Grabstätte Rudolf Noelte. Foto H&S, 2010

Rudolf Noelte (1921-2002)

 

Die Crème der deutschen Theaterkritiker brauchte lange, um den Einzelgänger unter den deutschen Regisseuren zu entdecken. Einig waren sich die Herren auch in jenen Jurysitzungen selten, die zwischen 1974 und 1978 über die „bemerkenswerten Inszenierungen“ für das Theatertreffen entschieden. Im Grunde genommen ging es immer wieder um die Entscheidung „Revoluzzer“ wie Hans Neuenfels, Claus Peymann, Peter Zadek oder Rudolf Noelte als Regisseur und „Anwalt“, dessen Intentionen sich um Literatur, Autor und Schauspieler bemühte.

War eine Inszenierung von Rudolf Noelte für das Theatertreffen einmal ausgewählt, dann war lange nicht klar, ob die Vorstellung in Berlin überhaupt stattfinden konnte. Das „Deutsche Schauspielhaus Hamburg“, 1975 mit dessen Molières „Menschenfeind“ nominiert, musste zuerst garantieren, dass „seine Schauspieler“ für Berlin zur Verfügung stehen. War geklärt, dass Will Quadflieg (Alceste), Werner Kreindl (Philinte), Johanna Liebeneiner (Célimène), Angela Schmid (Eliante), Karl Friedrich (Oronte), Hilde Weissner (Arsinoe) und Kurt Zips (Acaste) „konnten“, kam die Frage nach der Spielstätte. Mit der „Freien Volksbühne“ in der Schaperstraße lagen wir immer richtig. Noelte liebte dieses Haus, kannte die technischen Gegebenheiten und wusste, dass Bühnenbild und Kostüme von Jürgen Rose dort den Rahmen hatten. Akribisch bereitete er das Berliner Gastspiel vor. Bis ins kleinste Detail, die Ankunft der Dekoration, die Anwesenheit „seines“ Bühnenbildners, die Ausbesserung von Wänden und Möbeln, die Probe mit „seinen“ Schauspielern, war alles fast mathematisch geplant.

 

Noelte, der als Regisseur keine Nachlässigkeiten duldete, war „gefürchtet“, von seinen Akteuren und selbst von Kurt Hübner, dem Volksbühnenchef, der sein ansonsten eher „locker tätiges“ Personal erst einmal wortstark auf „das Ereignis“ einstimmte. Noelte hatte mit den Jahren einen Stamm von Schauspielern um sich geschart, mit denen er immer wieder zusammenarbeitete, und bei denen er die Gewissheit hatte, dass sie die psychische Verfassung und die psychologische Motivation der Theaterfiguren über die Rampe brachten – beim „Menschenfeind“ aus Hamburg, beim „Arzt am Scheideweg“ von George Bernard Shaw der Münchner Kammerspiele (Theatertreffen 1976) oder bei den „Ratten“ von Gerhart Hauptmann (Theatertreffen 1978), die er für das Theater der Freien Volksbühne Berlin inszeniert hatte.

 

Nachzutragen ist, dass Rudolf Noelte am 20. März 1921 in Berlin geboren wurde, Theaterwissenschaften, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte studierte, bevor er nach dem Zweiten Weltkrieg als Regie-Assistent am Berliner Hebbel-Theater anfing und dort 1948 zum ersten Mal Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrerdrama „Draußen vor der Tür“ inszenierte. Danach arbeitete er für Schiller- und Schlosspark-Theater, Hamburg, München, Wien, Zürich, Ruhrfestspiele Recklinghausen und Salzburger Festspiele – allesamt Häuser, die sich einen „Noelte leisten konnten“. 1972 wurde er in die Berliner Akademie der Künste berufen, davon vier Jahre auch Direktor der Sektion Darstellende Kunst.

 

Am 11. November 2002 war in der „Neuen Züricher Zeitung“ ein Nachruf des Theaterkritikers Christoph Funke zu lesen: „Rudolf Noelte hat ein schweres Ende gehabt. Verarmt und von der Alzheimer-Krankheit gezeichnet, lebte er seit Jahren in einem Pflegeheim. Im Juli 2000 bat die Berliner Akademie der Künste um Spenden für ihr langjähriges Mitglied - beschämend, dass es bis zu dieser Bitte kommen musste. Mit 81 Jahren starb Rudolf Noelte am 8. November 2002 in Garmisch-Partenkirchen an einer Lungenentzündung. Seine Arbeit ist in die deutsche Theatergeschichte eingeschrieben.“

 

Rudolf Noelte wurde auf dem Friedhof Stubenrauchstraße begraben (Grabstelle 17/181). Es ist zu befürchten, dass in fünf Jahren nach Ablauf des Nutzungsrechts (2022) das Grab eingeebnet wird. Ob die Akademie der Künste dies verhindern wird?