Grab Paul Schuster. Foto Hahn & Stich, 2016

Paul Schuster (1930-2004)

Schriftsteller und Schreiblehrer

 

Weiter voneinander entfernt könnten die Gräber der rumäniendeutschen Schriftsteller Oskar Pastior und Paul Schuster nicht liegen – Schuster gleich hinter dem Eingangstor rechts auf dem Weg zur Kapelle (Abt. 6-33), Pastior im Gräberfeld (Abt. 34-1). Vorzuwerfen hatten sie sich einiges, der eine, Pastior, war unter dem Decknamen Otto Stein IM des rumänischen Geheimdienstes Securitate, was er auch gegenüber seiner Vertrauten Herta Müller verschwiegen hatte, der andere, Schuster, hatte während seiner Bukarester Zeit engen Kontakt mit dem rumänischen Diktator Nicolae Ceaușescu. Als solcher konnte er, was heute geflissentlich von den exilierten Rumäniendeutschen verschwiegen wird, den damals aufbegehrenden Schriftstellern der Aktionsgruppe Banat mitunter zur Seite zu stehen.

 

Paul Schuster entstammt der rumäniendeutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen. Er wurde 1930 in Hermannstadt geboren. Nach dem Abitur zog er 1949 nach Bukarest, wurde Lehrer, später Mitarbeiter der Tageszeitung Neuer Weg und der Zeitschrift Neue Literatur. Ab Mitte der 1950er Jahre veröffentlichte er eigene Prosatexte in deutscher Sprache. 1971 kam Schuster zu einer Lesung nach München und blieb in Deutschland. Damit folgte er Oskar Pastior, der bereits 1968 nach West-Berlin zog. 1975 folgten ihm die Aktionisten Albert Bohn, Anton Sterbling und Ernest Wichner, 1980 Gerhard Ortinau, 1985 Rolf Bossert und schließlich 1987 Johann Lippet, Herta Müller, William Totok und Richard Wagner.

 

In Deutschland mussten die Autoren erfahren, dass ihre Schreiberei hier nicht gefragt war – Herta Müller bis zur Nobelpreisvergabe 2009 eingeschlossen. Die antrainierten subversiven Texte konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie vom siebenbürgischen Nationalsozialismus und rumänischen Ceaușescu-Regime nicht wegkamen. Statt darüber nachzudenken, nutzten die Exilanten ihre Lesungen vorrangig zur Kritik an nicht anwesende Kollegen – das rief die anderen auf den Plan: Für Carl Gibson ist die Aktionsgruppe Banat ohne Aktion, für Mircea Dinescu war es eine kleine Pelikankolonie, weit weg und für Dieter Schlesak waren es Luxusdissidenten der Tauwetterzeit Ceauşescus. Über die Rolle des Schriftstellers in der Gesellschaft ging es nicht mehr, auch nicht in den schrecklichen Jahren der Balkankriege, für die in Deutschland gerade von jenen Autoren Antworten erwartet wurden.

 

Paul Schuster, so ist zu lesen, gehörte zu den produktivsten rumäniendeutschen Schriftstellern seiner Generation. Sein Roman Fünf Liter Zuika wird als Beweis der Beherrschung der großen Erzählform genannt. Eine ausführliche Würdigung ist ausgeblieben. 2004 wurde mit Unterstützung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien das Projekt Sicherung des Nachlasses von Paul Schuster gestartet. Ein Kooperationsvertrag zwischen dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas der Universität München und der Friedrich-Schiller-Universität Jena sollte Licht in das Dunkel bringen. Dabei ist es geblieben.

 

Paul Schuster muss ein schwieriger Mensch gewesen sein. Zeitzeugen meinen, dass er zur temperamentvollen, nicht selten in sich widersprüchlichen, auch rechthaberischen Reaktion neigte, in der er sich immer wieder verstrickte und die ihn innerlich wie äußerlich in Situationen der Selbstblockade und der Zerwürfnisse führte. Ich stehe zwischen allen möglichen Stühlen. In Berlin engagierte er sich für die Belange der Roma. Auf seinem Grabstein steht Schriftsteller und Schreiblehrer – aber auch Übersetzer, Redakteur und Leiter diverser Schreibwerkstätten.