Sonntag, 7. Juni 1914

Einweihung Waldfriedhof Friedenau in Gütergotz

 

Die kirchliche Einweihung unseres Waldfriedhofs in Gütergotz hat gestern gelegentlich der ersten Beerdigung stattgefunden. Der Verstorbene war unser langjähriger Mitbürger, Herr Berthold Raabe, der dort unter drei Kiefern den letzten Ruheplatz fand. Unsere kirchlichen Körperschaften waren fast vollständig erschienen. Vom Gemeindevorstand waren die Herren Schöffen Draeger und Wossidlo, von den Gemeindeverordneten die Herren Dreger. Matthies, Meineber, Stöcker und Wermke zugegen. Ferner sahen wir die Herren Gemeindebaurat Altmann, Garteninspektor Stabe und den Leiter des Friedhofsbüros, Herrn Obersekretär Borck. Die Friedhofskapelle war fast bis auf den letzten Platz besetzt. Von dem von unserer Gemeindegärtnerei mit grünen Blattpflanzen und blühenden Lilien herrlich geschmückten Altarraum stand, reich mit Kränzen bedeckt, der Katafalk. Unter Harmoniumbegleitung eröffnete die Gemeinde mit dem Gesange: „Die auf der Erde wallen“ die Einweihungsfeier. Unser 1. Ortsgeistlicher, Herr Pfarrer Görnandt, verlas nach dem Gebet die Schriftstelle Joh. 6, 37-40. Es folgte der Gemeindegesang „Jesus meine Zuversicht“, worauf der geistliche die Weiherede hielt …

 

Der Waldfriedhof Friedenau in Gütergotz wurde am 7. Juni 1914 nachmittags 3 Uhr eröffnet. Zum Anlass genommen wurde die Beerdigung des Bäckermeisters Berthold Raabe aus der Handjerystraße Nr. 16, der am 4. Juni 1914 im 60. Lebensjahr verstorben war. Es war die erste Beisetzung auf der Gütergotzer Anlage. Berthold Raabe war im Alter von 34 Jahren nach Friedenau gekommen. 1893 eröffnete er eine Bäckerei im eigenen Haus in der Handjerystraße Nr. 16. Mit seinem Tod hinterließ er die Witwe Elise und die Kinder Dorothea, Ella und Max. Die Bäckerei wurde danach aufgegeben. Elise Raabe starb am 13. März 1919 und wurde in diesem Grab beigesetzt. Die Inschrift: Berthold Raabe geb. 18. November 1854, gest. 4. Juni 1914; Elise Raabe geb. Schmelzer geb. 6. Februar 1862, gest. 13. März 1919. Die relativ aufwändige Grabstätte, Rückwand mit Ädikula mit kannelierten Säulen und seitlichen Urnen, ist bis heute erhalten. Nach dem Tod von Elise Raabe ging das Haus in der Handjerystraße 1920 an die Raabe’schen Erben. 1921 wurde das Anwesen verkauft. Das Haus hat den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden.

 

In seinem Bericht lobte der Friedenauer Lokal-Anzeiger die stimmungsvolle Anlage, beklagte aber, dass wir so weit mit unseren Toten ziehen müssen. 20 Pf. für eine Person und die einfache Fahrt (30 Pf. für hin und zurück), ist besonders wenn es sich um eine Familie handelt, zu teuer. Kostet doch die Eisenbahnfahrt bis Stahnsdorf bereits 30 Pf. Dritter Klasse für eine Person. Das ergibt also für eine Person hin und zurück 90 Pf. Fahrgeld allein. Nun rechne man mit einer mehrköpfigen Familie, da macht ja schon das Fahrgeld eine schöne Summe aus. Wir glauben aber, die Gemeinde Friedenau hat ein Pflicht dazu, diesen Verkehr noch billiger zu gestalten. Verpflegung muss bei einer solchen Fahrt, die nicht ohne einen vollen Nachmittag Zeit zu gebrauchen, auszuführen ist, aber auch sein.

 

Im Oktober 1915 verkündete das Blatt, dass die große Mehrzahl der Toten an andern Friedhöfen bestattet worden ist, weil der Friedenauer Waldfriedhof wegen seiner weiten Entfernung und ungünstigen Verkehrsverhältnisse bei den Hinterbliebenen wenig beliebt ist. In der Tat wurden für Beerdigungen nun Neuer Zwölf-Apostel-Friedhof, Friedrich Werderschen Kirchhof Bergmannstraße, Friedhof Eythstraße, Matthaikirchhof Großgörschenstraße, Friedhof St. Matthiasgemeinde Mariendorf und Parkfriedhof Groß Lichterfelde gewählt. Die Todesanzeigen des Jahres 1914 für Beisetzungen auf dem Waldfriedhof Friedenau in Gütergotz blieben überschaubar.

 

 

Die kirchliche Einweihung unseres Walfriedhofs, 8. Juni 1914

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