Gerlachsche Plan von 1909. Quelle Bezirksamt Schöneberg

Auf dem Gerlachschen Plan von 1909 ist ersichtlich, dass vom Schöneberger Zentrum drei Straßen unter der Ringbahntrasse hinweg nach Süden führen – die Hauptstraße nach Friedenau, die Maxstraße zum kommunalen Begräbnisplatz der Stadtgemeinde Schöneberg und die Straße P bis vor die Wannseebahntrasse. Für diese Verbindungen entstanden beim Bau der Ringbahn Unterführungen. Geblieben ist die Unterführung nach Friedenau am S-Bahnhof Innsbrucker Platz.

 

Nachdem die Berlinische Boden-Gesellschaft das Bayerische Viertel angelegt hatte, sollte westlich der Martin-Luther-Straße ein Tiroler Viertel entstehen. Dafür wurden Namen kreiert, Kufsteiner-, Salzburger-, Meraner-, Bozener-, Steinacher-, Sterzinger Straße – aus der Straße P wurde 1907 die Innsbrucker Straße. Vor Eröffnung der Schöneberger U-Bahn wurde 1910 vor der Ringbahntrasse an der vorläufigen Endstation Hauptstraße ein Rondell angelegt, in das Ebersstraße und Ringbahnstraße (später Wexstraße) einmündeten und von Hauptstraße und Straße P durchquert wurde. Schließlich gab es ab 1912 noch eine Verlängerte Innsbrucker Straße mit Grundstücken, die sich im Eigentum der Stadt Schöneberg befanden.

 

1927 erhielt der Platz den Namen Innsbrucker Platz. Im Berliner Adressbuch erschien dieser erstmals 1930 mit Nr. 1 (Eigentümer Architekt O. Lehmpfuhl und Café Innsbruck der Pächterin Berta Günther)), Nr. 2 (Eigentümer H. Kassel Automobile) und Nr. 3 (Eigentümer Kaufmann M. Schüßler, Berlin). So bleibt es im Prinzip bis nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Zwischendurch wurden der bisherige Eingang zum U-Bahnhof Hauptstraße am Anfang der Innsbrucker Straße sowie die Haltestelle der Straßenbahn in die Platzmitte verlegt. Nachdem 1933 die Station Ebersstraße abgerissen und weiter östlich an den Schnittpunkt mit der Wannseebahn als Umsteigebahnhof Schöneberg eröffnet wurde, entstand gleichzeitig auf der Ringbahn die neue Station S-Bahnhof Innsbrucker Platz. Der bisherige U-Bahnhof Hauptstraße erhielt den Namen Innsbrucker Platz (Hauptstraße).

 

 

 

 

Mit dem viergleisigen Ausbau der Ringbahn und der Erweiterung des Güterbahnhofs Wilmersdorf-Friedenau wurden die Unterführungen für Max- und Innsbrucker Straße aufgegeben. Der zwischen dem Innsbrucker Platz und der Wannseebahntrasse an der Baumeisterstraße gelegene Teil der Innsbrucker Straße wurde abgetrennt und 1927 in Eisackstraße umbenannt.

 

In den Wirtschaftswunderjahren kam das Aus für die Straßenbahn. 1953/55 entstand an der Einmündung der Innsbrucker Straße ein Pavilloneingang für den U-Bahnhof als Stahl-Glas-Konstruktion nach einem Entwurf der Architekten Bruno Grimmek und Werner Klenke. Mit dem Bau des Autobahntunnels Innsbrucker Platz wurde der 1910 errichtete U-Bahn-Tunnel der Linie U4 zur Weiterführung ins Schöneberger Südgelände gekappt.

 

Linie 88 am Innsbrucker Platz, 1931. Sammlung Hilkenbach

Straßenbahn

 

Der Pferde- und Dampfbetrieb kam 1888 mit der Linie Nollendorfplatz-Steglitz auf den Innsbrucker Platz. 1899 folgte die Linie D vom Bahnhof Zoo über Auguste-Viktoria-Platz, Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Winterfeldtplatz, Goltzstraße, Akazienstraße, Hauptstraße, Innsbrucker Platz und weiter über Rhein- und Schloßstraße hinzu. Nach 1920 gab es vom Innsbrucker Platz Verbindungen nach Lichtenberg, Niederschönhausen, Wedding, Weißensee, Kreuzberg und Halensee. Mit dem Mauerbau waren die durchgehenden Verbindungen zwischen West und Ost unterbrochen. Die noch verbliebene Linie 88 vom Görlitzer Bahnhof (Wiener Brücke) über Potsdamer Straße, Innsbrucker Platz und Rheinstraße nach Steglitz wurde 1961 eingestellt und nach und nach wie im gesamten westlichen Stadtgebiet durch Busse ersetzt.

 

 

 

 

Auf der Stadtautobahn entstanden für den Schnellverkehr vom Kurt-Schumacher-Damm zum Flughafen Tempelhof (A65) Ausbuchtungen für Bushaltestellen, die von der Straße über Treppenzugänge zu erreichen waren, u. a. die Haltestellen Detmolder Straße, Wexstraße, Innsbrucker Platz, Ebersstraße, Sachsendamm und Schöneberger Straße. 1983 wurden die Autobahn-Bus-Linien eingestellt. Heute halten am Innsbrucker Platz die (stets unpünktliche) Linie M48 Zehlendorf–U-Bahnhof Mohrenstraße, die Linie M85 Lichterfelde–Hauptbahnhof und die Linie 248 U-Bahnhof Breitenbachplatz–Südkreuz.

Ringbahn 1881

Ringbahn

 

Berlin hatte seit 1838 auf Kopfbahnhöfe gesetzt: Potsdamer-, Anhalter-, Stettiner-, Hamburger-, Görlitzer-, Lehrter- und Dresdener Bahnhof. Erst 1867 wurde mit dem Bau einer Verbindung begonnen. Entlang der Gemarkungsgrenze zwischen Friedenau, Schöneberg und Wilmersdorf entstand etwa sieben Meter über dem Straßenniveau ein Viaduktbau für die Ringbahn.

 

Mit der Inbetriebnahme des westlichen Ringes wurde 1877 zwischen Kaiserallee und Handjerystraße die Station Wilmersdorf-Friedenau eröffnet – mit Zugängen von der Bernhardstraße (Wilmersdorf) und der Varziner Straße (Friedenau). Die zunehmende Bebauung von Schöneberg machte den Bau einer weiteren Ringbahnstation zwischen Tempelhofer- und Maxstraße erforderlich. 1897 wurde unweit der Wannseebahntrasse die Station Ebersstraße eröffnet – ohne Umsteigemöglichkeit zur Wannseebahn.

 

Mit dem viergleisigen Ausbau der südlichen Ringbahntrasse und der Anlage des Güterbahnhofs Wilmersdorf-Friedenau wurde der Personenbahnhof Wilmersdorf-Friedenau in Richtung Kaiserallee (Bundesallee) verschoben und Bahnhof Wilmersdorf benannt. Der Bahnhof Ebersstraße wurde 1932 abgerissen, weiter nach Osten verschoben und in S-Bahnhof Schöneberg umbenannt – ein Turmbahnhof  als Umsteigestation  – oben Ringbahn, unten Wannseebahn. Zwischen den Stationen Schöneberg und Wilmersdorf entstand 1933 der S-Bahnhof Innsbrucker Platz. Der bisherige U-Bahnhof Hauptstraße erhielt den Namen Innsbrucker Platz (Hauptstraße).

 

Mit der Wiederaufnahme des S-Bahn-Verkehrs auf der Ringbahn wurde der S-Bahnhof Wilmersdorf 1993 um rund 110 Meter nach Westen zur Bundesallee hin verlegt und unter dem Namen Bundesplatz eröffnet. Dort gab es seit 1971 den U-Bahnhof der Linie U9. Entstanden war nun der Umsteigebahnhof S+U-Bahnhof Bundesplatz.

 

2008 gab die Deutsche Bahn den Güterbahnhof Wilmersdorf-Friedenau auf. Gleise und Lagerhallen wurden abgebaut. Das markante und unter Denkmalschutz stehende Turmstellwerk des Architekten Rainer G. Rümmler (1929-2004) von 1971 wurde abgerissen. Erhalten blieb lediglich der 1927/28 vom Architekten Richard Brademann (1884-1965) geschaffene Sichtziegelbau des Kleingleichrichterwerks. 2010 wurde das 58.000 m² große Gelände an den Immobilienentwickler BÖAG verkauft – und inzwischen, wie in der Branche üblich, mehrfach weiterverkauft. Auf dem Areal sollen 1500 Wohnungen entstehen, in unmittelbarer Nachbarschaft von sechsspuriger Autobahn, Güterzugtrasse und S-Bahn-Ring.

 

Die Schöneberger U-Bahn, 1910

Die Schöneberger U-Bbahn

 

Die. Untergrundbahn der Stadt Schöneberg ist einem mehrfachen Bedürfnis entsprungen: die Bewohner der bereits bebauten Stadtteile (Bayerisches Viertel) möglichst rasch mit den Verkehrs- und Geschäftsmittelpunkten von Berlin, Charlottenburg und Wilmersdorf zu verbinden sowie die noch ausgedehnten freien Geländeflächen im Südgelände zu erschließen. Nach einer Bauzeit von zwei Jahren wurde die 2993 Meter lange Strecke mit den Stationen Nollendorfplatz, Viktoria-Luise-Platz, Bayerischer Platz, Stadtpark und Hauptstraße am 1. Dezember 1910 eröffnet. Die durchschnittliche Haltestellenentfernung beträgt 690 Meter.

 

 

 

 

 

 

An der Haltestelle Hauptstraße entstand ein Tunnel, in dem ein Gleis entlang der damals noch bis an die Trassen von Stamm- und Wannseebahn verlaufenden Innsbrucker Straße zu einem Betriebsbahnhof geführt wurde, der mit Wagenhalle, Werkstätten und dem Elektrizitätswerk Südwest AG ausgestattet war. Von dort, so der Plan, sollte die Linie nach Süden hin in der verlängerten Innsbrucker Straße fortgesetzt werden. Sie sollte zunächst als Tunnelbahn unter der Stamm- und Wannseebahn hindurchführen, und dann als offene Einschnittbahn von rund 1840 Meter Länge verlaufen. Drei Haltestellen waren geplant, die von Straßenbrücken aus zugänglich gewesen wären, über welche die westöstlichen Querstraßen hinweggeführt werden sollten.

 

Es war geplant, diese Einschnittbahn in die Mitte einer mindestens 50 Meter breiten Prachtstraße zu legen, und zwar so, dass sie später ohne Schwierigkeit durch eine Tunnelbahn ersetzt werden konnte, wenn sich hierzu ein Bedürfnis herausstellen sollte. Diese Prachtstraße sollte das noch unbebaute Südgelände durchqueren – entweder zwischen Potsdamer und Anhalter Bahn nach Steglitz-Lichterfelde-Teltow-Stahnsdorf oder zwischen Anhalter und Dresdener Bahn nach Südende-Lankwitz-Marienfelde.

 

Was diese südliche Fortsetzung betrifft, so hatte Schönebergs Baustadtrat Friedrich Gerlach bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf die Wichtigkeit einer zwischen der Potsdamer und Anhalter Bahn in diagonaler Richtung zu führenden neuen Schnellbahn für die bauliche Erschließung der Schöneberger, Steglitzer, Lankwitzer, Groß-Lichterfelder und Teltower Gelände hingewiesen. Gerlach hatte bei den betreffenden Gemeindeverwaltungen angeregt, ihre Bebauungspläne so einzurichten, dass die Erbauung einer Bahn später ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen wäre.

 

Den Zukunftsplänen stand also nichts im Wege. Auch dann noch nicht, als die Innsbrucker Straße in den 1920er Jahren gekappt wurde und das Reststück zwischen Ringbahntrasse und Baumeisterstraße an der Wannseebahn 1927 in Eisackstraße umbenannt wurde. Das endgültige Aus für eine Verlängerung der Schöneberger U-Bahn nach Süden wurde erst mit dem Bau der Stadtautobahn in den 1970er Jahren besiegelt.

 

In Erinnerung sei gerufen, dass die Schöneberger U-Bahn von 1926 bis 1954 auch auf der Ost-West-Hochbahnstrecke vom Nollendorfplatz bis zur Warschauer Brücke fuhr. Nach dem Bau der Mauer endete die Linie 1961 am Nollendorfplatz – da sich (laut Senat) die Verkehrsströme in Richtung Zoologischer Garten und Kurfürstendamm verlagerten und die damalige Linienführung nicht benötigt wurde. Das war 1961.

 

Jahrzehnte stellt der Senat für den Innsbrucker Platz starke Abbiegerverkehrsströme fest. Das Bezirksamt Schöneberg beauftragte 2016 die TU: Vielleicht kann man die Situation für Fußgänger und Fahrradfahrer erträglicher machen. Dabei bleibt es, auch, dass der Abschnitt vom Innsbrucker Platz zum Kreuz Schöneberg mit täglich über 160.000 Fahrzeugen zu den meistbefahrenen Straßen Deutschlands gehört. Demnächst kommen auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf-Friedenau 1500 Wohnungen hinzu.

 

Nach dem Lageplan von Mebes & Emmerich, 1926, bearbeitet von Hahn & Stich, 2022

Degewo

 

Nach dem Gerlachschen Plan von 1909 war das Grundstück zwischen Hauptstraße, Innsbrucker Straße, Martin-Luther-Straße und Straße W (ab 1911 Voßbergstraße) im Besitz von Landwirt Otto Bergemann. 1912 wurde das Areal geteilt. 1913 steht im Berliner Adressbuch: Hauptstraße 62 Eigentümer Rentner Otto Bergemann sowie Hauptstraße 63 Eigentümer Architekt Otto Lehmpfuhl und Café Innsbruck, Inhaber Alphons Polt. Aus dieser Zeit befindet sich in der Sammlung von Michael Thomas Röblitz eine von der Firma Zander & Labisch gefertigte Werbepostkarte (1912): Gruss aus Grand Café Innsbruck. Inh. Alphons Polt, Schöneberg, Hauptstraße 63. Direkt am Untergrundbahnhof Hauptstraße. Fernsprecher Amt Nollendorf, 2673. In den 1920er Jahren ging das gesamte Grundstück zwischen Haupt-, Innsbrucker-, Martin-Luther- und Voßbergstraße in den Besitz der Deutschen Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaues.

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Architekturkritiker Werner Hegemann (1881-1936) machte 1930 in Wasmuths Monatshefte für Baukunst auf die Mietshäuser aufmerksam: Der hervorragende künstlerische Reiz der neuen Arbeiten von Paul .Mebes (1872-1938) und Paul Emmerich (1876-1958) lag wieder in der Vereinigung von Sachlichkeit und .Musikalität. Diese Neubauten wirken wie die notwendige Erfüllung eines rein praktischen, ja gewissenhaft beschränkten Programms und hohen doch in ihrer Massengruppierung und in dem mächtigen Rhythmus ihrer Loggien, Monumentalität von höchstem stadtbaukünstlerischem Wert. .Die Schöneberger Häuser an der Ecke Haupt- und Innsbrucker Straße, einem Verkehrsknotenpunkt, wurden für die gemeinnützige Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaues (Gesamtausführung: Ph. Holzmann AG.) gebaut. An der Hauptverkehrsstraße sind die Wohnungen möglichst weit von der Straße zurückgelegt. Dagegen betont der vorspringende turmartige Eckbau den Straßenkreuzungspunkt. Der Eckbau ist um ein Geschoß erhöht; das flache Dach ermöglicht die Wandflachen noch um die Höhe des Dachgeschosses zu steigern und der Straßenwand geschlossenere Wirkung zu geben. Auf dem alten Parkgelände wurde möglichst viel des Baumbestandes erhalten. In dem Vorgartendreieck an der Hauptstraße gruppiert sich der Bau um eine hohe alte Kastanie; auch der Innenhof umschließt alten Baumbestand, und in der Innsbrucker Straße wurde durch Zurückziehen der Gebäudeflucht eine Reihe alter Ulmen erhalten. Die Häuser sind in braungelbem Kiesputz mit Weißkalk und Farbzusatz geputzt; die Betonteile an den Loggien, Fensterpfeilern und Haussockel sind schwarzgrau, die Eisenteile der Glasloggien kräftig grün. Die Loggien haben seitliche Schiebefenster. Ab 1930 gab es auch wieder ein Café Innsbruck, Inhaberin Berta Günther, Innsbrucker Platz 1 – mit zwei Ansichtskarten: Konzertsaal mit Terrasse und Teilansicht der oberen Räume.

 

Die schwer kriegsbeschädigten Bauten wurden 1949/50 unter Leitung der Architekten Paul Emmerich und seines Sohnes Jürgen (1905-1973) im Äußern leicht verändert wieder hergestellt. Im Jahr 2018 schreibt das Landesdenkmalamt Berlin: Der Kopfbau am Innsbrucker Platz stand jedoch der neuen Verkehrsplanung im Wege und musste abgerissen werden. Um einige Meter zurückversetzt, wurde das nun achtgeschossige Haus Innsbrucker Platz 4 als erstes Hochhaus nach Kriegsende neu errichtet. Die Wohnanlage folgt mit ihren Bauten der Form des Baublocks und umschließt einen großen rechteckigen begrünten Innenhof; nur an der Hauptstraße ist die Gebäudeflucht in den Blockinnenbereich hineingezogen und bildet eine zur Straße offene dreieckige Fläche. Die Struktur der Bauten, die Aufteilung der Wohngeschosse mit Zwei- bis Vierzimmerwohnungen und die äußere Gestaltung und Farbigkeit blieben auch nach der Wiederherstellung weitgehend erhalten. Das neue Hochhaus wurde in seiner äußeren Gestaltung an die vorhandenen Bauten angepasst: Die hell verputzten Wandflächen sind durch verglaste Loggien gegliedert, das Dachgeschoss für Waschküche, Trockenraum und Dachterrasse ist zusätzlich mit einem dunkelroten Ornamentband versehen. Im Inneren verfügt das Haus über 22 gut geschnittene Wohnungen mit Zentralheizung sowie ein kühn geschwungenes Treppenhaus mit Fahrstuhl und Müllschluckern. In die Räume des ehemaligen Café Innsbruck gab es ab 1950 die Fournes-Weinstuben. Nach dem Konkurs von Fournes folgten das kroatische Restaurant Adriatik und nun das Atlantik Fischrestaurant.

 

Innsbrucke Platz mit der Fournes-Werbung. LBS nach 1950

 

Fournes

 

Der Name taucht im Berliner Adressbuch erstmals 1929 auf. Fournes stammt aus einer Hugenottenfamilie, die einst aus Frankreich vertrieben und nach Österreich verschlagen wurde. In Perchtoldsdorf bei Wien kam er 1898 zur Welt. Vor dem Ersten Weltkrieg zog die Familie nach Berlin. Gottfried ging auf das Rheingau-Gymnasium in Friedenau. In der Unterprima legte er 1916 ein Notabitur ab, um danach als Freiwilliger in den Krieg zu ziehen. Er kam zurück, holte das Abitur nach, absolvierte eine Lehre in der Likörfabrik Hartwig Kantorowicz, studierte und schrieb seine Doktorarbeit Die wirtschaftliche Auswirkung der Likörindustrie in Europa. Aus der Ehe mit Frida geb. Urbanski stammen die Kinder Eberhard, Roland, Christel und Siegfried. 1930 eröffnete Fournes in der Martin-Luther-Straße Nr. 98 die Wein- und Spirituosengroßhandlung Gottfried Fournes, Inhaber Dr. Otto Fournes. Die Wappenschänke, das Haus der gepflegten Schoppenweine, kam dann hinzu. Die Bomben des Zweiten Weltkriegs machten alles zunichte, Großhandlung, Gaststätte und Wohnung wurden zerbombt.

 

Noch während der Berliner Blockade entschloss sich der inzwischen 50-Jährige, seine Geschäfte wieder zu beleben. Über den Fortgang berichtet Tochter Christel Zachert geb. Fournes in ihrem Buch Puppchen, aus dir wird noch was (Verlag Bastei Lübbe, 2001):

 

Am 1. Mai 1950 zogen wir in eine neue Wohnung am Innsbrucker Platz. Das Haus war 1950 neu erbaut worden. Die Eltern hatten die ganze erste Etage am Innsbrucker Platz in Schöneberg mieten können, fünfeinhalb Zimmer, Küche, Bad und eine kleine Mädchenkammer. Büro und Wohnung waren durch eine Tür verbunden. Ich bekam das halbe Zimmer, es war vielleicht acht Quadratmeter groß. Die drei Jungs – Eberhard achtzehn, Roland dreizehn, Siegfried sieben Jahre alt – teilten sich ein Zimmer von etwa fünfzehn Quadratmeter. Diese Wohnung war, von der Größe und Anzahl der Zimmer her gesehen, ein unglaublicher Luxus in der damaligen Zeit!

 

Neben unserer Mietwohnung stand ein siebenstöckiges Hochhaus. Es war das erste seiner Art in Berlin und ein markanter Blickfang. Mein Vater ließ auf dem Dach des Hauses, in dem wir wohnten, eine große Leuchtreklame anbringen: FOURNES. Und das in gotischer Schrift und grüner Beleuchtung. Das F von Fournes war drei Meter hoch. Es war damals eine der ersten großen Lichtreklamen nach dem Krieg. Wer mit der S-Bahn über den Innsbrucker Platz fuhr, musste sie sehen. Der Innsbrucker Platz war ein Verkehrsknotenpunkt, an dem sich S-Bahn, Bus und Straßenbahn trafen. Er lag auf der Achse von Zehlendorf über Steglitz und Friedenau zum Potsdamer Platz. Den Restaurantgarten vor der Weinstube, in dem eine große Kastanie stand, machte mein Vater zum allseits beliebten Treffpunkt für Gäste. Außenherum hatte er eine große Pergola errichten lassen. Einzelne Tischgruppen waren im Sommer durch blühende Rosenranken oder Clematis abgetrennt. Die große Terrasse war mit einer Markise überdacht. In der Kastanie und am Rand der Markise leuchteten am Abend Lampen.

 

Fournes wollte in jedem der Westberliner Bezirke ein Geschäft eröffnen. Er importierte Liköre, Cognacs, Champagner, Waggons mit italienischem Südwein und kreierte die Marke Santa Four mit der er es 1952 sogar in den SPIEGEL schaffte. Dem Käufer der  hunderttausendsten Flasche Santa Four wollte er eine Reise nach Santa Four spendieren. Es drohte eine Geldstrafe wegen der unerlaubten Ausspielung. Seiner Werbeaktion aber fehlte das Merkmal einer Lotterie: Der Einsatz, denn die glückbringende Flasche musste wie alle anderen zum Normalpreis gekauft werden. Der Staatsanwalt ließ nicht locker, schlug einen Ablasshandel vor und verlangte als Zeichen aufrichtiger Reue 200 DM. Fournes war dazu nicht bereit und veröffentlichte den Vorschlag in einem Inserat.

 

Es kam die nächste Aktion. Er kreierte die Marke Fournes-Sextett für zweimal sechs Zehntelflaschen, extra angefertigt von der Gerresheimer Glashütte, mit sechs verschiedenen, sehr schönen Vier-Farben-Etiketten und aufwändigem Verschluss, in einem vierfarbig bedruckten Karton. Schön, teuer und verlustreich. Seine Eggebrecht-Weinstuben in der Schloßstraße Nr. 6 waren so lange gut besucht, wie die Berliner Philharmoniker mit Furtwängler im Titania-Palast spielten. Als die Philharmoniker ihre Konzerte in die Hochschule für Musik verlegten, die Auftritte der berühmten Künstler wie Louis Armstrong, Marlene Dietrich, Zarah Leander, Josephine Baker, Maurice Chevalier Yehudi Menuhin, Clown Grock, Zauberkünstler Kalanag immer weniger wurden, blieben die Gäste aus. Dies nicht rechtzeitig erkannt zu haben, war ein kaufmännischer Fehler. Als mein Vater es merkte, war es zu spät. 1956 kam der Konkurs. 1959 ist er gestorben.

 

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Reise nach Santa Four. DER SPIEGEL, 1952

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Gottfried Benns Briefe an Ursula Ziebarth. Wallstein Verlag, 2001

Essen Sie gerne Eis?

 

Auf die Bitte von Bremer Freunden hin hatte ich Gottfried Benn angerufen, um ihn zu fragen, ob er wohl einmal nach Bremen käme, um dort aus seinem Werk zu lesen. Benn hatte meinen Anruf freundlich entgegengenommen, allerdings mehr nach mir als nach Bremen gefragt, er wollte wissen, wer da mit ihm spricht. Schließlich bat er mich, was ich ihm vorgetragen hatte, auch schriftlich vorzubringen. Das habe ich getan und erhielt postwendend den vorstehenden Brief:

 

5. August 1954. Sehr verehrtes Fräulein Ziebarth, vielen Dank für Ihren Brief. Bitte rufen Sie mich doch morgen vorm. bis 12 h., wenn es Ihnen möglich ist, an. Ich möchte Sie etwas fragen, was mit Ihrem Brief in gar keinem Zusammenhang steht. Dank und Gruss Ihr ergebener Benn. T. 712097

 

Seine Frage dann am Telefon, die mit meinem „Brief in gar keinem Zusammenhang steht“, lautete: „Essen Sie gerne Eis?“ Er habe Lust, sich mit mir zu treffen, und schlug schon den nächsten Tag vor. Als ich ihn später fragte, wie er denn um Himmels willen darauf verfallen sei, eine Frau, die er nie gesehen hatte und von der er wenig wusste, zu einem Treffen einzuladen, sagte er verschmitzt: „Ach, man würfelt immer mal wieder und hofft auf drei Sechsen.“ Und er behauptete, etwas in meinem Brief sei so formuliert gewesen, dass er vermutete, man könne sich angenehm unterhalten.

 

Wir trafen uns am 6. August 1954 im Restaurant „Fournes“ am Innsbrucker Platz, nachmittags um vier Uhr, aßen einen Champignontoast und Eis. Auf diese erste Begegnung bezieht sich der Brief vom 6. VIII. 54, also noch am selben Abend geschrieben. Er erreichte mich am folgenden Tag durch Fleurop mit einem großen Strauß von rosa Nelken, der mich erfreute, weil Nelkenduft etwas so Arabisches hat, die eigentlich konventionelle Geschenkblume hat den Geruch orientalischer Gewürzbazare an sich, wie ich sie mir schon damals voller Sehnsucht nach dem Orient vorstellte.

 

 

 

 

Im Nachhinein erinnerte sich das sehr verehrte Fräulein Zierbarth: Er war so witzig und gut gelaunt, wie ich nicht gedacht hatte, dass er es sein könnte. Ich dachte, diese Töne des regulären Albernseins ständen ihm gar nicht zur Verfügung. Außerdem hat er einen ganz trockenen Mutterwitz. Die Worte kamen bei ihm heute keineswegs auf Taubenfüßen, sondern schossen Kobolz. Es war jedenfalls das, was er bei Fontane so wenig schätzt, es war pläsierlich bei Champignons auf Toast und Wein. Er schimpfte aber Mord und Brand, weil es in den Lokalen noch immer Papierservietten und keine Damastmundtücher gibt, und so glaube ich auch nicht, dass er nach Worpswede kommt, nach dem, was ich ihm über die sanitären Verhältnisse dort sagen musste. Er wird nach Hahnenklee fahren, schätze ich, obgleich er sagte: ,Wir sehen uns ja wieder/“

 

Sie sahen sich tatsächlich wieder, der Dichter Gottfried Benn (1886-1956) und Ursula Ziebarth (1921-2018). Sie wurde seine Geliebte. Er 68, sie 33. Solche Eroberungen waren sein Lebenselixier, seine drei Ehen waren für den Alltag, „Institutionen zur Lähmung des Geschlechtstriebes“, für alles andere waren die „Freundinnen“ zuständig – auch Ursula Ziebarth, bis zu seinem Tod.

 

Was Ursula Ziebarth ausmachte, lässt sich an Umschreibungen festmachen: Schriftstellerin, Büchermacherin, Historikerin, Weltensammlerin, Theaterenthusiastin, Menschenfreundin, Berlinerin. Mehr als vier Jahrzehnte nach dem Tod von Gottfried Benn entschloss sie sich 2001 zur Publikation: „Hernach“ – Gottfried Benns Briefe an Ursula Ziebarth (Wallstein Verlag Göttingen). Zu diesem Zeitpunkt war über den Arzt, Dichter und Essayisten „alles“ veröffentlicht, nicht aber der Briefwechsel aus den Jahren 1954 bis 1956 zwischen Ziebarth und Benn. Ihre Briefe an ihn sind verloren.

 

Gottfried Benn starb 1956 und wurde in einem Berliner Ehrengrab auf dem Waldfriedhof Dahlem beigesetzt (Abt. 27 W-31-32). Ursula Ziebarth starb 2018. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Stubenrauchstraße (Abt. 16-59).

 

Bebauungsplan XI-118. Quelle BA Schöneberg

 

Bebauungsplan XI-118

Tunnel Innsbrucker Platz

 

Der Bebauungsplan XI-118 für die Gegend zwischen Haupt-, Kärntener-, Eisack-, Rubens- und Traeger Straße wurde am 10.6.1964 im Bezirksamt Schöneberg fertiggestellt. Am 24.6.1964 erfolgte die Zustimmung durch die BVV. Während der Sommerferien wurde der Plan vom 21.7.1964 bis 21.8.1964 öffentlich ausgelegt und am 27.2.1965 vom Senat beschlossen. Der Bau selbst dauerte. Am 26. April 1978 wurde der Tunnel Innsbrucker Platz eröffnet.

 

Entstanden waren Anschlussstellen für Hauptstraße, Martin-Luther-Straße und Wexstraße. Zu diesen Rampen kam, dass die Fahrstreifen der Zu- und Ausfahrten Innsbrucker Platz und des in einem Abstand von 700 Metern folgenden Schöneberger Kreuzes ineinander übergehen.

 

Für den Autobahntunnel Innsbrucker Platz musste der seit 1910 bestehende Tunnel der U4 gekappt werden. Damit war der Plan für eine Weiterführung dieser Linie ins Schöneberger Südgelände und weiter nach Steglitz-Lichterfelde-Teltow-Stahnsdorf oder Südende-Lankwitz-Marienfelde hinfällig.

 

Das war zu verschmerzen, da seit 1955 bzw. noch 1972 die Linie U10 projektiert wurde, die vom U-Bahnhof Potsdamer Platz über U-Bahnhof Kleistpark und Umsteigebahnhof Innsbrucker Platz (U4 und U10) bis zum U-Bahnhof Rathaus Steglitz (U9) und weiter bis zur Drakestraße in Lichterfelde führen sollte. Für diese Trasse wurden an den Kreuzungsstationen erhebliche Bauvorleistungen getroffen: An den U-Bahnhöfen Kleistpark, Innsbrucker Platz und Walther-Schreiber-Platz entstanden zusätzliche Bahnsteige. Zwischen Walther-Schreiber-Platz und Rathaus Steglitz wurde unter der Schloßstraße ein zweigeschossiger Tunnel für die Linien U9 und U10 gebaut. Am Innsbrucker Platz entstand unter dem Bahnhof der U4 ein Verteilergeschoss als Übergang zum geplanten Bahnhof der U10. 1993 wurden die Planungen zur Linie U10 verworfen.

 

Lage des geplanten U-Bahnhofs der Linie 10 unter dem Autobahntunnel. Wikipedia

Linie U10

 

Mit der Eröffnung der Linie U5 von Hauptbahnhof über Bundestag, Brandenburger Tor, Unter den Linden, Museumsinsel, Rotes Rathaus zum Alexanderplatz wurde bekannt, dass der U-Bahnhof Rotes Rathaus zwei Ebenen umfasst: Oben in sieben Meter Tiefe der Bahnsteig für die U5, unten in zwölf Meter Tiefe eine Abstellanlage mit vier Gleisen, die auf zwei Gleise mit Außenbahnsteigen zurückgebaut werden könnte, falls U3 bzw. U10 realisiert werden sollten – Bauvorleistung genannt..

 

 

 

 

 

 

 

 

Das ist nicht alles. Beim Bau der Bahnsteige für die U5 wurde am U-Bahnhof Alexanderplatz ein Gleistrog für die U10 mitgebaut – ebenso 2006 beim Neubau des Regionalbahnhofs Potsdamer Platz. Am U-Bahnhof Kleist-Park befindet sich seit 1971 unter dem Bahnsteig der U7 der Rohbau eines Bahnsteigs für die geplante U10. Am Innsbrucker Platz wurde beim Bau des Stadtrings unter Autobahntunnel und Hauptstraße der Rohbau für einen Bahnhof der geplanten U10 errichtet und über ein Verteilergeschoss mit dem bestehenden U-Bahnhof Innsbrucker Platz der U4 verbunden. Zwischen Walther-Schreiber-Platz und Rathaus Steglitz entstand unter der Schloßstraße als Gemeinschaftsbauwerk von U9 und U10 ein zweigeschossiger Tunnel. Da die U10 bisher nicht realisiert wurde, wechselt die U9 auf die für die U10 vorgesehenen Gleise bis zur Endstation Rathaus Steglitz. Der U-Bahnhof Schloßstraße wurde 1974 als Umsteigebahnhof zwischen U9 und der geplanten U10 konzipiert und mit zwei übereinanderliegenden Mittelbahnsteigen gebaut. Am oberen Bahnsteig sollten die Bahnen nach Walther-Schreiber-Platz und am unteren Bahnsteig nach Rathaus Steglitz fahren. Da die U10 nicht realisiert wurde, werden jeweils nur die östlichen Bahnsteigseiten des Bahnhofs von der U9 genutzt. Die westlichen Seiten sind durch einen Gitterzaun vom Fahrgastverkehr getrennt. Im Gleistrog sind ungenutzte Gleise ohne Stromschiene verlegt.

 

Der U-Bahnhof Rathaus Steglitz wurde 1974 eröffnet – mit getrennten Bahnhöfen für U9 und U10. Als Rohbau fertiggestellt sind die Seitenbahnsteige für die U9, die nach einem Schwenk in Richtung S-Bahnhof Steglitz weiter über Neue Filandastraße, Siemensstraße und S-Bahnhof Lankwitz bis Lankwitz Kirche geführt werden sollte. Die U10 sollte ursprünglich geradeaus weiter über die Stationen Händelplatz, Klinikum Steglitz und Tietzenweg bis zur Drakestraße fahren. So kommt es, dass die U9 seit der Eröffnung die Gleise der U10 mit einem Mittelbahnsteig nutzt.

 

Durch die Verwendung des U10-Bahnsteigs verlängern sich die Umsteigewege zur S-Bahn erheblich. Eine Verlängerung der U9 bis Lankwitz bleibt langfristig geplant. Die Planungen für die U10 wurden 1993 eingestellt.

 

Geblieben sind viele teure Bauvorleistungen für die Linie U10, die seinerzeit allerdings von Bonn finanziert wurden. Nun, da die Stadtentwicklung Verkehr größtenteils aus dem Haushalt des Landes Berlin finanziert werden muss, beschäftigt sich der Senat seit 2016 mit einer Straßenbahnlinie vom Alexanderplatz über Potsdamer-, Haupt-, Rhein- und Schloßstraße bis zum Rathaus Steglitz und seit dem Amtsantritt von Giffey (SPD) und Jarasch (Grüne) obendrein mit dem Ausbau von Radwegen. Zukunft sieht anders aus.