die erste Berliner Stadt-Fernsprecheinrichtung in Betrieb. Dazu erschien ein Fernsprechbuch mit 99 Teilnehmern. 1885 waren im Verzeichnis der Stadt-Fernsprecheinrichtung für Friedenau drei Betheiligte eingetragen: Nr. 2 Schultz, Gustav, Nutzholzhandlung, Rheinstraße 20, Nr. 3 Nagel, Max, Architect, Friedrich-Wilhelm-Platz, Nr. 4 und Karig, Emil, Drogerie, Rheinstraße 45.

 

Die Vermittlung geschah von Hand, zunächst noch von Männern. Schnell wurde aber klar, dass die höheren Frequenzen einer Frauenstimme bei schlechter Leitungsqualität besser zu verstehen waren als die tieferen Männerstimmen. Es kam das Fräulein vom Amt. Zwischenzeitlich veranlasste die Reichs-Telegraphen-Verwaltung zur Vermeidung von Betriebsstörungen, dass die Fernsprech-Verbindungslinien regelmäßig auf Straßen mit starkem Baumwuchs durch Leitungsaufseher kontrolliert werden sollen.

 

 

 

Im Dezember 1887 wurde ein Kurswechsel angekündigt: Die Belastung der Dächer durch oberirdische Leitungen der Stadt-Fernsprechanlagen hat in Berlin einen Grad erreicht, welcher die weitere Benutzung dieses Weges verbietet. Im Interesse des weiteren Ausbaues dieser Anlagen sowie zur Sicherung des Betriebes für die bereits bestehenden Verbindungen ist es nothwendig, die Hauptlinien dieser Stadt-Fernsprechnetze, und zwar sofort in Berlin durch unterirdische Leitungen zu ersetzen. Im weiteren bietet sich nach dem jetzigen Stande der Technik in dem Kupferbronce-Draht ein Leitungsmaterial für Fernsprechanlagen dar, welches den Ton der menschlichen Stimme besser, reiner und weiter übermittelt, als die bisher dazu verwendeten Stahldrahtleitungen.

 

Bereits im November 1890 war die unterirdische Stadt-Fernsprechanlage in Berlin vollendet worden, so dass auf absehbare Zeit eine ungehinderte Entwicklung dieses Verkehrsmittels sichergestellt sein dürfte. Die Fernsprechanlage findet ihre Knotenpunkte in den Vermittlungsämtern; von dort aus verzweigen sich die Röhrenstränge, welche einerseits die Vermittlungsämter unter sich verbinden, andererseits nach den sogenannten Kabelaufführungspunkten geleitet sind. Bei den letzteren werden die in Röhren eingezogenen Fernsprechkabel, welche je 28 Leitungen enthalten, mit dem oberirdischen Drahtnetz in Verbindung gesetzt. Die Röhrenstränge haben insgesamt eine Länge von rund 34 km; hiervon sind in der Nähe der Vermittlungsanstalten, wo die meisten Kabel zusammenlaufen, rund 10 km als Doppelstrang mit zwei nebeneinander liegenden Röhren gebaut. Für diese Röhrenstränge sind 42 075 m gußeiserne Normal-Muffenröhren von 20 bis 40 cm lichter Weite verwendet worden, von denen die Röhren mit dem größten Querschnitt bis zu 90 Stück Kabel aufzunehmen vermögen. 522 gemauerte Kabelbrunnen gestatten den jederzeitigen Zugang zu den Röhren. Innerhalb eines Jahres sind 6384 Leitungen mit einer Gesamtlänge von rund 3685 km in die Röhren eingezogen worden. Hiervon befinden sich schon 3823 Leitungen mit einer Länge von 1489 km im Betrieb (Centralblatt der Bauverwaltung, 22. November 1890).

 

Mit dem Neubau des Friedenauer Postamts am Wilmersdorfer Platz wird auch ein neues Fernsprechamt mit dem bezeichnenden Namen ‚Rheingau‘ verbunden sein, dem dann die Friedenauer Fernsprechteilnehmer sowie die jetzt zu den Fernsprechämtern Pfalzburg und Uhland gehörenden Steglitzer und Schöneberger Bürger zugeteilt werden. Damit erfährt das Amt Pfalzburg, dessen Aufnahmefähigkeit ungefähr noch zwei Jahre reichen würde, eine nicht unwesentliche Entlastung, da es zu den am stärksten belasteten Ämtern des Groß-Berliner Fernsprechbetriebes gehört. (23. Juli 1915).

 

An das ehemalige Fernsprechamt Friedenau könnte nur der in einer Montagehöhe von 34,6 m über Grund aufragende Sendemast der Telekom auf dem Dach Schmargendorfer Straße Nr. 27 erinnern. Diesen Standort hat sich die Deutsche Telekom bei der Aufteilung in Postdienst, Postbank und Fernmeldedienst gesichert. Mit dem Festnetz von anno dunnemals hat der Mast nichts mehr zu tun. Installiert ist dort für den Mobilfunk u. a. der DSL-Hauptverteiler der Telekom mit den Angaben PLZ 12159, ONKZ 30, ASB 851, Schnittstelle CuDa.

 

Die Museumsstiftung Post und Telekommunikation veröffentlichte eine Auswahl der historischen Berliner Telefonbücher von 1881 bis 1902, der wir die nachfolgenden für Friedenau relevanten Ausgaben entnommen haben.

 

PSD Bank Berlin Brandenburg, 2020. Quelle PSD Bank

PSD Bank Berlin Brandenburg im Postamt Friedenau

 

Das Postamt Friedenau am Renée-Sintenis-Platz schließt am 19. Juni 2019. Diese Nachricht überraschte nicht. Die PSD Bank Berlin-Brandenburg eG war seit 2015 Eigentümerin des Gebäudes und die Deutsche Post nur noch Mieterin. Um den Übergang von Post zu Bank attraktiv zu halten, hatte die Bank der Post angeboten, die Mitarbeiter zu übernehmen und den Postservice fortzuführen – was die Post ablehnte. Aus der Reichsbehörde waren Konkurrenten geworden, hier PSD Bank, dort Postbank.

 

Die Geschichte begann 1871 mit der Deutschen Reichspost, die 1872 für ihre Beamten und Angestellten Post-Spar- und Darlehnsvereine gründete. Daraus wurde 1905 der Post-Spar-und Darlehnsverein zu Berlin, der nach der Wiedervereinigung zur Genossenschaftsbank PSD Bank Berlin-Brandenburg eG umgewandelt wurde und sich zugleich als Bankinstitut für jedermann öffnete, wobei das Kürzel PSD aus dem früheren Namen Post-Spar- und Darlehnsverein abgeleitet wurde.

 

 

 

 

Den Ärger über die Ablehnung der Deutschen Post hat die PSD Bank auch im Februar 2021 nicht überwunden, anders kann das Protestplakat vor dem Haus nicht interpretiert werden: Nun werden wir den denkmalgeschützten Räumen neues Leben einhauchen. Nicht die schlechteste Idee, denn nach dem Rückzug von Deutsche Bank und Commerzbank aus Friedenau ist die PSD Bank für 27.998 Friedenauer das nächstgelegene Bankinstitut.

 

Nun heißt es: Moderner Treffpunkt in historischen Wänden. Wir bauen für Sie um. Was darüber bisher bekannt wurde, geht über Plattitüden nicht hinaus: Als Herzstück unseres neuen Beratungszentrums planen wir ein Café mit großzügigem Loungebereich, für Mitglieder, Kunden, Anwohner und Interessierte. Hier steht der Mensch im Mittelpunkt und eine angenehme Atmosphäre lädt alle Besucher zum Verweilen ein. Wer möchte, kann etwas im Café bestellen oder in der Lounge Platz nehmen, lesen oder sich unterhalten. Wir möchten einen neuen Treffpunkt für Friedenau anbieten.

 

Das Gebäude – außen und innen – ist eine Herausforderung. Bisher scheint wohl nur der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ein Antrag vorzuliegen. Das ist seit der bekannt gewordenen Inkompetenz im Fall Görresstraße nicht erfreulich. Bevor im Rathaus Schöneberg wieder ein Denkmal in den Strudel gerät, sollte sich das Landesdenkmalamt Berlin mit den Umbauplänen für den letzten vor dem Ende des Kaiserreichs errichteten architektonisch herausragenden Infrastrukturbau interessieren.

 

Der Gebäudekomplex zwischen Handjerystraße Nr. 33 & 34 & 35 & 36 und Schmargendorfer Straße Nr. 27 & 28 & 29, zwischen 1915 und 1918 nach Entwürfen des Architekten Ludwig R. Meyer entstanden, besteht aus drei Teilen, die in der Topographie Friedenau im Jahr 2000 ausführlich gewürdigt wurden: Auf niedrigem Basaltsockel erhebt sich der wuchtige viergeschossige, siebenachsige, verputzte Kopfbau mit einem flachen, fünfachsigen Mittelrisalit, gegliedert durch ionische Kolossalpilaster, die drei Geschosse zusammenfassen und ein Architravgesims tragen, auf dem das dritte Obergeschoss mit Rundbogenfenstern ruht. Über dem Traufgesims erhebt sich ein mächtiges Walmdach, dem eine Balustrade mit dem Reichsadler im Schild vorgesetzt ist. Der Kopfbau folgt mit seiner konkaven Fassade dem Rund des Platzes. Das Postgebäude setzt sich mit zwei fast gleichlangen Flügeln in die angrenzenden Straßen fort, in die Schmargendorfer Straße mit elf und in die Handjerystraße mit zwölf Achsen. Die Flügelbauten sind niedriger als der Kopfbau: Bis zum zweiten Obergeschoss sind die Geschoßhöhen identisch, das dritte Obergeschoss ist hier jedoch deutlich niedriger.

 

Auf Grund dieser Vorgaben sind den Umbauplänen äußerlich Grenzen gesetzt. Bleibt das ebenso denkmalgeschützte Innere. Die PSD Bank Berlin-Brandenburg hat das Innenarchitekturbüro Ester Bruzkus Architekten Berlin mit dem Umbau beauftragt. Das sind die in Haifa als Tochter russisch-jüdischer Auswanderer geborene und in Charlottenburg aufgewachsene Ester Bruzkus und der amerikanische Landscape-Designer Peter Cooper Greenberg. Ihre professional collaboration begann 2016. Über ihre bisherigen Ergebnisse informieren die ziemlich egomanische Webseite www.esterbruzkus.com/de flankiert von Instagram, Facebook und Pinterest. Erwähnt seien die Restaurants Villa Kellermann in Potsdam und REMI im Suhrkamp-Haus (Torstraße), die Hotels Amano (Auguststraße) und Mani (Torstraße) oder auch Esters Apartment 2.0 – als schönste Wohnung Deutschlands ausgezeichnet.

 

Nachdem die Berliner Mitte durchgestylt ist – kommt jetzt der Vorort Friedenau an die Reihe? Was die Dekorateure bisher an Details verkündet haben, bleibt mehr als vage: Eine Architektur der Gegensätze soll geschaffen werden, massiv und leicht, geschwungen und geradlinig, rau und glatt, reduziert und opulent, bunt und zurückhaltend, verspielt und schnörkellos. Angekündigt werden unerwartete Materialien, Farben, Dekoratives, auch mit der Möblierung wie Teppichen, Sofas, Vorhängen (Villa Kellermann) lässt sich Interessantes schaffen. Ein Dialog von Licht und Raum soll entstehen – etwa mit einem von der Decke abgehangenen schlanken Rohrlichtband (REMI).

 

Mit lokalen Unternehmen und Designern soll gearbeitet werden. ‚Llot Llov‘ wird dem Empfangstresen mithilfe von Salzkristallen und Farbe eine ganz besondere Oberflächenstruktur geben. Mithilfe von ‚Urban Terrazzo‘ möchten wir Materialien, die wir abtragen, neu beleben: Sie werden in einem Terrazzo, einem Zementgemisch, quasi recycelt und finden so einen neuen Platz vor Ort. Dem wurde von der Unteren Denkmalschutzbehörde wohl schon mal ein Riegel vorgeschoben, da der Fliesenboden bewahrt bleiben muss.

 

Die Brief-Schalter-Halle von 1918 soll in ihre alte Schönheit zurückversetzt werden. In welche alte Schönheit, fragen wir, wenn es laut Peter Greenberg keine Fotos oder andere Abbildungen gibt – was wir nach (bisher gescheiterten) Recherchen bestätigen können. Nun sollen zwei Großbildschirme angebracht werden, auf denen Umbau und Geschichte des Hauses dokumentiert werden. Obendrein soll der Raum mit wechselnden Ausstellungen bestückt werden. Das ist zu wenig an Ideen, zumal der Architekturhistoriker Falk Jaeger bereits 1987 in Posthorn & Reichsadler Fragen zur Innengestaltung aufgeworfen hatte.

 

Das betrifft vor allem die Brief-Schalter-Halle von 19,50 x 13,46 m, bei der schon Architekt Ludwig Meyer aus der konkaven Fassade keinen gestalterischen Nutzen zu ziehen vermochte. Da die normale Gebäudetiefe nicht ausreichte, es für eine Vorhalle und den Windfang keinen Raum gab, wurde die Halle nur wenige Jahre später um knapp drei Meter nach hinten aus dem Baukörper in den Hof hinausgeschoben. Auch bei der Neuordnung im Jahr 1985 konnte das Problem nicht gelöst werden.

 

Die bisher veröffentlichten Fotos der Umbauvisualisierung überzeugen uns nicht: Nachempfundene Bugholzstühle a la Thonet, hölzerne Barhocker, dunkel- bis hellgrüne Sessel und Teppiche, Pflanzkübel als Raumteiler, rostbraun gestrichene Stützpfeiler, vor die dann auch noch breite weiß-braune Schiebewände geschoben werden, die dem Schalterraum jegliche Weite nehmen. Allein dieser Ausblick lässt zumindest ein Nachdenken über eine behutsame kritische Rekonstruktion unter Würdigung des historischen Befundes und aktueller Anforderungen nahelegen.

 

Bleiben die Paket-Schalter-Halle von 20,00 x 5,75 m mit Zugang von der Handjerystraße sowie der große Saal des ehemaligen Fernmeldeamts mit seiner überdurchschnittlichen Raumhöhe im obersten Geschoss des Mittelbaus, der 1987 von Falk Jaeger mit stuckbesetzter Deckenkehlung beschrieben wurde. Über Zustand und Zukunft dieser Räume ist bisher nichts verkündet worden.

 

Zum Gebäudekomplex gehört auch der Seitenflügel in der Schmargendorfer Straße. Zwischen Nr. 29 und Nr. 28/27 befindet sich die Zufahrt zum Innenhof, der laut Topographie Friedenau in den Jahren 1930 bis 1935 von Oberpostbaurat Robert Gaedicke (1879-1945?) durch Bauten erweitert wurde. Was dort im Detail wann und wie entstanden ist, bleibt unklar. Der von Gemeindebaurat Hans Altmann genehmigte Bauplan stammt vom 2. September 1915 und die von Dipl. Ing. Architektin Susanne Grätz unter Bestandsaufnahme, Instandsetzung, Umbau erarbeiteten Dokumente von 1987 liegen nur unvollständig vor. Der Architekturhistoriker Falk Jaeger berichtete 1987, dass heute alle telefontechnischen Anlagen im Erweiterungsbau untergebracht sind.

 

In Erinnerung sei gerufen, dass die nachfolgenden Gebäude allesamt unter Denkmalschutz stehen: Schmargendorfer Straße Nr. 25A (Haus Dr. Lorenz, Architekt Max Nagel, 1882), Nr. 25 (ehemaliges Schulgebäude, Architekt Otto Hoffmann, 1900), Nr. 24 (Haus Dr. Bach, (Architekt Otto Hoffmann, 1884), Nr. 22 (Landhaus, Architekt Otto Hoffmann, 1889), Nr. 21 (Mietshaus, Architekt Wilhelm Bröse, 1893), Nr. 16 (Landhaus, Architekt Franz Dreßler, 1883), Nr. 15 (Landhaus, Architekt Max Nagel, 1882) und Nr. 14 (Landhaus Bauer, Architekt Franz Dreßler, 1883). Weiteres unter Schmargendorfer Straße.

 

 

PSD Bank Berlin Brandenburg im ehemaligen Postamt Friedenau. Quelle PSD Bank
PSD Bank Berlin Brandenburg im ehemaligen Postamt Friedenau. Quelle PSD Bank
Postamt Berlin 410 in Friedenau. Foto Reinhard Görner, 1987

Aus dem Archiv

Posthorn & Reichsadler

Die historischen Postbauten in Berlin

 

Schlicht und einfach Postamt steht dort zu lesen, wo man eigentlich Kaiserliches Postamt erwartet hätte, oben an der Fassade des neoklassizistischen Postamts in Friedenau. Es fällt schwer zu glauben, doch die Kaiserzeit war bereits vergangen, als das in seinem Habitus noch durchaus wilhelminische Amtsgebäude in Gebrauch genommen wurde. Als während des Ersten Weltkriegs das bereits fertiggestellte Postamt in Dahlem wegen Personalmangels nicht eröffnet werden konnte, wurde am Friedenauer Postamt noch gebaut.

 

 

 

 

Ludwig Meyer, der Architekt, gehörte damals zusammen mit Otto Spalding, Erich Echternach und anderen zur älteren Garde der Postbauräte. Willy Hoffmann, Robert Gaedicke, Edmund Beisel, jene Kollegen also, die zum Teil zur selben Zeit bereits in moderneren Formen bauten, waren durchweg zehn bis fünfzehn Jahre jünger.

 

Der stimmgabelförmige Idealplan von Friedenau mit dem langgestreckten Friedrich-Wilhelm-Platz, der von der Achse der Kaiser-Allee (heute Bundesallee) durchschnitten wird, entstand um die Jahrhundertwende, als die geschlossene Mietshausbebauung von Wilmersdorf und Schöneberg aus nach Süden weiterwuchs. Um diese Zeit wurde auch der Wilmersdorfer Platz (heute Reneé-Sintenis-Platz), einer der beiden kreisrunden Schmuckplätze, bebaut. Frei blieb dabei lediglich das Eckgrundstück zwischen Handjerystraße und Schmargendorfer Straße, das die Reichspost 1914 erwarb.

 

Im Vordergrund stand beim Entwurf eindeutig die städtebauliche und architektonische Erscheinung des Gebäudes, der sich die Grundrissorganisation anzupassen hatte. Eine wesentliche Vorgabe stellte natürlich die Kreisform des Wilmersdorfer Platzes dar, von der die Hauptfassade des Postamts ein Segment bilden sollte. Im Innern wusste der Architekt mit der konkaven Fassade nichts anzufangen. Die zum Platz orientierten Räume haben lediglich eine gebogene Außenwand, die übrige Raumeinteilung und mit ihr das Konstruktionssystem gehorchten dem rechten Winkel.

 

Am deutlichsten wird das in der Schalterhalle, die aus der besonderen Form keinen gestalterischen Nutzen zu ziehen vermag. Hier offenbaren sich auch die Zwänge, die sich aufgrund der Dimensionen und der Organisation aus der Unterbringung der Schalterhalle im Zentrum eines Postamtsgebäudes ergeben und die letztlich, nur wenige Jahre später, zur Entwicklung der frei angebauten Schalterhalle geführt haben. Für eine Vorhalle und den Windfang gibt es keinen Raum, stattdessen ragt der Windfang als Einbau in die Halle hinein. Die normale Gebäudetiefe reicht für den Saal nicht aus, weshalb er um knapp drei Meter nach hinten aus dem Baukörper hinausgeschoben wurde. Probleme gab es hier wie auch in der Paketpost im Südflügel mit den internen Erschließungswegen, ein Mangel, der auch in der großen Zahl der Eingänge zum Ausdruck kommt. Mit der inneren Erschließung hatten sich die zuständigen Postbauabteilungen mehrfach auseinanderzusetzen. Auch bei der jüngsten Neuordnung im Jahr 1985 konnte das Problem noch nicht gelöst werden.

 

Keine glücklichere Hand hatte der Architekt mit der Unterbringung der Funktionen in den Obergeschossen. Der Zuschnitt und die Erschließung der Räume ergaben sich bei der Verteilung auf die Stockwerke eher zufällig. Im Südflügel des zweiten Obergeschosses war neben der Hauptkasse des Telegraphenamts und der Anmelde- und Rechenstelle noch Platz für die Dienstwohnung des Postdirektors (sechs Zimmer, Mädchenkammer, Bad und Küche, am Mittelflur aufgereiht wie die Büroräume). Der Mitteltrakt war im ersten Obergeschoss in Amtsstuben aufgeteilt, darüber lag der Umschalterraum der Telefontechnik, darüber wiederum der große Saal des Vermittlungsamts. Dieser Saal erreichte mit seinem Zwischenboden für die Leitungsführung und dem notwendigen Luftraum für die zahlreichen Gehilfinnen, wie die Fräulein vom Amt offiziell genannt wurden, eine überdurchschnittliche Raumhöhe. Offenbar aus Kostengründen wurde auf eine Erhöhung des Mitteltrakts verzichtet. Stattdessen reicht der Saal mit seiner stuckbesetzten Deckenkehlung in den Dachraum hinein, was eine komplizierte Sonderkonstruktion des stählernen Dachstuhls erforderlich machte. Die Feuerpolizei verlangte einen zusätzlichen Fluchtbalkon, der vor die rückwärtige Fassade gesetzt wurde und die Fenstertüren des Saals mit den beiden Treppenhäusern verband.

 

Durch die Grundform des Gebäudes sah sich der Architekt bereits auf eine Stilepoche festgelegt, wollte er nicht einen vorgegebenen Baukörper mit einem artfremden Stilmantel umkleiden: die geschwungene Hauptfassade war eigentlich nur im Spätbarock und Frühklassizismus möglich. Meyer entwarf, sicher mit Blick auf die Schaufassade des Postamts 42 in Tempelhof, einen kräftigen Rustika-Sockel mit Rundbogenfenstern, setzte darüber zwei Normalgeschosse, abgeschlossen vom mehrteiligen Hauptgesims. Das dritte Stockwerk erscheint als vergrößertes Attikageschoss. Beherrscht wird die Hauptfassade von der Kolossalordnung der fünf Mittelachsen. Stark kanellierte ionische Pilaster fassen drei Geschosse zusammen und tragen das als Gebälk ausgebildete Hauptgesims. Eine spätbarocke Kolossalfassade wäre nicht vollständig ohne eine Balustrade mit ordentlichen Vasen auf dem Dach. Das mittlere Feld blieb frei für die lorbeerumkränzte Reliefkartuche mit dem Reichsadler. Gleichfalls unverzichtbar das Belvedere auf dem Dachfirst, hier in der besonders aufwendigen Form eines sechssäuligen Monopteros, also eines griechischen Rundtempels, mit Kalottenkuppel. Der Monopteros war damals ein durchaus gängiges Motiv bei repräsentativen öffentlichen Bauten, zu sehen etwa bei Ludwig Hoffmanns Doppelschule an der Ruheplatzstraße  (1913). Vorbilder waren vielleicht auch die Rathäuser in Treptow (1910, Architekten: Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth), in Nikolassee (1912, Architekt: Bruno Möhring), beide mit verglasten Rundtempeln, und in Reinickendorf (1910, Architekt: Fritz Beyer), das als Turmabschluss einen Monopteros trägt.

 

Die Schaufassade zum Wilmersdorfer Platz zeigte einen ausgewogenen Aufbau. Zu ihrer gelungenen Proportionierung gehörte unverzichtbar der Belvedere-Turm als Pointe und krönender Abschluss. Klassizistisches Schmuckdekor in Form von Rosetten in den Brüstungsfeldern der Erdgeschossfenster, ein Merkurkopf auf dem mittleren Schlußstein (Merkur der Götterbote, als Patron des Handels und Warenverkehrs auch für das Postwesen „zuständig"), Fahnen- und Waffenreliefs auf dem Architrav und Fruchtsträuße auf den Pilasterspiegeln des Obergeschosses zieren zusätzlich die Hauptfassade. Die Nebeneingänge sind reicher ausgestattet als das Hauptportal, unter anderem mit Ädikula, Mäanderfries auf dem Architrav, und sind durch Voluten mit dem darüberliegenden Fenster des Obergeschosses zu einer Einheit zusammengefasst.

 

Nur bei genauem Hinsehen fällt an der Nordfassade, rechts der Toreinfahrt, eine Baugrenze auf. Hier setzt der Erweiterungsbau an, mit dem Postbaurat Meyer 1926-29 das Gebäude in unveränderter Formensprache verlängert hat. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Gebäude nur geringe Schäden; am stärksten waren die Dächer betroffen. Ob das Belvedere den Krieg überstand, ist nicht aktenkundig. Es ist heute ebenso verschwunden wie die monumentalen Vasen der Balustrade, die in den Plänen der fünfziger Jahre noch verzeichnet waren, herbe Verluste für das Erscheinungsbild des respektablen Gebäudes. Im Innern waren größere Umbauten und Neuordnungen unvermeidlich. Immerhin besitzt die Schalterhalle noch ihre ursprüngliche Kassettendecke. Alle telefontechnischen Anlagen sind heute im Erweiterungsbau untergebracht. Der ehemalige Umschalterraum und der Vermittlungssaal im Mitteltrakt beherbergen heute eine zentrale EDV-Anlage.

 

Aus: Falk Jaeger, Posthorn & Reichsadler. Die historischen Postbauten in Berlin

Nicolaische Verlagsbuchhandlung Berlin 1987

 

Die Architekten:

Ludwig R. Meyer, 01.01.1869 Breslau; 1934 Jena. 1905 PBI Frankfurt am Main. 1908 Berlin. 1911 Brt. Halle. 1912 PbR. 1914 Berlin. 1910 OPBR Erfurt. 1934 Ruhestand. Bauten: 1908-10 PA W 8 Ausführrung. 1915-20 PA 410

 

Robert Gaedicke, 26.04.1879 Berlin; 1912 PBI Berlin. 1913 Leipzig. 1915 Berlin. 1921 PBR. 1931 OPBR. 1945 Ruhestand. Bauten: 1925-29 PA 45. 1927-28 PA 41 Fernsprechamt. 1928-31 PA 10. 1933 PA 122. 1934 PA 21 Umbau. 1934 PA 51 Umbau. 1936 PA 27 Umbau