Friedenau, 1901

Name seit 1903, vorher Straße 43b, benannt nach Rudolf von Bennigsen (1824-1902), der als Mitgründer des Deutschen Nationalvereins für die Einigung Deutschlands unter Preußens Führung eintrat. Als Vertrauensmann Bismarcks nahm er an den Verhandlungen in Versailles teil. Von 1867 bis 1898 war er Abgeordneter des Norddeutschen Bundes, des Preußischen Abgeordnetenhauses und des Deutschen Reichstages. 1897 wurde er Mitglied des Preußischen Staatsrates.

 

Mit dem Erlass von Kaiser Wilhelm I. – verbunden mit einer vagen Beschreibung der Grenzen – konnte am 9. November 1874 die Landgemeinde unter dem Namen Friedenau offiziell begründet werden. So verlief zwischen dem Bahndamm der Ringbahn und der Schmargendorfer Straße die Grenze zwischen den Gemarkungen von Friedenau und Schöneberg. Nachdem sich in einem ersten Schritt der Friedenauer Landerwerb- und Bauverein auf Actien und die Schöneberger Terrainbesitzer über den Verlauf der Gemarkungsgrenze geeinigt hatten, erhielt die bisherige Grenzstraße 1875 den Namen Lauterstraße.

 

Gewonnen war nichts, da sich Eigentümer und Bauherren nicht um die Gemarkungsgrenzen scherten. Obwohl 1903 die Fregestraße als Grenze zwischen den Gemarkungen Friedenau und Schöneberg amtlich festgelegt wurde, gehörten zur Bennigsenstraße (ab 1903, vorher Straße 43b) die Häuser der Kopfbauten Nr. 1 & Nr 2 sowie Nr. 26 & 27 zu Friedenau und die Häuser Nr. 3 bis 25 zu Schöneberg. In der Hähnelstraße (ab 1892, vorher Straße 43a) gehörten die Häuser der Kopfbauten Nr. 1 & 2 sowie 19 & 20 bis 1940 zu Friedenau, und die Häuser Nr. 3 bis 20 zu Schöneberg. Noch komplizierter war es mit der Stierstraße (ab 1901). Bis 1940 gehörte die Straße zu Schöneberg. Ab 1940 zählten die Häuser Nr. 9 bis 21 zu Friedenau. Erst Mitte der 1950er Jahre kam die ganze Straße zum Ortsteil Friedenau.

 

 

 

Dieser Wirrwarr beschäftigt aktuell im Jahr 2024 die Eigentümergemeinschaft von Bennigsenstraße Nr. 26. Das Haus hatte der Dachdeckermeister Rudolf Gutsche als Eigentümer und Bauherr 1909 errichten lassen. Am 20. Oktober 1909 berichtete der Friedenauer Lokal-Anzeiger von der Erteilung einer Vollmacht zur Auflassung von Straßenland. Die nördliche Hälfte des Straßenlandes zur Bennigsenstraße ist noch nicht an die Gemeinde aufgelassen worden. Der jetzige Eigentümer, Herr Dachdeckermeister Gutsche, hat sich mit der Übereignung einverstanden erklärt. Wir ersuchen daher die Gemeindevertretung, dem Obersekretär Borck Vollmacht zur Entgegennahme der Auflassung erteilen zu wollen. Das Straßenland trägt die Grundbuchzeichnung Band XXVIII Blatt 1301 Parzelle Nr. 2942/50, Größe 398 Quadratmeter.

 

Rudolf Gutsche verstarb 1915. Bis 1927 blieb das Anwesen im Besitz von Witwe Henriette Gutsche bzw. den Gutsche’schen Erben. Als Eigentümer folgten 1923 die Feinbau Maschinen AG, 1929 Rechtsanwalt Dr. K. Magnus und schließlich die Eigentümergemeinschaft. Im Zusammenhang mit den Bauten Friedenauer Höhe und der beabsichtigten Öffnung der Lauterstraße hinauf zum Bahndamm stolperten die heutigen Wohnungseigentümer in ihrem Grundbuch über eine Merkwürdigkeit. Demnach sind unsere Vorgärten zu irgendeinem unbestimmten Zeitpunkt des Verkaufes nicht übertragen worden und so stehen diese Flächen im Grundbuch eingetragen unter dem Namen ‚Gutsche, Dachdeckermeister‘. Eine Klärung steht an.

 

Blick in die Bennigsenstraße vor 1905. Archiv Rüdiger Barasch
Blick in die Bennigsenstraße nach 1910. Archiv Rüdiger Barasch
Klaus-Dietrich Foelz 1950-2023

Bennigsenstraße Nr. 3

Klaus-Dietrich Foelz (1950-2023)

 

Wie oft mussten wir ihn rufen, weil die Heizkörper bei uns in der Stierstraße kalt blieben, wie oft saß er dann nach getaner Arbeit mit Kaffee und Zigarette in unserer Küche und kam ins Plaudern, über Gott und die Welt, aber immer auch über sein Herzensprojekt am Kilimanjaro in Tansania. Regelmäßig zog es ihn und seine Mitstreiter aus der Kirchengemeinde Zum Guten Hirten dorthin. Sie legten Brunnen an, bauten Werkstätten, Toilettenhaus, Schulräume und schufen Strukturen für eine existenzsichernde Ausbildung der Jugendlichen.

 

Herr Foelz, so sprachen wir ihn stets an, hatte sein Büro im Souterrain der Bennigsenstraße Nr. 3. Foelz & Mainzer – Heizung und Sanitär, das war für uns über all die Jahre keine Firma, das war immer Herr Foelz, eine Persönlichkeit, ein Patron im besten Sinne, der seinen jungen Monteuren eine Perspektive gab und sie von seinen Erfahrungen und fachlichen Qualitäten profitieren ließ. Eben ein echter Meister seines Fachs.

 

Als wir auf dem Friedhof an der Stubenrauchstraße das Grab von Pfarrer Paul Vetter (1869-1938) entdeckten und die Inschrift lasen, dass er 42 Jahre evangelischer Pfarrer war, davon 28 Jahre in Friedenau, fragten wir uns, warum die Kirchengemeinde Zum Guten Hirten nichts gegen diesen unwürdigen verwahrlosten Zustand unternimmt – sogar das Grabkreuz war irgendwann gestohlen, aber nie ersetzt worden.

 

 

 

Nun erfuhren wir, dass Paul Vetter in den nationalsozialistischen Jahren übelsten Anfeindungen ausgesetzt war. Zum Eklat kam es im Sommer 1935. Die drei deutsch-christlichen Pfarrerkollegen der Friedenauer Kirchengemeinde lehnten die Taufe des Kindes einer Witwe aus sogenannter Mischehe ab, da sie das Begehren mit dem Nachweis der arischen Abstammung verbanden. Pfarrer Paul Vetter vollzog die Taufe und wurde im Gemeindeblatt namentlich angegriffen. Für die Feier zu seinem 25jährigen Gemeindejubiläum wurde ihm der Gemeindesaal verweigert.

 

Herr Foelz hörte sich unsere kritischen Schilderungen über die Kirchengemeinde Zum Guten Hirten in Ruhe an. Erst jetzt erfuhren wir von ihm, dass er seit ewigen Zeiten Mitglied der Kirchengemeinde Zum Guten Hirten ist, dass er der Christlichen Jungenschaft verbunden und die Kirchentage tatkräftigt unterstützt. Schließlich fragte er nur noch, was kostet es, den Grabstein wieder zu vervollständigen. Er bat um ein Kostenangebot des Steinmetzmeisters. Kurze Zeit später hatte er alles geklärt. Zum 150. Geburtstag von Paul Vetter konnte das schwarze Granit-Kreuz mit der Inschrift Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn wieder aufgestellt werden. Das war Klaus-Dietrich Foelz. Nun ist er mit 73 Jahren verstorben. Wir vermissen ihn. Peter Hahn und Jürgen Stich

 

 

Predigt von Superintendent Martin Kirchner zur Trauerfeier für Klaus-Dietrich Foelz

am 29. März 2023 in der Kirche Zum Guten Hirten, Berlin Friedenau

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Abschied von Klaus-Dietrich Foelz

Nachruf im Blog der Kirchengemeinde Zum Guten Hirten

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Bennigsenstraße Nr. 4, 1930er Jahre. Archiv Thärichen

Bennigsenstraße Nr. 4

 

1865 Grundstückseigentümer Maurermeister Heinrich Lehmann aus der Hähnelstraße Nr. 16 und Steinmetzmeister August Nitze aus der Friedenauer Straße Nr. 42 (später Hauptstraße). Die heutigen Grundstücke Nr. 3-32 gehörten bis 1906 zur Gemarkung Schöneberg. Baugesellschaft Warthestraße, Sitz Neue Friedrichstraße Nr. 76

 

Am 16. April 2017 erhielten wir aus dem Oberbayerischen folgende E-Mail: Ich arbeite seit einigen Monaten an einer Familienchronik für meine beiden Töchter. Ich habe nun mit großen Freude Ihr Buch „Friedenau - Geschichte & Geschichten“ gelesen und ich bin begeistert, zumal die Bennigsenstraße darin vorkommt. Ich bin Jahrgang 1943 und in der Bennigsenstraße 4 aufgewachsen, in der Albestraße zur Schule gegangen und habe 1962 an der Rheingauschule mein Abitur gemacht. An das in Ihrem Buch erwähnte Fabrikgebäude der Firma Thom kann ich mich noch gut erinnern.

Das Haus Bennigsenstraße Nr. 4 hat mein Großvater, der Böttchermeister Friedrich Hermann Thärichen am 8. September 1906 für 116.000 Mark käuflich erworben. Verkäufer waren Frieda und Gertrud Haack, Töchter des Töpfermeisters Wilhelm Haack. Aus dem Grundbuch gehen als Vorbesitzer oder Erbauer noch ein Maurermeister Heinrich Lehmann, Hähnelstraße Nr. 16, und ein Steinmetzmeister August Nitze, Friedenauer Straße Nr. 42 oder 48 hervor. (Lehmann und Nitze waren bereits seit 1865 Besitzer). Ebenso wird eine Baugesellschaft Wartestraße, Neue Friedrichstraße Nr. 76, erwähnt.

Meine Großmutter Auguste Luise Thärichen hat in der Bennigsenstraße 4 im Erdgeschoss links nach dem Tod ihres Mannes im Oktober 1909 - vielleicht auch schon vorher - eine Vorkosthandlung betrieben, wie lange weiß ich nicht, aber an die Lagerräume unter der Wohnung im Erdgeschoss kann ich mich noch erinnern.

 

Zum Grundstück Bennigsenstraße Nr. 4 stellte uns Herr Thärichen folgende Informationen zur Verfügung: Kauf am 8. September 1906. Durchgeführt beim Notar Sprenkmann. Verkäufer: Frieda Haack. Gertrud Haack, minderjährig, vertreten durch den Vater Töpfermeister Wilhelm Haack. Käufer: Hermann Thärichen, Böttchermeister. Kaufpreis: 116.000,- Mark. Finanzierung: 110.000,- Mark übernommene Hypotheken; 1.000,- Mark Barzahlung; 5.000,- Mark abgetretene Hypothekenforderung auf Grundstück Oranienburg Band II Nr. 845; Im Grundbuch eingetragene Forderungen: 29.000,- Mark Kaufgeld für Maurermeister Heinrich Lehmann undSteinmetzmeister August Nitze zu gleichen Teilen 87.000,- Mark für die Baugesellschaft Warthestraße.

 

 

Tod von Hermann Thärichen am 05.10.1909. Umschreibung auf Louise Thärichen geb. Göhle am 29.11.1915; 14.05.1929 Umstellung der Hypotheken; als Folge der Inflation von 1923 wurden die Hypotheken neu bewertet: alt 29.000,-/neu 7.250,- Mark; alt 71.000,-/neu 17.750,- Mark = alt 100.000,- /neu 25.000,- Mark. Darlehen eines Mieters (Gustav Heckendorf) am 08.07.1930 über 3000,- Mark. Öffentliches Darlehen der Stadt Berlin am 06.06.1934 über 3000,- Mark. Tod von Louise Thärichen am 20.04.1945. Erbauseinandersetzungsvertrag der fünf Geschwister am 02.03.1948. Verkauf des Anteils von Bernhard Thärichen am 14.05.1953. Er verkauft seinen Anteil von 1/5 für 2.500,- DM an Horst Thärichen, den Sohn von Walter Thärichen. Dieser übernimmt auch die auf dem Anteil liegenden Hypothekenlasten. Verkauf an Installateurmeister Martius am 17.02.1966.

 

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Kaufvertrag von 1906. Bennigsenstraße 4. Archiv Thärichen

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Auszug aus dem Grundbuch von 1906. Bennigsenstraße 4. Archiv Thärichen

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Bennigsenstraße Nr. 4 am 23.04.2019. Foto Hahn & Stich

HIER ENTSTEHEN EIGENTUMSWOHNUNGEN

… und Mietwohnungen werden vernichtet!

 

Die Firma Irith Nehls Immobilien mit Sitz in der Babelsberger Straße Nr. 6 in 10715 Berlin hätte auf ihre Plakataktion am Haus Bennigsenstraße Nr. 4 lieber verzichten sollen. Das überdimensionierte Transparent vor dem Fenster der inzwischen leergezogenen Erdgeschosswohnung mit der in Versalien gehaltenen Aufschrift HIER ENTSTEHEN EIGENTUMSWOHNUNGEN ist eine Provokation. Nur Tage später wurde der Text handschriftlich ergänzt: … und Mietwohnungen werden vernichtet!

 

Noch ist es in Friedenau nicht so weit wie in Friedrichshain und Kreuzberg, wo Menschen über Mietenwahnsinn, Wohnungsnot und Verdrängung zu einer längst überfälligen Mobilisierung gefunden haben, und Politiker vor dem 1. Mai aus Angst vor gewaltsamen Auseinandersetzungen kurz vor der Räumung doch den Immobilien-Investor beispielsweise das Haus Liebigstraße Nr. 34 schnell noch vom Land Berlin kaufen lassen wollen.

 

Das rot-grüne Schöneberg hat noch nicht registriert, dass sich auch in Friedenau ein Unmut der Anwohner auftut. Schon wird diskutiert, ob Friedenau eine neue Bürgerinitiative mit einem Verkehrskonzept, Einbahnstraßen, mehr Spielstraßen, 30-15-KM-Begrenzungen, Durchfahrtsverbote, Umleitungen braucht. Befürchtet wird ein Desaster für alle Anwohner. Werden wir ein Masseneinfallstor für die Friedenauer Höhe? Bereits jetzt gibt es stetig steigende Zahlen von Autos und LKWs, die den Kiez als Abkürzung nutzen (Bundesallee/Wexstraße/Hauptstraße, bereits jetzt ein großes Ärgernis.

 

 

Bezirksbürgermeisterin Schöttler (SPD) bevorzugt derzeit Reisen in Begleitung: Oktober 2018 nach Nahariya mit Kühnemann (SPD), Zander-Rade (GRÜNE), Steuckardt (CDU), März 2019 Charenton-le-Pont mit Böltes (SPD), Heiß (GRÜNE), Lipper (FDP), Sielaff (CDU), Rutsch (DIE LINKE) sowie Fechner und Schuster und April 2019 nach Luckenwalde – oder sie eröffnet ein Nachbarschaftsfest vor dem Rathaus Schöneberg mit tollen Acts und dem Hinweis, dass es eine aktive Nachbarschaft gibt, die vom Engagement der Menschen lebt. Wer hat ihr nur den Text geschrieben?

 

Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Jörn Oltmann (GRÜNE) liefert derweil Zahlen über die Entwicklung der Baulandpreise (13.03.2019): Zum Siedlungsgebiet um den Friedrich-Wilhelm-Platz (allgemeines Wohngebiet W, Geschossflächenzahl GFZ 2,0) teilt er mit: Der Preisanstieg liegt bei rund 430 % (gegenüber 2018 bei rund 25 %). Die Tabelle der Bodenrichtwerte (BRW) zeigt auf: BRW 2014 = 720 €; BRW 2015 = 850 €; BRW 2016 = 1200 €; BRW 2017 = 2100 €;BRW 2018 = 3000 €; BRW 2019 = 3800 €.

 

Dazu sein Kommentar: Die Entwicklung ist nach wie vor besorgniserregend, weil sich immer weniger Menschen diese hohen Preise leisten können. Deshalb ist unsere Strategie richtig für Neubau zu sorgen und andererseits bezahlbaren Wohnraum durch soziale Erhaltungsgebiete zu schützen. Für ein gemeinwohlorientiertes Wohnungswesen könnte die Bundesregierung wesentlich mehr machen und erreichen. Er schiebt den Schwarzen Peter von sich und lässt von seinen Fachbereichen Stadtplanung, Bauaufsicht, Denkmalschutz, Vermessung, Geoinformation und Quartiersmanagement in der Bennigsenstraße Nr. 4 die Umwandlung von 17 Mietwohnungen in 17 Eigentumswohnungen genehmigen.

 

Irith Nehls Immobilien freut es. Das Geschäft läuft. Aus ihren Referenzen geht hervor, dass über das Büro Begasstr. 6 (Mehrfamilienhaus in zentraler Lage), Bornstr. 10 (Mehrfamilienhaus in attraktivem Kiez), Bundesallee 61 (Wohnen und Gewerbe am Bundesplatz), Görresstr. 30 (Eckhaus in beliebtem Kiez), Hauptstr. 65 (Repräsentatives Bürohochhaus), Homuthstr. 6 & 6A (Mehrfamilienhäuser in Familienkiez), Mainauer Str. 7 (Schönes Eckhaus mit gewerblicher Nutzung), Schwalbacher Str. 2 (Mehrfamilienhaus in ruhiger Lage), Südwestkorso 70 (Wunderschön saniertes großes Eckhaus) und Südwestkorso 77 (Mehrfamilienhaus mit Gewerbeeinheiten) abgewickelt wurden.

 

Das rot-grüne Bezirksamt von Tempelhof-Schöneberg sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass 54,4 Prozent der Deutschen zur Miete leben. Eine aktuelle Analyse stellt fest, dass dies so bleibt, trotz vielfältiger Finanzierungsmöglichkeiten, niedriger Zinsen und einer insgesamt guten wirtschaftlichen Lage der meisten Bürger. Dafür seien deutsche Wohnunterkünfte bei nationalen und internationalen Investoren zunehmend beliebt. Ausschlaggebend seien die positiven ökonomischen Perspektiven in Deutschland im allgemeinen, die günstigen Aussichten für den Wohnungsmarkt und eine zunehmende Konzentration auf die prosperierenden Städte wie Berlin, wo die Preise in einem Jahr um fast um fast zehn Prozent zulegten. Der Quadratmeter kostet dort durchschnittlich 3.510 Euro. In Deutschland braucht es 4,7 Bruttojahresgehälter, um eine neue Wohnung mit 70 Quadratmetern Wohnfläche zu finanzieren.

 

Bennigsenstraße 7. Foto Hahn & Stich, 2022

Bennigsenstraße Nr. 7

 

Die Grundstücke Bennigsenstraße Nr. 6-11 waren bis 1911 im Besitz der Nutzholzhandlung Cassirer & Söhne. Im Juni 1911 wurde Baumeister Adolf Blank, Inhaber eines Baugeschäfts am Bayerischen Platz 2, die Bauerlaubnis für den Neubau eines Wohngebäudes auf dem Grundstück Bennigsenstraße Nr. 7 erteilt.

 

Kaum waren die 15 Mieter in das Vorderhaus und die beiden Seitenflügel eingezogen, wurde in der Bennigsenstraße Nr. 7 Anfang April 1912 in aller Frühe der Bauunternehmer Alfred Wilk aus Schöneberg in der Wohnung seiner Geliebten von der Polizei aus dem Bett heraus wegen Bauschwindels verhaftet und nach Moabit gebracht.

 

 

 

 

 

Der Friedenauer-Lokal-Anzeiger recherchierte und veröffentlichte am 2. April 1912 Details: Er besaß keinen Pfennig, verstand es aber doch, Bauterrains zu erwerben und auf diese große Summen als Baugeld aufzunehmen. Natürlich hatte er gar nicht die Absicht, die Terrains zu bebauen, ihm kam es nur darauf an, die Baugelder zu erschwindeln. Bei diesen Schwindelmanövern soll er sich auch gefälschter Urkunden bedient haben. Wilk soll kostspielige Beziehungen zur weiblichen Lebewelt unterhalten haben und dadurch auf die schiefe Ebene gedrängt worden sein. Die Zahl seiner Opfer ist eine sehr große. Die erschwindelte Bausumme beträgt mehr als 100.000 M. Über die Verhaftung erfahren wir noch folgendes: Wilk, ein erst 24 Jahre alter Russe, spielte mit dem erschwindelten Gelde hier den Lebemann, hielt sich ein Rennpferd und war auf allen Rennplätzen ständiger Besucher. Er hatte noble und kostspielige Passionen. Seiner Geliebten hatte er eine Wohnungseinrichtung von 15.000 M. gekauft. Wilk war in letzter Zeit der Boden in Berlin zu heiß geworden, und er entschloss sich zu einer Reise ins Ausland. Seine Gläubiger hatten hiervon aber Wind bekommen und erwirkten einen Haftbefehl. Bei seinen Schiebungen soll er Helfershelfer gehabt haben. Gegen diese dürfte gleichfalls vorgegangen werden.

 

Das Anwesen ging 1915 in den Besitz von Braumeister W. Hinzpeter. Es folgten die Eigentümer E. Behar (1930) und E. Medzeg (1940). Nach dem Zweiten Weltkrieg verliert sich die Spur. Heute existiert am Haus Bennigsenstraße Nr. 7 Portal I und Portal II.

Bennigsenstraße 8. Foto Hahn & Stich, 2022

Bennigsenstraße Nr. 8

 

Eigentlich hatten wir einen eigenständigen Beitrag zur Bennigsenstraße Nr. 8 nicht vor, da weder orts- noch architekturhistorische Besonderheiten zu erkennen sind. In der Bennigsenstraße geschah das, was in Friedenau gängig war: Grundstücksspekuation, Bauerlaubnis, Zwangsvollstreckung. Dazu ein kurzer Überblick:

15.2.1911: Genehmigter Neubau für das Wohngebäude Bennigsenstraße 10. Bauherr Klempnermeister Karl Leske. Bauausführung Georg Mais.

28.6.1911: Erteilte Bauerlaubnis für den Neubau des Wohngebäudes Bennigsenstraße 8. Bauherr: Maurermeister Wilhelm Petruschke, Schmargendorfer Straße 11. Bauausführender derselbe.

22.7.1912: Zwangsversteigerung Bennigsenstraße 8, dem Bauunternehmer Wilhelm Petruschke, Bennigsenstraße 11, gehörig. Fläche 9,66 Ar. Nutzungswert nicht vermerkt. Mit dem Gebot von 78.000 M. bar und Übernahme von 72 000 M. Hypotheken blieb der Rentier Ernst Bütow in Berlin-Steglitz, Schloßstraße 111, Meistbietender.

 

 

 

21.8.1912: Zwangsversteigerung Bennigsenstraße 9, dem Klempnermeister Karl Leske, im selben Hause, gehörig. Fläche 9 Ar. Nutzungswert 10.800 M. Mit dem Gebot von 180.000 Mark bar blieben die Kaufleute Salo und Eduard Cassirer in Berlin, Eislebener Str. 2, gleichberechtigt, Meistbietende. 1913 waren die Mietwohnhäuser Nr. 8 bis Nr. 11 errichtet und jeweils von 14 bis 16 Mietparteien bezogen. Nachdem zwischendurch im Adreßbuch für Nr. 8 eine Administration aufgeführt wurde, gingen die Häuser Nr. 8 und Nr. 9 in Besitz von Cassirer & Söhne. Nr. 10 erwarb der Berliner Kaufmann O. Köhlert, Nr. 11 ging an den Magistratsingenieur J. Grimm. 1930 übernehmen die Cassirer’schen Erben den Besitz. 1937 wird eine Frau von Caprivi als Eigentümerin aufgeführt. 1940 ist es F. von Schweinitz (Schlesien). So bleibt es bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Danach verliert sich die Spur.

 

Interessant wurde die Bennigsenstraße Nr. 8 am 22. Februar 2020, als die Friedenauer Initiative einen Stolperstein für Max Abraham verlegen ließ. In das Haus war 1935 der Regierungsinspektor Stiebel eingezogen. Nach dem Tod ihres Ehemannes vermietete Witwe Stiebel ein möbliertes Zimmer an den ledigen Einkäufer Max Abraham. Nachdem er am 29. April 1942 eine Vermögenserklärung ausgefüllt hatte, kam er am 15. Oktober 1942 in das KZ Theresienstadt. Anfang 1945 kam Hoffnung auf, als es dem Internationalen Roten Kreuz im Februar gelang, 1200 Juden in die Schweiz und im April dänische Juden nach Schweden zu bringen. Am 9. Mai 1945 übernahm die Rote Armee das Lager. Die letzten Inhaftierten mussten bis zum 17. August in Theresienstadt bleiben, darunter Max Abraham. Am 26. September 1945 kam er im DP-Lager Deggendorf an. Wieder Hoffnung.

 

Erst am 11. Mai 1946 machte sich die SS Marine Flasher als erstes Schiff mit 867 Passagieren auf die Reise von Bremerhaven nach New York. An Bord 70 Waisenkinder, deren Eltern von den Nazis ermordet wurden und nach Anweisung von Präsident Truman vorrangig Einwanderungsvisa erhielten, 343 Passagiere, die Mehrheit davon Juden, die ihre Visa im Rahmen der polnischen Quote erhalten hatten, 218 aus Deutschland; 45 aus Lettland; 31 aus Sowjetrussland; 30 aus Ungarn; 22 aus Jugoslawien; 27 aus der Tschechoslowakei und 17 aus Rumänien.

 

Am 14. Mai 1946 startete die SS Marine Perch von Bremen nach New York, unter den Passagieren Max Abraham. Er wird von jener Organisation empfangen, die vor seinem Reiseantritt eine eidesstattliche Erklärung abgeben musste und die Überfahrt bezahlt hatte. Einige werden von Verwandten aufgenommen, andere werden in Unterkünfte gebracht, die von den jüdischen Organisationen für sie eingerichtet wurden. An diesem Punkt, wo nach der Ankunft in New York für den 44-Jährigen ein neues Leben beginnt, hört die Recherche der Stolperstein-Aktivisten auf und endet mit dem lapidaren Satz: Über das weitere Schicksal von Max Abraham konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Das ist zu wenig für die ohnehin fragwürdige Verlegung vor dem Haus Bennigsenstraße Nr. 8.

 

Bennigsenstraße 14. Foto Hahn & Stich 2022

Bennigsenstraße Nr. 14

 

Vor über zwei Jahrzehnten hat sich das Landesdenkmalamt Berlin (LDA) mit der Topographie Friedenau (2000) beschäftigt, und hielt in der Bennigsenstraße Nr. 23-24 einzig die Thom’sche Fabrik für denkmalwürdig. Der städtebauliche Umbruch Friedenaus von der Landhauskolonie zur Mietshausbebauung blieb weitgehend verborgen. Erst mit den Protesten zu den Bebaungsplänen Görresstraße 21-23 gelangte das LDA im Mai 2019 zu der Ansicht, dass dieser Ort eine ortsgeschichtliche Bedeutung hat.

 

Der Zustand von Bennigsenstraße Nr. 14 entspricht nicht mehr dem der Bauzeit. Das eingeschossige Haus mit dem Walmdach und der verklinkerten Hofeinfahrt deutet daraufhin, dass der Bau aus der Zeit gefallen ist. Er steht für eine gewerbliche Anlage, deren Geschichte 1909 mit dem Eintrag im Handelsregister Nr. 32791 begann: Firma Adolf Ladeburg, Schöneberg, Inhaber jetzt Kaufmann Wilhelm Bundfuß, Schöneberg. Der Kaufmannn Wilhelm Bundfuß haftet nur für diejenigen im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten, welche in dem von ihm und dem Kaufmann Adolf Ladeburg unterschriebenen Verzeichnis vom 1. Januar 1909 aufgeführt sind.

 

Das Grundstück Bennigsenstraße Nr. 14-15 gehörte dem Kaufmann Wilhelm Bundfuß, auf dem Adolf Ladeburg als Pächter 1909 eine Furagehandlung eröffnete, die Anfang der 1930er Jahre in eine Großhandlung für Landesprodukte umgewandelt wurde. Unterpächter waren die Spedition von J. Schumacher und die Salzgroßhandlung J. Mittag. Von 1938 an war Bundfuß nur noch Eigentümer von Nr. 15. So blieb es bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Danach verliert sich die Spur.

 

Obwohl die Hans Windhoff Apparate- und Maschinenfabrik AG eigentlich in ihrem viergeschossigen Fabrikgebäude in der Bennigsenstraße Nr. 20-22 ausreichend Platz für die Produktion ihrer Kühler hatte, erwarb Windhoff von Wilhelm Bundfuß 1938 das Anwesen Bennigsenstraße Nr. 14. Was dort in den Weltktriegsjahren produziert oder nur gelagert wurde, konnte bisher nicht recherchiert werden. Nach dem Weltkrieg taucht in den Adreßbüchern Nr. 14 nicht mehr auf. Aufgeführt wird nur noch die Hans Windhoff Apparate- und Maschinen-Fabrik AG Bennigsenstraße 20-22, Telefon 83 61 54. Mit dem Abriss der Fabrik 1978/79 endet die Geschichte Windhoff.

 

Über die weitere Geschichte des Anwesens Bennigsenstraße Nr. 14 gibt die Webseite der Constin GmbH Auskunft. Sie betreibt dort seit 1986 einen One-Stop-Shop von der Entwicklung bis zur Produktion. Unsere Schwerpunkte sind Produktdesign und Fertigung von hochwertigen Gehäusen für technische Geräte aus Kunststoff oder Metall. Da wir alle für die Produktentwicklung erforderlichen Leistungen unter einem Dach anbieten, können wir den gesamten Entwicklungsprozess betreuen. Unsere Kunden können mit ihren Ideen kommen und mit einem serienreifen Produkt wieder gehen. Unsere Erfahrungen liegen somit nicht nur im Produktdesign und in der Produktentwicklung, sondern auch in der Konstruktion, im Prototypenbau, Musterbau und in der Produktion. Wir fertigen Kleinserien beispielsweise im Vakuumgussverfahren oder auch über den Werkzeugbau im Spritzgussverfahren. Das klingt nicht schlecht. Wo früher mit Fourage und Salz gehandelt wurde, entsteht heute Produktdesign für Gehäuse. Jetzt wissen wir dass unser Fritz Fon aus der Bennigsenstraße stammt.

 

 

Bennigsenstraße Nr. 21-22

Hans Windhoff AG

 

Es war Zufall, dass wir Fotografien vom Abriss eines Gebäudes der Windhoff Apparate- und Maschinenfabrik AG in der Benningsenstraße vom 28. Dezember 1978 entdeckten. Jürgen Henschel (1923-2012) war Fotograf der Wahrheit, der Tageszeitung der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW), ein umstrittenes und doch auch wachrüttelndes Presseorgan in den Westsektoren. Henschel bezog mit seinen Aufnahmen politisch Position,, dokumentierte Alltag, Entdekorierung der Stuckfassaden, Abriss, Neubau – Stadtveränderungen.

 

Der Name Windhoff führte zum Grundstück Benningsenstraße Nr. 21-22. Gleich nebenan auf Nr. 23 und Nr. 24 war zwischen 1904 und 1907 in zwei kurz aufeinander folgenden Bauabschnitten das viergeschossige, dreizehnachsige Gebäude der Bauklempnerei Paul Thom errichtet worden. Diese Fabrik ist neben den Bauten für die Firma Carl Bamberg und C. P. Goerz der dritte Fabrikbau in Friedenau. So genau nahm es das schon damals zuständige Schöneberger Baubureau nicht. Obwohl die diversen Baupolizeiordnungen für die Vororte von Berlin den Bau von Fabriken nicht gestatteten, konnte der Architekt Peter Vogler die Thom’sche Fabrik in der Bennigsenstraße Nr. 23-24 errichten.

 

In der von Landesdenkmalamt Berlin und Bezirksamt Schöneberg herausgegebenen Topographie Friedenau (2000) wird über einen weiteren Industriebau Bennigsenstraße 21-22, allerdings kein Wort verloren – vielleicht, weil diese Fabrik 1978 ohne ersichtlichen Grund abgerissen und durch einen schlichten sozialen Wohnungsbau ersetzt wurde.

 

 

Werbeplakat der Hans Windhoff AG

Am 29. September 1912 verkündete der Friedenauer Lokal-Anzeiger eine erteilte Baugenehmigung: Bennigsenstraße 20-22. Bauherr Hans Windhoff GmbH. Bauausführender: Architekt Georg Heyer. (Fabrikgebäude). Die Grundstücke waren seit 1908 als Baustelle bzw. Lagerplatz ausgewiesen. Nr. 20 & 21 war Eigentum der Nutzholzhandlung Cassirer & Söhne und Nr. 22 von Dachdeckmaterialhändler Th. Siegert.

 

Zur Geschichte gehört, dass die Lauterstraße die Grenze zwischen den Gemarkungen Friedenau und Schöneberg markierte. Daher gehörten die Häuser Bennigsenstraße Nr. 1 & 2 sowie Nr. 26 & 27 zu Friedenau, die Häuser Nr. 3 bis Nr. 25 zu Schöneberg. Daraus lassen sich für die Gründerzeit der Bennigsenstraße manche Ungereimtheiten zu erteilten Bauerlaubnissen & genehmigten Neubauten erklären. Ab 1940 zählten zu Friedenau Bennigsenstraße Nr. 1-5 und Nr. 23-27, zu Schöneberg Bennigsenstraße Nr. 6-22. Erst Mitte der 1950er Jahre kam die ganze Straße – wie auch das Terrain der sogenannten Friedenauer Höhe auf dem Bahndamm – zum Ortsteil Friedenau.

 

Die Brüder Hans und Fritz Windhoff waren Diplomingenieure. Sie gründeten 1902 im westfälischen Rheine die Motoren- und Fahrzeug-Fabrik GmbH Gebr. Windhoff. 1907 schied Hans Windhoff aus und eröffnte in der Mühlenstraße 8A in Berlin-Schöneberg die Hans Windhoff Apparate- und Maschinenfabrik AG. 1908 erwarb Windhoff die Grundstücke Bennigsenstraße Nr. 21-22 und bat den Architekten Georg Heyer (1880-1949) um einen Entwurf für ein Fabrikgebäude. Sowohl das Foto von 1930 mit Blick auf die Gebäude von Thom (und Windhoff) als auch das Werbeplakat der Hans Windhoff AG dokumentieren viergeschossige Bauten mit annähernd ähnlicher Fassadengestaltung. 1912 war der Bau errichtet und die Firma produzierte die auf Windhoffs Patenten basierenden Kühler für Motoren jeder Art – Hochleistungs-, Normal-Elementen- und Oel-Kühler für Personen-, Last- und Triebwagen sowie Kühler für Lokomotiven, Flugzeuge und Spezialzwecke.

 

 

Anfang der 1920er Jahre entwickelte Windhoff mit seiner Windhoff Motorenbau GmbH ein Zweitaktmotorrad: Beim Avus-Rennen im Mai 1925 gewann Windhoff die ersten beiden Plätze in der Klasse bis 125 cm². Mit 175 cm² gelang ein Doppelsieg. 1927 kam das Windhoff-Motorrad Vierzylinder/750ccm/2,86 Steuer-PS auf den Markt – die gute Gebrauchs- und Touren-Maschine, unverwüstlich mit überlegener Kraftreserve. Die Modelle wurden in Serie gebaut. Dauerhafte Verkaufserfolge blieben aus. 1931 gab Windhoff die Motorradproduktion auf und konzentrierte sich wieder auf die Fertigung von Kühlern. Obwohl Windhoff in seinem geräumigen Fabrikgebäude in der Bennigsenstraße Nr. 21-22 viel Platz hatte, erwarb er 1938 vom Kaufmann Wilhelm Bundfuß das Anwesen Bennigsenstraße Nr. 14. Was dort in den Weltktriegsjahren produziert oder nur gelagert wurde, konnte bisher nicht recherchiert werden. Unbeantwortet bleiben bisher auch die Fragen nach NSDAP, Wehrwirtschaftsführer des nationalsozialistischen Staates oder Zwangsarbeiter.

 

Das Fabrikgebäude in der Bennigsenstraße hat den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überlebt und taucht im ersten Telefonbuch von Berlin (West) 1954 wieder auf: Hans Windhoff AG, Apparate- und Maschinen-Fabrik, Friedenau, Bennigsenstraße 20-22, Telefon 83 61 54 – und produzierte Kühler. Nach der Währungsreform von 1948 und Einführung der Deutschen Mark als Zahlungsmittel gab es im Februar 1952 die ersten Aktien zum Nennwert von 1000 DM der Hans Windorff AG. 1976 wurde die Firma wieder in eine GmbH umgewandelt. Es ist davon auszugehen, dass die Firma nach Umwandlung in eine GmbH noch weiter am Standort Friedenau produzierte. Mit dem Abriss des Gebäudes 1978/79 endet die Geschichte von Hans Windhoff.

 

Georg Heyer, ca. 1935. Sammlung Dieckmann

Georg Heyer (1880-1949)

Architekt und Bauunternehmer

 

Am 29. September 1912 teilte der Friedenauer Lokal-Anzeiger mit, dass dem Bauherrn Hans Windhoff, Gesellschaft m.b.H. die Baugenehmigung für das Fabrikgebäude Bennigsenstraße 21 erteilt wurde und die Bauausführung der Architekt Georg Heyer übernimmt. Georg Heyer hatte 1904 ein eigenes Baugeschäft im aufstrebenden Schöneberg gegründet. Es entstanden Bauten in Wilmersdorf und Schöneberg, von denen der Zweite Weltkrieg nichts gelassen hat. Nach diversen Ortswechseln hatte die Firma Georg Heyer Baugeschäft ihren Sitz ab 1909 in der Schöneberger Hauptstraße 83. Die Gründe, die Hans Windhoff dazu bewegt haben, Entwurf und Bauausführung Georg Heyer zu übertragen, bleiben unklar.

 

Heyers Fabrikbau von 1912/14 in der Bennigsenstraße Nr. 21-22 blieb ein Einzelfall. Danach beschäftigte sich der Architekt und Bauunternehmer ausschließlich mit dem Siedlungsbau. Die Reform des Wohnungsbaus, verbunden mit einer umfassenden Änderung der Boden-, Haus- und Wohnungswirtschaft, blieb zeitlebens sein wichtigstes Anliegen. 1919 gründete er die Gemeinnützige Wohnungsbau AG Luisenhof in Berlin-Reinickendorf. 1920 erwarb er das Gelände einer stillgelegten Ziegelei, initiierte die Freilandsiedlung Gildenhall eGmbH Gildenhall bei Neuruppin und begann mit der Errichtung von Siedlungshäusern. 1930 gründete er die Georg Heyer Baugesellschaft GmbH für den Bau von vier Reihenhäusern auf Grundstücken, die er von der Domäne Dahlem erworben hatte. Immer wieder publizierte er Gedanken zum Wohnungsbau. Mit seinen Vorstellungen zum Kleinhaus für selbstversorgende Bewohner mit geringem Einkommen ist er gescheitert. Das Projekt Ihnestraße in Dahlem brachte den finanziellen Ruin. Die Gesellschaft wurde 1932 liquidiert. Georg Heyer war mittel- und arbeitslos. Nach Kriegsende übergab er dem Berliner Magistrat einen Strukturplan zum Wiederaufbau durch Reihenhaussiedlungen, der abgelehnt, aber für maximal 15.000 RM angekauft werden sollte. Die Gemeinnützige Baugesellschaft Berlin-Heerstraße m.b.H sorgte wohl dafür, dass er in der Eisackstraße Nr. 8 eine Wohnung bekam. Georg Heyer starb 1949 in Berlin.

Thomsche Fabrik um 1930

Bennigsenstraße Nr. 23-24

Baudenkmal Fabrikgebäude & Einfriedung

Entwurf Peter Vogler

1904-1905

 

In der Bennigsenstraße 23-24 errichtete der Architekt Peter Vogler 1904-07 in zwei kurz aufeinander folgenden Bauabschnitten das viergeschossige, dreizehnachsige Gebäude der Bauklempnerei Paul Thom. Diese Firma war 1899 in Berlin gegründet worden und übersiedelte 1904 nach Friedenau in den zuerst fertiggestellten westlichen Bauabschnitt des Fabrikgebäudes. 1907 konnte der zweite Bauabschnitt bezogen werden. Im westlichen Bauteil waren die Bauklempnerei und vermietbare Räume untergebracht, im östlichen die Treib- und Montagewerkstatt sowie die Verwaltung. Das Fabrikgebäude mit einer Grundfläche von 46 x 15 Metern ist als Mischkonstruktion ausgeführt: Die Außenmauern und eine Mittelstützenreihe tragen die Decken (Kappen- und Betondecken).

 

 

Die beiden Bauabschnitte unterscheiden sich in der Straßenfassade auch äußerlich voneinander: Der erste Bauabschnitt mit sechs Achsen zeigt eine strenge, gleichmäßig durch Pfeiler und Fenster gegliederte Fassade, aus der nur die Treppenhausachse am Westgiebel etwas vortritt; der zweite Bauabschnitt mit sieben Achsen ist durch zwei Standerker und eine ungleichmäßigere Befensterung sehr viel unruhiger und malerischer gegliedert. Der eine Erker nimmt die Hofdurchfahrt auf, der andere das zweite Treppenhaus. Hinzu kommt noch die überlebensgroße Skulptur eines Schmieds auf einer Konsole am ersten Obergeschoß vor einem Pfeiler zwischen zwei Fenstern. Die bronzene Skulptur, die die Züge des Firmengründers trägt, wurde von der Firma Thom selbst ausgeführt; sie erscheint in der Achse der Stierstraße und weist schon von weitem auf die Bauklempnerei hin. Topographie Friedenau, 2000

 

Mit der Bau-Polizei-Ordnung von 1887 wurde auch für die Vororte der Bau von Häuser mit einer Höhe von 12 bis 22 Meter erlaubt. Nicht gestattet war der Bau von Mietskasernen, Hinterhöfen und Fabriken. Der Architekt Peter Vogler ging beim Neubau der Bauklempnerei Paul Thom kein Risiko ein. Noch heute ist kaum wahrzunehmen, dass sich hinter der vielfältig gegliederten Sichtziegelfassade eigentlich ein Industriebau verbirgt.

 

Die 1899 gegründete Bauklempnerei Paul Thom war im Geschäft. Ihre ornamentalen Arbeiten in Stahl, Kupfer und Zink waren gefragt, für Kirchen, Staatsbauten, Kasernen, Warenhäuser. Referenzen von Siemens und dem Warenhaus Wertheim in der Leipziger Straße gab es ohnehin. Das großzügig angelegte Industriegebäude in der Bennigsenstraße demonstriert den Erfolg. An die metallene Geschichte erinnert die überlebensgroße und in antikischer Pose herabschauende Skulptur eines Schmieds auf einer Konsole am ersten Obergeschoss. Auf den zweiten Blick werden an der Fassade mit der eingearbeiteten Architekturplastik die in Vergessenheit geratenen klassischen Symbole des Schmiedehandwerks in Erinnerung gerufen: Amboss, Hammer, Zange und Biegegabeln.

 

Eigentümer Thom betrieb eine geschickte Firmenstrategie. In der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg produzierte er den Musterkatalog Metallkonstruktionen mit zahlreichen Abbildungen und Zeichnungen auf ganzseitigen Tafeln, in dem en détail das gesamte Produktionsangebot präsentiert wurde – inklusive gedruckten Konstruktionsplänen für gezogene Rohrsprosse, kittlose Oberlichte, Rinnen, Dachfenster, Luftschächte, Jalousieklappen, Rauch- und Staub-Absaugeleitungen sowie Turmuhrgehäuse für Kirchen und Wohnhäuser.

 

Schon frühzeitig offerierte er Gewerberäume zur Miete, neben Künstlerateliers für Metallbildhauer gab es Produktionsstätten der Firmen Besser & Kämmerer (Elektrotechnische Bedarfsartikel), R. Rendorf, Medizinische Instrumente, Sommer & Runge, Werkstätten für Mechanik, . Deutsche Hartmetall-Werkzeug-Gesellschaft Friedenau, Pharmazeutische Fabrik R. Morsch & Co sowie die Dr. C. Schleußner AG für Photographische Platten, Filme und Papiere, ein chemisches Laboratorium, in dem sich am 13. November 1913 ein schweres Explosionsunglück ereignete, über das die Lokalpresse berichtete:

 

In feuersicheren, den polizeilichen Vorschriften entsprechenden Räumen bewahrt diese Firma den für ihren Betrieb notwendigen Äther und Alkohol in Ballonen auf. Beim Abfüllen von Aether fiel nun ein Ätherballon zu Boden und die entströmenden Äthergase entzündeten sich an einem entfernten Feuer, so daß eine Explosion erfolgte. Hohe Flammen schossen auf, wodurch auch noch andere Ätherballone zur Explosion kamen. Die Schöneberger Feuerwehr wurde herbeigerufen, die das Feuer schnell löschte. Bei der Explosion sind leider auch einige Personen verletzt worden. Besonders der Zustand eines Chemikers der Firma Schleußner ist bedenklich. Außerdem wurden zwei weitere Angestellte dieser Firma und ein Arbeiter der Firma Paul Thom erheblich verletzt. Sämtliche Verletzte fanden Aufnahme im Schöneberger Krankenhaus. Ferner ist noch ein Pferd und ein Hund durch die Flammen versengt worden.

Nachträglich wird uns über das Explosionsunglück noch folgendes berichtet: Der Ätherbehälter platzte in dem für die Aufbewahrung dieser Flüssigkeit bestimmten Raume, der neben einem Stalle liegt, in welchem sich außer dem Kutscher des Geschäfts ein Pferd und ein Hund befanden. Die Äthergase verbreiteten sich über die ganzen Räume, drangen auch ins Freie und entzündeten sich an einem in einer entgegengesetzten Ecke des Hofes stehenden Koksofen. Im gleichen Augenblick schoss eine riesige Stichflamme über den Hof und in das Stallgebäude. Der mit dem Ätherfüllen beschäftigte Chemiker erlitt so schwere Brandwunden, dass er sofort ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Dem Kutscher wurden Bart, Kopfhaar und Augenbrauen abgesengt, außerdem erlitt er Brandwunden an den Händen. Dem Pferd wurde das Fell und der Schweif fast vollständig versengt. Der Hund wurde weniger verletzt. Durch die Explosion entstanden erhebliche Risse im Mauermerk des Gebäudes und es ist immerhin noch von Glück zu sagen, dass das Unglück nicht noch größeren Umfang angenommen hat.

 

Das Haus in der Bennigsenstraße Nr. 23-24 hat inzwischen einige Nachnutzungen erlebt. 1989 zog nach denkmalgerechter Rekonstruktion die Vereinte Versicherung AG  ein. Um dem Mangel an Parkplätzen in Friedenau abzuhelfen, wurde dem neuen Eigentümer auferlegt, im Kellergeschoss  Parklift Garagen einzurichten. Nachdem die Vereinte 1996 von der Allianz übernommen wurde, betrachtete man die mit der Baugenehmigung getroffene Vereinbarung für Parklift Garagen als hinfällig. Dabei blieb es auch nach der Übernahme des Gebäudes durch die Seniorenwohn- und Pflegeanlage Betriebs-GmbH Katharinenhof.

 

Bennigsenstraße 25. Foto Hahn & Stich, 2019

Bennigsenstraße Nr. 25

Chemisches Laboratorium Dr. Kurt Richter GmbH

 

Das Grundstück Bennigsenstraße Nr. 25 war 1907 noch als Baustelle aufgeführt. 1908 hatte Eigentümer C. Otto Nachfolger als Bauherr ein Fabrikgebäude für die Herstellung gelochter Bleche errichten lassen, die alsbald als Fabrik für Heizkörperverkleidungen firmierte. Als Pächter zog die Firma Brünger & Co. mit Geschäftsführer Dr. Franz Statius ein, die mit der Herstellung phothographischer Papiere beschäftigt war. Am 13. Juli 1908 explodierte dort eine Flasche Kollodium. Die Explosion war so heftig, daß mehrere Rabitzwände vollständig zertrümmert waren. Die Schöneberger Feuerwehr war schnell an der Unglücksstelle erschienen. Durch Nachstürzen von Deckenputz wurde der Brandmeister Stiegeldey erheblich an der Nase verletzt. Er mußte ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Die Gefahr für die Fabrik war schnell beseitigt.

 

 

 

 

Das blieb nach unserer Kenntnis bis heute der einzige Unfall, obwohl in den folgenden Jahrzehnten diverse Unternehmen ein- und auszogen. 1930 war es die Graphika GmbH mit Buchdruckmaschinen und die Karder System GmbH mit elektrischen Schreibmaschinen sowie die Polygraphika GmbH für Kartothekeinrichtungen und Graphische Maschinen. 1943 zog die Niederlassung der Deutschen Teer- und Asphalt GmbH Niederlassung Berlin, der Deutsche Acetylenverein e. V. und der Verband für autogene Metallbearbeitung ein. 1965 übernahm die Chemische Laboratorium Dr. Kurt Richter GmbH das Anwesen. Das Unternehmen wurde 1926 in Berlin gegründet, und hat nach eigenen Angaben eine lange Tradition in der Herstellung und Vermarktung biologisch aktiver kosmetischer Wirkstoffe aus natürlichen Rohstoffen zur Haut- und Haarpflege.

 

Was wurde in der Bennigsenstraße Nr. 25 nicht alles für die Pflege von Kopf, Gesicht, Augen, Lippen, Mund, Hand, Haut, Nägel, Fuß, Anti-Aging, Sonnenschutz und Körper entwickelt, für Baby, Frauen und Männer. Auf der Webseite www.clr-berlin.com.de werden die Produkte aufgelistet und detailliert beschrieben. So auch CutiFine CLR – verfeinert die Hautstruktur und den Teint wie mit einem Weichzeichner. Auffällige Hautporen sind ein großes Problem für Verbraucher, insbesondere für diejenigen, die fettige Haut und Mischhaut haben. Mit zunehmender Hautalterung werden auch die Poren der Haut ausgeprägter, daher ist das Thema Hautporen ein neues Ziel der Anti-Aging-Hautpflege für Konsumenten und Kosmetikhersteller gleichermaßen. CutiFine CLR basiert auf einer synergetischen Kombination von Extrakten aus Vaccaria segetalis (Kuhnelke) und Adansonia digitata (Baobab) und ist ein rein natürlicher, sicherer und wirksamer Hautpflegewirkstoff, der den Ursachen für Sichtbarkeit von Poren auf den Grund geht. Er wirkt auf alle wichtigen biologischen Prozesse, die zur Porenvergrößerung führen, reduziert aber auch den Farbkontrast der Poren mit der umgebenden Haut, ein bisher weitgehend übersehenes, aber wesentliches Merkmal. CutiFine CLR ist eine All-in-One-Lösung zur Reduzierung der Sichtbarkeit von Poren.

 

Das liest sich gut. CLR (Chemisches Labor Richter) zeigt formschöne Gläser mit farbigen Flüssigkeiten, benennt diese auch mit firmeninternen Namen, stellt aber den Verbraucher vor die unlösbare Aufgabe, unter welchem Namen das Produkt im Handel zu erwerben ist. Wer setzt die von CLR entwickelten Anti-Aging-Grundstoffe ein und unter welchem Werbelogo werden diese verkauft? Elizabeth Arden, Biotherm, Clinique, Estée Lauder, Helena Rubinstein, Shiseido oder Beiersdorf?

 

Nach über fünf Jahrzehnten geht die Zeit des Chemischen Labors Dr. Richter in der Bennigsenstraße Nr. 25 ihrem Ende entgegen. Seit April 2019 verlagerte die Firma ihren kompletten Laborbetrieb an den neuen Standort in Marienfelde. Verschwinden werden bald auch die Parkverbotsschilder für die LKW-Anleferung, wo zwischen 17 und 7 Uhr noch immer ein Parkplatz zu erhaschen war. Zu erwarten ist wohl, dass das Anwesen demnächst verkauft und die fünf Etagen plus Dachgeschoss in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.

 

Bennigsenstraße 27. Foto Hahn & Stich, 2023

Bennigsenstraße Nr. 27

Ecke Lauterstraße Nr. 40

 

Im Adreßbuch von 1909 erscheint erstmals das Grundstück Lauterstraße Nr. 40 als Lagerplatz, gehört zu Bennigsenstraße Nr. 27. Ein Jahr später ist das Haus Lauterstraße Nr. 40/Ecke Bennigsenstraße Nr. 27 errichtet und von rund zwei Dutzend Mietparteien bezogen. Eigentümer, Bauherr und wohl auch Architekt war der Dachdeckermeister Rudolf Gutsche.

 

113 Jahre später war es für die heutigen Wohnungseigentümer ein Schock, als sie erfahren hatten, dass uns die Vorgärten und Zuwegungen nicht gehören. Herausgefunden hat das ein Miteigentümer, der sich eine Anschlussfinanzierung bei der Bank besorgen wollte, die mit Blick auf die Flurkarte unklare Besitzverhältnisse feststellte. Vom Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg sind danach tatsächlich voneinander abweichende Flurbezeichnungen bestätigt worden. Unklar bleibt, wann dieser Fehler gemacht wurde.

 

Den ausführlichen Beitrag finden Sie unter Lauterstraße Nr. 40.