Im Plan von 1874 ist der Weg vom Friedrich-Wilhelm-Platz zum ehemaligen Hamburger Platz als Stuttgarter Straße eingetragen. 1876 erfolgte die Umbenennung in Wilhelmstraße, benannt nach Kaiser Wilhelm I. (1797-1888). 1937 wurde daraus die Golzheimer Straße, in Erinnerung an den zum Märtyrer stilisierten Nationalsozialisten Albert Leo Schlageter (1894-1923), der von den Franzosen zum Tode verurteilt und in der Golzheimer Heide hingerichtet wurde. Der Name Görresstraße existiert seit 1947, benannt nach dem Publizisten Joseph Görres (1776-1848).

 

Mit der Umbenennung in Golzheimer Straße erfolgte 1937 eine neue Nummerierung. Alfred Bürkner recherchierte: Bis dahin zählte die – vom Friedrich-Wilhelm-Platz ausgesehen – rechte Straßenseite 12 Gebäude mit den Nummern 1, 2, 3/4, 5/6, 7 bis 11 und 11a, 11b und 11c, die andere Straßenseite zählte vom Südwestkorso aus von Nummer 12 bis Nummer 23. Bei der neuen Zählweise (gerade Hausnummern rechts, ungerade links) fehlen die Nummern 5, 7 und 17. Diese Nummerierung macht es schwer, die Bedeutung der Görresstraße zu veranschaulichen.

 

1895 gab es in der Wilhelmstraße das Pählchen’sche Haus des Bau- und Fuhrunternehmers Hermann Pählchen (Görresstraße Nr. 21-23). Im selben Jahr verkündete Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), dass im Tiergarten eine Siegesallee mit 32 Marmor-Standbildern der Fürsten Brandenburgs und Preußens von heimischen Bildhauern geschaffen werden soll, die allerdings nur Modelleure waren und von der handwerksmäßigen Technik kaum eine Ahnung hatten. Der aus Venedig stammende Skulpteur Valentino Casal (1867-1951) reagierte. Er gab seine Marmorwerkstatt in Charlottenburg auf und erwarb 1899 ein Grundstück zwischen Wilhelmstraße und der späteren Bachestraße für das Casal’sche Haus zum Wohnen für die Familie und ein Areal für einen Bildhauerhof (Görresstraße Nr. 16). Die ausgewählten Bildhauer hatten nichts Eiligeres zu tun, als Casal mit der Umsetzung ihrer Gipsentwürfe in Marmor zu beauftragen. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger prophezeite: Friedenau würde dann Gelegenheit haben, öfter den Kaiser zu sehen, der bekanntlich die Ateliers der betreffenden Bildhauer gern besucht. Der Aufstieg der Wilhelmstraße zum Klein Carrara von Friedenau nahm seinen Lauf.

 

In den Ateliers von Valentino Casal entstanden aus Gipsentwürfen marmorne Denkmäler für die Siegesallee. Die Hautevolee der Berliner Bildhauer kam besuchsweise in die Wilhelmstraße, darunter Max Baumbach (1859-1915), Reinhold Begas (1831-1911), Johannes Boese (1856-1917), Ludwig Cauer (1866-1947), Gustav Eberlein (1847-1926), Johannes Goetz (1865-1934), Emil Graf Görtz zu Schlitz (1851-1914), Ludwig Manzel (1858-1936), Max Unger (1854-1918) und Joseph Upheus (1850-1911). Bis 1901 fertigte Casal mit seinen Skulpteuren im Bildhauerhof 11 von insgesamt 32 monumentalen Denkmalgruppen mit Figuren bis zu 3,50 m Höhe für die Siegesallee.

 

Andere mieteten im Bildhauerhof ein Atelier. Ab 1899 wohnten und arbeiteten in der Wilhelmstraße zeitweise Johann Michael Bossard (1874-1950), August Dressel (1862-1950), Eberhard Encke (1881-1936), Hermann Feuerhahn (1873-1941), Edmund Gomansky (1854-1930), Georg Hengstenberg (1879-1959), Paul Hamann (1831-1973), Wilhelm Haverkamp (1864-1929), Johannes Hinrichsen, Johannes Hoffert (1851-1921), Paul Hubrich (1869-1948), Paul G. Hüttig (1865-1929), Ludwig Isenbeck (1882-1958), Max Lewy (1885-1920), Franz Metzner (1870-1919), Heinrich Mißfeldt (1872-1945), Georges Morin (1874-1950), Franz Rosse (1858-1900), Otto Wenzel (1873–1946), Otto Wesche (1840-1914), die Maler Leonhard Sandrock (1867-1945) und E. Vital Schmitt (1858-1935).

 

Die Bildhauer Ludwig Manzel und Johannes Götz erwarben 1903/1904 die Grundstücke Nr. 9 und Nr. 6 und ließen sich Landhäuser mit eigenen Ateliers errichten. Bereits im Jahr 1900 erwarb der Bildhauer Otto Wesche (1840-1914) von Witwe Johanna Pählchen Fuhrhof und Landhaus Wilhelmstraße Nr. 15 und Nr. 16 (Görresstraße Nr. 21 und Nr. 23). Auf dem Grundstück ließ er sich vom Architekten Otto Rehnig (1864-1925) ein Atelierhaus mit je zwei Bildhauerateliers im Erdgeschoss und zwei Malerateliers im Obergeschoss errichten. Mehr als fünf Jahrzehnte wurden die Ateliers genutzt, darunter durch die Bildhauer Johannes Hoffart (von 1906 bis 1921), Max Lewy (1907/1908), Edmund Gomansky (von 1910 bis 1919), Otto Wesche (von 1906 bis 1915), Totila Albert (1892-1967), Otto Wenzel (1873-1946), Paul Hamann (von 1929 bis 1933) sowie an die Maler E. Vital Schmitt (von 1906 bis 1925), E. Vital Schmitt (1858-1935), Leonhard Sandrock (von 1910 bis 1945) und August Dressel (1862-1950). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bildhauerateliers Görresstraße Nr. 21 u. a. von Richard Scheibe (1879-1964) und Michael Schoenholtz (1937-2019) genutzt.

 

PS

Nachdem Italien dem Deutschen Reich 1916 den Krieg erklärt hatte, wurde Valentino Casal enteignet. 1925 übernahm das Bezirksamt Schöneberg das Grundstück Görresstraße Nr. 16 bis Bachestraße Nr. 10), ließ Wohnhaus und Ateliers abreißen und legte 1935 dort eine Grünfläche an.

 

Das Atelierhaus in der Görresstraße Nr. 21 rückte wieder ins Blickfeld, als die Bauwert AG im Oktober 2018 die Grundstücke Görresstraße Nr. 21 und Nr. 23 erworben hatte, um als Lückenschluss Eigentumswohnungen mit Tiefgaragen errichten zu können. Laut Abgeordnetenhaus von Berlin vom 18. Juni 2021 wurde dem Eigentümer ein mit der Stadtplanung und den Denkmalbehörden abgestimmter Kompromiss zur Bebauung auf dem Grundstück angeboten. Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen …. Bekannt sind Bebauungsabsichten (konkretisiert durch Antrag auf Vorbescheid, welcher negativ beantwortet wurde), für das Nachbargrundstück Görresstr. 23. Gegen die negativ beantworteten Fragen wurde Widerspruch eingelegt; da dem Widerspruch nicht abgeholfen werden konnte, ist nunmehr ein Klageverfahren anhängig.

 

Die Fülle des Materials hat uns veranlasst, den Beitrag über die Görresstraße (Wilhelmstraße) aufzuteilen. Sie finden detaillierte Beiträge unter den Exkursen Klein Carrara, Fuhrhof, Landhaus und Atelierhaus.

 

Anzeige im Friedenauer Lokal-Anzeiger von Klitscher & Afdring, 1906

Görresstraße Nr. 1 & Nr 2

früher Wilhelmstraße Nr. 1 & Nr. 2

 

Bereits 1905 waren die Grundstücke Wilhelmstraße 1-5 Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz als Baustellen ausgewiesen. 1906 aber mussten sich die Anlieger der westlichen Straßenseite bereit erklären, dass infolge der beschlossenen Fluchtlinienfestsetzung in der Kaiserallee auf der Strecke zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Ringbahn mit 41 Meter Gesamtbreite den von ihren Grundstücken für Straßenland erforderlichen Geländestreifen von ca. 4 Meter Tiefe an die Gemeinde kostenlos abzutreten.

 

Die Anlieger Klitscher und Afdring (Wilhelmstraße Nr 1 & Nr. 2) sowie Dr. Günther (Kaiserallee Nr. 62 bis Nr. 64), die bereits Gebäude an der fraglichen Straßenseite errichtet hatten, kamen dem Wunsch nach. Die Grundstückseigentümer, Bauherren und Architekten H. Klitscher & Hermann Afdring konnten 1907 die Mietswohnhäuser Wilhelmstraße Nr 1 und Nr 2 vollenden. 1908 waren beide Häuser bereits verkauft, Nr. 1 an den Oberlehrer Dr. B. Rosenplenter aus Grunewald, Nr. 2 an den Rentier A. Böricke aus Luckenwalde.

 

Am 22. September 1906 eröffnete Herr Carl Radler, der bestens vom ‚Hohenzollern‘ her bekannt ist, unter der wohlklingenden Bezeichnung ‚Zur Kaiserburg‘' im Hause Kaiserallee 75 Ecke Wilhelmstraße am Friedrich-Wilhelm-Platz ein behagliches Familienrestaurant. Das vornehm ausgestattete Lokal besteht aus einem großen Vorderraum und Vereinszimmer. Es ist alles aufgeboten um den Aufenthalt dort für jeden so gemütlich als möglich zu gestalten. Den Stammgästen, die sich sicherlich schnell einfinden werden, wird ein prächtiger Herold in Bronze des Abends elektrisch ‚leuchten‘. Zum Ausschank gelangen gutgepflegte hiesige und echte Biere, und nur ff. Weine wie Liköre werden verabfolgt. Für vorzügliches Essen ist ebenfalls bestens gesorgt, sodaß es also an nichts fehlen dürfte. 1910 feierten die Radlers Silberne Hochzeit. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger berichtete: Die Kaiserburg ist das Stammlokal vieler Damen und Herren der besseren Gesellschaftskreise unseres Ortes geworden. Brüderchen Radler, wie er von den Vertrauten stets genannt wird, hat sich durch sein freundliches Wesen auch einen zahlreichen Kreis persönlicher Freunde erworben. Ebenso bringt man seiner liebenswürdigen Gattin, die leider in letzter Zeit vielfach unter Krankheit zu leiden hatte, reiche Sympathien entgegen. Erwähnt sei auch, daß Herr Radler vielen Vereinen angehört, u. a. ist er Mitglied der Friedenauer Schützengilde, des Krieger- und Landwehr-, Gastwirte-, Parochial- und Bürgervereins sowie des Vereins Schöneberger Restaurateure. 1918 gab es mit Herrn Max Klopsch einen neuen Pächter der Kaiserburg. In den ersten Jahren der Weimarer Republik gingen die Anwesen an neue Besitzer, Nr. 1 an den Kaufmann Fuhrmann (Außerhalb), Nr. 2 an den Kaufmann H. Lühder (Furagehandlung).

 

 

Eingang zum ehemaligen Buchhändlerkeller Görresstraße 9. Foto Hahn & Stich

Görresstraße Nr. 9

früher Wilhelmstraße Nr. 21

 

Das Wohnmietshaus Wilhelmstraße Nr. 21 ist 1904/1905 für 16 Parteien errichtet worden. Bauherr und Eigentümer war Rentier W. Galland. Eingezogen waren neben Portier, Kunstmaler und Bildhauer  auch zwei stud. art. und der Bäckermeister Wilhelm Mehlitz, der am 13. April 1905 per Anzeige eine Frau zum Frühstückaustragen suchte. 1906 war das Grundstück an der Ecke Taunusstraße in den Besitz des Herrn Generaldirektor Leopold Falk zu Berlin übergegangen. Herr Falk hat deshalb beantragt, dass die jetzt projektierten Bauflucht- und Vorgartenfluchtlinien um 5,50 Meter nach Süden verschoben werden. Der Bauausschuß hat sich einverstanden erklärt.

 

 

 

 

 

1931 geht das Anwesen an den Bäckermeister H. Birr aus Oberschöneweide. Mit der Umbenennung von Wilhelmstraße in Golzheimer Straße und der neuen Nummerierung wird 1938 aus Nr. 21 die Nr. 9. Unter der Adresse Golzheimer Straße Nr 9 Ecke Taunusstraße Nr. 1 existiert die Bäckerei Birr noch bis mindestens 1943. Was danach kam, bleibt unklar.

 

Nach dem Mauerbau entdeckt Klaus-Peter (KP) Herbach (1944-2004), Pressesprecher der Akademie der Künste am Hanseatenweg, den Keller der ehemaligen Bäckerei in der seit 1947 von Golzheimer Straße in Görresstraße umbenannten Straße und richtete 1966/67 in Nr. 9 den Buchhändlerkeller ein. Von da ab gab es pro Jahr immer donnerstags um 21 Uhr etwa 40 Lesungen – darunter selbstverständlich auch die damals in Friedenau lebenden Autoren Nicolas Born, Hans Christoph Buch, Günter Eich, Hans Magnus Enzensberger, Max Frisch, Günter Bruno Fuchs, Günter Grass, Uwe Johnson, Christoph Meckel, Victor Otto Stomps. 1976 war Schluss in Friedenau und der Buchhändlerkeller zog in die Carmerstraße Nr. 1 in Charlottenburg. KP Herbach starb 2004. Seit seinem Tod führen die Freunde des Buchhändlerkellers das Programm ehrenamtlich fort.

 

Der in der Bennigsenstraße lebende Essayist Christian G. Pätzold hat am 3. Dezember 2017 über 50 Jahre Buchhändlerkeller Berlin geschrieben. Wir veröffentlichen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Autors.

 

Eine 68er Institution in Berlin feierte 50. Jubiläum. Im Buchhändlerkeller werden vor allem Bücher und Lebensgeschichten vorgestellt und diskutiert, an den Wänden gibt es aber auch Kunstausstellungen. Es ist kein Wunder, dass der Buchhändlerkeller bis heute existiert, denn die Revolte von 1968 war eng mit Büchern verbunden. Alle Beteiligten lasen damals unheimlich viele Bücher. Nur sind die meisten alten 68er inzwischen in ihren 70er und 80er Jahren und relativ gebrechlich, wenn sie noch leben.

 

Im Buchhändlerkeller funktioniert alles durch persönliches Engagement der Vereinsmitglieder. So kommen etwa 2 bis 3 Veranstaltungen pro Woche zusammen. Um die Kosten zu decken, muss ein Eintrittsgeld verlangt werden. Der Buchhändlerkeller ist heute immer noch eine der angesehensten literarischen Adressen in Berlin, ist aber schon lange kein Keller mehr, sondern ein schicker Laden im Erdgeschoss der Carmerstraße 1 in Berlin Charlottenburg. Ich erinnere mich gern an die Veranstaltungen, die ich im Buchhändlerkeller besucht habe. Daher wünsche ich dem Buchhändlerkeller weitere 50 Jahre. Wünschen kann man sich ja was.

 

Anlässlich des Festes zum 50. Jubiläum schrieb der Buchhändlerkeller: 50 Jahre - nur wenige literarische Institutionen in Berlin blicken auf längere kontinuierliche Arbeit im Dienst der aktuellen Belletristik, des literarischen Erbes und der gesellschaftspolitischen Debatte zurück. 1967 richteten KP (Klaus Peter) Herbach und linke Buchhändler und Lehrlinge aus dem gewerkschaftsnahen „Arbeitskreis Berliner Jungbuchhändler e.V.“ ihren „Buchhändlerkeller“ unter einer ehemaligen Bäckerei in der Friedenauer Görresstraße ein. Es wurde gelesen, diskutiert und gemeinsam demonstriert - bis der Keller nach einer Überschwemmung unbrauchbar wurde.

 

1976 dann der Neuanfang in der Charlottenburger Carmerstraße 1 in den Räumen der ehemaligen Galerie Mikro von Michael S. Cullen, der hier u.a. erstmals in Berlin Christo ausgestellt hatte. Kein Keller mehr, sondern das Parterre eines noblen Gründerzeithauses und jeden Donnerstag eine aktuelle Lesung, gefördert von Verlagen, vom Senat und vom Börsenverein, bis zu KP Herbachs Tod im Januar 2004.

 

Ein neuer Vorstand aus dem Freundeskreis von Herbach erweiterte das Programm um Ausstellungen, Filmvorführungen und viele andere Formen und Sujets - die Senatsförderung versiegte trotzdem: Der Buchhändlerkeller als „Institution“ mit kontinuierlichem Programm passte nicht mehr in das Projektkonzept der permanenten Innovation. Doch gute 10 Jahre nach dem Ende der Subvention gibt es den sympathischen Buchhändlerkeller immer noch, und er erfährt nach wie vor viel Zuspruch für die Veranstaltungen und für den Ort selbst als originellem Treffpunkt von Liebhabern eines aktuellen, aber auch weit zurückreichenden Literatur- und Bildungsbegriffs, verbunden mit kritischer gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung."

 

Wie es mit dem Buchhändlerkeller weiter geht, weiß man nicht so genau, denn die jetzigen ehrenamtlichen Macher_Innen des Buchhändlerkellers sind doch schon sehr in die Jahre gekommen. Die jungen Leute leben heute im digitalen Cyberspace. Da ist so etwas wie ein Buchhändlerkeller ziemlich old school.

 

Weitere empfehlenswerte Essays von Christian G. Pätzold finden Sie auf seiner Webseite http://www.kuhlewampe.net/.

 

Görresstraße 8-10, 14.4.1951. Sammlung Staudt, Museum Schöneberg

Görresstraße Nr. 8-10

früher Wilhelmstraße

 

Fotografien von Trümmern auf dem Gelände des zerstörten Hinterhauses in der Görresstraße 8-10, aufgenommen von Herwarth Staudt am 21. März 1951 und am 27. Oktober 1951 im Auftrag des Baulenkungsamtes Schöneberg.

 

 

Weiteres in Vorbereitung

 

Görresstraße Nr. 10-14

Deutsches Rotes Kreuz

 

Das Deutsche Rote Kreuz hat auf den Grundstücken Görresstraße Nr. 10 bis Nr. 14 Bauten errichten lassen, die in der seit 1910 bestehenden Blockrandbebauung zweifellos als etwas Fremdes angesehen werden können. Auf unsere Frage nach der Baugeschichte erhielten wir am 18. März 2015 folgende Auskunft:

 

Der Landesverband hat erst nach Wirksamwerden des Kontrollratsbeschlusses 1951 den Standort seiner Landesgeschäftsstelle von Berlin-Zehlendorf, Berliner Str. 11, nach Berlin-Friedenau verlegt. Dazu hatte er mit Kaufvertrag vom 01. 4. 1953 von Herrn Michael Kalek das Grundstück, bebaut mit Haupthaus und Werkstattgebäude, in Berlin-Friedenau, Bundesallee 73, erworben. Das Gebäude an der Bundesallee 73 hatte einige Kriegsbeschädigungen erlitten. In dem Werkstattgebäude Bundesallee 73 befand sich das Atelier einer Bildhauerin. Es ist zu vermuten, dass ihr Interesse größeren Objekten galt, denn an der Decke befanden sich noch einige Zugeinrichtungen. Das Werkstattgebäude wurde vor einigen Jahren abgerissen.

 

Aufgrund eines Angebotes vom 10.7.1953 und Annahme am 21.7.1953 wurde der Landesverband Eigentümer des Trümmergrundstückes von Herrn Gerhardt Hildebrandt in Berlin-Friedenau, Görresstr. 12. Dieser Grundbesitz wurde erweitert durch Kaufvertrag vom 29.6.1955 um das weitere Trümmergrundstück Bachestr. 11/Görresstr. 14 (Verkäuferin: Frau Mathilde Paltschak). Alle Grundstücke Bundesallee 73, Görresstr. 12, Görresstr. 14 und Bachestr. 11 konnten nunmehr eine bis heute bestehende Hofgemeinschaft bilden. Die Fläche des Vorgartens Görresstr. 12 (Ausstellungsfläche für Grabsteine) war zum Zeitpunkt des Erwerbs noch bis zum 31.12.1953 verpachtet an den Steinmetz Steinfeld.

 

Zum Roten-Kreuz-Gelände gehören heute die Grundstücke Bundesallee Nr. 73, Bachestraße Nr. 11-12 und Görresstraße Nr. 12-14. In der Görresstraße befinden sich Rettungswache Friedenau (Nr. 11), DRK Krankentransportleitstelle Berlin (Nr. 12) und seit 1995 das Rotkreuz-Museum (Nr. 11) mit einer Sammlung historischer Gegenstände die Geschichte der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung auf nationaler und internationaler Ebene. Aufgrund der aktuellen Corona-Bestimmungen bleib das Museum bis auf weiteres geschlossen.

 

Wilhelmstraße 6, 1906. Familienarchiv Ursula Mennerich

Görresstraße Nr. 12

früher Wilhelmstraße Nr. 5-6

 

Ehemaliges Haus von Bildhauer Johannes Götz

 

Aus technischen Gründen finden Sie das umfangreiche  Material mit Dokumenten und historischen Fotos unter Exkurs Klein Carrara.

August Dressel, Querschnitt einer Gasfabrik. Farbgravur, 1862

Görresstraße Nr. 13

Kunstmaler August Dressel (1862-1950)

 

Historische Aufnahmen zur ehemaligen Wilhelmstraße (Görresstraße) sind eine Rarität. Aus dem Archiv von Frau Ursula Mennerich, Verwalterin des Nachlasses von Bildhauer Johannes Götz (1865-1934), konnten wir erstmals Fotos aus dem Familienalbum veröffentlichen. Darunter zwei Aufnahmen von 1908, betitelt Friedenau unter Wasser und drei Ablichtungen vom 19. Februar 1909, die den Besuch von Kaiser Wilhelm II im Götzschen Atelier dokumentieren. Diese Aufnahmen, Der Kaiser beim Betreten des Vorgartens, Die Kaiserin mit der Familie Götz vor dem Haus und Die Kaiserin mit Johannes Götz im Garten vor der Gipsstatue des Achilles, stammen von dem Photographen Freiherr von Freyberg.

 

 

 

 

 

Auf ein weiteres Foto machte uns ein Leser Ende Februar 2023 aufmerksam: Ich wohnte einst gegenüber dem Haus von Johannes Götz (heute Rotes Kreuz und Spielplatz). Dieses Foto müßte 1909 aus dem Fenster über meiner ehemaligen Wohnung aufgenommen worden sein. Das Mietshaus gehörte bis zum Verkauf 1976 dem Landschaftsmaler August Dressel. In den 1970er Jahren wurden meine Mutter und ich manchmal zum Kuchenessen in den Garten seiner Tochter Ilse Dressel in den Achenseeweg Nr. 22 in Lichterfelde eingeladen. In dem Haus lebte August Dressel von 1938 bis zu seinem Tod 1950. Das besagte Foto von der Ankunft des Kaisers aus dem gegenüberliegenden Mietshaus müsste von dem Photographen Carl Brasch jun. stammen, der seit 1905 in der zweiten Etage des Dressel-Hauses wohnte. Das Mietswohnhaus mit zwei Seitenflügeln Wilhelmstraße Nr. 19 (heute Görresstraße Nr. 13) wurde 1904/05 errichtet. Bauherr und Eigentümer war der Landschaftsmaler August Dressel (1862-1950). Ein Architekt ist bisher nicht bekannt.

 

August Albin Dressel wurde am 16. Juli 1862 in Schönau bei Falkenstein im Vogtland als Sohn des Webermeisters Johann Gottlieb Dressel und dessen Ehefrau Christiane Taubner geboren. Am 21. März 1899 heiratete er auf dem Standesamt Dresden II die Kindergärtnerin Anna Gertrud Rod, Tochter des Buchbindereibesitzers Hugo Rod in Leipzig. 1891 ist Dressel in Berlin, Göbenstraße Nr. 3, wohnhaft. 1892 wurde im II. Stock der Wohnung Bremerstraße Nr. 42 Sohn Armin Erich Hellmuth geboren. Dort kam am 12. Januar 1895 der zweite Sohn Lothar Werner Rudolf zur Welt. Tochter Hildegard Marianne wurde am 4. August 1899 im III. Stock der Wohnung Westfälische Straße Nr. 41 geboren. Beim Standesamt Friedenau zeigte der Landschaftsmaler August Albin Dressel an, daß in seiner Wohnung Bismarckstraße Nr. 32 (heute Sarrazinstraße) von der Gertrud Hildegard Dressel geborene Meißner, seiner Ehefrau, am 25. Juli 1901 Tochter Ilse Gertrud Bertha geboren wurde. 1906 erfolgte der Einzug ins eigene Haus Wilhelmstraße Nr. 19. Dort hatte er eine für Friedenau typische Mieterschar versammelt. Neben der Familie und Hof-Photograph Brasch gab es Portier Hatzmann, Parkettleger Glück, Schuhmachermeister Greulich, Bauarbeiter Körber, Apotheker Liebau, Dampfhäckselfabrikant Lühder, Zimmermeister Schulz, Postschaffner Wolff, Kanzleirat Schulz, Zeichner Zimmermann sowie die Kaufmänner Meyer, Wermke, von Wietersheim und Zach.

 

Über den Werdegang des Malers August Dressel kann nur spekuliert werden. Seine geradezu phantasievolle anatomische Ausgestaltung von Fabriken lässt allerdings Rückschlüsse auf seinen Lehrer Eugen Bracht (1842-1921) zu. Kaum hatte sich herumgesprochen, daß Brachts Klasse an der Berliner Kunstakademie die bestbesuchte war, soll Dressel dessen Schüler gewesen sein. Bracht, so heißt es, sei in der Romantik geboren, durch den Naturalismus hindurchgegangen und schließlich zum Impressionismus gelangt. In seinem Unterricht hielt er dazu an, nach einem vorgegebenen Thema zu malen. Während der Meister die Farben von Industrieansiedlungen in den Vordergrund stellte, seziert Dressel das Innere von Brauereien, Gasfabriken und Pumpwerken, vergleichbar mit Einblicken in mehrdimensionale anatomische Modelle. Wie Bracht, der einen Teil seiner Bilder als Drucke auf Karton vermarktete, gelangten auch Dressels Arbeiten als Kunst für alle auf den Markt, signiert mit A. Dressel, ohne Datum.

 

Kaum war August Dressel Hausbesitzer, engagierte er sich im Haus– und Grundbesitzerverein von Friedenau. Als der Architekt James Ruhemann 1907 die neue Bauordnung erläuterte, nach der Betriebe und Fabriken für Friedenau nicht mehr gestattet sind, war Dressel zufrieden. Als sich der Verein am 9. Dezember 1909 beim Eisbeinessen im Hohenzollern für die Verdienste des Vorsitzenden Lehment bedankte, wurde ihm ein hübsches Bild vom Friedrich-Wilhelm-Platz überreicht, angefertigt von Herrn Landschaftsmaler Dressel.

 

Als 1910 über die Beseitigung von Straßenbäumen diskutiert wurde, betonte Dressel, daß sehr viele Mieter nur wegen der schönen Bäume nach Friedenau zögen. Wenn er wüsste, dass vor seinem Hause in der Wilhelmstraße die Bäume fortgenommen würden, so würde er sehen, sein Haus so schleunigst wie möglich zu verkaufen. 1916 wurde immer deutlicher, daß die Entwässerungsanlage vielleicht für eine Villenstadt geschaffen wurde, aber für die jetzigen Verhältnisse nicht passe. Die Häuser würden durch derartige ständige Übelstande entwertet. Dressels Vorsichtsmaßregeln hätten bisher nichts oder nur wenig genützt. Mit Angst sehe er stets jeder dunkeln Wolke entgegen. Er hatte den Gully mit Sandsäcken abgedeckt und dadurch erreicht, daß das Rohr platzte und das Wasser 3 Meter hoch hinausschoß. Er habe hier ‚schon alles satt‘, daß er wünschte, er wäre eine Schnecke und könnte mit seinem Hause fortziehen. Das tat er nicht.

 

Am 12. März 2024 erreichte uns eine E-Mail von Frau Ingrid Welsch geb. Dressel mit einem Auszug aus dem Taufregister von 1862. Falls es für Sie interessant ist: Ich habe in den Unterlagen meiner verstorbenen Eltern eine Kopie des Kaufvertrages UR Nr 1492 / 1976 gefunden. Käufer (des Hauses Wilhelmstraße Nr. 19, heute Görresstraße Nr. 13) waren Georg Zager und seine Frau Lieselotte. Meine Großtante war Ilse Dressel, geboren am 25. Juli 1901, verstorben am 5. Januar 1990, Lichterfelde, Aachenseeweg 32. Der Erbe nach Ilse Dressel ist ihr Patenkind: Wolfgang Dressel (geboren am 2. Febuar 1951). Er war Pastor in Garbsen-Horst bis November 2019. Ob er jetzt in Garbsen oder in Berlin wohnt, ist mir nicht bekannt.

 

Nachtrag:

 

1937 erscheint im Adreßbuch unter Friedenau, Wilhelmstraße Nr. 19, der Eintrag: Eigentümer Kunstmaler A. Dressel mit dem Zusatz Lichterfelde, Achenseeweg Nr. 32. Ab 1938 heißt es zu Lichterfelde, Achenseeweg Nr. 32: Eigentümer Ilse Dressel, techn. Angestellte; August Dressel, Kuntstmaler. Gefunden haben wir inzwischen die Todesurkunde des Standesamtes Lichterfelde: Der Kunstmaler August Albin Dressel, wohnhaft in Lichterfelde, Achenseeweg 32, ist am 28. Januar 1950 um 6 Uhr 45 Miniuten in seiner Wohnung verstorben. Eingetragen auf mündliche Anzeige der Tochter des Verstorbenen, Ilse Dressel, ohne Beruf, wohnhaft in Berlin-Lichterfelde, Achenseeweg 32. Die Anzeigende wies sich durch Personenausweis Nr. 6716/46 des 195. Polizeireviers in Berlin aus. Sie erklärte, sie sei bei dem Tode ihres Vaters zugegen gewesen.

 

Wir danken Frau Ingrid Welsch für diese Informationen.

 

 

Valentino Casal. Archiv Schmiedeberg-Casal

Görresstraße Nr. 16

früher Wilhelmstraße Nr. 7

 

Ehemaliger Bildhauerhof von Valentino Casal

 

Aus technischen Gründen finden Sie das umfangreiche  Material mit Dokumenten und historischen Fotos unter Exkurs Klein Carrara.

 

 

 

Görresstraße 18, 1951. Sammlung Staudt, Museum Schöneberg (1)

Görresstraße Nr 18

früher Wilhelmstraße Nr. 8

 

Auf dem Grundstück Wilhelmstraße Nr. 8 errichtete der Bauunternehmer M. Keidel aus Steglitz 1911/12 ein Mietswohnhaus für rund 20 Parteien. Bevor das Anwesen 1921 an Dr. W. Philipps, Pastor a. D., Charlottenburg, ging, wird Keidels Wohnort ab 1917 mit außerhalb angegeben. Von 1925 bis 1936 war es im Besitz von F. Ryden (Schweden). Ab 1939 vermerkt das Adreßbuch als Eigentümer M. Peltzer (Estland bzw. später Litzmannstadt). Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Im Auftrag des Baulenkungsamtes Schöneberg dokumentierte der Fotograf Herwarth Staudt zwischen 1951 und 1953 die Ruine. Auf dem Grundstück entstand später ein Neubau.

Fritz Burger Bildnis Ludwig Manzel, 1912, Nationalgalerie Berlin

Görresstraße Nr. 20

früher Wilhelmstraße Nr. 9

Ludwig Manzel (1858-1936)

 

Der Bildhauer Ludwig Manzel war nicht entgangen, dass sich seine Kollegen Max Unger, Joseph Uphues, Johannes Boese, Max Baumbach, Emil Graf Görtz zu Schlitz, Ludwig Cauer, Gustav Eberlein und Reinhold Begas ständig in die Friedenauer Wilhelmstraße Nr. 7 begaben, um auf dem Bildhauerhof von Valentino Casal zu beobachten, wie aus ihren Gipsentwürfen marmorne Denkmäler für die Siegesallee entstanden. Auch registrierte er, dass sich Johannes Götz in der Wilhelmstraße Nr. 5 & 6 Villa und Atelier errichten ließ und Kaiser Wilhelm II. häufig zu Atelierbesuchen kam.

 

Manzel, Professor, Akademiemitgied, ausgestattet mit einem Staatsatelier im Kunstgewerbemuseum und Wohnung in der Elßholzstraße Nr. 11, tat sich 1901 mit Valentino Casal und weiteren fünf Baustellenbesitzern zusammen: Ob es nicht im Interesse Friedenaus liegen würde, bei den zuständigen Behörden den Antrag zu stellen, daß die am Bahnhof Wilmersdorf-Friedenau belegenen Gelände, und zwar die vier Baublöcke, welche von der Taunusstraße, der Stubenrauchstraße, der Varzinerstraße und der Kaiserallee begrenzt werden und noch der Landhausbaubeschlänkung unterworfen sind, für die Bauklasse I der Bauordnung vom 5. Dezember 1892 freigegeben werden sollten. Wir sind der Ansicht, daß dann auch an diesem Bahnhof eine erfreuliche Entwicklung des Ortes sich bemerkbar machen wird und sich für die bereits baureifen Blocks solide Käufer zur Bebauung früher finden werden. Zum Villenbau ist das fragliche Gelände mit Rücksicht auf die Nähe des Kirchhofs und Bahnhofs durchaus nicht geeignet und dürfte überhaupt erst dann bebaut werden, wenn die Bebauung nach Bauklasse I erfolgen kann.

 

Manzel erwarb das Grundstück Wilhelmstraße Nr. 9 und ließ sich ein Landhaus mit Werkstatt errichten. 1902 heiratete er Alice geb. Tonn. 1903 wurde er Nachfolger von Reinhold Begas. 1905 zog er mit Familie nach Wilmersdorf in die Kaiserallee Nr. 14 und von dort 1907 in das von den Architekten Heinrich Kayser und Carl von Großheim im englischen Cottage-Stil errichtete Haus Sophienstraße Nr. 14 in Charlottenburg. In der Wilhelmstraße Nr. 9 wohnten und arbeiteten Bildhauer, Edmund Gomansky (1854-1930), Johannes Hinrichsen (1884-1971), Ludwig Isenbeck (1882-1958), Hermann Feuerhahn (1873-1941) – vor allem aber der lebenslange Bildhauer-Gehilfe Paul Hubrich (1869-1948), einst Schüler von Manzel an der Berliner Kunstgewerbeschule, der über Jahre mit der Gestaltung des von Manzel entworfenen Christus-Denkmals beschäftigt war und 1923 auch die Aufstellung auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf organisierte.

 

Unangenehm wurde es für den Arbeitgeber Ludwig Manzel, als ihn die Ortskrankenkasse Friedenau im November 1902 aufforderte, für seinen erkrankten Atelierdiener die gesetzlichen Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten und nach beendetem Heilverfahren die Kurkosten zu erstatten. Manzel war der Meinung, dass die Krankenkasse nicht berechtigt ist, die von ihm beschäftigten Gehilfen und Arbeiter für versicherungs- und beitragspflichtig zu erklären – und zog vor Gericht – bis zur letzten Instanz. Am 3. Juni 1905 fällte das Reichsgericht eine wichtige Entscheidung hinsichtlich der Versicherungspflicht auf Grund des Krankenversicherungsgesetzes.

 

Das Urteil: Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich lediglich auf die vom Kläger in den Vorinstanzen gemachten Angaben über die Zahl und die Löhne der von ihm beschäftigten Arbeiter bezogen. Diese gingen dahin, dass er im Allgemeinen außer einem Atelierdiener noch zwei Personen, einen keinesfalls versicherungspflichtigen Künstler und einen besseren Arbeiter beschäftige, dass aber bei Ausführung von Aufträgen noch bis zu 30 weitere Personen angenommen und beschäftigt würden. Wie oft sich solche Aufträge im Laufe eines Jahres oder eines längeren Zeitraumes wiederholen, und wie lange jedesmal die Beschäftigung der größeren Arbeiterzahl dauert, darüber hat der Kläger nähere Angaben nicht gemacht. Die Beklagte hat überhaupt bestritten, dass der Kläger mehr als einen (versicherungspflichtigen) Arbeiter ständig beschäftige. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht glaubhaft, dass der vorliegend mit dem Werte des Streitgegenstandes zusammenfallende Wert des Beschwerdegegenstandes, der in Anwendung des § 9 der Zivilprozessordnung auf das 12 1/2 fache der Versicherungsbeiträge zu bemessen ist, die der Kläger im Jahresdurchschnitt für seine Arbeiter zu zahlen haben wird, mehr als 1500 M. betrage. Das Rechtsmittel war hiernach als unzulässig zu verwerfen.

 

Laut Adreßbuch sind bis 1922 für das Haus Wilhelmstraße Nr. 9 als Mieter die Bildhauer Hinrichsen, Isenbeck und Feuerhahn eingetragen. Nachdem auch Hermann Feuerhahn in die Wilmersdorfer Landauer Straße Nr. 12 gezogen war, erscheint 1926 Wilhelmstraße Nr. 9 als Kohlenplatz, was darauf hindeutet, dass das Landhaus und Werkstatt abgerissen und als Bauplatz vorgesehen war. Eigentümer sind nun die Wirtschaftsgenossenschaft der Grundbesitzer westlicher Vororte (Südwestkorso 5) und Prof. Ludwig Manzel, Charlottenburg, Sophienstraße Nr. 14. Nach Umbenennung der Wilhelmstraße in Golzheimer Straße wird aus Nr. 9 die Nr. 20 – Fuhrbetrieb, Garagen, Tankstelle Emil Schauer. Eigentümerin Witwe Alice Manzel Charlottenburg, Sophienstraße Nr. 14. So blieb es bis mindestens 1943. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. Nachdem die Golzheimer Straße 1947 in Görresstraße umbenannt war, existierte auf dem Grundstück Görresstraße Nr. 20 bis 1954 die Firma Emil Schauer, Fuhrbetrieb, Garagen, Tankstelle. Später entstand dort ein Neubau.

 

Görresstraße 21+22 Fuhrhof Pählchen, um 1912. Archiv Rüdiger Barasch

Görresstraße Nr. 21-23

früher Wilhelmstraße Nr. 15

Fuhrhof, Landhaus & Atelierhaus

 

Aus technischen Gründen finden Sie das umfangreiche  Material mit Dokumenten und historischen Fotos unter den Exkursen Klein Carrara, Fuhrhof, Landhaus und Atelierhaus.

 

 

 

 

 

 

Görresstraße 27. Quelle Google

Görresstraße Nr. 27

früher Wilhelmstraße Nr. 13

 

Im Friedenauer Adreßbuch erscheint 1937 unter Golzheimer Straße Nr. 27, der früheren Wilhelmstraße Nr. 13 und späteren Görresstraße Nr. 27, als Eigentümer die Kopf & Bohne Grundstücksgesellschaft mit Sitz am Kurfürstendamm Nr. 206 – Geschäftsführer Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) und Edmund Bohne (1886-1954). Beide waren während der Weimarer Republik Landräte, Kopf im niedersächsischen Hadeln, Bohne im Kreis Zauch-Belzig. Dann kam Hitler. Sie wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen, gründeten eine Handelsgesellschaft und vermittelten Immobilien, Grundstücke und Darlehen. Da viele Juden zu ihnen kamen, wurde die Firma mit Arisierungs-Transaktionen beauftragt. Mit dem Polenfeldzug wurden Kopf & Bohne 1939 als Treuhänder konfiszierter polnischer und jüdischer Güter tätig – später dann als Angestellte der Haupttreuhandstelle Ost (HTO). Der Oberbürgermeister von Königshütte in Oberschlesien Walter Delius bestätigte am 10. Oktober 1939 unsere heutige Unterredung, wonach ich Sie zum Generaltreuhänder des Vermögens derjenigen Personen einsetze, welche aus Königshütte nicht nur vorübergehend abwesend oder geflüchtet sind. Gleichzeitig beauftrage ich Sie, die Erfassung des Wohnraumes der Personen, die geflüchtet und nicht vorübergehend abwesend sind sowie die Unterbringung der nach Königshütte zurückkehrenden Flüchtlinge zu betreuen und den städtischen Grundbesitz zu verwalten.

 

Nachdem das Angestelltenverhältnis zwischen der HTO und Hinrich Wilhelm Kopf 1942 aufgelöst wurde, kehrte er nach Berlin zurück. In den Blickpunkt gerät das Anwesen Wilhelmstraße Nr. 13, dass der Rentier Ernst Gehrke aus Allenstein, Bahnhofstraße Nr. 5, im Jahr  1925 an die Privatiere L. Medé (Polen) verkaufte. Die Kopf & Bohne Grundstücksgesellschaft übernahm 1940 die Verwaltung des Hauses. 1943 war Kopf & Bohne Eigentümer.

 

 

 

 

Vor der Schlacht um Berlin zog sich Hinrich Wilhelm Kopf nach Niedersachsen zurück. Da er 1919 in die SPD eingetreten war, half ihm diese Mitgliedschaft, beim Aufbau eine führende Rolle zu übernehmen. 1945 ernannte ihn die Britische Militärregierung zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover. 1946 wählte der von den Briten eingesetzte Landtag Kopf zum ersten Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen.

 

1947 stand sein Name auf der Kriegsverbrecherliste. 1948 stellte die Volksrepublik Polen ein Auslieferungsersuchen, da er sich als Makler und Immobilienverwalter bei der Enteignung polnischer und jüdischer Mitbürger bereichert habe. Das Höhere Militärgericht in Herford lehnte diesen Antrag ab. 1955 machte DER SPIEGEL auf die Verstrickungen der Kopf & Bohne Grundstücksgesellschaft aufmerksam. Kopf leugnete. Nachdem 2010 die Dissertation der Historikerin Teresa Nentwig erschienen war, in der Kopfs Tätigkeit als Vermögensverwalter im von Deutschland besetzten Polen als Verstrickung in die Verbrechen der nationalsozialistischen Ausplünderung bewertet wurde, entschloss sich das Land Niedersachen zum Sturz der Legende Kopf. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) fiel es nicht leicht, die Vergangenheit Kopfs gegen seine Leistungen als Ministerpräsident abzuwägen: Wir haben auf der einen Seite einen überragenden Demokraten, einen Gründungsvater des Landes Niedersachsen, auf der anderen Seite einen Menschen, der in der Zeit des Nationalsozialismus einen persönlichen Teil Schuld zu übernehmen hat. Das wurde Weil gut aufgeschrieben. Ob es aber reicht, den Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz am Landtag 2015 in Hannah-Arendt-Platz umzubenennen, darf bezweifelt werden.

 

Die Geschichte des Friedenauer Grundstücks im Überblick

 

1905 Wilhelmstr. Nr. 13, Lagerplatz im Eigentum von Maurermeister Julius Paesler

1906 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer Lange, Groß Lichterfelde

1909 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer Witwe G. Lange

1911 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer Bildhauer G. Franz

1915 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer Bildhauer G. Franz (außerhalb)

1916 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer Privatiere G. Franz (New York)

1917 Wilhelmstr. Nr. 13, Administration (ohne weiteren Angaben)

1918 Wilhelmstr. Nr. 13, Zwangsverwaltung (ohne weiteren Angaben)

1922 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer Ernst Gehrke Rentier Bahnhofstraße 5 (Allenstein)

1925 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer L. Medé, Privatiere (Polen)

1930 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer L. Medé, Privatiere (Polen)

1936 Wilhelmstr. Nr. 13, Eigentümer L. Medé, Privatiere (Polen)

1938 Golzheimer Str. Nr. 27, Eigentümer L. Medé, Privatiere (Polen)

1939 Golzheimer Str. Nr. 27, Eigentümer L. Medé, Privatiere (Polen), Verwaltung Kaufmann E. Schiller (Halensee, Paulsborner Str. Nr. 82)

1940 Golzheimer Str. Nr. 27, Eigentümer L. Medé, Privatiere (Polen), Verwaltung Kopf & Bohne Grundstücksgesellschaft (W50, Kurfürstendamm)

1943 Golzheimer Str. Nr. 27, Eigentümer Kopf & Bohne Grundstücksgesellschaft (W50, Kurfürstendamm)

1947 Görresstr. Nr. 27. Das Haus hat den Zweiten Weltkrieg wohl unbeschadet überstanden. Die weiteren Eigentumsverhältnisse sind nicht bekannt.