Grab von Paul Hubrich auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf. Foto Hahn & Stich 2007

Paul Hubrich (1869-1948)

Wilhelmstraße Nr. 9 (heute Görresstraße)

Werkstatt Berliner Straße Nr. 114

Wohnung Niedstraße N.r 33

 

Geblieben ist vom Bildhauer Paul Hubrich (1869-1948) nicht viel. Einzig auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist einiges von ihm erhalten. Neben seinem Grab (Block Heilig Geist, Gartenblock VI, Erbbegräbnis 27) das Muschelkalkdenkmal (1930) am Grab von Charlotte Birnbaum (Block Charlottenburg, Gartenblock III, Gartenstelle 79) und die Marmorskulptur David auf dem Grab Seefeld (Block Erlöser, Gartenblock II, Gartenstelle 19/20).

 

Das Christus-Relief von Ludwig Manzel auf dem Südwestkirchhof gehört irgendwie auch dazu. Mit der Arbeit an diesem monumentalen Werk von zwölf Meter Breite und zwei Meter Höhe Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken (Matthäus 11,28) hatte er 1909 begonnen.

 

 

 

 

Um die Christusfigur im Zentrum gruppierte Manzel 24 Figuren. Ein Gipsentwurf wurde zuerst auf der Großen Berliner Kunstausstellung von 1911 gezeigt und im Katalog abgebildet. Vorgesehen war offensichtlich eine Aufstellung in der protestantischen Garnisonskirche zu Gnesen. Die Stadt, die mit der Zweiten Polnischen Teilung 1793 dem Königreich Preußen einverleibt wurde, kam 1920 mit dem Versailler Vertrag wieder zur Republik Polen. So wurde das inzwischen vollendete Werk schließlich 1923 auf dem Südwestkirchhof der Berliner Stadtsynode in Stahnsdorf aufgestellt.

 

Paul Hubrich wurde am 9. November 1869 im schlesischen Gebhardsdorf (Landkreis Lauban) geboren. Im Ort existierte seit 1844 nur eine einklassige evangelische Volksschule. Da fügte es sich, dass Preußen nach den Weltausstellungen in London (1851) und Paris (1855) erkannte, dass die wachsende industrielle Produktion eine künstlerische Förderung von Gewerbe und Industrie erforderte. In Berlin entstand 1882 zunächst der Verein Deutsches Gewerbemuseum, aus dem alsbald das Kunstgewerbemuseum mit einer Unterrichtsanstalt wurde. Ziel war die Ausbildung der Schüler für Kunsthandwerk und Kunstindustrie. Für die Zulassung erwartete die Unterrichtsanstalt die Kenntnis eines Handwerks. In Tages- und Abendschule wurden in Fachklassen architektonisches Zeichnen, Modellieren, Ciselieren, dekorative Malerei, Holzschnitzerei, Schmelzmalerei, Figurenzeichnen, Malen, Musterzeichnen, Kupferstich, Radierung, Kunststickerei und allgemeine theoretische Kurse angeboten.

 

1896 wurde Ludwig Manzel Professor an der Kunstgewerbeschule und Paul Hubrich sein Schüler. Besser konnte er es nicht treffen. Manzel war Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, hatte für den Berliner Dom die Apostelfiguren, für den Reichstag eine Statue Kaiser Heinrichs III. und Denkmale für die Hohenzollern modelliert – und Manzel war Mitglied der Ausstellungs-Kommission der Großen Berliner Kunstausstellung 1904, auf der Paul Hubrich mit Wohnadresse Tempelhofer Ufer Nr. 22 sein Sinnendes Mädchen präsentieren konnte.

 

Nachdem Kaiser Wilhelm II. 1899 Friedenau Klein Carrara genannt hatte, wollte auch Manzel dazugehören. Er kaufte 1902 das Grundstück Wilhelmstraße Nr. 9, ließ sich Landhaus und Atelier errichten und holte sich die Bildhauer Edmund Gomansky (1854-1930) und Paul Hubrich (1869-1948) ins Haus. Kein gutes Jahr für Ludwig Manzel. Er war von der Ortskrankenkasse Friedenau im November 1902 aufgefordert worden, für seinen erkrankten Atelierdiener die gesetzlichen Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten und nach beendetem Heilverfahren die Kurkosten zu erstatten. Manzel erhob Klage, da er seinen Atelierdiener als Künstler ansieht, der infolgedessen nicht versicherungspflichtig sei. Es folgten Landgericht, Kammergericht und schließlich am 2. Mai 1905 das Reichsgericht, wo festgestellt wurde, dass im Allgemeinen außer einem Atelierdiener noch zwei Personen, einen (keinesfalls versicherungspflichtigen) Künstler und einen besseren Arbeiter beschäftige, dass aber bei Ausführung von Aufträgen noch bis zu 30 weitere Personen angenommen und beschäftigt würden. Wie oft sich solche Aufträge im Laufe eines Jahres oder eines längeren Zeitraumes wiederholen, und wie lange jedesmal die Beschäftigung der größeren Arbeiterzahl dauert, darüber hat der Kläger nähere Angaben nicht gemacht. Inwieweit das Urteil auch Gomansky und Hubrich betraf, ließ sich bisher nicht recherchieren.

 

Unbeeindruckt davon präsentierte Paul Hubrich als freischaffender Bildhauer seine Arbeiten zeitweise auf der Großen Berliner Kunstausstellung: 1906 unter Nr. 1358 „Büste Betender Knabe (Marmor) sowie unter Nr. 1359 die Skulptur Knabe (David), die inzwischen auf dem Südwestkirchof in Stahnsdorf am Grab Seefeld (Block Erlöser, Gartenblock II, Gartenstelle 19/20) einen Platz gefunden hat. 1909 zeigt er unter Nr. 94 in Holz die Figur Knabe. Es folgen 1910 unter Nr. 903 ebenfalls aus Holz Knabe. Junge Kraft.

 

Als Ludwig Manzel 1908 Friedenau verließ und seine Villa in der Charlottenburger Sophienstraße bezog, blieb Hubrich vorerst in der Wilhelmstraße Nr. 9. Am 7. April 1912 meldete der Friedenauer Lokal-Anzeiger, dass auf der Grabenpromenade in Brandenburg an der Havel kürzlich die Statue des Paris von Wredow errichtet worden ist. Auf einem 1,70 Meter hohen Sockel aus carrarischem Marmor leuchtet weithin die zwei Meter hohe, in tadellosem Marmor ausgeführte Gestalt des schönsten der trojanischen Helden. Das Werk ist zu Ehren des Schöpfers August Wredow aus Mitteln der Emmy Raschig-Schenkung errichtet worden. Die Übertragung des Wredowschen Modells in Marmor ist in Professor Manzels Atelier von dem Bildhauer Paul Hubrich in Friedenau, Wilhelmstraße Nr. 9 in künstlerisch vollendeter Weise ausgeführt worden.

 

Im Februar 1915 berichtete Friedenaus Baurat Hans Altmann über die Vergabe von Steinbildhauerarbeiten für den Rathausneubau. Die Angebote weisen einen großen Unterschied auf. Das billigste Angebot lautet aus 15586 M, das höchste Angebot 43482 M. Der Gemeindevorstand empfiehlt, um möglichst Friedenauer zu berücksichtigen, die Vergabe an fünf Steinbildhauer, und zwar Koch, Aichele, Hubrich (Friedenau), Schröder (Tempelhof) und Höfter (Neukölln). Ein Beschluss findet in geheimer Sitzung statt. Paul Hubrich wurde bedacht. In Annoncen von 1917 und 1919 sucht er einen Lehrling gegen Vergütung für die praktische und künstlerische Ausbildung in den Werkstätten für Ausführung von Architektur und Plastik Paul Hubrich, Wilhelmstraße Nr. 9.

 

Da Werke von Paul Hubrich in der Öffentlichkeit nicht mehr auftauchten, könnte davon ausgegangen werden, dass er weitgehend auch mit der steinernen Ausformung des von Manzel entworfenen Christus-Monuments beschäftigt war. 1919 zog Hubrich mit Ehefrau Anna in die Niedstraße Nr. 33 – unter der Berufsbezeichnung Steinmetzmeister. Der Umzug steht wohl im Zusammenhang mit der Geburt seines Sohnes Arno.

 

Die von Paul Hubrich gestaltete dreiteilige Grabstätte auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf (Block Heilig Geist, Gartenblock VI, Erbbegräbnis 27) erzählt unbewusst auch die traurige Geschichte der Familie Hubrich. Auf dem hohen Kreuz in Versalien der Satz: ES WILL DEM WANDERER; DER VORÜBERGEHT; DAS GROSSE WORT DES STOLZES SAGEN: WIR HABEN UNSER KREUZ GETRAGEN. In der Mitte ein fein gestalteter Stein mit der Inschrift: Unser einziges Kind. Obergefreiter Arno Hubrich, stud. arch., geb. 9. August 1919, gef. 2. Februar 1942 vor Leningrad. Ruht auch der Leib in noch so fernen Welten, die Seele lebt und kann uns nicht entgleiten. Der Tod nimmt immer die Besten. Rechts davon die schlichte Grabplatte mit der Inschrift Bildhauer Paul Hubrich. * 9. November 1869; † 5. Juni 1948. Auf der linken Seite die Inschrift Charlotte Anna Hubrich, auf der nur das Geburtsdatum 2. Juli 1883 verzeichnet ist. Wann Anna Hubrich gestorben und wo sie begraben wurde, bleibt unbekannt. So wurde aus dem angedachten Familiengrab nur eine Ruhestätte für Paul Hubrich.

 

Außer seinen erhaltenen Arbeiten auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist noch auf das „Französische Figurenrondell im Park Sanssouci“ hinzuweisen. Die um das Rondell aufgestellten 12 Marmorfiguren sind Werke französischer Bildhauer, darunter die 1748 entstandene „Venus“ von Jean Baptiste Pigalle – eine Kopie allerdings nur, die bereits 1904 von Paul Hubrich geschaffen wurde. Das Original wurde längst ins Bode-Museum überführt.