Werbetafel an der Hauptstraße. Foto Hahn & Stich

Das Jahr 2018

 

Das Jahr 2018 brachte einige Veränderungen. Mit der 1. Perspektivenwerkstatt für die Nachnutzung des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf vom 22. November 2012 war bekannt geworden, dass das 6,5 ha große Gelände die BÖAG Beteiligungs-Aktiengesellschaft Hamburg von der Deutschen Bahn AG erworben hat. Nun aber warf das Bauschild an der Hauptstraße Fragen auf. Für die Bebauung wurden unter dem Titel Friedenauer Höhe Projekt GmbH Berlin von BÖAG und OFB Projektentwicklung GmbH Berlin (HELABA) sechs Firmen mit Sitz Knesebeckstraße Berlin gegründet:

 

FHP Friedenauer Höhe Erste GmbH & Co. KG

FHP Friedenauer Höhe Zweite GmbH & Co. KG

FHP Friedenauer Höhe Dritte GmbH & Co. KG

FHP Friedenauer Höhe Vierte GmbH & Co. KG

FHP Friedenauer Höhe Fünfte GmbH & Co. KG

FHP Friedenauer Höhe Sechste GmbH & Co. KG

 

 

 

 

 

 

Unter den Partnern wurde offensichtlich die Baufläche aufgeteilt. WA 1 bis WA 2 entsteht nach Entwürfen von Grüntuch Ernst Planungsgesellschaft GmbH und WA 5 bis WA 6 nach Entwürfen von Tchoban Voss Architekten GmbH. Für die Baufelder WA 3 und WA 4 gibt es bisher keine Angaben.

 

Die Firmengründungen erfolgten zwischen dem 10.07.2018 und 04.08.2018. Wenige Tage zuvor wurden am 21.06.2018 im Bundesrat „Änderungen zur Grunderwerbsteuer“ diskutiert, in denen es auch um Share Deals ging, jenem Erwerb von Geschäftsanteilen, bei dem die Grunderwerbsteuer (derzeit) noch entfällt.

 

Bei Share Deals, auch Grunderwerbsteuer-Vermeidungsmodell genannt, kaufen Investoren nicht Grundstück und Gebäude, sondern die Anteilsmehrheit eines Unternehmens, d h., aus einer Immobilie wird ein Unternehmen gemacht. Die gesetzlich (noch erlaubte) Regel dabei ist, dass die Transparenz der Transaktion unübersichtlich wird, da der Alteigentümer mit etwas mehr als 95 % 5 Jahre lang (künftig etwas mehr als 90 % 10 Jahre lang) im Grundbuch stehen bleibt, während die restlichen knapp 95 % (künftig knapp 90 %) über verschachtelte GmbH-Unterkonstruktionen wie GmbH & Co. KG im Dunkeln bleiben und sich in Steuerparadiesen verlieren könnten. Es leuchtet ein, dass sich Gesellschaftsanteile anonymer und schneller als Immobilien kaufen und verkaufen lassen, da u.a. auch die Mitteilungs- und Anzeigepflicht der eingebundenen Notare entfällt. Über diese derart angelegte Geldwäsche könnten die Immobilienpreise und folglich auch die Mieten steigen.

 

Das könnte zu einer Befreiung von der Grunderwerbsteuer führen, so dass dem Land Berlin (möglicherweise auch mit Wissen und Unterstützung des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg) Steuern entgehen.

 

Da nach der Verfassung von Berlin (Artikel 28) jeder Mensch das Recht auf angemessenen Wohnraum hat und das Land die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, fördert, musste eine Lösung herbei. Da kam mit Ten Brinke ein bisher völlig Unbekannter ins Spiel: Laut Immobilienzeitung vom 15.11.2018 wurden 245 Mietwohnungen des Wohnungsbauvorhabens Friedenauer Höhe an die städ­tische Wohnungsgesellschaft Howoge verkauft (die sich in den Jahren zuvor partout geweigert hatte, sich beim Bauprojekt zu beteiligen). Verkäufer ist der Projektentwickler Ten Brinke Ten Brinke Group B.V. Niederlande. Die kommunalen Vermieter übernehmen die überwiegend durch Förderung miet­preisgedeckelten Wohnungen nebst Kita schlüsselfertig. Der Wohnungsbau auf dem Bahndamm soll im Frühjahr 2019 starten, allerdings nicht mit den 1255 sonstigen über Immobilienfonds finanzierten, sondern mit den 245 staatlich subventionierten Wohnungen der Howoge. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 

Die OFB (HELABA) investiert gegenwärtig in auffällig großformatige Werbeanzeigen: Was Sie voran­bringt? Partnerschaft. Wer partnerschaftlich orientiert ist, kann Projekten einen kräftigen Extraschub verleihen Das bedeutet, Ihre Ziele und Anforderungen, die wir mit gebündelter Expertise und hochwertigen Finanzprodukten unterstützen, stehen für uns jederzeit im Fokus. So lässt sich das erreichen, was wirklich zählt: in jedem Fahrwasser auf Erfolgskurs zu bleiben. Unsere Kunden und Partner dau­erhaft voranzubringen, dafür stehen wir mit unseren Werten - regional verwurzelt und international verankert.

 

Auf dem 6 ha großen Areal sollen nun 1500 statt ursprünglich 940 Wohnungen entstehen - ein Kunst­stück, das nun von den Berliner Architekturbüros Grüntuch Ernst sowie Tchoban Voss Architekten gefer­tigt wird. Statt Familienwohnungen nun also Karnickelställe, deren Bedarf und Größe sich die Bauher­ren durch eine Studie bestätigen ließen. Bezirksbaustadtrat Jörn Oltmann (GRÜNE), bis zu seiner Wahl 2016 Immobilienhändler, findet die Planungen sehr gut. Kleine Wohnungen werden im Bezirk dringend gebraucht. Verlauten lassen OFB und BÖAG, dass Eigentumswohnungen derzeit nicht angeboten werden, aber längerfristig nicht auszuschließen sind. Sie könnten kommen, wenn ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist.

 

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Resümee

 

In Tempelhof-Schöneberg haben SPD und GRÜNE vor dem Verkauf an die BÖAG dafür gesorgt, dass auf dem ehemaligen Gewerbegebiet Güterbahnhof Wilmersdorf Wohnungen gebaut werden dürfen. Damit ist der Wert des Grundstücks deutlich gestiegen. Im Laufe der Jahre sind wohl Anteile an der Grundstücksgesellschaft weiterverkauft und mit Gewinn versilbert worden. Das genaue Ausmaß ist nicht bekannt, da die Besitzverhältnisse nicht transparent sind. Ein Problem ist dabei, dass das deutsche Baurecht am Grundstück klebt. Das macht die Bodenspekulation für Investoren attraktiv. Abwarten und nichts tun. Haus und Grund in deutschen Großstädten sind seit der Finanzkrise in den Blick des globalen Anlagekapitals geraten. Seitdem müssen Mieter und junge Familien mit Eigentumswunsch nicht mehr nur mit anderen Mietern und Käufern konkurrieren, sondern auch mit Großinvestoren, die sichere Renditen in Zeiten niedriger Zinsen suchen.

 

SPD und GRÜNE von Tempelhof-Schöneberg hätten andere Möglichkeiten gehabt, Grundstücke nicht zum Spekulationsobjekt zu machen, indem die Kommunen einen rechtlich verbindlichen Rahmen vorgeben. Der kann nicht nur vorsehen, dass die Stadt vom Wertzuwachs des Baulands profitiert. Zudem können die Städte mit dem sogenannten Entwicklungsrecht arbeiten und durchsetzen, dass das Recht zu bauen erlischt, wenn der Eigentümer es innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens nicht nutzt. Ein anderes Modell, um Bodenspekulation zu verhindern, ist, dass Kommunen ihr Land nicht verkaufen, sondern in Erbpacht an denjenigen geben, der es bebauen will.

 

SPD und GRÜNE von Tempelhof-Schöneberg haben der Bodenspekulation Tür und Tor geöffnet. Die Folgen zeigen sich bereits jetzt: Wie verlautete, sollen auf dem Gelände zunächst nur die 245 staatlich subventionierten Wohnungen der „Howoge“ gebaut werden. Diese städtische Wohnungsbaugesellschaft hatte überraschenderweise Anteile am Projekt erworben, obwohl sie sich lange Zeit dagegen wehrte. Die anderen, lukrativen Grundstücke bleiben also zunächst unbebaut. Die Preise für das Bauland werden weiter steigen, Anteile daran können damit immer wieder mit Gewinn weiterverkauft werden. Diese Spekulation könnte die Mieten und Wohnungskaufpreise weiter in die Höhe treiben – mit Wissen und Billigung der verantwortlichen Parteien. Der vollmundig verkündete Anspruch, sozialen Wohnungsbau zu forcieren, wird zur Farce – zu einem Feigenblatt für die ganz großen Immobilienspekulanten.

 

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Auf unsere Frage an das Bezirksamt vom 16.07.2018 zum Stand des Baugeschehens auf dem Gelände erhielten wir am 24.07.2018 Antwort von Bezirksstadtrat Jörn Oltmann (GRÜNE): Die bauliche Neuentwicklung auf dem ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf ist ein sehr umfangreiches Projekt – für den Bauherren und den Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Es liegt in der Natur dieser Maßnahme, dass nicht sofort nach der Festsetzung des Bebauungsplans die „fertigen Wohnhäuser“ stehen. Aktuell ist die Verwaltung mit den Bauherrn in der finalen Abstimmung über die Bauanträge, es ist davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen unverzüglich nach Erteilung der Genehmigungen starten werden. Weitergehende Informationen über das laufende Projekt können wir Ihnen aus nachvollziehbaren Gründen des Datenschutzes nicht geben.