Es begann mit der Nachricht im Friedenauer Lokal-Anzeiger vom 9. November 1909. Unter der Überschrift Neue Straßennamen wurde verkündet: Die Straße 13, Verbindungsstraße zwischen Laubacherstraße und Südwestkorso (am Friedhof) hat den Namen ‚Offenbacherstraße‘, die Straße 14, Verbindungsstraße zwischen Laubacherstraße und Südwestkorso (nahe Taunusstraße) den Namen ‚Deidesheimerstraße‘ und der Teil der Rheingaustraße zwischen Varziner- und Fehlerstraße den Namen ‚Kreisauerstraße‘ erhalten.

 

Mit der Namenswahl Kreisauer Straße blieb sich Friedenau treu und erinnerte noch einmal an den Friede von Frankfurt von 1871, an dem Elsass und Lothringen dem Deutschen Reich angegliedert wurden – letztendlich ein Verdienst von Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke (1800-1891), dem siegreichen Feldherrn der Kriege von 1866 und 1870/1871. Dem genialen Strategen, Motto erst wägen, dann wagen, gewährte Preußen eine hohe Dotation, die es ihm ermöglichte, das Gut Kreisau in Schlesien als Alterssitz zu erwerben.

 

Der kinderlos gebliebene Moltke machte Kreisau zum Familienfideikommiß und bestimmte Wilhelm Graf von Moltke (1845-1905), den ältesten Sohn seines Bruders Adolf, zum Majoratsherren, der Kreisau erbte. 1929 übernahm Urgroßneffe Helmuth James Graf von Moltke (1907-1945) die Leitung des Gutes. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften, wurde Rechtsanwalt, Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Völkerrecht und arbeitete schließlich ab 1939 in der Amtsgruppe Ausland/Abwehr des Nachrichtendienstes der Wehrmacht. 1931 heiratete Helmuth James Graf von Moltke Freya geb. Deichmann (1911-2010). Das Ehepaar organisierte 1942 und 1943 in Kreisau Zusammenkünfte, auf denen sich die Teilnehmer – nach dem erhofften Zusammenbruch der Hitler-Diktatur – zur politisch-gesellschaftlichen Neuordnung in Europa bekannten. Für sie hatten sich Nationalismus und Nationalstaat als ungeeignet erwiesen, die europäischen Probleme zu lösen. Sie plädierten daher für die Einbindung des Deutschen Reiches in das internationale Staatengeflecht.

 

Nach dem 20. Juli 1944 wurde die Gruppe entdeckt. Die Gestapo nannte sie Kreisauer Kreis. Im Januar 1945 standen Moltke und andere Mitglieder des Kreisauer Kreises vor dem Volksgerichtshof. Die Schauprozesse endeten mit Todesurteilen für Peter Graf Yorck von Wartenburg (1904-1944), Werner Karl von Haeften (1908-1944), Adam von Trott zu Solz (1909-1944), Alfred Delp (1907-1945), Adolf Reichwein (1898-1944), Julius Leber (1891-1945) und Theodor Haubach (1896-1945). Helmuth James Graf von Moltke wurde am 11. Januar 1945 zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 im Gefängnis Plötzensee erhängt.

 

Nach dem Zweiten Krieg kam Schlesien unter polnische Verwaltung. Aus Kreisau wurde Krzyżowa. Die Deutschen wurden vertrieben und durch Polen ersetzt. 1991 gründeten die Republik Polen und die Bundesrepublik Deutschland die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Gut Kreisau wurde saniert. 1998 wurde die Internationale Jugendbegegnungsstätte Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung im Beisein der Witwen Freya von Moltke, Clarita von Trott zu Solz und Rosemarie Reichwein offiziell eröffnet.