Gegen das Hineinwachsen der Stadt Berlin in das Schöneberger Gebiet war die Gemeinde machtlos. Nach der Reichsgründung im Jahr 1871 stieg die Einwohnerzahl Schönebergs rasant an. 1889 wurde die Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft gegründet. Sie verfügte hinter der Wannseebahn über ein Areal von 26 ha Bauland und offerierte in Anzeigen Bauparzellen auch mit Bauerlaubnis am Bahnhof Friedenau. Die Stadt Schöneberg stimmte dem Bebauungsplan zu und machte aus dem Gelände am 12. Januar 1892 das Malerviertel. Straße 1 wurde Holbeinstraße, 3 Menzel-, 5 Rembrandtstraße & Dürerplatz, 6 Begas-, 7 Becker-, 8 Peter-Vischer-, 9 Canova- & Cranachstraße, später kamen Thorwaldsen- und Semperstraße hinzu. Die Straße 46 erhielt den Namen Knausstraße, benannt nach dem Maler Ludwig Knaus (1829-1910), der 1874 an die Berliner Akademie berufen wurde, und von der Nationalgalerie beauftragt wurde, Bildnisse von Gustav Friedrich Waagen, Hermann von Helmholtz, Jacob Stern, Otto von Bismarck und Theodor Mommsen anzufertigen.

 

Anläßlich der Parzellierung des Steglitzer Terrains zwischen Thorwaldsen- und Bergstraße wurde am 25. August 1905 nach Übereinkunft von Steglitz und Schöneberg für die Knaus- und Rembrandtstraße eine andere Hausnummerbezeichnung eingeführt. Die Knausstraße ist um drei Häuser verlängert, die auf Steglitzer Terrain liegen werden. Die bisherigen Nummern sind deshalb um 3 erhöht worden, sodaß Nr. 5 jetzt Nr. 8 ist. Die Rembrandtstraße beginnt jetzt erst an der Friedenauer Brücke, Ecke Begasstraße, während der Teil zwischen Brücke und Steglitzer Grenze (die bisherigen Häuser Rembrandtstraße 1 und 2) zur Körnerstraße geschlagen sind und die Bezeichnung Körnerstraße 46 und 47 erhalten haben. Durch diese Änderungen liegen Knaus- und Körnerstraße sowohl in Friedenau (Schöneberg) und Steglitz.

 

Übersichtsplan Stadt Schöneberg, 1909. Quelle Bezirksamt Schöneberg

Verbreiterung der Knausstraße

 

Als sich abzeichnete, dass das Projekt Malerviertel erfolgreich werden würde, sollte 1899 von der Saarstraßenbrücke entlang der Steglitzer Grenze eine Straße nach Südende gebaut werden. Schöneberg und Steglitz setzten dafür neue Fluchtlinien zwischen Knaus- und Rubensstraße fest. Die Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft als Eigentümerin des Areals erklärte jedoch, keine Opfer für die Straße bringen zu wollen. Anerkannt wurde von ihr durchaus, dass diese Straße viel für sich hat. Da aber für das Terrain ein Bebauungsplan für rechteckig festgelegte Baublöcke vorliegt und diese durch die neue Straße ungünstig geschnitten werden, werden der Gesellschaft Nachteile mit geschätzten Kosten von 500.000 Mark erwachsen.

 

Das Problem: Es wäre zu spät, eine Verkehrsstraße zu schaffen, wenn erst die Bebauung in Angriff genommen sei. Lege man die Straße jetzt an, so geschähe es im Interesse der Gemeinde auf Kosten der Gesellschaft, unterlasse man die Anlage, so würde das Interesse der Gesellschaft auf Kosten der Stadt wahrgenommen. Gegen die Fluchtlinienfestsetzung der Stadt Schöneberg erhoben die Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft und der Architekt Otto Hoffmann als Eigentümer des Grundstücks Rembrandt-, Becker- und Knausstraße Einspruch.

 

 

 

 

Es kam zu Verhandlungen: Die Terraingesellschaft tritt das Straßenland unentgeltlich und lastenfrei an die Gemeinde ab. Die Gemeinde stellt die Kanalisation her. Die Kosten sind von der Gesellschaft vor Beginn der Arbeiten einzuzahlen. Es ist statt des ortsstatutarischen Beitrages von 50 M. nur ein Beitrag von 30 M. für das laufende Meter Straßenfront zu entrichten. Die Gemeinde verpflichtet sich, den Damm der Grenzstraße auf eigene Kosten provisorisch zu pflastern und zu genehmigen, dass dann ausnahmsweise Bauerlaubnis für die Grundstücke der Gesellschaft erteilt wird. Die Pflasterung erfolgt durch die Gemeinde auf Kosten der Gesellschaft, welche diese Kosten vor Beginn der Pflasterung einzuzahlen hat.

 

Architekt Otto Hoffmann hatte außerdem angeboten, der Stadt entweder sein ganzes Grundstück von 1350 Quadratmetern für den Preis von 60.000 M oder denjenigen Teil desselben, der nach dem neuen Fluchtlinienplane für Straßenland in Anspruch genommen werden soll, (ungefähr 670 qm) für den Preis von 44 M pro Quadratmeter zu verkaufen, wenn in letzterem Fall Anliegerbeiträge für das Restgrundstück nicht erhoben werden. Der Erwerb des ganzen Hoffmann'schen Grundstücks an der Rembrandt-, Becker- und Knausstraße wurde für vorteilhafter angesehen. Die Gemeinde könnte keinen besseren Beschluss fassen. denn während der Zeit, die hingehen wird, bevor, die Knausstraße von neue« Ansiedlern besetzt ist, wird das Terrain bedeutend im Werte steigen und da es doch ein für alle Mal notwendig wird, den größten Teil des Hoffmann'schen Grundstückes zu erwerben, so geschieht das besser gleich als später, denn die Entwicklung eines Teiles von Schöneberg geht ohne Zweifel einer nicht unbedeutenden Zukunft entgegen. Damit steigen natürlich auch die Enteignungssumme und die zukünftigen Kosten für die Erwerbung des Baulandes. Es bleibt also dabei, dass wir der Stadtverordnetenversammlung nur dringend ans Herz legen können, gemäß der Magistratsvorlage zu beschließen.

 

Ein Jahr später waren auf dem Dreieck zwischen Rubens-, Cranach-, Menzel- und Knausstraße 56 Häuser gebaut. Die zum Promenadenweg ausgebaute Knausstraße zwischen Schöneberg und Steglitz wurde als Prachtstraße hochgejubelt.

 

Knausstraße 10, 1952. Sammlung Staudt. Museum Schöneberg

Knausstraße Nr. 10

Johannes Behr (1875-1973)

 

Nachdem 1906 Klage darüber geführt wurde, daß man die Vorgänge in der Bedürfnisanstalt an der Knausstraße von den umliegenden Häusern beobachten könne, da die Anstalt so angelegt sei, daß sie überall Einblick gestatte, hatte der Magistrat die Wände dieser Anstalt erhöhen lassen, damit den Bewohnern der umliegenden Häuser der Einblick verwehrt bleibt. Ob die weiteren Forderungen umgesetzt wurden, Windschirme an der Friedenauer Brücke, damit der Wind sich den Damen nicht in die Kleider setzt, oder auf dem Markt ständig einen Schutzmann zu postieren, da Herren manchmal ‚für Damen‘ gingen, oder keine Balkons mehr mit durchsichtigen Umfassungswände zuzulassen, konnte nicht abschließend recherchiert werden. Interessanter ist die Geschichte von Johannes Behr, der von 1909 bis 1969 sechs Jahrzehnte in der Knausstraße Nr. 10 wohnte und Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Zeit, Bombenhagel sowie Wirtschaftswunderjahre erlebte.

 

 

 

 

 

 

Der Sohn des Superintendenten und Oberpredigers Ernst Behr und dessen Ehefrau Adeline geb. Cloeter wurde am 22 April 1875 im thüringischen Langenberg geboren. Nach dem Besuch der Gymnasien in Gera und Weimar studierte er in Jena, promovierte zum Dr. phil. und wurde Assistent am Mineralogischen Institut Jena. In diesen Jahren war er wohl auch mit geologischen Untersuchungen in der zum ehemaligen Großherzogtum Sachsen gehörenden Exklave Ostheim vor der Rhön tätig. 1903 erhielt Behr eine Anstellung als außeretatmäßiger Kgl. Geologe an der Preußischen Geologischen Landesanstalt in Berlin – mit Aussicht auf eine Beamtenlaufbahn zum Bezirks- und Landesgeologen. Am 21. Juli 1908 gab es in der evangelischen Michaelskirche zu Ostheim die Heirat mit Elsa Heister. Nachdem am 17. Mai 1909 in Ostheim Sohn Heinrich geboren war, musste in Berlin eine herrschaftliche Vorderhauswohnung mit 5-6 Zimmern her, mit allem Komfort der Neuzeit, Heizung, elektrisches Licht, Warmwasser, Balkon, Loggia, Küche, Bad, Mädchenzimmer. Behr fand sie in dem Neubau Knausstraße Nr. 10 III. Stock, den der Oberpostsekretär und spätere Stadtverordneter von Schöneberg K. Schmedes erworben hatte. Mit der Straßenbahn in der Beckerstraße und dem Wannseebahnhof Friedenau kam er zur Arbeitsstelle in der Invalidenstraße.

 

Die Baugeschichte dieses außergewöhnlichen Hauses ist unklar. Die Grundstücke Knausstraße Nr. 1 bis 10 waren 1902 im Besitz der Schöneberg Friedenauer Terraingesellschaft, deren Geschäft hauptsächlich auf dem Verkauf baureifer Parzellen beruhte. Zwangsversteigerungen auch von Grundstücken mit schon errichteten Fundamenten waren an der Tagesordnung. Zu den Aktivsten in der Knausstraße gehörte der Architekt W. Wernicke, der wohl mehr mit Erwerb und Verkauf und weniger mit Architektur zu tun hatte, so dass nicht zu verifizieren ist, ob das Haus tatsächlich nach seinen Entwürfen entstanden ist. 1903 wurde das Grundstück Nr. 10 als Baustelle im Besitz von Wernicke ausgewiesen. 1904 ist es Eigentum von Witwe Pezenburg. 1905 müsste mit dem Bau des Mietswohnhauses begonnen worden sein – Eigentümer nun Pezenburg’sche Erben, Verwalter Architekt Wernicke. 1906 gehören Vorder- und Gartenhaus dem Oberpostsekretär K. Schmedes, bezogen von 20 Mietparteien. Da war Wernicke bereits mit dem Bau der Häuser Knausstraße Nr. 12 & Nr. 13 beschäftigt.

 

Wer auch immer das Haus entworfen hatte, außergewöhnlich ist es allemal. Der Baumeister zog die beiden Seitenflügel der dreigliedrigen Fassade bis an die Straße vor, so dass diese vor dem Mittelteil einen Vorhof bilden, der dem Bau ein herrschaftliches Entrée verleiht – mit einem Eingang für das Vorderhaus und einen zweiten zu Innenhof und Gartenhaus mit kleinen Wohnungen.

 

Beruflich ging es vorwärts. Er schrieb einen Beitrag für das Handbuch der Steinindustrie und wurde zum Kgl. Bezirksgeologen ernannt. Zum Besten der Kriegskasse hiel er im Frühjahr 1916 in der Aula des Gymnasiums am Maybachplatz einen Vortrag über seine Reiseeindrücke aus Bulgarien. Als nach dem Kaiserreich aus der Königlich-Preußischen die Preußische Geologische Landesanstalt wurde, wurde Behr zum Professor für Angewandte Geologie für Wirtschaft und Technik und schließlich 1930 zum Landesgeologen ernannt. Mit Beginn der NS-Zeit zeichnen sich für den geologischen Dienst Veränderungen ab. Anstatt Herstellung und Bearbeitung geologischer Darstellungen einzelner Landesteile kam 1934 das Institut für Erdölgeologie mit dem Reichsbohrprogramm für die systematische Untersuchung von Erdöllagerstätten hinzu. 1941 wurde aus der Landesanstalt das Reichsamt für Bodenforschung für eine autarke Kriegswirtschaft. Mit 66 Jahren wird er im April 1941 pensioniert. Im Adreßbuch von 1943 heißt es unter Knausstraße Nr. 10 Prof. Dr. Johannes Behr, Abteilungsdirektor a. D.. Dann fallen die Bomben. Während von den Nachbarhäusern Nr. 13, 14 und 15 nur noch Ruinen bleiben, blieb Nr. 10 verschont.

Die Fotografie des Hauses in der Knausstraße 10, aufgenommen von Herwarth Staudt am 9. Februar 1952 im Auftrag des Baulenkungsamtes Schöneberg, dokumentiert eindringlich, dass da weder Dach noch Fassade beschädigt, Ornamente und Stuck weitgehend erhalten waren, und die Entdkorierung in den Wirtschaftswunderjahren hätte vermieden werden können. Selbst der Laden für Lebensmittel, Räucherwaren, Obst und Gemüse von J. Peters  war im Winter 1952 wieder geöffnet. Die Familie Behr wohnte in diesem Haus bis 1968. Der letzte Eintrag findet sich im Adreßbuch von 1970: Prof. Dr Johannes Behr, Rubensstraße 70. Im Jahr 1973 ist er im Alter von 93 Jahren verstorben.

 

Knausstraße 11, ca. 1955. Archiv Stephan Steuber

Knausstraße Nr. 11

Pfarrer Johannes Pfeiffer (1897-1970)

 

Die zu Schöneberg zählenden Grundstücke Knausstraße Nr. 9 bis Nr. 15 wurden 1905 bebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Häuser mit den Nummern 13, 14 und 15 Ruinen. Nr. 10 und Nr 12 blieben einigermaßen verschont. Pfarrer Dr. lic. Johannes Pfeiffer (1897-1970) hatte die Bombardierungen hautnah miterlebt – in der Knausstraße und schließlich auch die Zerstörung seiner Nathanaelkirche am Grazer Platz. 1933 war er nach Schöneberg gezogen, zuerst in die Beckerstraße Nr. 11, ein Jahr später in die Knausstraße Nr. 11, wo er bis zu seinem Tod 1970 wohnte.

 

 

 

 

 

Über sein Wirken als Pfarrer der Nathanelkirche verliert die Kirchengemeinde bis heute kein Wort, weder über die Jahre im Nationalsozialismus noch über die Zeit nach 1945. Unsere schriftliche Bitte um Aufklärung wird von den beiden Pfarrern und dem Gemeindekirchenrat mit Schweigen bedacht. Erwähnenswert wäre doch zumindest, dass Pfarrer Johannes Pfeiffer während der Nazi-Zeit der Bekennenden Kirche die Nutzung der Kirchenräume ermöglichte. Wurde Pfeiffer tatsächlich 1938 inhaftiert, nur weil er im Gottesdienst die Einlieferung von Martin Niemöller ins KZ bekanntgegeben haben soll? Keine Reaktion auch, nachdem 2018 durch die Verlegung eines Stolpersteins bekannt wurde, dass Pfarrer Johannes Pfeiffer den Juden Fritz Smoschewer am 3. März 1934 in der Nathanelkirche taufte, und mit dessen Übertritt zum evangelischen Glauben den vergeblichen Versuch wagte, Smoschewer ein Überleben zu sichern.

 

Das Verhalten ist für die Evangelische Kirche Berlin typisch. Immer zu spät und immer mit patoralen Worthülsen. Bischof Wolfgang Huber gestand erst 2005 mit Scham ein, dass Friedrich Weißler in den nationalsozialistischen Jahren sowohl von der Reichskirche als auch von der Bekennenden Kirche verlassen wurde, die ihm nicht zur Seite standen. Über den Kampf von Pfarrer Paul Vetter mit den nationalsozialistischen Geistlichen der Kirche Zum Guten Hirten klärte nicht die Evangelische Kirche, sondern der Theologie- und Kirchenhistoriker Hansjörg Buss 2018 auf. Als bekannt wurde, dass der nach 1945 mit vielen Ehren bedachte Bischof Otto Dibelius während der Nazi-Zeit Juden stets gemieden habe, nämlich: nicht in feindlicher Gesinnung, aber doch so, dass man das Fremdartige in ihrem Wesen spürte, schrieb der Historiker Manfred Gaillus 2022, dass Dibelius‘ Äußerungen in der NS-Zeit neu bewertet werden müssen. Von wem?

 

Pfeiffers letzte bekannte öffentliche Äußerungen erschienen 1947 in der Theoretische Literaturzeitung Nr. 6, 1947: Eine Rezension zu der in London erschienenen Publikation Luther speaks. Im Berliner Telefonbuch von 1968/69 steht unter Berlin 41, Knausstraße 11, Pfeiffer, Johannes, Lic. Dr. Pfr. Telefon 83 54 20. Nicht bekannt ist bisher, wie lange er Pfarrer an der Nathanaelkirche war. Er starb 1970 und wurde auf dem Schöneberger Friedhof Priesterweg bestattet. Der Friedhof ist seit 2005 geschlossen und könnte 2035 eingeebnet werden. Viele Fragen sind unbeantwortet. Wir haben den Historiker Hansjörg Buss um Hilfe gebeten, und hoffen, dass wir seine Erkenntnisse demnächst veröffentlichen können.

 

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Das Leben in die Knausstraße Nr. 11 ging nach dem Zweiten Weltkrieg weiter. In die bis 1943 existierende Praxis von Dr. med. C. Weirauch zog 1950 der praktische Arzt Dr. Friedrich Wilhelm Steuber ein – Sprechstunden Mo Di Do Fr 16-18, vorm. n. Voranmeldung. Von seinem Sohn Dr. Stephan Steuber erfuhren wir nun die Fortsetzung: Im Frühjahr 1948 wurde ich vom Gesundheitsamt Berlin verpflichtet, die Chirurgische Station in der Frankfurter Allee zu übernehmen. Als ich am 24. Juni 1948 von der Berlin-Blockade hörte, war ich zufällig in Hamburg. Ich fuhr schleunigst zurück und trat die Stelle an, war wohl der einzige Arzt, der trotz Blockade immer wieder in den Osten kam, morgens hin und abends zurück. Am 26. Juni 1948 richtete die US-Luftwaffe für die Versorgung der West-Berliner eine Luftbrücke zum Flughafen Tempelhof ein. Nachdem die Westmächte im September 1948 untersagten, bestimmte Güter in die sowjetische Besatzungszone (SBZ) zu liefern, boten mir die Russen eine Stelle an, die ich aber nicht annahm. Vielmehr trat ich eine Stelle als Stationsarzt im Auguste-Viktoria-Krankenhaus an. Damit stand meiner Approbation nichts mehr im Wege. Danach habe ich mich als praktischer Arzt in der Knausstraße Nr. 11 niedergelassen. Meine Geschwister und ich haben die ganze Jugend in Friedenau verbracht: Kindergarten in der Fregesstraße, Kirchgang am Sonntag zur Heilsarmee, Einkaufen bei Aschinger in der Beckerstraße (oben an der Knausstraße), Lebensmitteleinkäufe bei Hochstädt‘s am Grazerplatz an der Pöppelmannstraße, Grundschule Barnim/Ruppin, Rheingau 0S, Schulsachen bei Kirsch, Apotheke am Zirkel und die Kinos Palette, Allegro, Apollo, Rheinschlösschen und und und … Damals wars.

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Stolperstein Fritz Smoschewer, Passauer Strae 2

Unter den Veröffentlichungen der Berliner Stolperstein-Aktivisten fanden wir einen Beitrag zu Fritz Smoschewer (1894-1944), für den am 4. Sepetmber 2018 in der Passauer Straße Nr 2 ein Stolperstein verlegt wurde. Wir veröffentlchen den Beitrag auszugsweise:

 

Fritz Smoschewer wurde am 23. Mai 1894 als Sohn des in Krotoschin geborenen Justizrats, Rechtsanwalts und Notars Julius Smoschewer (1862-1941) und seiner aus Posen stammenden Frau Martha, geborene Neufeld (1872-1936). Fritz Smoschewer besuchte das Königliche Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Posen, auf dem er 1912 sein Abitur ablegte. Er studierte Jura in München, Berlin und Bonn sowie in Kiel, wo er 1917 seine erste Staatsprüfung bestand. Zum Antritt des Referendariats wurde er am 5. November 1917 in Meseritz vereidigt. Im Oktober 1918 promovierte er zum Dr. jur. an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Königlichen Universität Greifswald mit dem Thema „Der Gefahrübergang beim Gattungsversendungskauf, insbesondere bei Verschiffung der Ware.“ 1919 zog die Familie von Posen nach Berlin. 1921 wurde erstmalig in den Berliner Adressbüchern die Wohnung Passauer Straße 2 als Adresse von Julius Smoschewer genannt. Die Große Staatsprüfung legte Fritz Smoschewer im März 1921 ab. Am 10. März 1921 trat er den Dienst als Hilfsrichter beim Landgericht Potsdam an. Ab Februar 1923 wurde er als Landgerichtsrat beim Landgericht II, ab Mai 1928 beim Landgericht I in Berlin angestellt und zugleich als Amtsgerichtsrat am Amtsgericht Berlin-Mitte.

 

 

Am 1. Mai 1928 heirateten Fritz Smoschewer und Ilse Klemperer (1904-1986). Das 'Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' beendete Berufslaufbahn und Lebensplanung schlagartig. Fritz Smoschewer wurde erst zwangsweise beurlaubt, im Herbst 1933 folgte Berufsverbot mit Ruhegehalt.

 

1934 trat Fritz Smoschewer zum evangelischen Glauben über. Getauft wurde er am 3. März 1934 in der Nathanael-Kirche in Berlin-Schöneberg in der Rubensstraße, durch Pfarrer Lic. Dr. Johannes Pfeiffer. Taufpaten waren die Brüder seiner Frau Ilse, der Gerichtsassessor a. D. Kurt Klemperer und Wolfgang Klemperer, cand.med.. Im Dezember 1935 wurde die Ehe geschieden. Ilse Smoschewer (geb. Klemperer) erhielt das alleinige Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn. Im Oktober 1936 emigrierten sie und ihr Sohn Kurt über Brasilien 1937 in die Vereinigten Staaten.

 

Am 24. Mai 1939 heiratete Fritz Smoschewer die Hauswirtschaftslehrerin Irma Brandt. In der Wohnung Passauer Straße 2 lebten Fritz und Irma Smoschewer weiterhin eine Zeit lang. Im März 1942 war Fritz Smoschewer vorübergehend in der Israelitischen Kuranstalt Sayn für Nerven & Gemütskranke im Kreis Mayen-Koblenz gemeldet. Im August 1942 änderte Fritz Smoschewer mit Adresse Passauer Straße 2 letztmalig sein Testament. Seit November 1942 galt er als ‚flüchtig‘. Sein Vermögen wurde über die Anwendung des Gesetzes 'über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens' eingezogen, sowie die ‚Reichsfluchtsteuer‘ erhoben, beides Maßnahmen zur Ausplünderung und Enteignung. Mit geänderten Identitäten konnten Fritz und Irma Smoschewer vorübergehend untertauchen. Fritz und Irma Smoschewer wurden am 12.Juli 1944 mit dem 55. Ost-Transport in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort im Dezember desselben Jahres vermutlich ermordet.

 

Knausstraße 13, 1950. Sammlung Staudt. Museum Schöneberg

Knausstraße Nr. 13

 

Die Häuser Knausstraße Nr. 12 und Nr. 13 wurden 1908/1909 errichtet. Unbekannt ist der Baumeister, unklar sind Eigentümer. Für Nr. 12 ist als Besitzerin Frau B. Wernicke und als Verwalter Architekt W. Wernicke eingetragen. Für Nr. 13 steht als Eigentümer Pezenburg’sche Erben und als Verwalterin Frau B. Wernicke. 1920 verkauft Witwe B. Wernicke Nr. 13 und bleibt Eigentümerin von Nr. 12. Als ihr Ehemann noch unter den Lebenden weilte, warnte er in einer Zuschrift an den Friedenauer Lokal-Anzeiger vor der Straßenbahn-Linie 61: Zweimal habe ich bisher. kurz nach 10 Uhr Abends, von der Französischen-Straste ab den Wagen 60 nach Fiedenau benutzt und beidemal wurde ich an der Mühlenstraße in Schöneberg gegen ¾ 1 Uhr durch die Meldung des Schaffners überrascht: „Der Wagen geht hier ins Depot". Ich hatte das Vergnügen ½ Stunde bis zur Beckerstraße in Friedenau zu marschieren; das erstemal bei Regenwetter, in Gesellschaft einer Frau mit 2 kleineren Kindern. In Friedenau wurde die Linie 88 in vollem Betrieb angetroffen. Der Schaffner der Linie 60 entscheidet offenbar darüber, ob es sich verlohnt, ganze Fahrt zu machen oder nicht. W. Wernicke, Knausstr 13.

 

Geblieben sind nach den Weltkriegsbomben nur noch die Aufnahmen von Herwarth Staudt der Sammlung Museum Schöneberg, die am 19. Juli 1950 und am 5. Dezember 1953 im Auftrag des Baulenkungsamtes Schöneberg entstanden sind.

 

 

Knausstraße Nr. 14

 

Vom ehemaligen Haus Knausstraße Nr. 14 und des Hinterhofs sind nur noch die Aufnahmen des Fotografen Herwarth  Staudt der Sammlung des Museum Schöneberg erhalten. Die Fotos entstanden am 18. Januar 1952 und am 6. Januar 1954 im Auftrag des Baulenkungsamtes Schöneberg. Die Ruinen wurden später abgerissen. Auf den Grundstücken entstanden in den 1970er Jahren schlichte Neubauten im Stil der Zeit.

 

Knausstraße 15, 1950. Sammlung Staudt. Museum Schöneberg

Knausstraße Nr. 15

Ecke Beckerstraße

 

Um das Grundstück an der Ecke Becker-, Knaus- und Rembrandtstraße gab es einen Konflikt zwischen der Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft als Eigentümerin des noch unbebauten Dreiecks an der Friedenauer Brücke und dem Eigentümer Architekt Otto Hoffmann des Grundstücks Knausstraße Nr. 15 Ecke Beckerstraße Nr. 15. Als Schöneberg und Steglitz 1899 von der Friedenauer Brücke entlang der Gemarkungsgrenze eine Straße nach Südende planten, stand ein festgesetzter Bebauungsplan im Weg. Mit der neuen Fluchtlinienfestsetzung wurde das Grundstück Knausstraße Nr. 15 mit den rechteckig festgelegten Baublöcken so ungünstig geschnitten, dass dem Eigentümer Hoffmann Nachteile erwachsen.

 

Nach einigem Hin und Her bot Eigentümer Otto Hoffmann der Stadt entweder sein ganzes Grundstück von 1350 Quadratmetern für den Preis von 60.000 M an oder denjenigen Teil desselben, der nach dem neuen Fluchtlinienplan für Straßenland in Anspruch genommen werden soll, (ungefähr 670 qm) für den Preis von 44 M pro Quadratmeter zu verkaufen, wenn in letzterem Fall Anliegerbeiträge für das Restgrundstück nicht erhoben werden. Der Erwerb des ganzen Hoffmann'schen Grundstücks wurde von der Stadt für vorteilhafter angesehen, denn das Terrain wird bedeutend im Werte steigen, so geschieht das besser gleich als später.

 

 

 

Nun überließ Hoffmann das Bauvorhaben dem Baumeister Mendel Ber Rosenkranz (geb. 1869) und seinem in der Rubenstraße Nr. 27 ansässigen Baugeschäft. Rosenkranz war wiederum mit Sarah Stöckel verheiratet, der Tochter des Baumeisters Moritz Stöckel aus der Fregestraße, der für die Schöneberg-Friedenauer Terraingesellschaft einige Mietswohnhäuser geschaffen hatte. 1906 waren die ersten Wohnungen bezogen, darunter vom Geographen Dr. phil. Wilhelm Meinardus und seiner Ehefrau Clara Ida Dorothea geb. Hoffmann, der Tochter des Architekten Otto Hoffmann.

 

Das Anwesen war von 1925 bis 1939 im Besitz der Familie Rosenkranz. Danach heißt es im Adreßbuch: 1940 Eigentümer ungenannt, 1942 Eigentümer ungenannt. Verwalter W. Bartmann, Treuhänder der DAF. Die Deutsche Arbeitsfront fungierte als Treuhänder der Volksgemeinschaft und unterstand dem Reichsarbeitsministerium und Reichsheimstättenamt, die den ehemaligen Gewerkschaftsbesitz von Wohnungs- und Siedlungsbau übernommen hatten. Über das Schicksal der Familie Rosenkranz nach 1940 ist (bisher) nichts bekannt.

 

Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Erhalten ist ein Foto von Herwarth Staudt, aufgenommen am 10. März 1950 im Auftrag des Baulenkungsamtes Schöneberg, mit einer Apotheke an der Ecke, die noch bis 1943 existierte. Laut Adreßbuch zog 1941 in ie Knausstraße Nr. 15 der Gebrauchsgrafiker Hans Uhlmann (1900-1975) ein. Der geborene Steglitzer studierte ab 1918 an der Technischen Hochschule Berlin und arbeitete ab 1924 als Diplom-Ingenieur bei der Firma Neufeldt & Kuhnke in Kiel. 1926 kehrte er als ständiger Assistent von Professor Max Kloss an die Technische Hochschule Berlin zurück. 1930 stellte er Gipsplastiken in der Galerie Fritz Gurlitt aus. 1933 wurde er bei einer Flugblattaktion festgenommen und wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. Nach seiner Entlassung war er ab 1937 als technischer Zeichner und Konstrukteur bei der National Registrierkassen GmbH Berlin tätig. 1941 heiratete er Hildegard Rohmann. Im Jahr darauf kam der Sohn Hans Joachim zur Welt.

 

Im Mai 1945 wurde Uhlmann beim Volksbildungsamt Berlin-Steglitz als Referent für Malerei und Plastik eingesetzt. Er organisierte Ausstellungen für die noch kurz zuvor mit Arbeitsverbot belegten Künstler und zeigte erstmals seine in den vergangenen zwölf Jahren entstanden Skulpturen und Zeichnungen. Im Sommer 1946 wechselte er als Ausstellungsleiter zur Galerie Gerd Rosen. 1950 wurde Uhlmann an die Hochschule für Bildende Künste Berlin gerufen. Hans Uhlmann gehörte zu den zentralen Figuren der Berliner Kunstszene. Als 1961 vor der massiven hellen Waschbetonfassade der Deutsche Oper Berlin seine 20 Meter hohe Skulptur aus schwarz-getöntem Chromnickenstal als plastisch architektonisches Gegengewicht aufgestellt wurde, erntete das Werk heftige Ablehnung: Schaschlikspieß, Leo Blech und Nirosta-Dirigent. Nach über sechs Jahrzehnten wird das Denkmal von den Berlinern nur noch zur Kenntnis genommen.