Schadenskarte von 1947. Quelle Stadt Berlin

Die Rheinstraße ist ein Teilstück der ehemaligen Provinzialchaussee von Berlin nach Potsdam, die von 1791 bis 1872 Potsdamer Chaussee, dann Schöneberger Straße und ab 22. Oktober 1875 den Namen Rheinstraße erhielt. Dieser Straßenzug ist 985 Meter lang. Die heutige Nummerierung besteht seit 1893. Zu Friedenau zählen Nr. 1-38 sowie Nr. 43-66. Nr. 40+42 gehören zu Steglitz.

 

Die Häuser der gesamten Rheinstraße zwischen Rheineck (Walther-Schreiber-Platz) und Lauterplatz (Breslauer Platz) besaßen Vorgärten, auf die die Grundstücksbesitzer von Schöneberg, Friedenau und Steglitz mit dem Bau der Straßenbahngleise verzichten mussten. Waren die Gleise 1890 für die Dampfstraßenbahn noch an beiden Straßenseiten, wurden diese 1898 mit der Elektrifizierung in die Straßenmitte gelegt – der heutige Grünstreifen.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Berlin 1947 eine „Schadenskarte“ über die durch Bombenangriffe angerichteten Zerstörungen: Rot total beschädigt, Grün vielleicht wieder herstellbar, Blau Abbruch empfehlenswert, Gelb Bewohnbar bzw. benutzbar. Friedenau ist glimpflich davongekommen. Abgesehen von den Zerstörungen in der Illstraße, wo von den 14 Wohnhäusern 11 in Trümmern lagen, wurden in der Rheinstraße 2 Gebäude als total beschädigt und für 6 ein Abbruch als empfehlenswert dokumentiert.

 

Rheinstraße Nr. 9

Entwurf & Bauherr Architekt Oscar Haustein, 1897/99

Anbau Entwurf Architekt Hans Altmann. 1924/25

Bauherr AOK Schöneberg

 

Die Grundstücke Nr. 9 & 10 in der damaligen Schöneberger Straße waren seit 1876 im Besitz von Banquier A. Kaempf, Vorsitzender des 1871 gegründeten Landerwerb- und Bauverein auf Actien. 1897 erwarb der Architekt Oscar Haustein das Grundstück. Er ließ den Vorgängerbau von 1876 abreißen und schuf den Entwurf für das das 1899 fertiggestellte Mietshaus. In das Erdgeschoss zogen ein Posamenten- und Weißwarenhändler und eine Mehlhandlung ein. Ab 1907 wurde in dem Haus die Friedenauer Ortskrankenkasse untergebracht. Nach 1919 kamen Ambulatorium, Badeanstalt und eine Zahnärztliche Klinik hinzu. Da der Raumbedarf größer wurde, entstand 1924/25 nach Plänen des Architekten Hans Altmann im Hinterhof ein zweigeschossiger Anbau an den Ostgiebel des nördlichen Seitenflügels als Sichtziegelbau, dem zum Hof hin ein Souterrain vorgelagert wurde. Der Anbau mit einer Grundfläche von 8,5 x 6,5 Metern besteht im Erdgeschoss aus einem Empfangs- und Warteraum mit weißen Fliesen. Eine Treppe führt ins Obergeschoss und ins Souterrain. Im Obergeschoss ist ein tonnengewölbter, mit grünen Fliesen verkleideter Ruheraum untergebracht. Im Souterrain befindet sich ein ehemaliger Nassraum, der sich in den Hof vorschiebt und mit gelben Fliesen verkleidet ist. Die farbige Keramik ist im Stil des Art déco der Zeit reich ornamentiert. Die aufwendige, gestalterisch herausragende Keramik-Ausstattung der Räume macht diesen bescheidenen Anbau zu einem kleinen Meisterwerk des Architekten Altmann. Die heutige Nutzung des Anbaus ist nicht bekannt. Topographie Friedenau, 2000.

 

Rheinstraße 10. Foto Hahn & STich, 2018

Rheinstraße Nr. 10

Baudenkmal Mietshaus

Ausführung Emil Rösler

1896

 

Das viergeschossige Mietwohnhaus Rheinstraße 10 wurde 1896 nach Plänen von Emil Rösler in rotem Klinkermauerwerk mit ungleich langen Seitenflügeln errichtet. Die Straßenfassade zeigt beiderseits der Mittelachse breite dreiseitige Erker, die von Quergiebeln bekrönt werden, und in den äußeren Achsen Loggien. Zwischen den Quergiebeln sind zwei große Fenster angeordnet. Das Dach ist mit Schiefer gedeckt. Das Erdgeschoss wurde durch Ladenfronten stark überformt. Die Dekoration der Fassade in Formen der deutschen Neorenaissance ist im Lauf der Zeit vereinfacht worden.

Topographie Friedenau, 2000

Rheinstraße 11, 1988. Foto Topographie Friedenau

Rheinstraße Nr. 11

 

Das viergeschossige Mietwohnhaus auf dem Grundstück Rheinstraße 11, das rückwärtig an das Grundstück Handjerystraße 72 stößt, wurde 1896 nach Plänen von Emil Rösler, das Haus auf dem angrenzenden Grundstück 1892-96 nach Plänen von James Ruhemann erbaut. Bauherr der beiden Wohnhäuser war Rudolf Straus.

 

Die beiden Häuser umschlossen einstmals einen Doppelhof mit Gartenanlagen, seit den dreißiger Jahren sind die Höfe jedoch durch eine Mauer getrennt. Das Haus Rheinstraße 11 wurde - im Gegensatz zur Nr. 10 - in gelblichem Klinkermauerwerk errichtet. Die Straßenfassade ist wie die von Nr. 10 symmetrisch aufgebaut: Beiderseits der Mittelachse zeigt sie breite dreiseitige, von Quergiebeln bekrönte Erker und in den äußeren Achsen Loggien. Zwischen den Erkern sind in der Mitte breite Balkons angelegt, die im ersten und dritten Obergeschoß als Veranden verglast worden sind. Die Loggien zeigen eingestellte Säulen, zwischen denen kleine Rundbalkons vorspringen. Jeder Quergiebel trägt ein Wappen mit einem schräggestellten Balken.

 

 

 

 

 

Die reiche Fassadendekoration in den Formen der deutschen Neorenaissance ist gut erhalten, ebenso das Vestibül mit einer Wechselpodesttreppe und einer eleganten spätklassizistischen Dekoration. Die Wände bestehen aus gelblichem Stuckmarmor und sind durch Pilaster mit Frauenköpfen gegliedert, die Relieffelder in der Frieszone zeigen Putten mit Girlanden und Füllhörnern oder mit Wappen in den Händen, auf denen Freimaurer-Insignien zu sehen sind. Die Deckenfelder sind ausgemalt mit einem imaginären Himmel mit Zweigen, Blumen, Vögeln. Das Haus demonstriert in seinem Äußeren wie in seinem Entree die Wohn- und Lebensvorstellungen des Bürgertums des späten 19. Jahrhunderts in anschaulicher Weise.

 

Der Innenhof, 1897 noch von hammerförmigem Grundriß wie der anschließende Hof Handjerystraße 72, weist die für Höfe der Gründerzeit oftmals charakteristische Teilung in eine vordere repräsentative Hälfte mit Schmuckbeet und eine hintere mit Wirtschaftshof auf. Im nur circa zehn Meter breiten und zwanzig Meter langen baulich gefaßten vorderen Hofteil umgeben gelbe Beläge aus Mettlacher Fliesen, die wie in der Handjerystraße 72 aufwendig mit dunklen Bändern und Sternmotiven geschmückt sind, ein mittiges Rechteckbeet mit abgerundeten Ecken. Das mit Klinkern eingefaßte und einem Saum aus Funkien und Farnen gerahmte Beet wird im Zentrum von einem Nußbaum als Rest einer ehemaligen Baumreihe betont, während an den Schmalseiten je ein Birnbaum angepflanzt ist. Zwei symmetrisch angelegte erhöhte Beete mit Naturstein-Einfassung und Rhododendronbepflanzung akzentuieren die regelmäßige Gestaltung. Der Wirtschaftshof, ursprünglich mit integriertem Obstgarten und Laube an der Nordseite versehen, zeigt heule auch infolge der seitlichen Anbauten für Stall (1908) und Garage (1933) ein verändertes Erscheinungsbild. Topographie Friedenau, 2000

 

In die Läden im Erdgeschoss zogen 1898 Loeser & Wolff Cigarren, Porzellan Weinholdt, Putzmacherin Spiegelberg und die Wohlthatsche Buch- und Papierhandlung von Wilhelm Wohlthat ein, der 1896 im 1. Stock seiner Wohnung in der Hedwigstraße Nr. 11 die Buch-, Kunst-, Musikalien-, Landkarten- und Schreibwarenhandlung eröffnet hatte. Angeboten wurde nun ein reiches Lager von Jugendschriften, Werken der Geschenkliteratur, Schulbücher aller hiesigen Schulen. Zentralstelle für den Bezug von Zeitschriften, Fach-Organen, Modejournalen, Lieferungswerken sowie eine reichhaltige Leihbibliothek.

 

1901 übernahm der Buchhändler Martin Kindler. Er hatte bisher in der Handjerystraße Nr. 85 Sammlern die reichste Auswahl von Briefmarken offeriert. Nun warb er für die Gartenlaube und den fesselnden Roman von Wilhelmine. Heimburg Sette Oldenroths Liebe und der ergreifenden Novelle von Helene Böhlau Sommerseele. 1925 erfolgte die Übernahme durch Kurt u. H. Schild. So blieb es bis nach dem Zweiten Weltkrieg. 1970 folgte der Buchhändler Artur Zemisch. 1990 gab es Filialen der Wohlthat'schen Buchhandlung in der Wilmersdorfer- 43, Kant- 131, Turm- 38, Budapester- 44, Kurfürsten- 126, Kolonnenstraße 26 und am Kottbusser Damm 2. 2005 übernahm die Buchhandelskette Weltbild Anteile der Wohlthat’sche Buchhandlung. Bundesweit gab es dann 53 Buchläden für preiswerte Bücher. 2011 wurden die Berliner Filialen in die neue Gesellschaft Wohlthat Berlin GmbH & Co. KG eingebracht – und zwei Jahre später geschlossen. Wohlthat war Geschichte.

 

Erste Ausgabe des Friedenauer Lokal-Anzeiger, 1. Dezember 1894

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rheinstraße Nr. 15

 

Wer in die Villenkolonie Friedenau zog, arbeitete als Beamter oder Kaufmann in Berlin und las Berliner Tageblatt, Vossische Zeitung, Börsen-Zeitung, manchmal auch das Teltower Kreisblatt. Schon bald konnten diese Redaktionen den Wunsch nach lokalen Berichten nicht mehr erfüllen. So erschien am 1. Dezember 1894 die erste Ausgabe des Friedenauer Lokal-Anzeiger als Amtliches Publikations-Organ des Amts- und Gemeinde-Vorstandes von Friedenau – Redaktion, Druck und Verlag von Leo Schultz.

 

Bekannt ist, dass der Schriftsetzer und Buchdrucker Leo Schultz aus Berlin kam und ab 1894 in der Handjerystraße 29 neben der Expedition des Friedenauer Anschlagwesens Buchdruckerei, Papier- und Buchhandlung betrieb. Am Anfang erschien das Blatt jeden Mittwoch und Sonnabend mit den Gratis-Beilagen ‚Die illustrirten Seifenblasen‘ und ‚Die illustrirten Guten Geister‘, dann dreimal wöchentlich Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, und ab 28. Februar 1899 täglich: Wir haben uns zu dieser Ausdehnung des Ortsblattes entschließen müssen, weil es unmöglich ist, den lokalen Stoff auf dem bisher zur Verfügung stehenden Raum unterzubringen. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger wird seinen Charakter als Ortsblatt, der ihm seine bisherigen Erfolge verschafft hat, beibehalten und die allgemeine Politik nicht weiter behandeln, als sie die örtlichen Interessen berührt. Wir hoffen, mit unserem Entschluss Beifall zu finden.

 

Zum 1. April 1899 waren Verlag und Redaktion von der Handjerystraße 29 in die Rheinstraße 15 gezogen, eine attraktive Adresse neben der Apotheke von Albert Hirt. Leo Schultz hatte das Haus erworben und als verantwortlichen Redakteur Oskar Riemer eingestellt, der zugleich für Inserate und Sonntagsblatt zuständig war. Bevor die tägliche Ausgabe starten konnte, gab es eine Auseinandersetzung mit Gemeindevorsteher Major a. D. Albert Roenneberg. Sie beschäftigte die Gemeindevertretersitzung und endete schließlich vor dem Landgericht Berlin.

 

Am 10. Januar 1899 veröffentlichte Verleger Leo Schultz den Beitrag In eigener Sache! Vom Herrn Gemeindevorsteher erhielt ich am Sonnabendabend ein Schreiben folgenden Inhalts, dessen Empfang ich schriftlich bestätigen mußte:

 

An den Zeitungsverleger Herrn Leo Schultz. Friedenau, den 7. Januar 1899. Wir haben beschlossen, die amtlichen Bekanntmachungen in dem Friedenauer Lokal-Anzeiger‘ vom 10. d. Mts. ab nicht mehr zu veröffentlichen und entziehen Ihrem Blatte damit die Befugnis, sich fernerhin als Amtliches Verkündigungsblatt des Amts- und Gemeinde-Vorstandes von Friedenau zu bezeichnen. Roenneberg.

 

Leo Schultz: Ich hätte das Schreiben des Herrn Amts- und Gemeindevorstehers nicht veröffentlicht, wenn derselbe nicht geglaubt hätte, durch Anschlag und sonstige Bekanntmachungen das Friedenauer Publikum von dem ‚großen Ereignis‘ besonders in Kenntnis setzen zu müssen. Der Herr Gemeindevorsteher wird sicher wissen, daß die Veröffentlichungen im Friedenauer Lokal-Anzeiger nicht rechtsverbindlich waren. Da ich am Sonntag nicht Gelegenheit hatte, dem Herrn Gemeindevorsteher meine Aufwartung zu machen und am Montag einen gerichtlichen Termin wahrnehmen musste, so übernahm es Herr Redakteur Riemer, den Herrn Major Roenneberg nach den Gründen zu fragen, aus denen der ‚Friedenauer Lokal-Anzeiger‘ in die Ungnade des Gemeindevorstandes gefallen. Ich konnte bei Durchblätterung der letzten Nummern nichts finden, das etwa als Angriff gegen den Gemeindevorstand aufgefasst werden könnte. Der Herr Gemeindevorsteher erklärte, ich solle schriftlich wegen der Gründe einkommen. Er könne so viel sagen, daß der ‚Friedenauer Lokal-Anzeiger‘ Sachen veröffentlicht hätte, die im Interesse der Gemeinde hätten geheim bleiben müssen.

Es kann sich diese Äußerung nur auf eine Notiz in der Donnerstags-Nummer beziehen, in welcher mitgeteilt wurde, daß der Berliner Magistrat als Bauland für unser Gymnasium das Terrain am Maybachplatz zum Preise von 250 M. für die Rute angeboten habe. Ich bemerke hierzu, daß mir diese Mitteilung ein dem Herrn Gemeindevorsteher gesellschaftlich nahestehender Herr gemacht hat mit dem Bemerken, dieselbe könne getrost veröffentlicht werden, denn die Sache sei allgemein bekannt. Für meinen schwachen Untertanenverstand ist es allerdings nicht begreiflich, wie eine solche Notiz die Interessen der Gemeinde schädigen sollte, da Berlin für diesen Preis das Terrain nur an Friedenau ablässt, und zwar nur zu kommunalen Zwecken.

Die amtlichen auf Friedenau bezüglichen Bekanntmachungen werde ich nach wie vor veröffentlichen, und die Herausnahme der Worte: Amtliches Verkündigungs-Blatt aus dem Kopf des Friedenauer Lokal-Anzeiger erspart mir jährlich 4—500 M. Setzerlohn, denn Anzeigen des Inhalts, es habe in Trebbin eine Sau Rotlauf gehabt, in Schulzendorf finde eine Körung von Rindern statt, oder Steckbriefe aus Düsseldorf, die für Friedenau gar kein Interesse hatten, werden in Zukunft allerdings herausbleiben. Ich habe für die amtlichen Bekanntmachungen keinen Pfennig erhalten, mithin habe ich auch keinen Schaden. Der Friedenauer Lokal-Anzeiger wird nach wie vor ein unparteiisches, unabhängiges, die kommunalen Interessen Friedenaus förderndes Blatt bleiben und eine sachliche Behandlung aller Fragen beibehalten. Leo Schultz, Verleger des Friedenauer Lokal-Anzeiger‘.

 

Sitzung der Gemeindevertretung am 12.1.1899: Gemeindevorsteher Roenneberg erläuterte den Beschluss des Gemeindevorstandes folgendermaßen: Unser eigentliches Verkündigungsorgan ist die Ortstafel am Gemeindebureau, dann haben wir als amtliches Blatt das Teltower Kreisblatt. Nun habe ich, um die Bekanntmachungen möglichst früh zur Kenntnis des Publikums zu bringen, auch dem ‚Friedenauer Lokal-Anzeiger‘ die Anzeigen zugesandt. Eine Erlaubnis, den Titel ‚Amtliches Verkündigungsblatt‘ zu führen, habe, ich nicht gegeben und daher beiden hiesigen Blättern die Befugnis dazu entzogen. Die Interessen der Gemeinde sind durch darin enthaltene Artikel geschädigt. Es sind da Sachen hineingekommen, die geheim zu halten waren. Ich habe zur Rechtfertigung eine Erwiderung eingesandt, und nun macht die Redaktion Randbemerkungen, die meine Ausführungen auf den Kopf stellen. Als Polizei habe ich deshalb dem Blatt die Bekanntmachungen entzogen, und betreffs der Gemeindebekanntmachungen hat der kollegialische Gemeindevorstand beraten und einstimmig den gleichen Beschluss gefaßt.

 

Beschluss der Gemeinde-Vertretung: Die öffentlichen Bekanntmachungen des Gemeinde-Vorstandes werden den hiesigen Blättern gleichzeitig zum kostenfreien Abdruck übersandt. Dieser Antrag wird mit allen Stimmen gegen diejenige des Gemeindevorstehers angenommen. Gemeindevorsteher Major a. D. Albert Roenneberg trat 1902 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück.

 

PS

2017 präsentierte die Zentral- und Landesbibliothek Berlin die Online-Digitalisierung des Friedenauer Lokal-Anzeiger – ein Schatzkästlein für die Geschichte von Friedenau, leider ohne die Jahrgänge 1897, 1903 und 1904 sowie nur Fragmenten der Ausgabe von 1920. Die ZLB versichert glaubhaft, daß diese Ausgaben bis heute nicht mehr auffindbar sind.

 

Rheinstraße Nr. 16

 

Albert Hirt war der Sohn von Julius Franz Hirt (1811-1882), dem höchsten Richter im Fürstentum Reuß-Gera. Aus seiner Ehe mit Louise Francisca geb. Raithel (1814-1881) gingen sieben Kinder hervor, darunter Albert Hirt (1849-1905). Er wird Apotheker, heiratet Marie geb. Bräunlich (1849-1905), erhält 1892 die Lizenz für eine Apotheke in Friedenau und erwirbt das Grundstück Rheinstraße Nr. 16. Dort läßt er sich ein zweigeschossiges Haus mit Wohnungen für die Familie in den beiden Obergeschossen, Garten im Innenhof und ein Ladengeschäft im Erdgeschoss bauen: Friedenaus erste Apotheke, die Adler-Apotheke. In Friedenau werden die Töchter Ruth (1894-1986), Charlotte (1896-1985) und Gabriele (1897-1958) geboren.

 

Der Hausbau ist ungewöhnlich, da Baumeister Hermann Pählchen zeitgleich und entsprechend der neuen Bauverordnung die viergeschossigen Mietshäuser Nr. 17 und Nr. 18 errichten konnte. Alfred Bürkner gibt in seinem Friedenau-Buch (1996) folgende Erklärung ab: Das Apothekenhaus blieb in seiner zweigeschossigen Bauweise bis heute unverändert; das danebengelegene Haus Nr. 15, ursprünglich genauso konzipiert, wurde kurz vor Kriegsende von einer Bombe getroffen und später nur als Flachbau wiederhergerichtet. Seitdem hat sich auf den Grundstücken Rheinstraße 15/16 nichts getan. Der Grund könnte darin liegen, daß für die Bebauung - ähnlich dem Nachbargrundstück mit dem Verbrauchermarkt - ein nicht-gewerblicher Wohnanteil gefordert wird, der den Spekulationsvorstellungen des Bauherrn nicht entsprechen mag.

 

Auffällig ist, dass sich Hirt von Anfang an in seiner Apotheke für Magenleidende einsetzt. Über Jahre hinweg veröffentlicht der Friedenauer Lokal-Anzeiger große Annoncen zu Hubert Ullrich’schen Kräuter-Weinzu haben in Flaschen à M. 1,25 und M. 1,75 in Friedenau in der Apotheke des Herrn Hirt. Das Verdauungs- und Blutreinigungsmittel  stärkt und belebt den ganzen Verdauungsorganismus des Menschen, ohne ein Abführmittel zu sein. Bestandteile des Kräuterweins sind Malagawein, Weinsprit, Glycerin, Rotwein, Ebereschensaft, Kirschsaft, Manna, Fenchel, Anis, Helenen-, Enzian-, Kulmus- und amerikanische Kraftwurzel.

 

Am 22. September 1899 wurde dem Lokalblatt eine Riesenkartoffel überbracht. Der kolossale Erdapfel stammt vom Hewald'schen Felde an der Friedenauer Straße, wo die Kartoffeln in diesem Jahr ganz besonders gut gediehen sind. Das Gewicht von 603 Gramm wurde in der Apotheke des Herrn Hirt festgestellt.

 

Am 30. Mai 1901 wartete der Friedenauer Lokal-Anzeiger mit einer Nachricht zum Apothekerstreit auf: Wie wir von zuverlässiger Seite erfahren, ist die hiesige Adlerapotheke des Herrn A. Hirt nach wie vor an der Lieferung von Arzneien für Rechnung sämtlicher Krankenkassen Berlins und der Vororte beteiligt. Was war geschehen? Landrat Ernst von Stubenrauch hatte sich an den Vorstand der vereinigten Apotheker gewandt, worin er hinsichtlich der ihm unterstellten Ortskrankenkasse für Schöneberg und Friedenau den Vorschlag machte, daß die  Apotheker der Krankenkasse wiederum Kredit gewähren sollen, unter der Voraussetzung, daß alle Apotheken zur Lieferung von Arzneien zugelassen werden und die Kassen auf Rezepturrabatt verzichten: In Anbetracht, daß Kranke solcher Kassen, welche sich an dem Boykott wider die Apotheker nicht beteiligt haben, Arzneien auf Kredit erhalten, würden meines Erachtens auch von allen Apotheken der Vereinigung an Mitglieder der Schöneberger Ortskrankenkasse Arzneien aus Kredit verabfolgt werden können, wenn diese Krankenkasse bei Ihnen einen Antrag stellt. Bedingung würde sein, daß die Schöneberger Kasse keine Sperre gegen einige Apotheken ausübt, daß auch keinen Rezepturrabatt erhält. Der Notbehelf dieser Kasse, Vorschüsse bei ihr oder bei Drogisten zur Bezahlung der Arzneien den Kranken bereit zu stellen, ist eine den Kranken lästige Einrichtung. An Euer Wohlgeboren richte ich daher das ergebene Ersuchen, gefälligst zu vermitteln, daß meinem Vorschlag zugestimmt wird. Ich würde dann die Schöneberger Ortskrankenkasse veranlassen, einen Antrag an die Vereinigten Apotheker Berlins und Umgegend zu richten und darf wohl um bald gefällige Mitteilung ersuchen, ob Sie geneigt sind, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen. Auf dieses Schreiben hin haben sich die Apothekenbesitzer bereit erklärt, daß in allen Apotheken der Schöneberger Ortskrankenkasse wieder Kredit gewährt wird, vorausgesetzt, daß zuvor von der Kasse alle Apotheken zur Arzneilieferung wieder zugelassen werden.

 

Am 20. September 1902 wird bekannt, dass die Adler-Apotheke zum 1. Oktober den Besitzer wechselt. Herr Hirt hat seine Apotheke nebst Grundstück an einen Herrn aus Quedlinburg für den Preis von 450 000 Mk. verkauft und von Witwe G. Hildebrand die 1890 errichtete Landhausvilla in der Wielandstraße Nr. 15 erworben. Rätselhaft bleibt, warum der erst 53-Jährige die Adler-Apotheke nach zehn Jahren aufgab. Albert Hirt verstarb am 26. November 1905 und wurde in einem Erbbegräbnis auf dem Friedhof an der Stubenrauchstraße beigesetzt. Das Grab wurde vom Bildhauer Valentino Casal gestaltet – ein Wandgrab, verkleidet mit Marmor auf einem Granitsockel. In den erhöhten Mittelteil wurde eine flache Rundbogennische eingearbeitet und dazu eine Engelsfigur aus Carrara-Marmor gestellt. Das Grab ist bis heute erhalten.

 

Das Haus in der Wielandstraße Nr. 15 blieb bis 1930 im Besitz von Witwe Marie Hirt. Nach ihrem Tod sind von 1931 bis 1943 die Gymnastiklehrerin Charlotte Hirt und die Kindergärtnerin Gabriele Hirt als Besitzerinnen eingetragen. Die spätere Alleinerbin Gabriele Hirt, die vor dem Weltkrieg in der Wielandstraße einen Kindergarten betrieb, hat das Anwesen Ende der 1950er Jahre verkauft. Ab 1959 lautet ihre Adresse Homburger Straße Nr. 21 in Wilmersdorf, der Wohnung von Fritz und Ruth Heilgendorff geb. Hirt.

 

Nach Übernahme der Adler-Apotheke durch Paul Sadée blieb das Apothekenhaus 70 Jahre im Familienbesitz. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus Rheinstraße Nr. 16 von Bomben getroffen, später abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.

 

Rheinstraße Nr. 17 um 1932

Rheinstraße Nr. 17

Baudenkmal Mietshaus

Entwurf & Bauherr Hermann Pählchen

1893

 

Das Haus Rheinstraße 17 stammt - wie die anschließenden Wohnhäuser Rheinstraße 18-20 beiderseits der Kreuzung mit der Schmiljanstraße - von dem Architekten Hermann Pählchen. Das viergeschossige, neunachsige Zweispänner-Mietwohnhaus Nr. 17 wurde 1893 erbaut. Seine Straßenfassade weist in der Mittelachse einen Erker auf, ist mit einem Spitzturm bekrönt und zeigt Loggienbalkons, die im dritten Obergeschoss rundbogig geschlossen und mit einem Dreiecksgiebel bekrönt sind. Der gelbrote Ziegelbau hat an den Fenstern Putzgewände und -verdachungen. Die Ladenzone im Erdgeschoss ist stark verändert. Der Bau besteht aus Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude, was der Bauordnung von 1892 entspricht. Topographie Friedenau, 2000

 

Weiteres zu Leben und Bauten von Baumeister Hermann Pählchen (1861-1895) finden Sie unter Görresstraße Exkurs Fuhrhof.

Rheinstraße Nr. 18. H&S 2018

Rheinstraße Nr. 18

Baudenkmal Mietshaus

Entwurf & Bauherr Baugeschäft Hermqnn Pählchen

1893-1894

 

Das Haus hat zwei Treppenaufgänge, die jeweils als Zweispänner angelegt sind. Das viergeschossige Mietwohnhaus mit 9:10 Achsen weist eine abgeschrägte Ecke mit zwei Achsen auf, die durch einen hohen Zwiebelturm mit Ausguck überhöht wird. Der rote Klinkerbau wird mit weißen Fenstergewänden, Säulchen, Balustraden und im ersten Obergeschoß durch Putzbänderungen belebt. Jede der beiden Straßenfassaden wird in der Mittelachse durch einen zweiachsigen, mit einem Quergiebel bekrönten Risalit mit seitlichen Balkons gegliedert. Topographie Friedenau, 2000

 

Weiteres zu Leben und Bauten von Baumeister Hermann Pählchen (1861-1895) finden Sie unter Görresstraße Exkurs Fuhrhof.

Rheinstraße Nr. 19. Archiv Barasch

Rheinstraße Nr. 19

Schmiljanstraße 16

Baudenkmal Mietshaus

Entwurf & Bauherr Hermann Pählchen (Baugeschäft)

1891

 

Das zweite große Eckhaus ist fünfgeschossig, was in Friedenau ungewöhnlich ist. Das Mietwohnhaus hat - wie sein Gegenüber - zwei Treppenaufgänge. An der Rheinstraße ist das Haus als Ein-, an der Schmiljanstraße als Zweispänner ausgebildet. Im Vergleich zum gegenüberliegenden Haus hat das Gebäude eine breitere, fünfachsige, abgeschrägte Ecke mit einem dreiachsigen Risalit. Das Haus weist deshalb nur 4:7 Achsen an den beiden Straßen auf. Die Ecke wird durch ein überhöhtes Dach betont, dem ursprünglich - wie beim Gegenüber - ein Turm aufgesetzt war. Das Haus ist als roter Klinkerbau mit Putzbänderung, -gewänden und -verdachungen an den Fenstern ausgeführt worden. Es wird durch flache, von Quergiebeln bekrönte Seitenrisalite mit flankierenden Balkons an den beiden Straßenfronten gegliedert. Das Erdgeschoss wurde durch neuere Ladenfronten stark überformt. Topographie Friedenau, 2000

 

Weiteres zu Leben und Bauten von Baumeister Hermann Pählchen (1861-1895) finden Sie unter Görresstraße Exkurs Fuhrhof.

 

Todesanzeige Adolf Rosenberg, Standesamt Friedenau, 27.2.1906

Rheinstraße Nr. 35

Kunsthistoriker Adolf Rosenberg (1850-1906)

 

In diesem 1900 erbauten Haus wohnte der Kunsthistoriker und Publizist Adolf Rosenberg. Der Sohn eines Kaufmanns kam als Gymnasiast von Bromberg nach Berlin. Nach dem Abitur am Köllnischen Gymnasium studierte er Klassische Philologie und Archäologie an der Berliner Universität. Von 1875 bis 1897 war er Redakteur des Feuilletons der „Post“. Vom ersten Jahrgang 1899 bis zum dritten Heft 1902 redigierte er die Berliner Architekturwelt – Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart (1899 – 1919), deren Beiträge die Zentral- und Landesbebliothek Berlin  als Digitalisat veröffentlicht hat.

 

Bemerkenswert ist, daß seine Texte in den letzten Jahren eine Wiederentdeckung erleben, so seine Rubensbriefe, gesammelt und erläutert von Adolf Rosenberg. (1881) als Digitalisierte Ausgabe der Universitätsbibliothek Heidelberg oder Aus der Düsseldorfer Malerschule: Studien und Skizzen. (1890) als Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf sowie seine ebenfalls digitalisierte dreibändige Geschichte der modernen Kunst (1884–89). Von besonderer Bedeutung für Berlin sind seine Sammelwerke ‚Die Architektur Berlins‘ – Sammlung hervorragender Bauausführungen der letzten Jahre (1877), ‚Die Architektur Deutschlands‘ (1879) und ‚Die Architektur der Gegenwart‘ – Übersicht der hervorragendsten Bauausführungen der Neuzeit (1892-1898).

 

Alfred Rosenberg starb am 26. Februar 1906 (Standesamt Friedenau, Sterbeurkunde Nr. 31/1906) und wurde auf dem Friedhof Stubenrauchstraße bestattet. Das Grab existiert nicht mehr.

 

Rheinstraße Nr. 32, 33, 34 & 35

 

Nördlich des ehemaligen Kaufhauses Ebbinghaus schließt sich ein kleiner Denkmalbereich mit drei Mietwohnhäusern der Zeit um 1900 an, von denen nur das Flaus Rheinstraße 34 ein Baudenkmal ist.

 

Das viergeschossige, neunachsige Wohnhaus Rheinstraße 35 ist 1899-1900 nach Plänen des Architekten August Wand errichtet worden. Die Straßenfassade wird in der Mittelachse von einem großen Quergiebel mit darunter angeordneten Balkons beherrscht. Seitlich der Mittelachse springen Erker vor, deren Ecken im vierten Geschoß abgeschrägt sind und die von Welschen Hauben bekrönt werden. Außen sind Loggien angeordnet. Die Dekoration des Hauses ist sehr zurückhaltend, in Brüstungsfeldern sind Rankenwerk und Kartuschen im Relief zu sehen. Über dem zweiten Obergeschoß läuft ein Gurtgesims quer über die Fassade, beim dritten sind in die Loggien jeweils zwei kleine toskanische Säulen gestellt. Das Haus ist ein Zweispänner, die Wohnungen reichen bis in die ungleich langen Seitenflügel.

 

An das vorige schließt sich das viergeschossige, sechsachsige Mietwohnhaus Rheinstraße 34 an, das 1904-05 nach Plänen von Theodor Thöns erbaut wurde. Die Erker sind nicht symmetrisch konzipiert und geben der Fassade durch ihre Verschiedenheit eine malerische Note. Der südliche Erker weist einen Quergiebel auf, der nördliche dagegen ein Turmgeschoß mit einem Kegeldach. Am Quergiebel steht die Inschrift: »A. D. 1904«. Der Dekor des Hauses entspricht dem des Nachbarhauses Nr. 32-33. An den Erker- und Fensterbrüstungen sind Reliefs mit Rankenwerk und Putten angebracht.

 

Das nördliche Nachbarhaus Rheinstraße 32-33 wurde 1904-05 von Theodor Thöns erbaut. Das viergeschossige Haus ist siebenachsig. Die Konzeption der Straßenfassade ähnelt der des Hauses Nr. 34. In der Mittelachse befindet sich die Durchfahrt in den Innenhof mit zwei Seitenflügeln und einem Quergebäude, über der Durchfahrt befinden sich Balkons. Seitlich der Mittelachse sind Fenster, Erker und schließlich Loggien angeordnet. Die Erkerbrüstungen sind im zweiten und dritten Obergeschoß mit Reliefs (Putten und Rankenwerk) dekoriert, die Fensterbrüstungen zwischen den Erkern im dritten Obergeschoß zeigen ähnliche Reliefs. Topographie Friedenau, 2000

 

Konfektionshaus Ebbinghaus, 1988. Topographie Friedenau

Rheinstraße Nr. 39-39 A

Ecke Bundesallee 104-105

Baudenkmal Kaufhaus 1961-1962

 

Der Architekt Hans Schaefers (1907-1991) realisierte zwischen 1950 und 1980 in Berlin herausragende Bauten, darunter an der Ecke Bundesallee und Rheinstraße das Konfektionshaus Ebbinghaus. Es besteht aus einem eingeschossigen Flachbau, einem Luftgeschoss mit Parkdeck und einem aufgeständerten, dreigeschossigen, winkelförmigen Kopfbau, der nach Süden mit hohen Fensterbändern geöffnet und mit weit auskragenden horizontalen Sonnenblenden geschützt ist. Bei dem Bauwerk handelt es sich um einen Stahlbetonskelettbau mit fünfeckigen Stützen, der verglast und mit emaillierten Blechtafeln verkleidet ist. Topographie Friedenau, 2000.

 

Nach 2006 erfolgte der Umbau zu Ärztehaus und Biomarkt. Obwohl unter Denkmalschutz stehend, wurde der Abriss von Parkdeck und Rampe mit Zustimmung des Bezirksamts Schöneberg genehmigt – eine nicht nachvollziehbare Entscheidung.

 

Rheinstraße Nr. 40

Rheineck-Apotheke

 

 

 

 

In Vorbereitung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rheinstraße Nr. 44-46, Optische Anstalt C. P. Goerz. Archiv Barasch

Rheinstraße Nr. 44-46

Holsteinische Straße Nr. 39-42

Entwurf 1897-1901 Waldemar Wendt & Paul Egeling

Entwurf 1904-1910 Emil Schmidt

Entwurf 1912-1919 Albert Paeseler

Bauherr Optische Anstalt C. P. Goerz

 

Die Baugeschichte auf dem Grundstück Rheinstraße Nr. 44-46 und Holsteinische Straße Nr. 39-42 ist kompliziert. In der Rheinstraße Nr. 44 stand an der Straße ein einstöckiges Landhaus aus der Gründerzeit von Friedenau. 1897 setzten die Architekten Waldemar Wendt und Paul Egeling (1856-1937) auf das Grundstück Nr. 46 in erster Baulinie ein viergeschossiges Mietshaus im neogotischen Stil. Dahinter in zweiter Baulinie entstand die viergeschossige Fabrik als Rohziegelbau.

 

Beide Bauten in der ursprünglich als Landhauskolonie gedachten Siedlung waren durch die Bauordnungen von 1887 und 1892 gedeckt, mit denen die Gestaltungsordnungen von Berlin und den Vororten über einen Kamm geschert wurden. Interessant ist, dass zur Bauzeit die Gemarkungsgrenze zwischen Steglitz und Friedenau mitten durch das Grundstück Rheinstraße Nr. 44 bis Nr. 46 führte. Die Peschkestraße (einst Straße 25) gehörte ebenso wie die Holsteinische Straße (einst Straße 22 und Straße 26) zu Steglitz. Erst seit der Neuordnung der Verwaltungsgrenzen für die Reichshauptstadt Berlin von 1938 gehören die Gebäude der Optischen Anstalt C. P. Goerz in der Rheinstraße zu Friedenau.

 

In den Jahren zwischen 1899 und 1915 vervollständigten die Architekten Egeling, Wendt, Schmidt, Paeseler und Mitnacht das Goerzsche Areal in mehreren Bauabschnitten. 1899 kam ein Werkstattflügel quer zum Fabrikgebäude, 1901 ein langgestreckter viergeschossiger Klinkerbau mit reichem Dekor im Stil der Märkischen Backsteingotik und zwischen 1905 und 1908 die Hofrandbebauung hinter dem Erstbau bis zur Holsteinischen Straße. Zwischen 1913 und 1915 entstand der fünfgeschossige Verwaltungsbau mit Tonnendach, dem obendrein ein Observatorium aufgesetzt wurde, zeitgleich auf Nr. 44 eine zweigeschossige Werkstatt (heute Tanzschule). Glanzstück der Goerz-Höfe ist zweifellos der 1915 über dem Fabrikbau errichtete 31 Meter hohe verglaste Stahlskelett-Turmbau mit Kranausleger und auskragenden Terrasse – damals notwendig für den Test von Fernrohren und Entfernungsmessern.

 

Der Aufstieg der Firma C. P. Goerz wäre ohne die Aufträge des Preußischen Kriegsministeriums nicht möglich gewesen. Goerz stellte zwar Kameras her, Westentaschen-Kamera TENAX, Klapp-Kamera ANGO, auch Entfernungsmesser und Linsenfernrohre für Sternwarten, aber auch Periskope und Scherenfernrohre, mit deren Hilfe aus Bunkern, Schützengräben und U-Booten Ausschau gehalten werden konnte. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Versailler Vertrag kam das Geschäft zum Erliegen. 1926 wurde die „Optische Anstalt C. P. Goerz“ von der „Zeiss Ikon AG Dresden“ übernommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dann die „Zeiss Ikon AG Stuttgart“ und den „VEB Zeiss Ikon Dresden“, der später mit dem Namen „VEB Pentacon Dresden“ versehen werden musste.

 

Die Immobilie „Goerz-Höfe“ ging 1961 in den Besitz der „Becker & Kries Holding GmbH & Co. KG“ über. Sie wurde restauriert. Heute stehen 161 m² Wohnfläche und 21.009 m² Gewerbefläche von 20 bis 1005 m² zur Verfügung. Die Vermietung bereitet offensichtlich keine Sorgen. 70 Mieter soll es geben, darunter Ingenieure, Architekten, Verlage, Agenturen, Designer, Vertreter und Studios für Sport, Tanz, Theater.

 

Kaisereiche, 1904. Von links Moselstraße, Saarstraße, Illstraße und Rheinstraße. Archiv Barasch, Hahn & Stich

 

Kaisereiche

 

Über die Kaiser-Eiche in Friedenau kursieren viele Geschichten. Eine davon ist, dass sie 1873 von Gustav Schenck (1830-1905) gepflanzt wurde. Er war Redakteur beim Berliner Fremden- und Anzeigeblatt und hatte in diesem Jahr das Landhaus Ringstraße Nr. 33/34 (Dickhardtstraße) erworben. Nach wenigen Tagen wurde diese von ruchloser Hand durchschnitten und wieder ersetzt. Diese ging ein. Die nächste Pflanzung erfolgte 1879 zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. Auch diese Eiche musste 1883 erneuert werden. Ob diese Stiel-Eiche (Quercus robur) die Weltkriegsbomben, die in der Illstraße niedergegangen waren, überstanden hat, und nach dem Krieg nicht auch erneuert wurde, darf bezweifelt werden. Der einst halbkreisförmige Platz vor Mosel-, Saar- und Illstraße soll Rondell genannt worden sein. Auf den Plänen von anno dazumal gibt es dafür keinen Hinweis. Eingebürgert hat sich die Bezeichnung Kaisereiche – schon zu Zeiten der Straßenbahn, die hier in Richtung Friedenauer Brücke abbog. Die BVG hat den Begriff für die Bushaltestelle übernommen.

 

Rheinstraße 52A. Foto Edition Friedenauer Brücke

Rheinstraße Nr. 52A

Gebrüder Patermann

 

Im 2. Stock der Rheinstraße Nr. 52A wurde die Firma Gebrüder Patermann gegründet. 1908 kam das Haus durch Kauf in den Besitz des Eisenwarenhändlers Richard Wanderscheck. Am 15. April 1910 berichtete der Friedenauer Lokal-Anzeiger unter Gerichtliches:

 

1910 wollten Georg und Myro Patermann einen Teil der Wohnung als Büro und nur zwei Zimmer zu Wohnzwecken nutzen. Der Hauseigentümer Wandrascheck verlangte eine Sicherheitsleistung für den Rest der Kontraktsdauer von 1200 Mark, die alsbald geleistet wurde. Wanderscheck verschloß allerdings den Hauseingang, klebte einen Zettel an den leerstehenden Laden und verwies auf diesen als Hauseingang. Die Gebrüder Patermann verlangten die Öffnung der Haustür. Als Georg Patermann die Haustür benutzen wollte, kam W. hinzu, packte Patermann am Kragen, was von Augenzeugen bestätigt wurde. Georg Patermann setzte sich ganz energisch zur Wehr. W. ging zum Schöffengericht und erwirkte die Verurteilung. Die Strafkammer befand allerdings, daß sich Patermann gegenüber einem rechtswidrigen Angriff des W. in Notwehr befunden habe, hob das angefochtene Urteil auf und erkannte auf Freisprechnung.

 

           

Einige bedeutende Unternehmen hatten in Friedenau ihre Wurzeln. Das mag daran liegen, dass die Entstehung des Berliner Vororts in die Gründerzeit des Kaiserreichs und die explosionsartige Entwicklung der Reichshauptstadt fiel. Friedenau zog zahlreiche junge und kreative Menschen an. Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist der Aufstieg der Gebrüder Patermann, die buchstäblich aus dem Nichts zu erfolgreichen Geschäftsleuten und Fabrikbesitzern wurden – mit dem Nahrungsergänzungsmittel Biomalz, das sie in Friedenau an den Start brachten.

 

Die Familie Patermann war ursprünglich in der oberschlesischen Stadt Groß Strehlitz ansässig. Fangen wir dort mit dem Sohn des Schuhmachermeisters Joseph Patermann und späteren berittenen Gendarm Ernst Patermann (1837-1921) und seiner Ehefrau Paula geb. Wilder (1842-1899) an. Aus dieser Ehe stammen zwölf Kinder, wobei Tochter Elise (1855-1882) weit vor der Hochzeit geboren wurde – ein Fakt, auf den wir hier nicht näher eingehen können. Insgesamt gebar Paula Patermann in 29 Jahren sieben Töchter und fünf Söhne. Dass der mit bescheidenem Verdienst ausgestattete Vater alle Mühe hatte, diese Kinderschar zu ernähren, leuchtet ein. Trotz der schwierigen Ausgangslage in Oberschlesien gelang den Kindern von Ernst Patermann größtenteils ein erstaunlicher gesellschaftlicher Aufstieg. Das im Einzelnen nachzuzeichnen, ist hier nicht der richtige Ort. Auffällig ist aber, dass die meisten Patermann-Kinder die oberschlesische Provinz verließen und ihr Glück in Berlin suchten. Vom Elternhaus hatten sie offenbar eine künstlerisch-kreative Begabung mit auf den Weg bekommen, zumindest aber die Fähigkeit, sich auf verschiedenen Feldern in der Hauptstadt selbstständig durchzusetzen. Wir müssen uns an dieser Stelle auf nur wenige Geschwister konzentrieren, wollen aber nicht unerwähnt lassen, dass der Einfluss von Vater Ernst, der sich nach seiner Pensionierung als Kunstzeichner oder Kunstmaler bezeichnete, groß war. Eine feste Konstante der Familie in Berlin war die Drittälteste Pia Patermann (1863-1960), die unverheiratet blieb und als Porträtmalerin zeit ihres Lebens in der Hauptstadt lebte und dort im hohen Alter von 97 Jahren starb. Zeitweise kamen jüngere Geschwister bei ihr unter, so bis zu ihrem Tod Schwester Helene Patermann (1870-1960). Ein herber Schlag für die Familie war sicherlich der Tod des jüngsten Sohnes Linus, der als Soldat 1917 in Flandern fiel und nur 33 Jahre alt wurde.

 

Für die Friedenau-Geschichte der späteren Biomalz-Fabrik sind die Brüder Eduard (1866-1928), Myro (1871-1951) und Georg Patermann (1872-1940) von Bedeutung. Myro Patermann zog 1892 als Buchhändler in die Brüderstraße Nr. 30 in Berlin. 1904 eröffnete er im Gartenhaus der Ansbacher Straße Nr. 6 für den Verlag Goldener Boden ein Bureau für geschäftliche Propaganda. 1905 wohnte er in Friedenau im II. Stock der Rheinstraße Nr. 52a und suchte per 1. Januar 1906 einen trockenen Lagerraum möglichst Nähe Ringbahnhof Wilmersdorf-Friedenau. Georg Patermann eröffnete als Herausgeber der Zeitschrift Rundschau in- und ausländischer Landwirtschaft ein Bureau in der Berliner Zietenstraße Nr. 10. Ein Jahr später wohnte er als Kaufmann und Inhaber des Verlagsgeschäfts für Praktische Wegweiser in der Lauterstraße Nr. 14/15.

 

 

Ratsapotheke Halberstadt. Museum Halberstadt

Bruder Eduard schließlich hatte nach dem Pharmaziestudium 1903 zunächst die Ratsapotheke zu Halberstadt übernommen. Dort kreierte er ein Nahrungsergänzungsmittel auf Malzbasis. 1906 übernahm er dann in Schöneberg die Borussia-Apotheke in der Hauptstraße Nr. 151. 1909 ließ er sich für die Liberale Fraktion in die Stadtverordnetenversammlung von Schöneberg wählen und wurde Berichterstatter für Verkehr, Gewerbe und Bauplanung.

 

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Übersiedlung ihres älteren Bruders Eduard nach Berlin für die damals noch beruflich wenig erfolgreichen Georg und Myro der entscheidende Wendepunkt war. Als Apothekenbesitzer war Eduards wirtschaftliche Existenz gesichert. Zudem war er ein Tüftler in pharmazeutischen Dingen, hatte aber offenbar an einer Vermarktung seines bereits in Halberstadt kreierten Malzextrakts kein Interesse. Georg und Myro dagegen, die das Geschäft von Werbung und Marketing beherrschten, erkannten die Chance und machten sich Eduards natürliche und wertvolle Kraftnahrung für Jung und Alt zu Eigen.

 

 

Am 11. Juli 1907 verkündete der Friedenauer Lokal-Anzeiger unter der Rubrik Handelsgerichtliche Eintragung: Nr. 30537 Offene Handelsgesellschaft Chem. Fabrik Gebr. Patermann, Friedenau. Gesellschafter: 1. Myro Patermann, Kaufmann, Friedenau, 2. Georg Patermann, Chemiker, Friedenau. Die Gesellschaft hat am 1. April 1907 begonnen. Die Brüder kreierten den Begriff Biomalz und ließen sich vom Kaiserlichen Patentamt eine Schutzmarke mit zwei köchelnden Zwergen absegnen. Die Blechwarenfabrik von Fritz Züchner in Seesen lieferte die Dosen mit einer bedruckten Banderole: Biomalz, ärztlich empfohlenes natürliches Kräftigungsmittel. Auf der Rückseite standen Gebrauchsanweisung und Rezepte. Apotheker Eduard Patermann, der eigentliche Erfinder, wird nicht erwähnt, die Berufsbezeichnung für Georg als Chemiker ist eher zweifelhaft.

 

 

 

 

Das Geschäft mit Biomalz rollte langsam an, da erhielten die mit erstaunlichem Tatendrang ausgestatteten Brüder Georg und Myro Unterstützung von einem weiteren Familienmitglied. Ihre jüngere Schwester Angela (1878-1953) war bereits seit 1900 mit dem Werbespezialisten Ulrich Patz (1871-1940) verheiratet. Das Paar residierte in einer Villa in Berlin-Nikolassee. Ulrich Patz stammte aus Ortelsburg in Ostpreußen und hatte sich als Prokurist des Verlags W. Schulze Bad Harzburg die ersten Sporen verdient. 1899 wird er Generalvertreter der JUGEND in Berlin. In dieser Münchner Wochenschrift für Kunst und Leben platzierte er ungewöhnliche Annoncen: Originelle Entwürfe zur Verwendung für Anzeigen passend, kauft jederzeit und erbittet zur Ansicht. Ulrich Patz, Friedenau, Kaiserallee Nr. 96. Im Jahr 1900 ist er Redakteur beim Berliner Lokal-Anzeiger und Herausgeber der Zeitschrift Goldener Boden.

 

1902 sucht Ulrich Patz per 1. Oktober Rheinstraße Friedenau zu Comptoire-Zwecken 2 Zimmer Parterre oder 1. Etage Vorder- oder auch Gartenhaus. Wenig später eröffnet er in der Rheinstraße Nr. 52 ein Bureau für geschäftliche Propaganda. In den Folgejahren siedeln seine beiden Schwager Georg und Myro Patermann nach Berlin über und es besteht kein Zweifel, dass es zu einem regen Austausch kam. Auch Myro eröffnete 1905 ein Büro für geschäftliche Propaganda in der Rheinstraße – in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ulrich Patz. Dieser scheint von Anfang an in den Aufbau der Marke Biomalz eingebunden gewesen zu sein, gut möglich, dass er den Patermann-Brüdern sogar die entscheidenden Anstöße gegeben hat.

 

Es war nur konsequent, dass Ulrich Patz sich dann auch finanziell in der jungen Firma seiner Schwager engagierte. Im Oktober 1910 trat er laut Handelsregister Nr. 30537 in die Offene Handelsgesellschaft Chem. Fabrik Gebr. Patermann Friedenau als persönlich haftender Gesellschafter ein. Mit seinen flotten Texten, Ich rate Dir gut, nimm BIO-Malz, Wer seine Kinder lieb hat, gebe ihnen Bio-Malz, Mein täglich Brot und Salz – Bio-Malz, war das Produkt alsbald in aller Munde. Flankierend erschienen Zeitungsartikel: Die Frau soll wissen, daß die gesunde Ernährung aus den drei Hauptfaktoren zusammengesetzt ist, Eiweiß, Nährsalze und Kohlehydrate. Die Frau hat darum Bedacht darauf zu nehmen, daß den Kindern Nährsalze, namentlich Kalk, zugeführt wird. Hierzu eignet sich besonders gut ein Nährpräparat, welches aus Gerstenmalz gewonnen ist, mit dem Namen ‚Biomalz‘.

 

Den durchschlagenden Erfolg hatte bereits 1909 das erste Berliner Sechstagerennen in der Ausstellungshalle am Zoologischen Garten gebracht, wo Kisten mit Biomalz aufgestapelt waren und die Flaschen den Rennfahrern gereicht wurden. Der Sitz der Firma verblieb zwar noch in der Friedenauer Rheinstraße 52A, aber 1909 wurde bereits in Steglitz produziert, zuerst in der Berlinickestraße Nr. 11, später in der Mittelstraße Nr. 3.

 

 

Schließlich war die Nachfrage so groß, dass die Produktion in Steglitz nicht mehr ausreichte. Am 3. Dezember 1910 wird der Chemischen Fabrik Gebr. Patermann zu Friedenau, Rheinstraße Nr. 52A, die polizeiliche Erlaubnis erteilt, ihr Grundstück an der Potsdamer Chaussee in Teltow mit einem Drahtgeflechtzaun einzufrieden. Das Gelände in der Kleinstadt südwestlich von Berlin hatten Georg und Myro Patermann mit Bedacht gewählt. Unter Landrat Ernst von Stubenrauch (1853-1909) war 1906 der Teltowkanal eröffnet worden. Eine Industriebahn verband den Stadthafen Teltow mit dem Bahnhof Teltow an der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahn – mit direkten Gleisanschlüssen für diverse neue Industrieanlagen, auch zum geplanten Werk der Patermanns.

 

Nach einem Entwurf des Ingenieurs J. K. Meyer errichtete die Firma Boswau & Knauer in Skelettbauweise eine moderne und für die damalige Zeit mustergültige Fabrikanlage in Teltow. Im Juli 1911 wurde sie vom 74-jährigen Vater Ernst Patermann feierlich eröffnet. Am 25. Oktober 1911 ging beim Patentanwalt Clement Lean in London ein verbessertes Verfahren zur Herstellung eines Malzextrakts unter Verwendung von Lecithin mit einer vollständigen Spezifikation ein: Wir, Ulrich Patz, Myro Patermann und Georg Patermann, handelnd als Chemische Fabrik Gebr. Patermann, aus Teltow bei Berlin, Kaiserreich Deutschland, und Peter Bergell, Professor und Doktor der Medizin, aus der Prinzregentenstr. 1, Wilmersdorf bei Berlin, Kaiserreich Deutschland, erklären hiermit die Art dieser Erfindung und auf welche Art und Weise sie durchzuführen ist.

 

Damit verfügte die Firma über zwei Rezepturen – die von Bruder Eduard Patermann geschaffene (einverleibte) Mixtur ohne Lecithin und das in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsexperten Prof. Dr. Peter Bergell geschaffene Biomalz mit Lecithin. Die Patermann-Brüder und Schwager Ulrich Patz lagen voll im Trend. Kräftigungsmittel zur Nahrungsergänzung standen Anfang des 20. Jahrhunderts hoch im Kurs. Die Frage der gesunden Ernährung erfasste breite Bevölkerungsschichten.

 

Innerhalb der Familie hatte der wirtschaftliche Erfolg allerdings seinen Preis. Nach dem Weggang aus Friedenau und dem Bau der Fabrik in Teltow soll es zum heftigen und andauernden Streit zwischen den Brüdern Myro und Georg gekommen sein. Nachdem sie beschlossen hatten, daß einer von ihnen die Firma verlassen müsse, vereinbarten sie notariell, daß derjenige, der dem anderen Bruder mehr für die Anteile bezahlen könne oder wolle, die Biomalz-Fabrik allein behalten dürfte. Myro brachte – mit Hilfe der Familie seiner späteren Frau – eine Tasche voller Geld, zahlte Georg 1912 aus und brach jeglichen Kontakt ab.

 

Dazu muss man wissen, dass Myro am 8. Januar 1913 Grete Schicht (1886-1972) heiratete. Das war – wie man sagt – eine sehr gute Partie. Grete stammte aus einer führenden Industriellenfamilie Böhmens. Die Hochzeit fand am Stammsitz der Schicht-Unternehmungen in Aussig statt. Gretes Brüder sollen die Auszahlung Georgs ermöglicht haben, so dass Myro Patermann nun gemeinsam mit Schwager Ulrich Patz Eigentümer der Fabrik war. Beide waren sich wohl einig, dass ein natürliches Nährpräparat aus Gerstenmalz aus einer Chemischen Fabrik aus Marketinggesichtspunkten nicht von Vorteil war. Ab 1915 firmierte das Unternehmen deshalb unter Gebr. Patermann Teltow-Berlin Biomalz-Fabrik. 1924 verließ schließlich auch Schwager Ulrich Patz die Firma. Die offene Handelsgesellschaft wurde abgewickelt. Myro Patermann war nun alleiniger Eigentümer der Fabrik und der dazugehörenden Grundstücke in Teltow.

 

Georg Patermann, um dieses Kapitel abzuschließen, ließ sich vom Architekten Joseph Ernster 1912 auf dem 1730 Quadratmeter großen Eckgrundstück im Kleinmachnower Erlenweg Nr. 33 eine zweigeschossige Villa mit 400 Quadratmeter Wohnfläche und 10 bis 12 Zimmern errichten. Zwölf Jahre später musste er das Anwesen wohl aus finanziellen Gründen wieder verkaufen. Er wandte sich seiner alten Leidenschaft, der Landwirtschaft, zu.

 

Aus der Ehe von Myro und Grete Patermann stammen die Kinder Myro (1914-1942), Ingrid (1915-2009) und Margarete (geb. 1922). Die Familie zog zunächst in eine herrschaftliche Villa Am Kleinen Wannsee Nr. 4. Da das Anwesen für Ehefrau Grete zu feucht war, wurde es später verkauft. Myro Patermann zog mit Familie schließlich nach Zehlendorf, Hauptstraße Nr. 55-59. Über das ausgedehnte Grundstück war bis dato nichts Genaues herauszubekommen.

 

 

Grabstätte Patermann, Friedhof Wannsee Lindenstraße. Foto Hahn & Stich, 2023

Nachtrag:

 

Auch wenn die Friedenauer Geschichte des kometenhaften Aufstiegs der Gebrüder Patermann und ihrer Biomalz-Fabrik mit dem Wegzug aus der Rheinstraße 52A nach Teltow 1911/1912 endete, sei an dieser Stelle in groben Zügen beschrieben, wie es weiterging. Dazu lohnt ein Besuch der Familiengrabstätte auf dem Friedhof Wannsee-Lindenstraße. Als kurzzeitige Bewohner der Alsen Colonie in der Villa Am Kleinen Wannsee 4 konnte Myro dort ein größeres Gelände für sich reservieren. Die Gräber gibt es noch immer – doch irgendwie zweigeteilt: auf der einen Seite Stammvater Ernst Patermann mit Ehefrau Paula geb. Wilder und den Kindern Hermine, Pia, Helene und Linus, gegenüber Myro Patermann mit Ehefrau Grete und die Gräber von Myro Hoeck (1943-2010), Ingrid Maurer-Kamber geb. Patermann sowie eine Gedenktafel: Dem Gedenken an unseren in Russland gefallenen Sohn und Bruder Myro Patermann geb. 14. März 1914, gef. 30. Juni 1941.

 

 

 

 

 

Es war sicher ein harter Schlag für Myro Patermann, dass sein einziger Sohn Myro junior mit gerade einmal 27 Jahren eine Woche nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion am 30. Juni 1941 bei Minsk fiel. Was von ihm übrigblieb, wurde auf dem Friedhof in Kolodino unter die Erde gebracht. Für die Nachfolge im Unternehmen Biomalz rückten nun die beiden Töchter Ingrid und Margarete in den Mittelpunkt.

 

Ingrid Patermann heiratete 1942 den Kaufmann Horst Hoeck (1904-1969). Er hatte 1932 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles die Goldmedaille im Vierer mit Steuermann gewonnen und war eine imposante Erscheinung. Hauptberuflich betrieb er in Charlottenburg eine Schnaps- und Likörfabrikation mit angeschlossener Destille. Dieser Ehe entstammen die Kinder Myro (1943-2010), Horst jun. (geb. 1945) und Barbara (geb. 1947). Firmengründer Myro Patermann war inzwischen 71 Jahre alt. Nach dem Tod seines Sohnes lag es nahe, Schwiegersohn Horst Hoeck in die Firma aufzunehmen und ihn zum Geschäftsführer der Teltower Biomalz-Fabrik zu machen. Drei Jahre später lag das Firmengelände in der Sowjetischen Besatzungszone.

 

Die Geschichte von Biomalz von 1945 bis heute muss an anderer Stelle erzählt werden. Sie würde hier den Rahmen sprengen. Es ist eine Geschichte zwischen Ost und West, sie handelt von einem erbitterten Familienstreit und dem Versuch, das Unternehmen nach der Wende als Familienunternehmen weiterzuführen. Letzteres ist zwar nicht gelungen, aber die Biomalz-Fabrik in Teltow existiert noch immer. Produziert werden in erster Linie Backmischungen für die Industrie, kleinere Bäckereien und Privathaushalte. Aktuell sind auch wieder die legendären Malzbonbons im Sortiment – eine Erinnerung an die Gebrüder Patermann, mit denen vor mehr als 100 Jahren die wechselvolle Geschichte von Biomalz in Friedenau begann.

 

Rheinstraße Nr. 59

Uhrmacher Hans Lorenz

 

 

 

 

In Vorbereitung

Rheinstraße 60, Rheinschloss, 1896. Archiv Barasch, Hahn & Stich

Rheinstraße Nr. 60

Rheinschloß

 

Das Rheinschloß, welches Herr Oskar Förster auf dem ehemals Peterson’schen Grundstück Rheinstraße zwischen Mosel- und Hedwigstraße durch den hiesigen Baumeister Herrn Emil Schütze erbauen läßt, stellt sich als ein rechtseitiges Eckhaus dar, an das sich die Saalgebäude anschließen. Links bleibt ein großer Garten liegen, der durch einen Säulengang von der Straße abgeschlossen und mit Lauben versehen werden soll.

 

Im Erdgeschosse links vom Eingang befinden sich geräumige Bierstuben mit Aussicht auf die Straße und den Garten und rechts eine gleichfalls geräumige Weinstube. Nach diesen Räumen folgen ein großes Vestibül, große bequeme Garderobenräume, ein Vorsaal und dann ein großer Tanzsaal mit Theaterbühne. Der Tanzsaal faßt mit Galerie ca. 700 Personen. Ferner befinden sich im ersten Stockwerk noch ein Saal für Hochzeiten und ähnliche Festlichkeiten, sowie Räume für Vereinszusammenkünfte nebst Spielzimmern und Billard–Salon. Das zweite Stockwerk wird voraussichtlich für Chambre garnis eingerichtet werden.

 

 

 

 

Die übrigen Etagen sollen zu Wohnzwecken dienen. Das Ganze soll ein Etablissement werden, wie wir es hier nocht nicht haben, ein Etablissement, das möglichst allen Anforderungen der Neuzeit entspricht und durchaus den Vergleich mit den besten Berlins aushält. Rheinschloß nennt Herr Förster das Etablissement deshalb, weil es in der Rheinstraße liegt und eine schloßartige rheinländische Fassade erhalten soll.

 

Weihnachten 1895 wurde das Haus eröffnet. Gerechnet hat es sich nicht. Bei der Versteigerung im Dezember 1908 ging das Etablissement in den Besitz des Herrn Kaufmann Franz Warnke. Der Inhaber der Berliner Spirituosenfirma plant, das Gebäude umzugestalten und durch einen Vorderhausanbau zu vergrößeren. 1909 entstand links vom Stammhaus auf dem Garten in der Kubatur des Nachbargebäudes Nr. 61 & 62 ein Häuschen: Im Erdgeschoss Läden, darüber eine Wohnung und ein Dachgeschoss mit Gauben.

 

1910 stand das Grundstück abermals zur Zwangsversteigerung. Für den Friedenauer Lokal-Anzeiger war es kein guter Stern, der über diesem Hause steht. Bald nach dieser mit großen Unkosten verknüpft gewesenen Neugestaltung nahte sich der Pleitegeier. Zwangsversteigerungstermine gelangten stets wieder zur Aufhebung, da Verhandlungen zwecks Ankaufs schwebten. Die Gläubiger hielten das Grundstück. Der Betrieb ging weiter – mit Vermietungen an Vereine. Die Meldung, daß die Vorstellung des Märkischen Gastspiel-Theaters im ‚Rheinschloß‘ ausfällt, wurde von Gastwirt Otto Förster umgehend dementiert: Das Ensemble ist engagiert und die Vorstellung ‚Einer von unsere Leut‘ findet am Donnerstag, den 11. Februar 1909 bestimmt statt. Theater- und Operetten-Gastspiele mit großem Orchester wurden seltener.

 

Am 16. April 1911 eröffneten die Rheinschloß-Lichtspiele. Nach dem Kronen-Filmtheater (1907) in Nr. 65 und dem Biophon-Theater (1909) in Nr. 14 das dritte Kino in der Rheinstraße. Dieses modern und vornehm eingerichtete Kinematographen-Theater weist den gleichen Komfort aus, wie die besten und großen Berliner Theater. Es sind über 500 Sitzplätze vorhanden. Die Bühne ist zu Logenplätzen umgewandelt worden und macht den Eindruck einer Fürstenloge. Vor der Projektionswand befindet sich ein schwerer Plüschvorhang, der elektrisch betrieben wird. Die elektrische Beleuchtung mit 5600 Lichtkerzen ist als feenhaft zu bezeichnen. Neu ist ein Lichtregulator, wie er in den neueren Berliner Theatern zu finden ist; dieser bewirkt, dass das Aufflammen und Verlöschen der Beleuchtung ganz allmählich geschieht, so dass das Auge nicht unter der plötzlichen Helle oder der plötzlichen Dunkelheit zu leiden hat. Die Gänge sind mit guten Läufern belegt. Trotz der vorherrschenden Eleganz sind die Eintrittspreise außerordentlich billige. Die Garderobe ist frei; die Damen werden daher freundlichst gebeten, die Hüte abzunehmen.

 

1915 wieder ein neuer Besitzer, aber schon 1918 wird das Verfahren betr. Zwangsversteigerung des Grundstücks Rheinstraße Nr. 60, Besitzer Max Habermann, Charlottenburg (1203 Quadratmeter, 13700 Mark) einstweilen eingestellt. Am 11. April 1918 entschlief nach schwerem Leiden unsere Mutter, Schwiegermutter und Schwester Clara Förster. Die diversen Aufhebungen von Zwangsversteigerungen werden nun verständlich. Das Anwesen Rheinstraße Nr. 60 ging an Tochter Lotte Dibbern geborene Förster. Ihr Ehemann Dr. Ernst Dibbern fungierte mit Felix Borghard als Kinobetreiber. 1947 übernahm Witwe Gertrud Borghard: Tägliche Vorstellungen, 400 bis 512 Plätze, Bühne Breite 6,5 m, Tiefe 4 m, Höhe 5,5 m, Bild- und Tontechnik nach dem aktuellen Stand.

 

 

Lotte Dibbern ist bis 1974 als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Dann war Schluss mit Kino. In den Saal zog ALDI ein. Der Vorderhausanbau von 1909 wurde abgerissen und durch einen klotzigen zweigeschossigen Betonbau ersetzt, in dem seit geraumer Zeit die Shisha Bar Statement das ultimative Erlebnis für Shisha-Liebhaber mit einer einzigartigen Auswahl an hochwertigen Wasserpfeifen offeriert. Nachdem ALDI seine Filiale in den Titania-Palast verlegt und obendrein in der Wexstraße einen Neubau errichtet hatte, interessierte sich 2013/14 Denns BioMarkt für die Immobilie.

 

Das Unternehmen wurde 1974 in München gegründet und mit der Zonenrandförderung nach Töpen im oberfränkischen Landkreis Hof unmittelbar am ehemaligen Grenzübergang Töpen-Juchhöh verlegt. Das Rathaus Schöneberg befürwortete die Einrichtung von Denns Biomarkt, holte die Bauakten von 1895 hervor und forderte, die historische Baustruktur des 1895 errichteten Rheinschloß wieder sichtbar zu machen. Denns musste in den sauren Apfel beißen. Daß Zwischendecken wieder verschwanden, zugemauerte Rundbogenfenster Tageslicht ermöglichten, Wandsäulen und Pfeiler die Saalstruktur wieder sichtbar machten, schön und gut, aber die Untere Denkmalschutzbehörde von Schöneberg schoss mit ihrer Forderung nach Rekonstruktion von Gesimsen, Friesen, Kapitellen und Stuck weit über das Ziel hinaus – wollte wohl davon ablenken, daß sie Jahre zuvor dem Abriss des Vorderhausanbaus von 1909 zugestimmt und den Bau des unsägllichen Betonklotzes der heutigen Sisha Bar Statement genehmigt hatte.

 

Seit September 2014 kann in Denns BioMarkt wieder ein Stück Friedenauer Baugeschichte entdeckt werden. Der Laden scheint ganz gut zu laufen.. Bedauerlich ist nur, daß die Bio-Kunden so gar keinen Blick für das restaurierte Etablissement erübrigen.

 

Friedenauer Lichtbild-Bühne, 2. September 1910

Rheinstraße Nr. 64

 

Kaum hatte der Friedenauer Lokal-Anzeiger am 29. August 1910 kundgetan, dass das Biophon-Theater in der Rheinstraße Nr. 14 auf das bessere Friedenauer Publikum eine stetig zunehmende Anziehungskraft ausübt, hielt die Konkurrenz dagegen: Am 3. September 1910 findet im Hause Rheinstraße 64 die Eröffnung eines neuen luxuriös eingerichteten Kinematographen-Theaters unter der Bezeichnung ,,Friedenauer Lichtbild-Bühne" statt. Die Darbietungen werden hochkünstlerisch und durchaus vornehm sein. Der Apparat stellt das Vollkommenste dar, was bisher in dieser Hinsicht geschaffen wurde und ist eine Erfindung und Arbeit unseres Mitbürgers Herrn M. Elsässer. Die ganze Einrichtung des Etablissements deutet daraufhin, dass es angebracht wäre, ihm den Namen „Intimes Theater" zu geben. Von den Bildern seien erwähnt: „Kinderfest in Rom“, ein recht ansprechender Film, „Die letzte Zuflucht“, ein Drama aus dem Leben, „Die Braut des verwünschten Schlosses“ ist gruselig; die ulkigen Darbietungen: „Der verliebte Max“, „Das Urteil des Narren“ und „Die Macht der Gewohnheit“ gefielen sehr.

 

 

Da die Direktion bemüht war, stets das Neueste zu bieten, gab es schon zehn Tage später interessante Bilder: „Experimente mit flüssiger Luft“ ist recht lehrreich und „Wie das Leben spielt“ für empfindsame Gemüter ergreifend. „Quer durch Schottland“ bringt prächtige Reisebilder, während „Amphytrion“ als antike Phantasie wegen seiner Farbenpracht das Auge bezaubert. Allerliebst ist der Film „Kinderträume“ und das Tonbild „Goldfischquartett“. Die neuen französischen „Drachenflieger“ und die halbhistorische Episode „Savelli" aus der Zeit Napoleons III. fesseln in hohem Maße. Sehr ulkig sind die komischen Darbietungen, von denen wir hier nennen: „Die Ordonnanz in Generalsuniform“, „Ein vergnügter Theaterabend“ und „Die Parvenüs“. Vorgestern und gestern war das Theater ausverkauft. Anfang 6 Uhr, sonntags 4 Uhr. Programme an der Kasse. Die in den ersten Vorstellungen bemerkten Mängel sind jetzt vollständig behoben.

 

Kaiser-Wilhelm-Garten. Archiv Barasch, Hahn & Stich

Rheinstraße Nr. 65

 

Das Gundstück erwarb der Schlächtermeister Gottfried Bierhan 1879 von der Boden-Credit-Bank AG und ließ darauf ein zweigeschossiges Wohnaus errichten. An der Ecke zur Ringstraße (heute Dickhardtstraße) entstand die Restauration Kaiser Wilhelm-Garten von Gastwirt Fritz Bartelt.  Als 1898 für die Verlegung der Dampfbahngleise der Rheinstraßen-Umbau anstand, mussten die Herren Bierhan und Bartelt für die Verbreiterung des Fahrdamms die Vorgärten abtreten. Bierhan ließ wissen, daß er durch einen Neubau auf seinen Grundstücken eine Verschönerung der Rheinstraße schaffen wird. Nach Abriss der Schlächterei, eines Teils des Wohnhauses Nr. 65 und der Hofmauer ist Raum gewonnen für ein Gebäude von 20 Meter Straßenfront. Das Haus soll im Parterregeschoss kleinere, modern eingerichtete Läden erhalten und 3 Stock hochaufgeführt werden. Ferner wird auch die Schlächterei im hinteren Teile des Grundstücks neu erbaut werden. 1900 gab es in der Rheinstraße Fleischerei, Colonialwaren, Seifen, Cigarren und an der Ecke wieder den Kaiser Wilhelm-Garten.

 

 

 

 

Nach dem Tod von Bartelt fand Hauseigentümer Bierhan 1902 mit Gastwirt Hermann Siepert einen neuen Pächter. Alles wie gehabt, Restaurant, Kegelbahnen, Billard, Vereinszimmer. Offeriert wurden Eberl-Bräu München, Saazer Bier, Pilsner Urquell und im Saal Gastspiele von Wandertheatern. 1907 fanden hier die ersten Vorführungen des Reform-Kinematographen-Theater statt. Die Konkurrenz zog nach: 1909 Biophon-Theater (Rheinstraße 14), 1911 Friedenauer Lichtbildbühne am Lauterplatz (Rheinstraße 64) und 1911  Rheinschloss Lichtspiele (Rheinstraße 60).

 

Am 22. Januar 1916, wurde im Kaiser Wilhelm-Garten unter dem Namen Kronen-Lichtspiele das vierte Lichtspielhaus eröffnet. Der alte Saal ist einer vollkommenen, von Grund aus durchgeführten Um-und Neugestaltung unterworfen worden. Nach den Plänen des Architekten Schultz-Heckendorff, unter Beistand des Architekten Schneider, wurde ein Theaterraum geschaffen. Gleich am Eingang an der Rheinstraße befinden sich hübsch ausgestattete Logen. Links befindet sich eine Kleiderablage, während rechts besondere Eingänge zu den Logen und zum Saal führen; geradezu ist die Treppe zur Galerie mit Logen, die in geschwungenen Linien gegenüber der Bühne errichtet ist. Der Kinosaal erstreckt sich vom Eingang in der Rheinstraße bis an die Ringstraße. Die Kronen-Lichtspiele unter der Leitung von August und Hela Röder existierten bis 1969.

 

Geblieben sind links und rechts vom Kinoeingang die Ladengeschäfte mit wechselnden Nutzern. 1925 kam die Buchhandlung LEOK Ollmann & Hintzeu, die 1929 von der Nicolaischen Buchhandlung Borstell & Reimarus übernommen wurde. Der immer noch erhaltene Kinosaal hat danach einige Pächter und diversen Leerstand erlebt. Es kamen und gingen Real Supermarkt, ALDI und eine Trattoria dell' Arte. Aktueller Nutzer ist der Lebensmittellieferdienst Gorillas Warehouse Operations. Behauptet haben sich die Nicolaische Buchhandlung und Frau Behrens Torten (seit 2003).