Ein Straßenname könnte auch für die Orientierung von Bedeutung sein. Daran dachte wohl auch Herr Carstenn, als er 1872 den Situationsplan für seine Siedlung veröffentlichte. Er nannte den von Schöneberg über Friedenau nach Wilmersdorf verlaufenden Weg Schmargendorfer Straße. Mit dem Bau der Kirche Zum Guten Hirten war die Straße in zwei Teile getrennt.

 

Der westliche Teil zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Laubacher Straße wurde 1890 in Kasseler Straße umbenannt – und bekam den Schmargendorfer Platz. 1902 wurde die Kasseler Straße in Wiesbadener Straße mit den Hausnummern 1-15 und 78-89 umbenannt. 1905 wurde aus dem Schmargendorfer Platz der Schillerplatz.

 

Beim östlichen Teil zwischen Hauptstraße/Ecke Lauterstraße und Friedrich-Wilhelm-Platz blieb es bei Schmargendorfer Straße mit den Grundstücken Nr. 1-37. Schon im Jahre 1900 wurde es mit der neuen Nummerierung kompliziert. Seither gehören die Häuser Schmargendorfer Straße Nr. 1 zur Lauterstraße Nr. 18, Nr. 7-8 und Nr. 9-10 am Wilmersdorfer Platz (ab 1967 Renée-Sintenis-Platz) zur Handjerystraße Nr. 78 bzw. Nr. 32, so dass es in der Schmargendorfer Straße keine Häuser mit den Nummern 7 bis 10 gibt. Die Grundstücke Schmargendorfer Straße 36 & 37 gehören offiziell zur Rheinstraße Nr. 1-2.

 

Mit der Ausbau von Bundesallee und Schmiljanstraße (bis 1962 Kirchstraße) als Zubringer zur Westtangente wurde das Haus Schmargendorfer Straße Nr. 20 Ecke Schmiljanstraße Nr. 30 abgerissen. Seither endet die Schmargendorfer Straße vor dem Friedrich-Wilhelm-Platz als Sackgasse. Für Wendeschleife und Straßenbegleitgrün wurde das Anwesen der Familie von Architekt Otto Hoffmann Schmargendorfer Straße Nr. 18-19/Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11-12 erheblich reduziert.

 

In der Schmargendorfer Straße sind bis heute ein- und zweigeschossige Landhäuser in Rohziegelbauweise aus den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erhalten, deren Entwürfe von namhaften Architekten des frühen Friedenauer Landhausbaus geschaffen wurden: Wilhelm Bröse (Nr. 21), Franz Dreßler (Nr. 14), Otto Hoffmann (Nr. 18, 19, 22, 24, 25) und Max Nagel.(Nr. 15, 25A).

 

 

Familiendrama in der Schmargendorfer Straße

 

Friedenauer Lokal-Anzeiger, 4. Juni 1898

Aus dem Fenster gestürzt hat sich in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag in Folge ehelicher Zwistigkeiten die Frau eines Einwohners in der Schmargendorfer Straße. Wie uns mitgeteilt wird, blieb die Frau innerlich verletzt und mit gebrochenem Fuße mehrere Stunden liegen; ein requirierter Koppscher Krankenwagen brachte die Verletzte dann nach einem Krankenhause.

 

Friedenauer Lokal-Anzeiger, 7. Juni 1898

Zu unserer Lokalnotiz mit der Spitzmarke „Aus dem Fenster gestürzt“ in der Sonnabend-Nummer unseres Blattes erhalten wir von betheiligter Seite noch folgende nähere Mittheilungen, welche die ersten Angaben teilweise in anderem Lichte darstellen. Danach hat sich Frau Keidel (dies ist die verunglückte Dame) nicht nach voraufgegangenen ehelichen Zwistigkeiten aus dem Fenster gestürzt, sondern in einem ganz unzweifelhaft von Herrn Dr. Süßmann festgestellten Momente geistiger Umnachtung. Herr Keidel saß drei Zimmer vom Schlafzimmer seiner Frau entfernt und schrieb an seinem Artikel „Die Frau als Hausärztin“ in der heutigen Nummer dieses Blattes, während sein ältester Sohn im selben Zimmer wachend im Bette lag. Da trat Frau Keidel ins Zimmer und mahnte in durchaus ruhiger, gelassener Weise ihren Mann, doch nachts nicht weiter zu arbeiten und lieber mit zu Bett zu kommen. Herr Keidel lehnte das im Hinweis auf die ihm gerade vorliegende Arbeit ab, worauf sich Frau Keidel ebenso ruhig, wie sie gekommen war, wieder entfernte. Kaum konnte sie vor ihrem Bette angelangt sein, da hören Herr Keidel und sein Sohn das Abspringen der Frau Keidel vom Fensterbrett ihres Schlafzimmers. Nachher sagte Frau Keidel dem untersuchenden Arzte, Herrn Dr. med. Süßmanu, daß Herr Keidel sie mit einem gezückten Messer bedroht und sie sich deshalb aus dem Fenster gestürzt habe. Herr Keidel hat infolge dieser Äußerung eine gerichtliche Untersuchung der traurigen Angelegenheit beantragt und wir werden s. Z. Weiteres darüber berichten. — Die Verletzung, welche sich Frau Keidel beim Sturze zugezogen hat, bestand hauptsächlich in einer Knöchelausschlagung und es soll sich die Dame, nachdem im Krankenhause der Knöchel wieder eingerenkt worden ist, bereits auf dem Wege der Besserung befinden.

 

Friedenauer Lokal-Anzeiger, 9. Juni 1898

Es ist eine unangenehme Sache, Familienangelegenheiten vor das Forum der Öffentlichkeit bringen zu müssen; wir haben stets das entgegengesetzte Prinzip verfolgt. Sonderbar erscheint es jedoch, wenn Beteiligte selbst sich Mühe geben, ihre internen Angelegenheiten so bekannt wie möglich zu machen. In Nr. 65 unseres Blattes brachten wir ohne Nennung des Namens und des betr. Hauses die kurze Notiz, daß eine verheirathete Frau sich in Folge ehelicher Zwistigkeiten aus dem Fenster gestürzt habe. Der Ehemann der Verunglückten, Herr Keidel, erschien dann bei uns und bat unter Berufung auf den betr. Arzt um Aufnahme einer anderen Darstellung des Falles, indem er behauptete, eheliche Zwistigkeiten wären nicht voraufgegangen. Natürlich mußten wir dem Ersuchen Folge geben, da unser Gewährsmann nicht so gut unterrichtet sein konnte, wie der Ehemann. Unserer Ansicht aber, die Nennung des Namens lieber zu unterlassen, wurde von Herrn Keidel widersprochen, da der Fall öffentliches Gesprächsthema sei und ein näheres Eingehen darauf nur beruhigend wirken würde. Wir taten dann Herrn Keidel ungern den Gefallen.

Jetzt wird aber, wie vorauszusehen war, von den Verwandten der verunglückten Frau gegen die  Keidelsche Darstellung protestirt, und wir sind genöthigt, auch diese Darstellung zu veröffentlichen. Der Bruder der Frau Keidel, Herr La Roche Schöneberg, ersuchte uns nämlich, in Bezug auf den verzweifelten Sturz der Frau Keidel mitzutheilen, „daß eine geistige Umnachtung ausgeschlossen erscheint, sondern daß seine Schwester aus Furcht, von ihrem Ehemanne mittelst eines Bruchbandes erwürgt zu werden, vor ihm fliehen wollte. Durch auf dem Hofe ausgebreitetes Heu sowie vorher aus dem Fenster geworfene wollene Kleidungsstücke glaubte Frau Keidel an den Erfolg ihrer Flucht. Nachdem sie dann noch selbst ihre Unterkleider angelegt hatte, ließ sie sich langsam und zwar rückwärts herabgleiten, sich dabei einer alten Regel erinnernd, dass man rückwärts gefahrloser fällt. Diese Überlegungen, die wahrlich von einer Geisteskranken wenig vermutet werden können, müssen wohl auch tatsächlich stattgefunden haben, da sonst der Sturz bei der ziemlichen Höhe entschieden schlimmere Folgen als einen Knöchelbruch gehabt haben würde.“

Gestern erhielten wir ein ferneres Schreiben des Herrn La Roche mit der Bitte um Veröffentlichung, aus welchem wir folgende Stellen zum Abdruck bringen: Soeben komme ich von Herrn Dr. Süßmann. Er hat mir auch heute wieder erklärt, daß Frau Keidel, meine Schwester, ihm nichts von einem gezückten Messer gesagt hat, wie er überhaupt sein Urteil über die Geistesumnachtung absolut nicht mehr aufrecht erhält. Ich hoffe, daß Sie diesen Worten Glauben schenken werden … und bitte Sie höflichst, obige Erklärungen noch in meiner gestern Ihnen übergebenen Berichtigung gefl. mit aufzunehmen. Mit verbindlichsten Dank." – Nachdem nun beide Theile zu Wort gekommen sind, erklären wir die Sache für den redaktionellen Theil unseres Blattes als erledigt, werden auch in Zukunft ähnlichen Erörterungen unsere Spalten nicht mehr öffnen.

 

Friedenauer Lokal-Anzeiger, 14. Juni 1898

Anzeige: Anläßlich der wahrheitswidrigen Nachrichten, welche über die traurige Affäre „Keidel" öffentlich in Umlauf gesetzt worden, und die geeignet sind, den Ruf der Frau Keidel herabzusetzen und sie in ihrer notwendigen Erwerbstätigkeit empfindlich zu schädigen, fühlen die Unterzeichneten sich gedrungen, auf Grund ihrer jahrelangen genauen Kenntniß der beteiligten Personen und deren Verhältnisse Folgendes öffentlich zu erklären: Frau Keidel, die ihr hartes Geschick stets mit bewundernswerter Geduld und Seelenstärke getragen, die stets ihre ganze Kraft eingesetzt hat, um für den Unterhalt der Familie mitzusorgen, die in ihrer Berufstätigkeit sich stets durch die größte Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue ausgezeichnet hat, war stets geistesklar und ist es heute noch. Unsere höchste Achtung und unser innigstes Mitgefühl gelten ihr. Alle weiteren Bemerkungen unterlassen wir, um dem Weitergehen der Zeitungspolemik, die in dieser Sache nur schädlich wirken kann, vorzubeugen.

 

Friedenauer Lokal-Anzeiger, 16. Juni 1898

Anzeige: Öffentliche Danksagung. Die in Nr. 70 d. Bl. veröffentlichte, dem Andenken meiner Frau gewidmete Beileidsadresse hat mich wohltuend berührt, sodaß ich mich gedrungen fühle, diesem meinem Dankgefüihle hiermit Ausdruck zu verleihen. Ich hatte Gelegenheit, meinem langjährigen Freunde, Heinrich Kori, bereits im Jahre 1883 und fernerhin dauernd und von ihm befolgte, gesundheitliche Ratschläge gegen seine damals in Erblindung begriffenen Augen und gegen seine Füße zu geben, ebenso in der Familie des Herrn Merfels und des Herr Prof. Dr. phil. Paul Förster, erfolgreich helfend einzugreifen, und soll es auch fernerhin mein Bestreben sein, meine Kunst des Heilens in den Dienst meiner verehrten Mitbürgerinnen und Mitbürger zu stellen in dem angenehmen Bewußtsein, auch bei diesen durch aufrichtigen Dank und glücklichen Erfolg belohnt zu werden. John Keidel, Naturheilkundler.

 

***

 

Die Ehe von Margarethe La Roche und John Keidel, so viel ist gewiss, scheint seit Jahren nicht mehr funktioniert zu haben. Nach der Heirat 1884 wurde der erste Sohn geboren, 1888 der zweite und nach der Geburt des dritten 1891 lebte Herr Keidel mit seinen Knaben streng vegetarisch, d. h. ohne das geringste auch von lebenden Thieren. Das hatte Folgen. Die Familie La Roche kam zu der Ansicht, dass Frau Keidel-La Roche ihr hartes Schicksal, mit einem überzeugungstreuen Vegetarier verheiratet zu sein, mit bewundernswürdiger Geduld ertragen hat.

 

Nachdem er sich während seines Studiums mit den Gesundheitseinrichtungen in den neuen Landhäusern in Friedenau (1884) beschäftigt hatte, kreierte der Ingenieur nun Erfindungen. Im Centralblatt der Bauverwaltung erschienen seine Beiträge: J. Keidel’s Patent-Schnelltrockner Kokskorb, Patent-Nr. 33246 und Ruß- und Funkenfänger (1885), Gewichts-Ventilator (1886), J. Keidel’s Sauge-Kappe und Keidels Lüftung für Ofenheizung (1887). Mit der 1886 in der Berliner Linkstraße gegründeten Spezialfabrikation Keidel & Co für Ventilation und Heizung, eiserne Oefen für Dauerbrand (D.R.P.) Exact Deflektoren, Hydroventilatoren, Klein- und Großdarren f. Obst u. Gemüse, Funken- u. Rußfänger ist er nach eigenem Eingeständnis dabei allerdings nicht auf den grünen Zweig gekommen.

 

Im Oktober 1895 verlegte Margarathe Keidel-La Roche ihre Musikschule von Zehlendorf nach Friedenau in die Schmargendorfer Straße Nr 4, I Tr. – Unterricht (je nach Wunsch gemeinschaftlich oder einzeln) im Gesange (10 Mk. monatlich) und Klavierspiel (8 Mk. monatlich). Schon im März 1896 legte sie im hiesigen ‚Casino‘ Zeugnis ihres Könnens dadurch ab, daß sie eine öffentliche Prüfung der Zöglinge veranstaltete. Die Leistungen der Schüler und Schülerinnen waren recht erfreuliche und zeugten von einer guten musikalischen Durchbildung. John Keidel wartete mit diversen Friedenauer Adressen auf, Hauffstraße 9, Rheinstraße 46, Ringstraße 22, Fregestraße 62, bis er schließlich 1898 in unter Keidel & Co. Heizungs- und Lüftungsanlagen, Keidel’s Patent-Oefen für Dauerbrand in die Schmargendorfer Straße Nr. 4 einzog – und das Familiendrama seinen Lauf nahm.

 

***

Wir gehen nach den Meldungen des Friedenauer-Lokal-Anzeiger davon aus, dass das Ehepaar ab April 1899 getrennte Wege ging: Der bekannte Naturheilkundige Herr John Keidel, früher in Friedenau, hat seine Wohnung jetzt in Schöneberg, Helmstraße 4, genommen. – Die seit Jahren bewährte Gesang- und Klavierlehrerin Frau Margarethe Keidel hat ihre Musikschule nach Schöneberg Grunewaldstraße 11 verlegt, wo sie vor einer zahlreichen Zuhörerschaft ihren alljährigen Schüler-Vortrags-Abend abhielt, der auch in ihrem neuen Wirkungskreise den Anklang gefunden hat, dessen sie sich schon in Friedenau erfreute.

 

Nicht ganz so erfreulich gestaltete sich der Abschied für John Keidel, da der für den 18. November 1899 im ‚Kaiser Wilhelm-Garten‘ angekündigte Vortrag mit vorhergehender Sprechstunde wegen Mangel an Patienten und Zuhörer nicht stattfinden konnte. Herr Keidel hat dadurch erfahren, daß die Gesundheitsverhältnisse unseres Ortes jedenfalls sehr günstig sein müssen, und Friedenau in dieser Beziehung der Großstadt Berlin weit überlegen ist.

 

***
 

Friedenauer Lokal-Anzeiger, 27.9.1898

Kinder-Dauermarsch Potsdam-Friedenau

 

Als sich der Sturm gelegt hatte, organisierte Naturarzt John Keidel einen Kinder-Dauermarsch Potsdam-Friedenau. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger berichtete darüber ausführlich drei Tage später am 27. September 1898:

 

Am vergangenen Sonntag hat Herr Naturarzt J. Keidel hier mit seinen drei Söhnen einen interessanten Dauermarsch gemacht. Nachdem die Kinder gut ausgeschlafen hatten und, ohne eine Ahnung von der ihnen bevorstehenden Aufgabe zu haben, sich marschfertig gemacht hatten, fuhren die Wanderer mit der Wannseebahn bis Potsdam. Das zu Hause vorher eingenommene Frühstück bestand aus Zuckerwasser mit Weißbrod, Weiß- und-Rothkohlsalat und einigen kalten Kartoffelpuffern. Gekleidet war man als ‚Normal-Jäger‘, barfuß in den Wollschuhen und selbstverständlich ohne Kopfbedeckung. Der Vater trug in einer großen Botanisirtrommel und einer Ledertasche die Tagesrationen für alle, bestehend aus Zwetschen und Schwarzbrodschnitten mit Kartoffelpuffern dazwischen, jeder, als echter Germane, einen Naturstock in der Hand, der größer war als der ganze Kerl. Um 11 Uhr 35 Min. ließ sich Herr Keidel den Abmarsch aus Potsdam von dem bekannten Schutzmann Lehmann bescheinigen und wohlgemuth trat die kleine Gesellschaft die Wanderung an. Unterwegs erfuhren endlich die Kinder, um was es sich eigentlich handle. Um 12 Uhr war man in Nowawes, wo zwei ‚Selters‘ als Stehschoppen genehmigt wurden. Um 1 Uhr: erste Rast von 25 Minuten und zweites Frühstück im hohen Gras. 2 Uhr Kohlhasenbrück, Dorf Wannsee 2 Uhr 20 mit 2 Selters und kurzer Rast, 3 Uhr 15 am Grabe H. v. Kleists drittes Frühstück und 25 Minuten Rast, 5 Uhr 30 Zehlendorf, viertes Frühstück mit 2 Selters und 15 Minuten Rast, dann ununterbrochener Marsch bis Friedenau, wo sich die Wanderer in vorzüglicher Verfassung um 7 Uhr 15 in der Wohnung uns vorstellten, alle vier noch feldmarschfähig, gar stolz auf ihre Gerte in der Rechten blickend. Wenn man bedenkt, daß die Kinder diesen Marsch in 6 Stunden 8 Minuten gemacht und dabei nur 1 Stunde und 15 Minuten gerastet haben, dabei nach unserer Meinung mit kärglichster Kost (sie nennen's Göttermahl) marschirten, so müssen wir das als eine höchst bemerkenswerthe Leistung betrachten. Der Kleinste ist 7 ½ Jahre alt, der zweite 10 Jahre und der dritte 13 Jahre. Seit 8 Jahren lebt Herr Keidel mit seinen Knaben streng vegetarisch, d. h. ohne das geringste auch von lebenden Thieren, während in den ersten 7 Jahren seines Vegetarierthums noch Milch, Butter, Eier verzehrt wurden. Der Kleinste ist also ganz ohne Milch ernährt und ist der am besten Aussehende, obwohl die anderen auch nicht ‚von schlechten Eltem sind‘. Nach dem ersten Abendbrod, bestehend aus Obst und Pellkartoffeln und Leinöl, schlief man ‚bombenfest‘ und am anderen Morgen ging's frisch und froh zur Schule, deren Bank der Aelteste schon um 7 Uhr in Steglitz drückte. Nach einem Mittagsschläfchen konnte Herr Keidel die Kleinen noch im Naturheilverein von 8 bis 10 Uhr vorstellen. Von einer Ueberanstrengung, die sich vielleicht erst nachträglich eingestellt hätte, war also absolut keine Rede. — Die Wegstrecke betrug 27 Kilometer.

 

 

Keidels Erfindungen im Centralblatt der Bauverwaltung 1884 bis 1887

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Schmargendorfer Straße 12. Foto Hahn & Stich, 2018

Schmargendorfer Straße Nr. 12

Robert Lefèvre (1843-1905)

 

Robert Lefèvre trat mit 33 Jahren 1876 als Bureau-Assistent im Handelsministerium in den preußischen Staatsdienst. 1878 wurde er zum Geheimen Registrator befördert. 1885 kam die Ernennung zum Kanzleirat im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, IV. Abteilung, Tarif- und Fahrplan-Büreau für die II. und IV. Abteilung (Verwaltung und Aufsicht der Staats- und Privateisenbahnen).

 

Mit dem beamtenrechtlichen Rückhalt und einem Kredit der Landerwerb- und Bauvereins-Bank Berlin konnte die Wohnung in der dritten Etage Bülowstraße Nr. 9 aufgegeben und das Grundstück Schmargendorfer Straße Nr. 10 in Friedenau erworben werden. In das eingeschossige Landhaus zog er 1884 mit Ehefrau Henriette geb. Eisemann und Tochter Else ein. Mit der neuen Nummerierung bekam das Grundstück 1893 die Nr. 12. Im Jahr 1904 ist im Adressbuch unter Nr. 12 ein Neubau verzeichnet. Laut Friedenauer Lokal-Anzeiger ließ sich Lefèvre an Stelle der Villa ein modernes Wohnhaus ausführen. Ab 1905 wohnten dort neben der Familie Lefèvre Gymnasialdirektor Dr. W. Busch, Regierungsdirektor G. Rubach, vw. Ob. Reg. Rat M. Schröder, Oberstleutnant a. D. E. von Wilucki und Tierarzt Robert Schulz, der Schwiegersohn.

 

 

 

 

 

Robert Lefèvre war von 1885 bis 1902 Mitglied der Gemeindevertretung, verwaltete als Gemeindeschöffe die Geschäfte für Armenwesen und Waisenrat und übernahm den Vorsitz des 1887 gegründeten Kirchbauvereins. Nachdem geklärt war, dass der Wilmersdorfer Platz für die Kirche zu klein war, und der Friedrich-Wilhelm-Platz in Aussicht genommen wurde, war Robert Lefèvre eifrig bemüht, den Bau zu fördern und zu beschleunigen. Das war nicht einfach. Der Grundbucheintrag von 1890 macht das deutlich: Der Kirchengemeinde Friedenau steht an diesem Grundstück am Friedrich-Wilhelm-Platz der ungestörte und unentgeltliche Besitz, Gebrauch und Genuss zu, und wird dasselbe erst dann wieder freies Eigentum der politischen Gemeinde Friedenau, wenn die darauf erbaute evangelische Kirche als solche eingeht. 1891 wurde der Grundstein gelegt. 1893 erfolgte die Einweihung. In der Chronik der Kirchgemeinde zum guten Hirten heißt es dann: Auch der Vorsitzende des Kirchbauvereins, Kanzleirat Lefèvre, gehört zu den Männern, denen die Kirchengemeinde zu unauslöschlichem Danke verpflichtet ist. Seiner Rührigkeit ist es in erster Linie zu danken, daß der Verein die stattliche Summe von 16635,91 M., meist in kleinen Beträgen, zusammenbrachte und der Kirchengemeinde übergeben konnte.

 

Robert Lefèvre starb 1905. Zwei Wochen nach seinem Tod fasste die Gemeindevertretung am 25. Mai 1905 den Beschluss: In dankbarer Anerkennung der hervorragenden Verdienste, die sich der verstorbene Schöffe Lefèvre um die Gemeinde erworben hat, beschließt die Gemeindevertretung einstimmig, den Herr Amtsvorsteher zu ersuchen, einer der neuen Straßen den Namen ‚Lefèvre-Straße‘ zu verleihen. Schmargendorfer Straße Nr. 12 blieb im Besitz der Familie Lefèvre. 1908 übernahm das Anwesen Schwiegersohn Robert Schulz. Nach dem Tod ihres Ehemannes verkaufte Else Schulz geb. Lefèvre 1925 das Haus an den Kaufmann A. Pitacco aus Triest, der es 1941 an den Bäckermeister G. Stillmann aus Lichterfelde verkaufte.

 

 

Schmargendorfer Straße Nr. 13

Rechnungsrat Otto Bauer

Gemeindeschöffe Adolf Fehler

 

Die Familie von Rechnungsrat Otto Bauer und seiner Ehefrau Emma geb, Fehler zog 1882 von Berlin in ihr Haus Schmargendorfer Straße Nr. 11 (später Nr. 13). Das Landhaus soll neun Zimmer, Wein- und Kohlenkeller, einen großen Obst- und Schmuckgarten mit Laube gehabt haben, in der es 1886 durch Vorturner Max Fehler zur Gründung des Männer-Turnverein zu Friedenau gekommen sein soll.

 

Max Fehler (1861-1926), Sohn des Magdeburger Eichmeisters Adolf Fehler, hatte 1880 eine Anstellung in der Schreibstube des Polizeipräsidiums gefunden. Da seine Schwester Emma die Ehefrau von Otto Bauer war, lag es nahe, dass er 1885 in den I. Stock Schmargendorfer Straße Nr. 13 einzog. Der inzwischen als Geheimer Registrator im Auswärtigen Amt tätige Max Fehler heiratete 1891 Clara Löbner (1867-1949) und zog mit ihr in die Ringstraße Nr. 19. Vater Adolf Fehler hatte sich 1886 pensionieren lassen und sein Haus in Magdeburg verkauft. 1887 zog er mit Ehefrau Doris geb. Irmschläger (1823-1899) in die freigewordene 1. Etage Schmargendorfer Straße Nr. 13 seines Schwiegersohnes Otto Bauer und dessen Ehefrau Emma.

 

Eichmeister a. D. Fehler konnte sich mit dem Ruhestand nicht abfinden, sah wohl auch, dass die aufstrebende Gemeinde mit der Amtsverwaltung Schwierigkeiten hatte. So ließ er sich erst einmal zum Vorstand des Verschönerungsvereins und 1889 in die Kirchenvertretung wählen. Als Major a. D. Albert Roenneberg (1842-1906) im Jahre 1892 als Amtsnachfolger für seinen Bruder Georg Roenneberg (1834-1895) zum Gemeindevorsteher von Friedenau gewählt worden war, holte er sich 1892 Adolf Fehler (1828-1903) als Gemeindeschöffen und stellvertretenden Amts- und Gemeindevorsteher an seine Seite. Er starb 1903 und wurde auf dem Friedhof Stubenrauchstraße beigesetzt. Die Grabstätte (Abt. 18/1-1) ist erhalten.

 

Den (geschwätzigen) Erinnerungen von Frida Brücker geb. Bauer (1875-1946), Ehefrau des Buchhändlers Hermann Brücker aus dem Familienverband Bauer-Brücker-Löbner, ist zu entnehmen: Unser Grundstück hatte ursprünglich die Nummer 11 gehabt. Erst auf Betreiben von A. Szlatohlawek (Eigentümer von Schmargendorfer Straße Nr. 15) wurde etwa im Jahre 1889 eine Umnummerierung der Grundstücke durchgeführt, bei der wir die Nummer 13 erhielten. Diese Umbezeichnung ist völlig zu Unrecht erfolgt, denn die Schmargendorfer Straße hat auf diese Weise überhaupt keine Häuser-Nummern 7 bis 10. Diese entfallen auf den Wilmersdorfer Platz, dessen sämtliche Häuser aber zur Handjerystraße zählen. Wir sind damals mit der Änderung der Nummerierung sehr unzufrieden gewesen. Es gelang uns aber nicht, hieran etwas zu ändern. Ich bin überzeugt, daß die Zuteilung der Nr. 13 uns keinen Segen gebracht hat. Während es meinen Eltern bis dahin stets gut gegangen war, begann bald darauf in sich steigerndem Maße eine schlechte Zeit für uns, die schließlich mit dem völligen Verlust des Grundstückes endete.

 

Das kam allerdings nicht von ungefähr. Ihr Ehemann, der Buchhändler Hermann Brücker, hatte 1897 im hinteren Teil des Grundstücks Schmargendorfer Straße Nr. 13 ein einstöckiges Gebäude errichtet, in dem neben meiner Verlagsbuchhandlung eine Buchdruckerei eröffnet wurde. 1911 übernahm Felix Brücker die Firma. Er starb 1914 im 36. Lebensjahr im Osten den Tod fürs Vaterland. Das Geschäftsmodell wurde modifiziert. 1920 werden als Mieter aufgeführt Deutsch orientalische Verlagsanstalt, Islam Presse, Dtsch. Oriental. Buch & Kunstdruckerei, Islamische-Presse-Agentur, Presse Verlag W. Hoffmann. 1935 wird das Grundstück Schmargendorfer Straße Nr. 13 vom Fleischermeister H. Schulz erworben.

 

Schmargendorfer Straße Nr. 14. Topographie Friedenau, 1988

Schmargendorfer Straße Nr. 14

1883

Entwurf Franz Dreßler

Bauherr Geheimer Registrator Albert Bauer

 

Das eingeschossige, vierachsige, traufständige Landhaus ist ein gelber Rohziegelbau mit einem zweigeschossigen Mittelrisalit, vor dem eine kleine Terrasse liegt und der mit einem Quergiebel gedeckt ist. Der Grundriss (14,0 x 9,5 Meter) folgt dem Sechsfelder-Schema. Der Eingang liegt an der Gartenseite und führt in ein kleines Vestibül mit einer Treppe ins Obergeschoss. Vom Vestibül aus sind alle Räume an der Straßen- und der Gartenseite zu erreichen. Die Garage im westlichen Bauwich wurde später angebaut. Topographie Friedenau, 2000

 

Schmargendorfer Straße 15. Aufnahme 1988. Topographie Friedenau

Schmargendorfer Straße Nr. 15

1882

Entwurf Architekt Otto Nagel

Bauherr Regierungssekretär A. Szlathohlawek

1901 Umbau

Entwurf E. Kreuschmer

 

Das freistehende eingeschossige, giebelständige Haus auf einem quadratischen Vierfelder-Grundriss ist ein gelber Rohziegelbau mit reicher farbiger Ziegeldekoration und einem auffallenden dreieckigen Erker im Giebel des ausgebauten Dachgeschosses. Das Haus wird seitlich erschlossen.

Topographie Friedenau, 2000

 

 

 

 

 

 

Eigentümer des Grundstücks Schmargendorfer Straße Nr. 15 (vorher Nr. 13) war von 1882 bis nach dem Zweiten Weltkrieg die Familie Szlathohlawek. Erstaunlich ist daher, dass weder im Friedenauer Lokal-Anzeiger noch anderswo irgendetwas über die Familie berichtet wird. Veröffentlicht wurden einzig Erinnerungen von Frida Brücker aus dem Familienverband Bauer- Brücker-Löbner. Nachzulesen ist dort, dass A. Szlathohlawek aus Genthin stammt und Ehefrau Franziska als geizig bekannt war. Sie hatten eine Tochter Melanie. Diese starb mit neun Jahren. Später kamen zwei Söhne hinzu, von denen der Jüngere im Weltkrieg blieb, der ältere besitzt jetzt die Villa. Gemeint ist der Ingenieur B. Szlathohlawek, der noch 1943 dort lebte.

 

Weiter wurde ausgeführt: Unser Grundstück hatte ursprünglich die Nummer 11 gehabt. Erst auf Betreiben von Szlatohlawek wurde etwa im Jahre 1889 eine Umnummerierung der Grundstücke durchgeführt, bei der wir die Nummer 13 erhielten. Diese Umbezeichnung ist völlig zu Unrecht erfolgt, denn die Schmargendorfer Straße hat auf diese Weise überhaupt keine Häuser-Nummern 7 bis 10. Diese entfallen auf den Wilmersdorfer Platz, dessen sämtliche Häuser aber zur Handjerystraße zählen. Wir sind damals mit der Änderung der Nummerierung sehr unzufrieden gewesen. Es gelang uns aber nicht, hieran etwas zu ändern. Ich bin überzeugt, daß die Zuteilung der Nr. 13 uns keinen Segen gebracht hat. Während es meinen Eltern bis dahin stets gut gegangen war, begann bald darauf in sich steigerndem Maße eine schlechte Zeit für uns, die schließlich mit dem völligen Verlust des Grundstückes endete. Details unter Schmargendorfer Straße Nr. 13.

 

Unbekannt bleibt, wie es mit dem Grundstück der Szlathohlaweks Schmargendorfer Straße Nr. 15 nach 1943 weiterging.

 

Schmargendorfer Straße Nr. 16. H&S, 2019

Schmargendorfer Straße Nr. 16

1883

Entwurf Maurermeister Franz Dreßler

Bauherr Rechnungsrat Gustav Küttner

 

Das zweigeschossige, traufständige Haus, ein gelber Rohziegelbau mit Quergiebelüber dem Mittelrisalit, war ursprünglich nur ein eingeschossiger Bau mit vier Achsen und einem zweigeschossigen Quergiebel. In den dreißiger Jahren wurde es jedoch nach Osten und Westen erweitert und aufgestockt. Topographie Friedenau, 2000

 

Gustav Küttner starb 1894. Nach seinem Tod wurde das Anwesen an den Dachdeckermeister Bentz verkauft.

 

Schmargendorfer Straße 18 & 19 Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz 11. Foto LDA, 1988

Schmargendorfer Straße Nr. 18 &19

Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11

 

Es ging schnell. Am 23. Mai 1967 hatte das Bezirksamt Schöneberg den Bebauungsplan XI-114-1 für die Grundstücke Schmargendorfer Straße 18-19 Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz 11-12 aufgestellt. Am 28. Juni 1967 stimmte die Bezirksverordnetenversammlung zu. Am 17. Januar 1968 wurde der Bebauungsplan vom Senator für Bau- und Wohnungswesen durch Verordnung festgesetzt.

 

 

 

 

 

 

Beschlossen war, dass die Bundesallee als Schnellstraße weiter über die Schmiljanstraße als Zubringer zur Westtangente geführt wird, die Häuser Schmargendorfer Straße Nr. 20 und Schmiljanstraße Nr. 29 & 30 abgerissen werden, die Schmargendorfer Straße Sackgasse wird und auf dem Grundstück Schmargendorfer Straße Nr. 20 ein U-Bahn-Zugang entsteht. Für diese Hinterlassenschaften mit den Brandmauern ist bis heute keine städtebauliche Lösung in Sicht. Was nach dem Ausbau der Bundesallee an diesem Ort übriggelassen wurde, ist vom Landesdenkmalamt Berlin als Denkmalbereich (Gesamtanlage) klassifiziert: Landhausgruppe Friedrich-Wilhelm-Platz 11 Schmargendorfer Straße 18 & 19, Entwurf & Bauherr Otto Hoffmann, Datierung 1884, Umbau 1911.

 

Die Namen der Architekten Otto Hoffmann (1853-1930) und Max Nagel (1848-1904) tauchen 1885 als Eigentümer der Anwesen Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 1 bzw. Nr. 2 erstmals auf. Beide hatten sich mit dem Ingenieur, Ringofen-Erfinder und Besitzer der Siegersdorfer Werke Friedrich Hoffmann (1818-1900) zusammengetan. Sie sprachen sich gegen den Bau von verputzten Häusern aus und glänzten kurz darauf in den Straßen rund um den Friedrich-Wilhelm-Platz mit attraktiven und wetterfesten Wohnhäusern aus glasierten farbigen Sichtziegeln, darunter die Wohnhaus-Anlage in Friedenau bei Berlin, über die am 21. September 1889 die Deutsche Bauzeitung berichtet:

 

 

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Wohnhaus-Anlage in Friedenau bei Berlin
Deutsche Bauzeitung, 21. September 1889

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Als Architekt bleibt Otto Hoffmann ein weithin Unbekannter. Im Architekturmuseum der TU Berlin sind die Entwurfszeichnungen Fürstliches Badehaus (1881) und Evangelische Kirche zu Prüm (1893) erhalten. Kollege Max Nagel hatte berichtet, dass Hoffmann 1884 Vertreter der Verblendziegelei Siegersdorfer Werke war. Danach schuf er bis 1890 die Entwürfe für die Häuser Albe-, Goßler-, Schmargendorfer- und Wiesbadener Straße. Bemerkenswert ist, dass er dort zweimal kurzzeitig als Bauherr auftrat. Für die Gemeinde bekleidete er mehrere Ehrenämter. So war er viele Jahre Schöffe und in Abwesenheit des Herrn Amtsvorstehers Standesbeamter.

 

Im Herbst 1900 ging es um die Uhr der Kirche Zum Guten Hirten. In Eingaben war um die Anbringung von schwarzen Uhrzeigern statt der goldenen gebeten worden. Pfarrer Görnandt und Schöffe Bache machten ästhetische Rücksichten auf den Erbauer der Kirche geltend, welche dem Baustyl der Kirche gemäß ausgeführt seien. Otto Hoffmann brachte es auf den Punkt: Eine Uhr nütze nichts, wenn man nicht erkennen könne, wo die Zeiger stehen.

 

Mit der Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft und dem Bauvorhaben Schöneberger Ortsteil von Friedenau hinter der Wannseebahn verlegte sich Otto Hoffmann auf das Immobiliengeschäft. Jedenfalls hat er nach 1890 keine weiteren Architekturentwürfe vorgelegt. Auch die pure Fixierung auf den Ziegelbau scheint nebensächlich geworden sein.

 

Unmittelbar hinter der Friedenauer Brücke an der Ecke Rembrandt-, Becker- und Knausstraße war Hoffmann im Besitz eines etwa 1350 Quadratmeter großen Grundstücks. Da Schöneberg und Steglitz eine Verbreiterung der Knausstraße wollten, wurden neue Fluchtlinien festgesetzt, wonach die Straße je 5 m tiefe provisorische Vorgärten, je 3, 2 m breite Bürgersteige und einen 10 m breiten Damm erhält. Doch damit nicht genug: Das Straßenland zwischen den Vorgärten ist unentgeltlich aufzulassen. Die unentgeltliche Auflassung ist grundbuchlich sicher zu stellen. Die Schüttung des Straßenkörpers der Knausstraße von der Grenze bis zur Beckerstraße erfolgt durch die Terraingesellschaft. Die Kanalisation in der Knausstraße bleibt liegen. Die Gemeinde verpflichtet sich, ohne Verzug einen provisorischen Damm von 10 Meter Breite in der Knausstraße zu pflastern, soweit ihr Pflastermaterial zur Verfügung steht, und darein zu willigen, daß dann ausnahmsweise Bauerlaubnis für die Grundstücke der Gesellschaft vor definitiver Pflasterung erteilt wird, Die definitive Pflasterung der Knausstraße mit ihren beiden Abzweigungen erfolgt durch die Gemeinde auf Kosten der Gesellschaft, welche die Kosten vor Beginn der Pflasterarbeiten einzuzahlen hat.

 

Gegen diesen Plan erhoben die Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft und der Architekt Otto Hoffmann Einspruch. Nach langwierigen Verhandlungen lagen zwei Angebote vor:

 

Für den Fall, daß die Gemeinde Eigentümerin des jetzt Herrn Architekten Hoffmann gehörigen Grundstücks wird, erbietet sich die Gesellschaft, der Gemeinde von dem neben diesem Grundstück liegenden Terrain zu einem Preise von 450 M. für die Quadratruthe und zwar bis zu 40 Ouadratruthen zu verkaufen, als die Gemeinde zur Ergänzung derjenigen Parzelle beansprucht, welche von dem Hoffmannschen Grundstück als Bauland hinter der neuen Bauflucht noch übrig bleibt.

 

Außerdem hat sich Architekt Otto Hoffmann erboten, der Stadtgemeinde entweder sein ganzes Grundstück (ungefähr 1350 qm) für den Preis von 60000 M. oder denjenigen Teil desselben, der nach dem neuen Fluchtlinienplane für Straßenland in Anspruch genommen werden soll, (ungefähr 670 qm) für den Preis von 44 Mk. für das qm zu verkaufen, wenn in letzterem Fall Anliegerbeiträge für das Nestgrundstück nicht erhoben werden. Ein Versuch, von Herrn Hoffmann eine Ermäßigung der Preise zu erreichen, ist ohne Erfolg geblieben.

 

Schließlich wurde der Schöneberger Magistrat ermächtigt, von Herrn Architekt Hoffmann dessen an der Rembrandtstraße, Beckerstraße und Knausstraße belegenes Grundstück von etwa 1350 Quadratmeter für den Preis von 60.000 M. käuflich zu erwerben. Nach allgemeiner Ansicht könnte die Gemeinde keinen besseren Beschluss fassen. denn während der Zeit, die hingehen wird, bevor, die Knausstraße von neuen Ansiedlern besetzt ist, wird das Terrain bedeutend im Werte steigen und da es doch ein für alle Mal notwendig wird, den größten Teil des Hoffmann'schen Grundstückes zu erwerben, so geschieht das besser gleich als später, denn die Entwicklung eines Teiles von Schöneberg geht ohne Zweifel einer nicht unbedeutenden Zukunft entgegen.

 

Am 11. April 1910 meldete der Friedenauer Lokal-Anzeiger auf seiner Titelseite: Unser langjähriger Mitbürger, Herr Architekt Otto Hoffmann (Friedrich Wilhelm-Platz) ist soeben zum Königlichen Baurat ernannt worden. Es war ihm die Oberbauleitung des am 9. April d. J. nunmehr eingeweihten Baues der Auguste Viktoria-Stiftung auf dem Ölberge bei Jerusalem übertragen. Nach vielen Jahren und wohl auch einigen Schwierigkeiten konnte Kaiser Wilhelm II. sein während der Palästinareise 1898 gegebenes Versprechen einlösen, den deutschen Bewohner Palästinas ein Krankenhaus zu errichten. 1903 konnte der deutsche Konsul ein Areal auf dem Ölberg in Jerusalem kaufen. 1904 erklärte sich die Auguste Viktoria-Stiftung zu Potsdam zur Übernahme der Trägerschaft bereit. 1906 der Firma Gause & Leibnitz die Bauausführung und Otto Hoffmann die Oberbauleitung übertragen. 1910 wurde das Hospital eröffnet. Das Krankenhaus kümmert sich heute um die Versorgung der 4,5 Millionen Palästinenser im Westjordanland und dem Gazastreifen. Das aus Anlass dieser Feier gestiftete Ölbergkreuz war ihm bereits zum letzten Weihnachtsfeste zugegangen.

 

Recherchen über das Privatleben der Familie Hoffmann sind mühsam. Mit etwa 27 Jahren heiratete Otto Hoffmann die Berliner Kaufmannstochter Anna Ranfft. Bekannt ist (bisher), dass aus dieser Ehe die Kinder Ernst, Otto, Paul und Clara stammen.

 

Sohn Ernst (Friedrich Wilhelm Otto) Hoffmann wurde am 13. Januar 1880 in Berlin geboren. Er besuchte das Prinz-Heinrich-Gymnasium in Schöneberg, studierte Philologie, Theologie und Philosophie in Berlin, Heidelberg und Göttingen und promovierte 1905. Ein Jahr später folgte die Heirat mit Dorothea geb. Zürcher (1882-1965). Das Ehepaar zog in das zweite Hoffmannsche Wohnhaus am Friedrich-Wilhelm-Platz. Ab 1907 unterrichtete Ernst Hoffmann am Charlottenburger Mommsen-Gymnasium. Während der Weimarer Republik wurde er 1922 zum Professor der Philosophie an die Universität Heidelberg berufen und zog mit Ehefrau an den Neckar. Als der NS-Staat den Abstammungsnachweis forderte, stellte sich heraus, dass er nicht evangelisch, sondern nach der Rassentheorie jüdischer Mischling war, der von volljüdischen Großeltern abstammte. 1935 wurde ihm die Lehrerlaubnis entzogen. Der Philosophiehistoriker Ernst Hoffmann starb am 28. Januar 1952 in Heidelberg.

 

Tochter Clara: Im Mai 1898 meldete das Standesamt Friedenau unter Eheschließungen: Der Assistent am Kgl. Preußischen meteorologischen Institut zu Berlin Dr. phil. Wilhelm Siegfried Meinardus mit Clara Ida Dorothea Hoffmann, ohne Beruf. Mit der Berufung des Klimatologen Wilhelm Meinardus (1867-1952) zum Professor zog das Ehepaar 1906 zunächst nach Münster und 1920 in die Universitätsstadt Göttingen. 

 

Sohn Otto wurde Bankier, brachte es bis zum Staatsbanksekretär und lebte mit seiner Ehefrau am Friedrich-Wilhelm-Platz, wo die Witwe auch nach seinem Tod 1939 wohnen blieb.

 

Sohn Paul wurde 1888 geboren. Er studierte Medizin. Im Sommer 1911 verkündete das Standesamt Friedenau das Aufgebot für Zahnarzt Paul Hoffmann (hier) und Katharina Kunz, ohne Beruf (Berlin). Für Wohnung und Praxis entstand 1911 das Landhaus Schmargendorfer Straße Nr. 18. 1912 ist er im Adressbuch in der Rubrik Approb. Zahnärzte unter Hoffmann, Paul, Friedrich-Wilhelm-Platz 11, 9-12½, 3-5½ erstmals eingetragen.

 

Erinnert sei an die Idee von Architekt Otto Hoffmann, die auf dem Grundstück Friedrich-Wilhelm-Platz und Schmargendorfer Straße errichtenden Baulichkeiten so anzuordnen, dass die ganze Anlage als eine geschlossene Gruppe von Gebäuden erschien, von denen jedes einzelne Haus bestimmt war, den Eindruck des anderen zu heben. Zugleich beabsichtigte er, die Lage der Wohnhäuser zu einander derart einzurichten, dass dieselben, wenn gewünscht, als ganz selbstständige Grundstücke mit Hofraum und Garten veräußert werden könnten.

 

Dazu kam es nicht. Die Familie Hoffmann blieb sieben Jahrzehnte im Besitz des Anwesens am Friedrich-Wilhelm Platz. Kurz vor dem Tod des Bauherrn Otto Hoffmann ging das Anwesen 1930  an die Hoffmannschen Erben. Bewohnt wurden die Häuser von den Familien des Bankrats Otto Hoffmann und des Zahnarztes Paul Hoffmann, der ab 1943 als Eigentümer des Hauses Schmargendorfer Straße Nr. 19 eingetragen ist  und dort bis 1954 seine Praxis betreibt.

 

Eigentümer der Landhäuser Friedrich-Wilhelm-Platz und Schmargendorfer Straße wurde 1954 bzw. 1967 das Bezirksamt Schöneberg. 1975 sollten die Bauten abgerissen und durch ein neuzeitliches Jugendfreizeitheim ersetzt werden. Das konnte verhindert werden. Die Gebäude wurden restauriert und als Jugendzentrum eröffnet. Die sogenannte Burg mag für Kinder und Jugendliche romantisch sein, ob diese Romantik überhaupt gewürdigt und dem Friedenauer Baudenkmal damit ein Gefallen getan wird, ist eine andere Frage.

 

Bebauungsplan XI-114-1, Schmargendorfer Straße, 1965. BA Schöneberg

Schmargendorfer Straße Nr. 20

 

Mit dem Ausbau von Bundesallee und Schmiljanstraße (bis 1962 Kirchstraße) als Zubringer zur Westtangente wurde das Haus Schmargendorfer Straße Nr. 20 Ecke Schmiljanstraße Nr. 30 abgerissen. Seither endet die Schmargendorfer Straße vor dem Friedrich-Wilhelm-Platz als Sackgasse. Für Wendeschleife und Straßenbegleitgrün wurde das Anwesen der Familie von Architekt Otto Hoffmann Schmargendorfer Straße Nr. 18-19 Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11-12 erheblich reduziert. In der Topographie Friedenau, 2000 heißt es dazu: Durch den Abbruch des Landhauses auf dem Grundstück Schmargendorfer Stra0e Nr. 20 am Friedrich-Wilhelm-Platz für die Aufweitung der Schmiljanstraße in den siebziger Jahren hat das Haus Nr. 21 seine bauliche Einbindung auf der Ostseite verloren, der Giebel steht frei zum Platz.

Eine historische Aufnahme vom Haus Schmargendorfer Straße Nr. 20 war bisher nicht aufzufinden. Erhalten sich einzig im FHXB Museum die Fotografien von Jürgen Henschel. Sie entstanden am 2. Februar 1979 und zeigen die Ecke Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 11 und Schmargendorfer Straße Nr. 18-19 – dokumentieren allerdings mit dem Bebauungsplan von 1965 (PDF) die bis heute unbefriedigende städtebauliche Lösung am zentralen Platz von Friedenau.

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Bebauungsplan XI-114-1 Schmargendorfer Straße, 1965. Quelle BA Schöneberg

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Schmargendorfer Straße Nr. 21. Foto Hahn & Stich, 2019

Schmargendorfer Straße Nr. 21

1893

Entwurf Maurermeister Wilhelm Bröse

Bauherr Oberlehrer Fröhlich

 

Die symmetrische Straßenfassade des viergeschossigen, zwölfachsigen Mietswohnhauses zeigt durch das verputzte Erdgeschoss und die drei Ziegel-Obergeschosse mit den Putzbänderungen und Gurtgesimsen eine horizontale Gliederung; die Fassade erfährt eine vertikale Betonung durch zwei symmetrisch angeordnete Standerker mit Altanen im dritten Obergeschoss. Die Fensterfaschen und -verdachungen sind ebenfalls in weißem Putz ausgeführt. Das durchlaufende dritte Obergeschoss wird von einem kräftigen Konsolgesims abgeschlossen. Auch die Hoffassade ist reich gegliedert und dekoriert. Durch den Abbruch des Landhauses auf dem Grundstück Schmargendorfer Straße 20 am Friedrich-Wilhelm-Platz für die Aufweitung der Schmiljanstraße in den siebziger Jahren hat das Haus Nr. 21 seine bauliche Einbindung auf der Ostseite verloren, der Giebel steht frei zum Platz. Topographie Friedenau, 2000

 

Schmargendorfer Straße 22. Aufnahme 1988. Topographie Friedenau. Links der von Otto Hoffmann 1889 erstellte Bau auf dem Vierfelder-Grundriss, rechts der westliche Anbau von Ing. Wittkop von 1894

Schmargendorfer Straße Nr. 22

1889

Entwurf Otto Hoffmann

Bauherr Prof. Dr. Emil Winkler

Anbau 1894

Bauherr Ing. A. Wittkop

Entwurf Otto Hoffmann

 

Das Haus ist ein ursprünglich eingeschossiges, später aufgestocktes, traufständiges Landhaus auf einem annähernd quadratischen Vierfelder-Grundriss mit Risalit, vorspringendem Erker und Quergiebel. Es ist ein gelber Rohziegelbau mit roten Ziegelbändern und farbig glasiertem Ziegelfries über dem Erdgeschoss.

Topographie Friedenau, 2000.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bereits 1894 wurde das Haus durch einen Anbau im westlichen Bauwich erweitert. Was war geschehen? In Friedenau, wohin Prof. Dr. Emil Winkler vom nächsten Jahre ab seinen Wohnsitz zu verlegen gedachte und wo er sich zur Besichtigung seines im Bau begriffenen Wohnhauses vorübergehend aufhielt, wurde er am 27. August 1888 um die Mittagszeit auf seinem Neubau von einem Gehirnschlag betroffen, der seinem Leben abends halb neun Uhr ein Ziel setzte. Die Nachricht erweckte ungeteilte Trauer. Unmittelbar vor dem Druck platzierte das Centralblatt der Bauverwaltung am 29. August 1888 eine erste Würdigung und ließ am 1. September 1888 einen ausführlichen Bericht folgen: Erst im verflossenen Frühjahre hatte der Heimgegangene sein 25jähriges Jubelfest als Hochschullehrer gefeiert, bei welcher Gelegenheit dem verdienten Gelehrten amtlich und außeramtlich von Berufsgenossen und Schülern zahlreiche Beweise der Anerkennung und Verehrung zu Teil geworden waren. Der Minister der öffentlichen Arbeiten ehrte ihn durch eine besondere Auszeichnung, die Verleihung der ‚Medaille für Verdienste um das Bauwesen‘, und vor wenigen Wochen ward er gelegentlich der 300jährigen Jubelfeier der Universität Bologna seitens der mathematischen Fakultät dieser Hochschule durch Erteilung der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Was Winkler für die Wissenschaft geleistet, was insbesondere die technischen Wissenschaften an ihm verloren haben, das muss einer eingehenden Würdigung vorbehalten bleiben. Geboren war der Verstorbene im Jahre 1835 in Torgau in der Provinz Sachsen; er hat nur ein Alter von 53 Jahren erreicht.

 

Witwe Clara Helene Winkler geb. Crentz zog noch in das von Otto Hoffmann errichtete Haus, damals noch unter der Hausnummer 18. Dann war es genug. 1894 hieß der neue Eigentümer Ingenieur A. Wittkop, der dort 26 Jahre wohnte und das Anwesen 1920 als Ing. a. D. an den Kaufmann G. Goetjes verkaufte.

 

Prof. Dr. Dr. e. h. Emil Winkler

Prof. Dr. Dr. e. h. Emil Winkler (1835-1888)

 

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Nachruf Prof. Dr. Emil Winkler, Centralblatt der Bauverwaltung, 1. September 1888

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Schmargendorfer Straße Nr. 25A, Lorenz-Gymnasium und dahinter Nr. 25. Rechts Nr. 24 Landhaus Dr. Bach. Aufnahme 1906

Schmargendorfer Straße Nr. 24, 24A, 25 & 25A

Lorenz-Lyzeum

 

Noch vor Gründung der Gemeinde Friedenau eröffneten die Schwestern Henriette (1849-1915), Melida (1848-1926), Hedwig (1836-1906) und Franziska (1844-1915) Roenneberg 1873 eine private Töchterschule. Nur zögerlich richtete die Gemeinde 1876 eine I. Gemeindeschule in einem angemieteten Landhaus in der Albestraße ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

1882 erwarb Dr. phil. Carl Lorenz (1851-1914) vom Landerwerb- und Bauverein auf Actien in der damals noch weitgehend unbebauten Schmargendorfer Straße das Grundstück Nr. 25. Nach einem Entwurf von Architekt Max Nagel entstand ein zweigeschossiges, vierachsiges Landhaus auf quadratischem Vierfelder-Grundriss (13x13 Meter). Der kubische Rohziegelbau mit verdecktem Flachdach hinter einer Attika wurde durch ein seitliches Treppenhaus erschlossen. Fast zeitgleich lässt sich der Gymnasiallehrer Helmut Bach auf dem Nachbargrundstück Nr. 24 von Architekt Otto Hoffmann ein eingeschossiges, traufständiges, vierachsiges Landhaus auf einem Vierfelder-Grundriss (11,0 x 9,5 Meter) errichten. Der gelbe Rohziegelbau mit einem Rhombenmuster an den Giebelwänden aus roten Ziegeln weist ein zweigeschossiges Querhaus mit Querdach auf. Der Eingang an der Ostseite erfolgt durch eine Vorlaube aus Holz. In die untere Wohnung zieht Lehrer Helmut Bach ein, oben wohnen die Angehörigen Hauptmann a. D. R. Bach und Major a. D. Th. Bach.

 

Am 25. März 1883 wird im Haus Nr. 25 die private Lorenz’sche Höhere Knabenschule eröffnet – der Anfang des unerfreulichen Friedenauer Schulstreites zwischen Privat- und Gemeindeschulen, an dem Gemeindevorsteher Georg Roenneberg und seine Schwestern von der Roenneberg‘schen Höheren Mädchenschule wohl einen gewissen Anteil haben. Carl Lorenz kam vom Fach, er hatte studiert, hatte es zum Dr. phil. gebracht und war zuvor Lehrer am Dorotheenstädtischen Realgymnasium. Im Gegensatz zu den werkelnden Laien kannte er die behördlichen Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Privatschulen. Während die Gemeinde fortwährend an ihrer Schule in der Albestraße bastelte, zuerst acht, dann 15 Klassen, und dort schließlich 1896 die erste öffentliche Höhere Knabenschule mit drei Vorschulklassen und Sexta eröffnete, plante Carl Lorenz 1900 mit dem Architekten Otto Hoffmann auf dem Grundstück Nr. 25 in zweiter Baulinie das viergeschossige Schulgebäude des Lorenz-Lyzeums mit einer Turnhalle. Der zweibündige Grundriss des Schulgebäudes (16x21 Meter) weist an den beiden Giebeln je ein Treppenhaus und auf jeder Flurseite je drei Klassenzimmer pro Geschoss auf. Da die Gemeinde Friedenau inzwischen eine kommunale Knabenschule hatte, wandelte Lorenz seine Schule in ein Mädchen-Lyzeum um.

 

Nach der Jahrhundertwende und mit Ende der Ära Roenneberg entstehen Gymnasium am Maybachplatz (1903), II. Gemeindeschule Rheingaustraße (1906), Reformrealgymnasium (1910), Königin-Luise-Schule (1911) und III. Gemeindeschule für Knaben und Mädchen Offenbacher Straße (1914).

 

Carl Lorenz starb am 31. Januar 1914 und wurde in der bis heute erhaltenen Erbbegräbnisstätte Abt. 33 (23-24-25) auf dem Friedhof Stubenrauchstraße beigesetzt. Im Der Friedenauer Lokal-Anzeiger erschien ein Nachruf: Unter oft sehr schwierigen Verhältnissen hat er diese Schule zu ihrer heutigen hocherfreulichen Blüte geführt. Mit eiserner Energie und unermüdlich freudiger Hingabe an seinen Lehrer- und Direktorberuf hat er die Schule zu einer der stärkstbesuchtesten Privatschulen von ganz Preußen entwickelt und sich damit unvergessliche Verdienste um unsere Gemeinde erworben. Der Erfolg ist ihm nichts weniger als leicht gemacht worden, und die letzten Jahre mit ihren enorm wachsenden behördlichen Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit der Privatschulen haben ihn einen harten Kampf ums Dasein seiner Schule noch bis in die neuere Zeit hinein bestehen lassen.

 

 

Schmargendorfer Straße Nr. 26

1884 Atelierhaus

Entwurf & Ausführung Wilhelm Kerbs

Bauherr Emil Hallatz

 

Schmargendorfer Straße Nr. 26A (zweite Baulinie)

1902 Mietwohnhaus

Entwurf Otto Hoffmann

Bauherr Ernestine Hallatz

 

Das Haus Schmargendorfer Straße 26 wurde 1884 als Atelierhaus für den Maler Emil Hallatz von Wilhelm Kerbs erbaut. Der zweigeschossige, knappe, würfelförmige Putzbau mit flach geneigtem Pultdach hinter einer Attika war ursprünglich mit einem Zeltdach gedeckt. Das Haus hat einen Vierfelder-Grundriss (13 x 13 Meter) und zeigt an der Straßenseite nach Norden ein großes Atelierfenster mit einem fünf Meter hohen Atelierraum dahinter. Zum Garten hin ist nach Süden eine Veranda mit einem Altan im Obergeschoss angeordnet. Der Zugang zum Haus befindet sich an der Ostseite im Bauwich.

 

Emil Hallatz (1837-1888) studierte an der Berliner Akademie bei Carl Steffeck (1818-1890), der vor allem durch seine Bilder von Pferden und Hunden bekannt wurde. Nach Aufenthalten in Paris und Italien kehrte er zurück und ließ sich in Friedenau nieder. In seinem Atelier entstanden, geprägt von seinem Lehrer Steffeck, vorwiegend Tier- und Landschaftsmalereien. In den Bildbeschreibungen heißt es: Heimkehrende Jagdgesellschaft des 17. Jahrhundert mit Jagdhunden, Blick auf die höher gelegene Burganlage, lockerer, fast impressionistischer Duktus, gekonnte Varianz in den Braun- und Grüntönen, leichtes Dämmerlicht durch aufziehende Bewölkung, gekonnte Tiefenperspektive durch Licht- und Schatten. Bei den Auktionshäusern liegt der Schätzwert für seine Gemälde aktuell zwischen 1.200 € und 3.900 €

 

Emil Hallatz starb 1888 und wurde auf dem Friedhof Stubenrauchstraße bestattet. Nach seinem Tod ließ Witwe Ernestine Hallatz 1902 auf dem Grundstück (Schmargendorfer Straße 26A) in der zweiten Baulinie vom Architekten Otto Hoffmann ein viergeschossiges Zweispänner-Mietwohnhaus bauen. Dieses Gebäude zeigt ähnlich dem Atelierhaus Sockel, Gesimse sowie Fenstergewände, -stürze und -Sohlbänke aus Ziegeln, so dass die Gebäude trotz verschiedener Baukörpergliederung miteinander harmonieren. Ernestine Hallatz geb. Aumann starb 1905 im Alter von 58 Jahren.

 

Obwohl in der Traueranzeige als Hinterbliebene die Familien Hallatz (Friedenau) und Walszok (Zehlendorf) genannt werden, wurde für das Anwesen 1906 erst einmal als Eigentümer eine Administration eingesetzt. Über den Nachlass von Witwe Ernestine Hallatz wurde am 23. Juni 1905 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kaufmann Wilhelm Schultze in Berlin, Am Karlsbad Nr. 14, ist zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 19. August bei dem Gericht anzumelden. Es ist zur Beschlussfassung über die Beibehaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretendenfalls über die im § 132 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 5. September 1905, Vormittags 11 ½ Uhr, Termin anberaumt.

 

Im Wege der Zwangsvollstreckung soll das in Friedenau, Schmargendorfer Straße Nr. 26, belegene, im Grundbuche von Friedenau auf den Namen der Witwe Ernestine Hallatz, geb. Aumann, zu Friedenau, eingetragene Grundstück am 7. November 1905, Mittags 12 Uhr, versteigert werden. Das Grundstück — Hofraum mit Gebäuden und Hausgarten — ist mit 6300 M. Nutzungswert zur Gebäudesteuer veranlagt.

 

Zwangsversteigerungsergebnis. Das Grundstück Schmargendorfer Straße Nr. 26 hierselbst, der Witwe E. Hallatz gehörig. 16,06 Ar groß. Nutzungswert 6300 Mark. Mit dem Gebot von 25570 M. und 105000 M. Hypotheken blieb Wirtschafts-Inspektor R. Nitschke in Kießlingswalde bei Görlitz, Meistbietender. Ab 1907 ist  Kaufmann W. Plambeck Eigentümer.

 

 

Gemälde von Emil Hallatz

 

Schmargendorfer Straße Nr. 32, Embassy of Jamaica. H&S ‎2014

Schmargendorfer Straße Nr. 32

Botschaft von Jamaika (Embassy of Jamaica)

 

Der Inselstaat in der Karibik war Jahrhunderte nur Spielball der Mächtigen. Von 1509 bis 1655 spanische, dann britische Kolonie. Am 6. August 1962 wurde Jamaica unabhängig, sechs Wochen später Mitglied der Vereinten Nationen. Diese Geschichte wird in den staatlichen Symbolen sichtbar. Im Wappen heißt es out of many one people. Die Flagge besteht aus einem Andreaskreuz und farbigen Flächen: Grün für Hoffnung, Gelb für Sonnenlicht und Schwarz für die schwere Vergangenheit – wegen der Armut wohl auch für die Gegenwart.

 

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Jamaica und Deutschland wurden 1967 vereinbart und mit Eröffnung der Botschaft in Godesberg institutionell dokumentiert. Seither werden auch die Länder Tschechien, Heiliger Stuhl, Ungarn, Polen, Russland, Slowakei, Schweiz und die Ukraine von der Vertretung Jamaikas in Deutschland diplomatisch betreut. Im Mai 2000 erfolgte der Umzug nach Berlin in die Schmargendorfer Straße Nr. 32.

 

Das sogenannte Gartenhaus ist Friedenauer Geschichte. Der Kunst- und Bauschlosser Heinrich Klemme erwarb 1888 das Grundstück Schmargendorfer Straße Nr. 25 und ließ 1890 im hinteren Teil ein mehrstöckiges Gebäude für seine Fabrikation für Gitter und Ornamente errichten. Aus Nr. 25 wurde 1910 mit der neuen Nummerierung Nr. 32. Dort konnte der in allen Kreisen unseres Ortes sehr angesehene Bürger am 15. Januar 1909 ein Doppel-Jubiläum feiern. 25 Jahre waren verflossen, seit Herr Fabrikant Heinrich Klemme sich in Friedenau niederließ und hier in der Rheinstraße eine Schlosserei eröffnete. Mit reichem Segen bedacht war die Tatkraft des strebsamen Mannes. Aus dem bescheidenen Anfang entwickelte sich das Geschäft zu einem großen Fabrikbetriebe. Die kleine Werkstatt in der Rheinstraße genügte bald nicht mehr den an das Geschäft gestellten Ansprüchen. Herr Klemme siedelte nach der Schmargendorferstraße. 32 über, kaufte dieses Haus und richtete hier einen größeren Betrieb ein. Bald waren jedoch auch hier die Räume zu klein und es mußte ein Neubau aufgeführt werden. So ist die Kunst- und Bauschlosserei des Jubilars heute in ihrem Fache eine erste und leistungsfähige geworden. Etwa 20 Beamte und 180 Arbeiter sind dort beschäftigt. Herr Klemme ist z. Zt. der höchst besteuerte Bürger unseres Ortes. Klemme Senior und später Klemme Junior sind an der Zeit geblieben: Angefangen hatte es 1894 mit Heinrich Klemme als Vertreter der deutschen Gasglühlicht Gesellschaft. Auf die Fabrikation für Gitter und Ornamente. in den Gründerjahren folgten während der Wirtschaftskrise die Schlosserei und schließlich der Bau von Zentralheizungsanlagen. Das Grundstück blieb bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Besitz der Familie.