Schillerplatz, 1912. Archiv Rüdiger Barasch

 

115 Jahre Apotheke am Schillerplatz

 

Zwei Monate vor dem 100. Todestag von Friedrich Schiller sprach Friedenaus Gemeindevorsteher Bernhard Schnackenburg am 16. März 1905 vor der Gemeindevertretung das Bedürfnis aus, diesen für uns wichtigen Gedenktag mit einer Schillerfeier zu begehen und den Schmargendorferplatz in Schillerplatz umzutaufen. Der Platz werde neu hergerichtet. Geplant sei ein hervorragender Schmuckplatz mit einem Rondell. Vielleicht würde sich später einmal ein Bürger finden, der auf dem Platze eine Schillerbüste aufstellen würde. Die Umbenennung koste nichts, da die Grundstücke seit Anbeginn zur Stubenrauchstraße gehören. Am 8. Mai 1905 nachmittags 5 ½ fand in der Aula des Gymnasiums eine Schillerfeier statt – preiswert, da An die Freude, Jungfrau von Orleans (Prolog), Lied von der Glocke und Maria Stuart (8. Aufzug, erster Auftritt) von Schülern bestritten wurde.

 

Die Gegend westlich des Friedrich-Wilhelm-Platzes war bis zur Jahrhundertwende im Besitz des Berlin-Charlottenburger Bauvereins – und weitgehend unbebaut. 1898 erschien der Schmargendorfer Platz erstmals im Adreßbuch mit dem Eintrag Eigentümer Gemeinde Friedenau Cholera Baracken. Für eine Bebauung nicht gerade förderlich. Mit der Neugestaltung des Schmuckplatzes entstanden nacheinander die vier Eckbauten Stubenrauchstraße Nr. 17/18, Nr. 19/20, Nr. 57/58 sowie Nr. 59.

 

Am 15. April 1910 überraschte der Friedenauer Lokal-Anzeiger mit der Meldung, daß die zweite Apotheke in Friedenau am Schillerplatz, die einem dringenden Bedürfnisse abhelfen soll, Herr Apotheker Dr. Ronde übernehmen wird. Der Besitzer des Hauses, Herr Ratszimmermeister Mauck, hat einen dort z. Zeit wohnenden Friseur mit 5000 M. und einen Zigarrenhändler mit 3000 M. Abstandzahlung ausgemietet, um diese beiden Läden für die Apotheke umzubauen. Im Juli 1910 wurde die Apotheke am Schillerplatz im Erdgeschoss des Mietwohnhauses Stubenrauchstraße Nr. 58 eröffnet.

 

Besitzer war der Doctor philosophiae Jacob Ronde, der am 21. April 1860 in Wittlich (Regierungsbezirk Trier) geboren wurde. Die Apotheke am Schillerplatz lief gut. Schon am 17. Juli suchte Ronde per Annonce einen jungen Arbeiter. Von Anfang an erweiterte Jacob Ronde das Angebot. Im Lokal-Anzeiger platzierte er Anzeigen: Liebhaber eines zarten, reinen Gesichtes mit rosigem jugendfrischem Aussehen und blendend schönem Teint gebrauchen nur die echte Steckenpferd-Lilienmilch-Seife von Bergmann & Co, Radebeul, Preis à Stück 50 Pf., ferner macht der Lilienmilch-Cream Dada rote und spröde Haut in einer Nacht weiß und sammetweich. Tube 50 Pf. Als während des Weltkrieges ab August 1916 Süßstoff nur an Haushaltungen mit Bezugskarten (Süßstoffkarten H) abgegeben werden durfte, konnten die Friedenauer gegen Vorzeigung der Lebensmittel-Ausweiskarte Süßstoffe in der Apotheke von Dr. Ronde Stubenrauchstraße 58 kaufen.

 

Wir gehen davon aus, daß während des Ersten Weltkrieges die berufslose Else Albertine Berta Lorenz in der Apotheke am Schillerplatz als Aushilfe angestellt wurde. Nicht anders ist es zu erklären, daß der 61-jährige Apothekenbesitzer Jacob Ronde am 19. November 1921 auf dem Standesamt Steglitz die 32-Jährige aus der Steglitzer Siemensstraße Nr. 78 heiratete. Else Albertine Berta war die Tochter des Butterhändlers Hermann August Emil Lorenz und seiner Ehefrau Ottilie Anna geborene George, die am 7. April 1889 geboren wurde. Am 3. Juli 1913 heiratete sie den Bürovorsteher Eduard Paul Wilhelm Brose. Die Ehe wurde am 29. Oktober 1919 geschieden.

 

Mit der Heirat ordnete Jacob Ronde seinen weiteren Lebensweg. 1922 wurde Apotheker F. Schneider eingestellt. Ab 1930 waren Ehefrau Else Ronde und Apotheker F. Schneider Besitzer der Apotheke am Schillerplatz. 1934 zogen Jacob und Else Ronde in die Wiesbadener Straße Nr. 8. Im Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Eckbauten am östlichen Schillerplatz von Bomben getroffen, darunter auch das Haus Wiesbadener Straße Nr. 8. Auf der 1947 erstellten Schadenskarte wurden die Gebäude als total beschädigt (rot), Abbruch empfehlenswert (blau), vielleicht wiederherstellbar (grün) und die restliche Bebauung als bewohnbar bzw. benutzbar (gelb) eingestuft. Hier verliert sich die Spur von Jacob Ronde. Eine Todesurkunde ist nicht auffindbar.

 

Unter der Adresse Stubenrauchstraße Nr. 58 sind 1943 eingetragen Apotheke am Schillerplatz und Wohnung F. L. Schneider, Apothekenbesitzer. 1952 wohnt Witwe Else Ronde in der Stubenrauchstraße Nr. 46. Im Telefonbuch West-Berlin 1958 ist Apothekenbesitzerin Else Ronde in Berlin-Wilmersdprf, Nikolsburger Platz Nr. 6-7, Telefon 872983 eingetragen. Laut Todesurkunde ist Else Albertine Berta Ronde geborene Lorenz, Witwe von dem Doktor der Philosphie Jacob Ronde, in diesem Haus am 13. Dezember 1962 um 22.45 Uhr vestorben.

 

Nachzutragen ist, daß der Schillerplatz mit seinem Rondell Ende der 1950er Jahre mit einer Verbreiterung der Wiesbadener Straße für einen besseren Verkehrsfluss aufgegeben wurde. Die Eckbauten auf der östlichen Seite des Schillerplatzes wurden durch unsäglich einfallslose Neubauten ersetzt. Der Schillerplatz ist aus dem Gleichgewicht geraten.