Hans Altmann. Ölgemälde von Friedrich Harnisch. Museum Schöneberg

Hans Altmann (1871-1965)

 

Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze. Schillers bedauernde Worte aus dem Wallenstein-Prolog scheinen auch auf den Architekten Hans Altmann zuzutreffen. Anständig gewürdigt wurde er bisher nicht, weder von der Berliner Architektenkammer noch vom Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin – und schon gar nicht von Friedenau und Schönberg. Immerhin hat Hans Altmann als Gemeindebaurat zwischen 1906 und 1920 höchst bemerkenswerte Bauten hinterlassen. Er muss das Vergessen geahnt haben. So hat er sich 1917 am Seitenflügel des Rathauses in der Hauptstraße mit einer Porträtbüste verewigt.

 

Der letzte Rathausbau des Kaiserreiches in Berlin war zugleich Altmanns letzter kommunaler Bau in Friedenau. Kaum eingeweiht, wurde das Rathaus der selbstständigen Gemeinde nicht mehr gebraucht. Friedenau ging 1920 an Schöneberg.

 

Hans Otto Walther Altmann wurde am 11. Dezember 1871 in Danzig geboren und am 3. März 1872 in der St.-Katharinen-Kirche Danzig evangelisch getauft. Der katholische Vater Otto Amand Theodor, geboren am 1. Juli 1826 in Schönberg/Schlesien, heiratete am 28. Juli 1857 in Breslau die evangelische Mutter Henriette Pauline Beate Starck, geboren am 16. April 1834 in Berlin. Wo die Familie zwischen 1857 und 1891 lebte, welcher Tätigkeit der Vater nachging, bleibt im Unklaren. Die Schulzeit verbrachte Hans Altmann nach eigenen Angaben jedenfalls auf den Gymnasien in Schleswig und Gumbinnen. An der östlichsten höheren Schule Preußens, dem Königlichen Friedrichsgymnasium in der Provinz Ostpreußen, legte er 1891 das Abitur ab. Im Anschluss studierte er bis 1895 Architektur an der Technischen Hochschule Berlin. Ostern 1895 bestand er das 1. und nach einer weiteren Ausbildung im Dombau 1899 das 2. Staatsexamen. Der Assessor wurde zum Regierungsbaumeister im preußischen Staatsministerium ernannt, und hatte damit die zweite Stufe der Baubeamtenlaufbahn erklommen.

 

In diesem Jahr wurden von den Ministerialen Entwurfszeichnungen für den Umbau des Hauses Wilhelmstraße Nr. 63 für das Staatsministerium vorgelegt – und genehmigt. Allerdings stellte sich danach heraus, dass der Zustand des alten, ehemaligen Stolbergschen Palais so miserabel war, dass ein Neubau erforderlich wurde. Mit dem Entwurf des Jahres 1900 waren entsprechend der Hierarchie Regierungsbaumeister Hans Altmann, Geheimer Baurat Adolf Bürckner sowie Geheimer Oberbaurat Paul Kieschke befasst. 1903 war der Bau vollendet. Im Ministerium waren auch die Pläne für das Regierungsgebäude der Provinz Brandenburg in der Spandauer Straße Nr. 79-81 in Potsdam zu entwickeln. Beschäftigt waren damit wiederum Kieschke (Vorentwurf), Altmann (Planvorlage) sowie Bauinspektor Traugott von Saltzwedel (Ausarbeitung). Das Gebäude entstand in den Jahren von 1902 bis 1907. Altmanns Perspektiven im Amt waren überschaubar. Die nächst höhere Stelle des Bauinspektors würde erst nach langer Wartezeit zu erreichen sein. Er ergriff die Gelegenheit und wurde 1903 Stadtbauinspektor von Elberfeld. Das deutsche Manchester zählte bereits über 160.000 Einwohner. Die willkürliche Bebauung früherer Jahre stand der weiteren Entwicklung im Wege. Altmann erwartete interessante Aufgaben. Die Arbeit beschränkte sich aber auf Verkehrslösungen und Straßendurchbrüche.

 

In Friedenau machte sich inzwischen bemerkbar, dass die Infrastruktur nicht im gleichen Maß wie die Siedlung mitgewachsen war. Fast dreißig Jahre lang beharrte die Gruppe um Robert Hertel (im Hauptberuf Geheimer Rechnungsrat im Kriegsministerium), Wilhelm Fröauf (Geheimer Rechnungsrat der Gewerbeakademie) und Roennebergs darauf, die Geschicke des Ortes wie einen Schrebergartenverein zu lenken. Auf Georg Roenneberg, der von 1875 bis 1892 als ehrenamtlicher Gemeindevorsteher amtierte, folgte sein Bruder Major a.D. Albert Roenneberg – nun hauptamtlich. Gelöst waren die Probleme damit nicht. Das änderte sich erst mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Bernhard Schnackenburg (1867-1924) und Gemeindebaurat Hans Altmann.

 

Altmann, der seit 20. Juli 1904 mit Frau Gertrud geborene Borck verheiratet war, übernahm am 1. April 1906 das Amt. Er löste den Architekten Johannes Duntz ab, der nach dem Tod des Gemeindearchitekten Max Nagel im Jahre 1904 kommissarisch die Leitung des Bauamtes übernommen hatte. Von Duntz geblieben sind die II. Gemeindeschule in der Rheingaustraße (heute Stechlinsee-Grundschule), das Schuldirektorenwohnhaus am Perelsplatz und das Gebäude des ehemaligen Elektrizitätswerkes an der Kreuznacher Straße.

 

Friedenau hatte über 18.000 Einwohner. Es gab einstöckige Landhäuser, mehrgeschossige Mietshäuser und mit den Firmen Bamberg, Goerz und Thom auch Manufakturen. Die Landhaussiedlung gehörte bereits der Geschichte an. Noch aber waren weite Gebiete des Carstennschen Bebauungsplans von 1874 unbebaut. Der Unternehmer Georg Haberland (1861-1933) und seine Berlinische Boden-Gesellschaft drängten. Das Gelände des Sportparks am Bahnhof Wilmersdorf-Friedenau und die Gegend westlich der Kaiserallee sollten bebaut werden. Vom Gemeindebaurat Altmann wurden Bebauungspläne gefordert.

 

Altmann beharrte in den Wohngebieten auf dem bisher praktizierten Verhältnis von Fahrbahn, Trottoir und Vorgarten und hielt an den Profilen von sechs und sieben Meter Straßenbreite fest – ausgenommen Rheinstraße, Kaiserallee und Südwestkorso. Ab 1905 entstand rund um den Cosimaplatz das in sich abgeschlossene Wagner-Viertel mit viergeschossigen Mietshäusern.

 

Noch wichtiger wurde allerdings der Bau von Schulen, die Altmann allesamt für den westlichen Ortsteil plante. Es war bei dem Mangel an geeigneten Grundstücken nicht immer leicht, eine geeignete Grundrisslösung zu finden, die auch in städtebaulicher Hinsicht dem Stadtbild eine Note geben konnte, bei gleichzeitiger ästhetischer Ausbildung des Gebäudes im Äußeren. Johannes Duntz hatte in den Jahren 1904/06 in der Rheingaustraße die II. Gemeindeschule errichten lassen. Altmann griff die Idee auf. In rascher Folge entstanden nach seinen Entwürfen 1908/09 das Realgymnasium (heute Rheingau-Gymnasium) in der Schwalbacher Straße, 1910/12 das Königin-Luise-Lyzeum in der Goßlerstraße (heute Paul-Natorp-Oberschule) und als Doppelschule 1913/14 die III. Gemeindeschule mit Turngerätehaus (heute Bobertal-Oberschule und Ruppin-Grundschule).

 

Sein Raumprogramm ging weit über die für höhere Lehranstalten gesetzten Maßstäbe hinaus: Das Dach des Realgymnasiums bekam eine Plattform für astronomische Beobachtungen, beim Königin-Luise-Lyzeum setzte er den bisher monofunktionalen Schulen eine kommunikative Hallenschule entgegen, von deren galerieartigen Fluren der Blick in die zweigeschossige Aula möglich wurde. Und die III. Gemeindeschule wurde eine winkelförmig angeordnete Doppelschule mit zwei Turnhallen, Aula, Festsaal für die Bürgerschaft, Turngerätehaus und Sportplatz.

 

Innen und außen wurde an nichts gespart. Schnackenburgs großzügig betriebene Ausgabenpolitik, eingeschlossen auch die Bereitschaft zur öffentlichen Verschuldung, kam Altmann mehr als gelegen. Immer reichhaltiger wurden die Gebäude ausgestattet. Obwohl sehr unterschiedlich in Architektur, Gestaltung, Größe und Materialeinsatz, alle Bauten haben eine Ausstrahlung. Sie respektieren den jeweiligen Ort und fügen sich immer in das Ortsbild von Friedenau ein. Bemerkenswert, ob Putzbau oder Sichtziegelmauerwerk, ohne den üppigen Bauschmuck seiner Architekturplastiker Bernhard Butzke (1876-1952) und Richard Kuöhl (1880-1961) ging es nicht.

 

Als sich Schnackenburg 1909 von Friedenau verabschiedete und Oberbürgermeister von Altona wurde, war Altmann als Planer und Architekt überregional anerkannt. Er hatte sich durchgesetzt und er konnte sich durchsetzen – wofür die Gemeinde stets opferwillig Mittel zu einer würdigen Ausgestaltung der Bauten bewilligte. Das galt nach dem Abschied von Schnackenburg auch für die Amtszeit des neuen Bürgermeisters Erich Walger (1867-1945). Nach wie vor war viel zu tun: Straßenbeleuchtung, Straßenbelag, Entwässerung, Wasserversorgung. Es entstanden die Bedürfnisanstalten Maybachplatz und Südwestkorso, das Evangelische Pfarr- und Gemeindehaus Zum Guten Hirten, das Ferienheim des Vereins für Ferienkolonien Friedenau in Zinnowitz, auch der in seiner Urheberschaft umstrittene Bau des Kolumbariums auf dem Friedhof in der Stubenrauchstraße gehört dazu.

 

Da die Gründer von Friedenau in ihrer Euphorie nicht daran gedacht hatten, dass zum Leben auch der Tod gehört, wurde die Anlage eines Friedhofs einfach vergessen. Man brachte die Toten nach Wilmersdorf, aber als dort die weitere Aufnahme verweigert wurde, musste der als Grünanlage vorgesehene Hamburger Platz (Ecke Südwestkorso und Stubenrauchstraße) 1881 als Begräbnisplatz der Gemeinde Friedenau geopfert werden. Die Hauseigentümer protestierten. Der Gemeinderat setzte sich durch.

 

Um die Jahrhundertwende gingen die Prognosen davon aus, dass der innerstädtische Platz für Bestattungen knapp werden würde. In Panik geriet zuerst die Evangelische Kirche mit ihren Kirchhöfen. Friedhof und Begräbnis waren am Ende des 19. Jahrhunderts (noch) eine Angelegenheit der Kirche. Das Kirchengesetz von 1895 verpflichtete daher die Berliner Stadtsynode als Verband der Evangelischen Kirchengemeinden, für ausreichenden Begräbnisplatz zu sorgen. Da das Monopol gehalten werden sollte, weihte sie 1909 außerhalb der Stadtgrenzen als Zentralfriedhof den Südwestkirchhof Stahnsdorf ein. Friedenau musste noch dringender eine Lösung schaffen. Altmann konnte 1912 die Verhandlungen über den Ankauf eines 12 Hektar großen Begräbnisplatzes zum Abschluss bringen. Neben dem Südwestkirchhof wurde 1913/14 der kommunale Friedenauer Waldfriedhof Gütergotz angelegt. 1920 zog die Gemeinde Wilmersdorf mit dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf nach.

 

Die Anlage in Gütergotz mit Kapelle und Verwaltungsgebäude, beide mit Sichtziegeln ausgeführt, entstand nach seinen Plänen, und schloss sich in ihrem Charakter der Stimmung des sie umgebenden Hochwaldes an. Die U-förmig angelegten Wege erinnern ebenso wie die eingefügten Schmuckplätze an den Friedenauer Ortsgrundriss. Da sich Wirtschaftshof und Gärtnerei als zu klein erwiesen, der Bedarf an Blumen und Pflanzen für die Grünanlagen in Friedenau nicht gesichert war, wurden 1919/20 Wirtschaftsgebäude und Gewächshaus erweitert. Die drei Berliner Friedhöfe in Stahnsdorf gelten heute als ein einzigartiges Friedhofsensemble in Deutschland.

 

Die nächste Aufgabe, so der Gemeindebaurat, war die Errichtung eines Rathauses, weil die Unterbringung der Verwaltung immer unzulänglicher geworden war. Ein Preisausschreiben an die Architekten Deutschlands zur Erlangung eines Entwurfes für den Rathausbau brachte kein befriedigendes Ergebnis. Keiner der 96 eingelieferten Entwürfe entsprach den Bestimmungen des Bauprogramms. Das war zu erwarten. Altmann ließ sich eine solche Chance nicht entgehen, und so fand sein auf Aufforderung der Gemeindekörperschaften eingereichter Bauentwurf die einstimmige Zustimmung. Nach einigem Hin und Her einigte sich die Gemeindevertretung am 16. November 1911 auf einen Bau am Lauterplatz. Friedenau strotzte vor Selbstbewusstsein. Immer mehr sollte im Rathausbau versammelt werden. Neben Büros auch Dienstwohnung für den Bürgermeister, Sitzungsräume, Bürgerfestsaal, Sparkasse, Feuerwache, Ratskeller und Turm. Dabei spielte es keine Rolle, dass von der geltenden Bauordnung abgewichen, die erlaubte Gebäudehöhe um ein Geschoss überschritten, die Baufluchtlinien durch Änderung des Straßengeländes geändert und zwei Landhäuser der Erstbebauung abgebrochen wurden.

 

Am 18. Oktober 1913 erfolgte die Grundsteinlegung. Ein Jahr später begann der Erste Weltkrieg. Altmann zog den Bau mit aller Energie durch – wie gewohnt, äußerst opulent, innen mit Keramik, Stuck, Holz oder Werkstein, außen wiederum mit bauplastischen Arbeiten seines Bildhauers Bernhard Butzke (1876-1952). Die Übergabetermine wurden eingehalten. Für Bürgermeister Erich Walger war das Rathaus außen das Wahrzeichen eines Gemeindewesens, das sich seiner Kraft und seiner Bedeutung bewusst ist, innen ein Ort ernster Arbeit für die Beamten und die Gemeindevertreter, sowie eine Stätte der Erholung und froher Feste für die Bürgerschaft. Die Freude währte nicht lange. Zum 1. Oktober 1920 verlor Friedenau seine Selbstständigkeit und Gemeindebaurat Hans Altmann seinen Posten. Friedenaus Bürger wussten um den Verlust. Nicht umsonst schickten sie Altmann bis 1925 in die Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg.

 

Hauptberuflich war Hans Altmann nun im freien Beruf als Architekt und Bausachverständiger tätig. Es entstanden Wohn- und Geschäftshäuser, ein Anbau zur AOK-Badeanstalt, das Landhaus Roux am Pfingstberg in Potsdam, seine Bauten für die Askania Werke AG in der Bundesallee, mit denen es ihm von 1918 bis 1937 gelang, aus eigentlich immer nur geforderten An- und Zubauten systematisch eine Industriebaustruktur  zu entwickeln. Nach seinen Angaben hat er sowohl an der Planung für die Gartenstadt am Südwestkorso mit Künstlerkolonie als auch am Schöneberger Projekt Ceciliengärten mitgewirkt.

 

Altmann ist mit Frau und seinen Söhnen Günther und Hans-Peter mehrfach umgezogen: Stubenrauchstraße Nr. 67 II (1907), Lauterstraße Nr. 19-20 (1910), Ringstraße Nr. 50 I (1912) und Stubenrauchstraße Nr. 12 II (1913). Im Jahr 1930 gibt er als Wohn- und Geschäftsadresse Kaiserallee Nr. 64/5 an. Danach zog es die Familie nach Dahlem, zuerst unter der Adresse Am Schülerheim Nr. 4, danach ab 1938 im eigenen Haus Föhrenweg Nr. 17.

 

Hans Altmann – sein Name steht für ortsbildprägende Qualität, perfekte handwerkliche Ausführung und eigenständige Handschrift.