Im Jahr 1865 erwarb der Kaufmann Johann Anton Wilhelm Carstenn (1822-1896) das Rittergut Wilmersdorf, um darauf die Villenkolonie Friedenau anzulegen. Die städtebauliche Gesamtplanung führte der Architekt Johannes Otzen (1839-1911) aus. 1874 legten sie ihren Situationsplan vor, im Zentrum der Friedrich-Wilhelm-Platz und um diesen herum vier Schmuckplätze: Schmargendorfer Platz (Schillerplatz), Wilmersdorfer Platz (Renée Sintenis-Platz), Berliner Platz (später Maybachplatz, heute Perelsplatz) und Hamburger Platz. Vergessen wurde ein Platz für die Toten. In Betracht kam die noch unbebaute Gegend um den Hamburger Platz. Eigentümer protestierten, da sie einen Wertverlust ihrer Grundstücke befürchteten. Der Gemeinderat setzte sich darüber hinweg und opferte Teile des Hamburger Platzes. 1881 wurde der Friedhof eingeweiht – propagiert als vorübergehend und provisorisch. Mit den Erweiterungen von 1894 und 1904 war davon nicht mehr die Rede. Ende November 1909 hat sich die Notwendigkeit ergeben, die Erschließung von Block VII, VIII und IX auf dem hiesigen Gemeinde-Friedhof vorzunehmen. Zwischen Offenbacher- und Fehlerstraße entstand der Friedenauer Quartiersfriedhof an der Stubenrauchstraße. Aus dem Hamburger Platz wurde die Straßenkreuzung Wilhelmstraße (Görresstraße), Südwestkorso und Stubenrauchstraße.

 

Salomon und Georg Haberland

 

Im Jahr 1866 siedelte der Textilunternehmer Salomon Haberland (1836-1914) von Wittstock an der Dosse nach Charlottenburg über. Dort betrieb er mit Erfolg eine Schal- und Tuchfabrik. Sein Sohn Georg Haberland (1861-1933) arbeitete nach Ausbildung in der Textilbranche als Vertreter eines deutschen Handelshauses im mittelenglischen Bradford. Er bereiste die Niederlande, Belgien, Norwegen, Schweden, Dänemark sowie die Schweiz und war Mitte der 1880er Jahre als Textilkaufmann in Italien tätig. Mit Blick für die Entwicklung von Berlin und mit Gespür für den Wohnungsbedarf investierte Vater Salomon Haberland sein Vermögen in Grund und Boden. Ab 1880 betätigte er sich auf dem Gebiet der Parzellierung und des Weiterverkaufs von Grundstücken sowie der Kreditvergabe an Bauunternehmer. Vom Terraingeschäft überzeugt, gründete er 1890 mit dem Hamburger Kaufmann Arthur Booth und unter Beteiligung des Berliner Bankhauses Delbrück, Leo & Co. die Berlinische Boden-Gesellschaft. Sein weit- und sprachgewandter Sohn Georg kehrte nach Berlin zurück, erlernte durch den Vater das Grundstücksgeschäft und wurde neben Arthur Booth junior zum Direktor der Berlinischen Boden-Gesellschaft bestellt. Unter der Ägide von Salomon und Georg Haberland entstanden das Bayerische Viertel in Schöneberg (1900), das Wagner-Viertel auf dem Sportplatz Friedenau (1905) und der Friedenauer Südwesten rund um den Südwestkorso (1911).

 

Georg Haberland am 70. Geburtstag 1931. Quelle Bilfinger Berger AG/www.friedenau-aktuell.de

Georg Haberland: Aus meinem Leben, 1931

 

Der Aufschwung Berlins war nach dem Kriege 1870/71 glänzend geworden. Der Zuzug machte eine dauernde lebhafte Bautätigkeit zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen dringend notwendig. Größere gewerbliche Unternehmen, die sich planmäßig dieser Aufgabe widmeten, waren in Berlin kaum vorhanden. [...] Mein Vater erblickte in der planmäßigen Aufschließung von Geländen, in der Schaffung baureifer Baustellen, ihrer Veräußerung unter Gewährung von Baugeldkrediten direkt an den Baugewerbetreibenden eine wirtschaftlich notwendige Aufgabe. [...] Der Grundgedanke war die Erschließung unbebauter Ländereien und der Verkauf baureifer Parzellen an die Baugewerbetreibenden. Diese errichteten auf den von ihnen erworbenen Bauparzellen Häuser, um sie alsdann an Leute zu verkaufen, die ihre Ersparnisse in Hausbesitz anlegen wollten. Wir richteten selbst ein technisches Büro ein, das die Grundrisse für die einzelnen Häuser aufstellte. An Hand dieser Grundrisse fertigten wir die Rentabilitätsberechnungen an und setzten die Preise der Bauparzellen derart fest, dass für den Unternehmer ein nutzbringendes Geschäft herauskam ...

 

Die Berlinische Boden-Gesellschaft

Die Berlinische Boden-Gesellschaft existierte bis zum Jahr 1954. Über diverse Fusionen gehört sie zu den Vorläuferunternehmen der Bilfinger + Berger AG. Auf der nachfolgenden PDF finden Sie zum Thema Berlinische Boden-Gesellschaft Textauszüge aus Drei Wurzeln – ein Unternehmen. 125 Jahre Bilfinger Berger AG der Historiker Bernhard Stier und Martin Krauß.

 

Auf der nachfolgenden PDF veröffentlichen wir auszugsweise die 2005 erschienenen Texte mit freundlicher Genehmigung der Bilfinger Berger AG.

 

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Sintflutbrunnen auf dem Hamburger Platz, 1910. Archiv Rüdiger Barasch/www.friedenau-aktuell.de

Der Reitweg

 

Am 11. Oktober 1906 verkündete der Friedenauer Lokal-Anzeiger, dass auf Veranlassung des Kaisers ein neuer großer Reitweg durch Schöneberg-Friedenau-Wilmersdorf und Dahlem bis in den Grunewald hinein angelegt werden wird. Der Reitweg nimmt seinen Anfang an der Ecke Martin Luther- und Spichernstraße in Schöneberg, führt dann über Friedenau, um am Rastatter Platz (ab 1913 Breitenbachplatz) in die Dahlemer Gemarkung einzumünden, die er dann in der Richtung nach dem Grunewald durchschneidet. — Anscheinend handelt es sich um die für Friedenau bereits bewilligte Prachtstraße, die das Friedenauer Gebiet von der Kaiserallee, Ecke Varzinerstraße bis zur Wiesbadener Straße an der Wilmersdorfer Grenze durchschneidet.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit einer Stimme Mehrheit änderte die Friedenauer Gemeindevertretung den bereits bestehenden Bebauungsplan. Geschaffen wurde ein geschwungenen Straßenzug und suggeriert, dass man damit richtig handelte, gehen doch die Bestrebungen des modernen Städtebaues allgemein dahin, solche Straßenzüge zu schaffen. Die zahlreichen Nebenstraßen erhalten Vorgärten und Alleebäume“. Am 28. Juni 1907 hatte „der Bebauungsplan die Genehmigung des Kaisers erhalten“. Im nördlichen Teil derselben, welcher als vornehme Promenadenstraße angelegt ist, wurde mit der Bebauung bereits begonnen.  Die Straßen werden breiter, aber sonst wie die von Friedenau ausgestattet sein.

 

Auf der nachfolgenden PDF finden Sie zu diesem Thema Originaltexte aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger.

 

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Mutter mit Kind, Paul Aichele. Quelle Quelle VAN HAM/www.friedenau-aktuell.de

Der Sintflutbrunnen

 

Offensichtlich hatte die Berlinische Boden-Gesellschaft erkannt, dass die Prachtstraße einer Unterbrechung bedarf, eines Ruhepunktes, auf dem das Auge mit Wohlgefallen ruht. Dafür wurde der ehemalige Hamburger Platz bestimmt. Kommerzienrat Georg Haberland hatte die „reizvolle“ Skulptur von Paul Aichele (1859-1920) Sintflut (Fragment) auf der Berliner Kunstausstellung entdeckt, wo sie den allgemeinen Beifall gefunden hatte. Ganz so war es nicht. Aicheles Schöpfung tauchte erstmals 1906 in der Großen Berliner Kunstausstellung unter der Nr. 1253 Mutter mit Kind (Marmor) auf. Zwei Jahre später war das Werk im Saal 3 unter Nr. 65 Aichele, Paul: Sintflut. Fragment und der Anmerkung Das Kunstwerk ist verkäuflich zu besichtigen.

 

Der Erwerb war günstig. Für Haberland passte alles zusammen. Es gab mit Rücksicht auf die Umgebung ein ernstes Motiv. Aichele, der Wohnung und Atelier inzwischen von Charlottenburg nach Friedenau verlegt hatte, wurde die Ausführung des Brunnendenkmals übertragen, zu dem, laut Gemeindebaurat Hans Altmann von Herrn Haberland bereitgestellten Preise von 10.000 M. Dafür entstand ein 4,50 Meter hohes Denkmal mit Figuren aus Kalkstein und einem Natursteinbecken mit 7,00 Meter Durchmesser. Am 4. Juli 1909 wurde der Sintflutbrunnen enthüllt: Aus der Beckenmitte ragt ein Felsen heraus, an dessen Spitze eine unbekleidete Frau die Arme schützend über das nackte Kind ausgebreitet. Darunter ein nackter Mann, der eine leblose Frau im Arm hält und sich bemüht, dem wasserspeienden Felsen zu entkommen.

Haberland: „Es erfüllt mich mit besonderer Freude, dass das in Friedenau entstandene Kunstwerk in der Gemeinde selbst Aufstellung gefunden hat.“

 

Auf der nachfolgenden PDF finden Sie zum Thema Sintflutbrunnen Originaltexte aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger.

 

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Kinderbrunnen. Foto Max Missmann, 1912

Kinderbrunnen oder Erikabrunnen?

 

Als Kommerzienrat Georg Haberland den Zierbrunnen an der Ecke Laubacher Straße und Südwestkorso am 20. Juni 1911 übergab, versuchte der sprachgewandte Chef der Berlinischen Boden-Gesellschaft die Angelegenheit in geordnete Bahnen zu lenken: Dieser Platz liegt an der Grenze von Friedenau und Wilmersdorf; beide Gemeinden stehen in freundschaftlichem Verhältnis, aber doch bringt der Wettbewerb der Vororte unter sich mancherlei mit sich“. Er sprach die Erwartung aus, dass „die Beziehungen Friedenaus und Wilmersdorfs stets die denkbar besten sein mögen. Der Sockel des Brunnens trägt die Wappen von Friedenau und Wilmersdorf, darauf scherzende, sich neckende Figuren nach Modellen von Friedenauer und Wilmersdorfer Kindern, die sich gegenseitig mit Wasser bespritzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedenaus Bürgermeister Erich Walger (1867-1945) betrachtete die Sache weniger poetisch: Friedenau sei am Ende seiner Bebauung angelangt. Es sind nur noch wenige unbebaute Grundstücke vorhanden. Er dankte für das Denkmal, das gleichermaßen den Schlußstein der Tätigkeit des Herrn Haberland in Friedenau bilde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Georg Haberland schon längst für die Vereinigung von Berlinischer Boden Gesellschaft und Terrain-Gesellschaft Berlin-Südwest gesorgt und den Ausbau des Wilmersdorfer Rheingau-Viertels um den Rüdesheimer Platz und den Bau der U-Bahn nach Dahlem vorangetrieben.

 

Mit der Anlage des Südwestkorsos war unmittelbar an der Gemarkungsgrenze von Friedenau und Wilmersdorf gegenüber der Landauer Straße eine dreieckige Fläche entstanden – eingekeilt von Südwestkorso, Laubacher Straße, Wilhelmshöher Straße (und letztendlich auch von der Wiesbadener Straße). Dieser Platz wurde am 19. Juni 1911 von Kommerzienrat Georg Haberland mit dem Brunnen von Bildhauer Emil Cauer dem Jüngeren (1867-1946) dekoriert. Der Fotograf Max Missmann (1874-1945) hat Platz und Brunnen 1912 mit der Kamera festgehalten und das Foto unter der Nummer 4654 und Kinderbrunnen archiviert. Ohne Zweifel sind seine Aufnahmen als Zeitzeugnisse der Entwicklung Berlins nach der Jahrhundertwende bedeutsam.

 

Im Jahre 1909 hatte die Stadt Schöneberg zur Ausschmückung des Barbarossaplatzes einen Wettbewerb gestartet. Ausgeführt wurde der Entwurf des Bildhauers Constantin Starck (1866-1939), der den dritten Preis erhalten hatte. Da am Platz eine Schule war, hatte er für seinen Brunnen Kinder im Blick. So saßen seine Bronzefiguren nur so hoch über dem Erdboden, dass sie von Kinderhänden betätschelt werden können. Der Brunnenentwurf wurde 1912 in Der Kunstwelt abgebildet und bis 1913 ausgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren der Brunnen außer Funktion und die Bronzen verschwunden. Um 1960 erfolgte eine Wiederherstellung – allerdings ohne Rekonstruktion der Figuren. Nach Angaben von Bildhauerei in Berlin wurden die nicht erhaltenen acht Kinderfiguren 1989 nach zwei Originalgipsen und einer Gips-Verkleinerung der Berliner Gipsgießerei Gebrüder Micheli vom Bildhauer Heinz Spilker nachgeschaffen. Am 25. Oktober 1989 wurde auf dem Barbarossaplatz eine Brunnenanlage unter dem Begriff ‚Kinderbrunnen‘ zum zweiten Mal eingeweiht.

 

Damit hatte Schöneberg zwei Kinderbrunnen. Es ist davon auszugehen, dass für den Barbarossaplatz die Bezeichnung Kinderbrunnen bestimmt wurde, und, da Kommerzienrat Georg Haberland bei der Übergabe seines Brunnens am Südwestkorso wissen ließ, dass von den Friedenauer Kindern das Mädchen die Gesichtszüge der Tochter (Erika) unseres Herrn Bürgermeisters Walger und der Junge die Gesichtszüge des Sohnes (Hans Peter) des Herrn Gemeindebaurats Altmann trägt, ist von Amts wegen offensichtlich der Name Erikabrunnen festgesetzt worden.

 

Die offizielle Verlautbarung: „Auf einem zweigestuften Sockel steht eine Schale mit vier vorgelagerten Podesten. An gegenüberliegenden Seiten sitzen zwei gleiche Putten (Bronze) mit dem Rücken zum Becken (Sandstein) und halten eine Schale über den Kopf, aus der sie Wasser schütten. Auf den anderen beiden Podesten stehen sich Gruppenplastiken gegenüber: zwei spielende Putten mit einer Gans bzw. einem Fisch als Wasserspeier im Arm. Im Becken ist eine Sprudelfontäne installiert. Zwei Figuren wurden von Heinz Spilker frei nachgestaltet. Maße: Sockel Ø 5,70 m, Schale Ø 3,00 m, Schale Höhe 0,70 m, Höhe der Putten 1,10m und 1,20m, Sockel aus Sandstein, Putten aus Bronze. Zu den Inschriften werden nachfolgende Bezeichnungen (vertieft mitgegossen) angegeben: An der Gruppe mit Gans und Knabenfigur H. Spilker, an der sitzenden Knabenfigur H. Spilker, an der Knabenfigur mit Fisch H. Spilker.

 

Auf der nachfolgenden PDF finden Sie Originaltexte aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger.

 

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Aufnahmen vom Barbarossaplatz

 

Die Linie 69 in der Leipziger Straße auf dem Weg zum Südwestkorso, um 1926

Die Straßenbahn

 

Am 11. November 1909 kündigte der Friedenauer Lokal-Anzeiger die neue Straßenbahn an: Im Zuge des Südwestkorsos soll, wie uns berichtet wird, im nächsten Jahre eine Straßenbahn angelegt werden. Zunächst erfolgt der Ausbau der Erfurter Straße im Süden von Wilmersdorf, durch welche die Große Berliner Straßenbahngesellschaft nach vertragsmäßiger Verpflichtung eine Straßenbahnlinie nach Schöneberg führen wird. Zur Fortsetzung dieser Linie über den Kaiserplatz hinaus im Zuge des Südwestkorsos hat Direktor Haberland der Großen Berliner einen Zuschuss von 50.000 M. in Aussicht gestellt.

 

Am 14. Mai 1911 war die Betriebsabnahme für die vollkommen fertiggestellte neue Straßenbahnanlage im Südwestkorso erfolgt. Vom Montag ab werden die Wagen der Linien 0 und 69 durch den Südwestkorso bis zur Laubacher Straße verkehren.

 

 

Die Linie O bediente die Strecke Kupfergraben Friedenau Südwestkorso (Laubacher Straße), die Linie 69 Friedrichsfelde (Kirche) Bhf. Frankfurter Allee Alexanderplatz Spittelmarkt Leipziger Platz Nollendorfplatz Bayerischer Platz Friedenau Südwestkorso (Laubacher Straße).

 

Auf der nachfolgenden PDF finden Sie zu diesem Thema Originaltexte aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger.

 

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Die Straßenbahn auf dem Südwestkorso

Die Aufnahmen stellte uns Herr Sigurd Hilkenbach aus seiner Sammlung zur Verfügung. Danke!

 

Bauplan Bedürfnisanstalt mit Zeitungskiosk Südwestkorso, 1920. Quelle Altakte Bezirksamt Schöneberg

 

Bedürfnisanstalt mit Zeitungsverkauf

Südwestkorso Ecke Rheingau- und Wilhelmshöher Straße

Liane-Berkowitz-Platz

 

1. Akt

Am 9. November 1918 wurde die Republik ausgerufen, am 11. November der Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet, am 28. November dankte Kaiser Wilhelm II. ab – und am 22. Dezember diskutierten die Friedenauer Gemeindevertreter über Bedürfnisanstalten. Baurat Hans Altmann schlug vor, im Südwestkorso an der Ecke Stubenrauchstraße eine derartige Anstalt zu schaffen. Die Kosten betragen schätzungsweise 24-26000 Mark. Gemeindevertreter (GV) Schultz meinte, dass im Südwestkorso die Anstalt nicht so notwendig wäre, denn dort sei eine Bedürfnisanstalt auf dem Friedhofe vorhanden. Dagegen müssen unbedingt in der Rheinstraße solche Anstalten errichtet werden, weil die Hausflure und Treppen in den Häusern ständig beschmutzt werden und die Hauswarte sich schon weigern, den Schmutz fortzubringen. GV Lemm empfiehlt, die Anstalt im Südwestkorso an die Ecke der Rheingaustraße, dort, wo die Haltestelle der Straßenbahn ist, zu verlegen. GV Konieczka ist gegen eine Anstalt im Südwestkorso und empfiehlt eine einfache Anstalt an der Ringbahnunterführung der Kaiserallee. Schöffe Sadée fordert unbedingt die Bedürfnisanstalt an der Kaisereiche. An jeden Hauptverkehrspunkt gehört eine solche Anstalt. Es findet sich eine Mehrheit für den Antrag, im Südwestkorso eine Bedürfnisanstalt zu schaffen.

 

Am 25. Februar 1919 lag der Gemeindevertretung für das Vorhaben Bedürfnisanstalt mit Zeitungsverkauf Südwestkorso ein endgültiger Entwurf von Baurat Altmann und ein Kostenanschlag vor. Zu diesen Kosten leistet die Deutsche Kiosk-Gesellschaft einen entsprechenden Zuschuss. Außerdem sind die entsprechenden Bauarbeiten für die Anstalt ausgeschrieben. Die Arbeiten sind seitens des Demobilmachungsausschusses als Notstandsarbeiten anerkannt, so dass mit einer Erstattung aus Reichs- und Staatsmitteln zu rechnen sein dürfte. Die Gemeindevertretung erklärt sich mit Entwurf und Kostenanschlag einverstanden und bewilligt die dazu erforderlichen Mittel von 38.000 M .

 

 

2. Akt

Über die Geschichte von Bedürfnisanstalt und Zeitungskiosk zwischen 1920 und 1997, also mehr als sieben Jahrzehnte, sind in der sogenannten Altakte des Bezirkes Schöneberg weder Angaben noch Unterlagen zu finden. Das Häuschen taucht erst im Sommer 1997 wieder auf, als die damalige Mieterin eine Nutzungsänderung beantragt, die eine bisher vorhandene Nutzung als öffentliche Toilettenanlage mit 3 Einzeltoiletten, einer Pissoiranlage und einem Zeitungskiosk ändert. Es soll in Zukunft eine größere Fläche für den Zeitungskiosk zur Verfügung stehen und die öffentliche Toilettenanlage auf zwei Einzeltoiletten verkleinert werden. In der Hauptsache soll ein Imbiss entstehen, der den hinteren entkernten Bereich einnehmen wird. Diese Nutzungsänderung ist mit dem Eigentümer, dem Tiefbauamt, abgestimmt. Die Planung sieht einen Abriss von einigen nichttragenden Wänden vor. Neu erstellt werden eine Massivwand als Abtrennung zu den Toiletten und eine Gipsständerwand mit einer Schiebetür, die den Zeitungskiosk von dem Imbiss abtrennt. Heizung und Entlüftung werden über zwei von drei vorhandene Schornsteinzüge geführt. Es gibt keinen Eingriff in die Dachhaut. In den Schornstein wird ein Edelstahlrohr eingezogen. Heizungsart ist eine Gasheizung. Warmwasserversorgung erfolgt über eine Kombitherme. Es werden vier Wasserzapfstellen vorgesehen, zwei davon im Toilettenbereich.

 

Die Untere Denkmalschutzbehörde erklärte am 26.06.1997, dass die bauliche Anlage unter Denkmalschutz gestellt und in die Berliner Denkmalliste eingetragen ist. Die Zustimmung zur Durchführung der beantragten Maßnahme wird von uns erteilt, wenn folgende Auflagen eingehalten werden:

 

1. Das Gebäude ist von außen unverändert zu halten. Dies bezieht sich auf die Fassaden, Fenster, Türen, Dach, Abzug und auch die Beschriftungen, die auf die ehem. Funktion des Gebäudes hinweisen und zur Ursprungskonzeption gehören.

2. Folgende Funktionen sind zu wahren: a) der zum Südwestkorso gelegene Teil ist weiterhin als Zeitungskiosk erkenntlich zu halten, b) die öffentliche Toilette ist noch in ihrer Funktion im Gebäude weiterhin vorhanden.

3. Der Innenentkernung wird zugestimmt, wenn der ehemalige Wandverlauf durch Markierung an der Decke sichtbar gemacht wird.

 

Einer Veränderung der den Kiosk umgebenden Platzfläche durch Freiräumen der Buschanpflanzungen zur Schaffung einer Fläche für Stehtische kann seitens der Unteren Denkmalschutzbehörde hingegen nicht zugestimmt werden. Zur Begründung: Die Ansicht des Kiosk wird durch festes Platzmobiliar einschneidend verändert.

 

 

3. Akt

Ziemlich 100 Jahre nach Errichtung beauftragte das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg das Büro Ornamentum mit einem restauratorischen Gutachten – das in der uns vorgelegten Akte nicht enthalten ist. Laut Bauportal vom 15. August 2016 wurde danach ein Auftrag an das Berliner Architekturbüro Braun Busse erteilt. Nachzulesen ist dort:

 

Der Bau hat eine nahezu quadratische Grundfläche. Er besteht aus dem Erdgeschoss mit doppelschaligen Mauerwerkswänden, einem geschwungenen Walmdach mit Fledermausgauben und einem Kriechkeller. Straßenseitig bildet sich ein Erker mit Türmchen heraus. Aufgabe war die Teilsanierung des Gebäudes unter höchster Beachtung des Denkmalschutzes, sowie energetischer Belange und der aktuellen Funktionalität. Der Sanierungsbereich umfasst das Dach und die Zwischendecke, die Holzfenster und Türen, und die Erkerfassade samt der Stahlfensterkonstruktion. Da es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt, hat die Erhaltung und Wiederherstellung des Originalbestandes oberste Priorität. Das architektonische Erscheinungsbild als früherer Kiosk mit öffentlicher Nutzung und die Multifunktionalität durch die vielen Öffnungen und Zugänge muss erhalten werden. Besonders die straßenseitige Stahlfensterfassade ist ein markantes Element, an dem sich die frühere Nutzung ablesen lässt.

 

Ergänzt wird diese Beschreibung mit folgenden Angaben: Denkmalgerechte Sanierung Kiosk ‚Kaiserdiele‘. Südwestkorso 62a, 12161 Berlin. Bauherr: Bezirksamt Schöneberg-Tempelhof von Berlin. Bauzeit: Okt. – Nov. 2016. Leistungsphasen: LPH 1-8. Nutzfläche: 28 m². Restaurierung Metallfenster: Haber & Brandner GmbH Metallrestaurierung. Fenster-Türen: Holzwerkstatt Potsdam GmbH. Dachdecker: Fa. G. Heinrich GmbH, Berlin.

 

Die Beschreibung macht deutlich, dass das Bezirksamt zwischen Oktober und November 2016 nur Arbeiten ausführen ließ, die unter der Kategorie Schönheitsreparaturen einzuordnen sind. Das mag damit zusammenhängen, dass der bisher namenlose Dreiecksplatz von 70 x 50m zwischen Südwestkorso, Wilhelmshöher und Rheingaustraße am 18. Januar 2000 nach der in Plötzensee hingerichteten Widerstandskämpferin Liane Berkowitz (1923-1943) benannt wurde – und würdevoll ausschauen sollte.

 

Der denkmalgeschützte Bau, der den Weltkrieg überstanden hatte, hätte spätestens schon zu diesem Zeitpunkt grundlegend saniert werden müssen. Dem Bezirksamt hätte der problematische Baugrund in einem obendrein über Jahrzehnte hochwassergefährdeten Gebiet bekannt sein müssen. Die Bezeichnung Kriechkeller deutet darauf hin, dass 1920 aus Kostengründen auf ein Kellergeschoss verzichtet und das Häuschen mehr oder weniger direkt auf den Naturboden gestellt wurde. Und schließlich gab es über Jahrzehnte außer einem Zeitungskiosk auch Pissoir und Toiletten. Die Probleme liegen auf der Hand.

 

Das Etablissement firmierte unter dem Namen Kaiserdiele. Das sollte wohl Gäste anlocken, obwohl der Kaiser die Eröffnung des Häuschens gar nicht mitbekommen konnte, da er 1920 schon im holländischen Exil weilte. Die vom Pächter initiierte Hofberichterstattung war an journalistischer Inkompetenz kaum zu überbieten. Der RBB scheute sich nicht, aus dem Bau ein Straßenbahnerhäuschen zu machen, wo Rosa Luxemburg 1915 nach ihrer Frankfurter Rede verhaftet wurde und Kaiser Wilhelm II. noch heute als Auftraggeber in den Bauunterlagen steht. Nichts davon stimmt.

 

Die Zeiten hatten sich geändert. Als die Untere Denkmalschutzbehöre 1997 einer Veränderung der den Kiosk umgebenden Platzfläche nicht zugestimmt hatte, war Schöneberg von der CDU regiert. Seit 2016 sind SPD und GRÜNE am Ruder. Die Untere Denkmalschutzbehörde sah nun offensichtlich alles ganz anders und gestattete rund um das Häuschen auf dem Liane-Berkowitz-Platz einen Biergarten. Rund lief es von Anfang an nicht - weder draußen noch drinnen. Die Bewertungen der Kaiserdiele reichen von ausgezeichnet bis ungenügend. Im Winter ist es in dem Ein-Zimmer-Lokal immer etwas kalt und zugig. Andere beklagen mal auf, mal nicht, mal Essen, mal nicht. Einfach nur überflüssig. Keiner braucht diese Diele. Inzwischen streiten Bezirksamt und Pächter über den baulichen Zustand des Hauses. Nach der ersten Instanz beim Amtsgericht läuft derzeit ein Berufungsverfahren am Kammergericht.

 

In ihrem Bericht Harte Zeiten für die Kaiserdiele (Berliner Morgenpost, 09.10.2019) versucht Autorin Julia Lehmann, den Fall zu beleuchten. Entscheidend ist wohl, und hier tun sich Parallelen zur Geschichte des Häuschens auf dem Perelsplatz auf, dass das Bezirksamt dem Pächter bei der Übernahme signalisiert hatte, dass für all die nötigen Maßnahmen nicht genug Geld da wäre. Dem Bezirksamt war also durchaus bewusst, dass dort zwar keine Bauruine, aber – wie am Perelsplatz auch – ein ziemlich sanierungsbedürftiges Denkmal stand.

 

Es ist davon auszugehen, dass es zwischen Bezirksamt und Pächter zu einem Vergleich kommen wird, zumal der Pachtvertrag im Dezember 2020 ohnehin ausläuft. Zuständig sind Stadtentwicklungsamt, Grünflächenamt, Untere Denkmalschutzbehörde und eine Serviceeinheit Facility Management für den Pachtvertrag. Das kann in Berlin nicht funktionieren, in Schöneberg schon gar nicht.

 

 

4. Akt

Dem Bezirksamt scheint mittlerweile bewusst zu sein, dass es mit der „Kaiserdiele“ nicht gut gelaufen ist. In der vorgegebenen Bauzeit von zwei Monaten (Oktober bis November 2016) war eine denkmalgerechte Sanierung nicht möglich. So wurde für das nächste Rettungsvorhaben, die denkmalgerechte Sanierung des Fachwerkpavillons am Perelsplatz schon mal eine Bauzeit von „September 2016 bis Oktober 2017“ vorgesehen. Die schließlich für Frühjahr 2018 geplante Eröffnung steht noch immer aus. Die Kosten dürften allerdings inzwischen auf eine Million Euro angewachsen sein. Nach mehreren Anläufen soll nun ein Pächter gefunden sein. Nicht unschuldig ist das Bezirksamt, weil das Projekt „ideologisch überfrachtet“ wurde. Es sollte alles sein, Café, Kultur, WC für den Spielplatz, ganzjährig von einem privaten Pächter betreut – inklusive Heizung des Häuschens in den Wintermonaten. Das Bezirksamt delegiert die Verantwortung. Das kann nicht funktionieren.

 

 

5. Akt

Betrachten wir die Sache mit dem Häuschen am Südwestkorso (vorsichtig) optimistisch. Es könnte ja sein, dass die Verantwortlichen im Rathaus Schöneberg „etwas“ gelernt haben. Es könnte ja sein, dass nach dem endgültigen Ende der „Kaiserdiele“ nun eine wirkliche Sanierung und Rekonstruktion kommen wird, und es könnte ja auch sein, dass für das Häuschen ein tragfähiges Konzept für die Zukunft entwickelt wird.

 

Harte Zeiten für die Kaiserdiele in Friedenau

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Adressbuch 1911

Der Name Südwestkorso fiel erstmals im Juni 1907. Da hatten die Friedenauer Gemeindevertreter dem von der Terraingesellschaft Berlin-Südwest für das Gelände westlich der Kaiserallee zwischen der Wiesbadener- und der Varzinerstraße aufgestellten neuen Bebauungsplan der den Südwestkorso und seine Seitenstraßen betrifft zugestimmt. Die Straße wurde ab 1906 von der Terraingesellschaft angelegt und führt von der Ecke Kaiserallee (ab 1950 Bundesallee) und Varziner Straße bis zum Rastatter Platz (ab 1913 Breitenbachplatz). Der amtliche Name lautet seit dem 27. März 1909 Südwestkorso. Er ist rund 1650 Meter lang und verbindet die Ortsteile Friedenau und Wilmersdorf, deren Gemarkungsgrenzen mit der Kreuzung Wiesbadener Straße und Südwestkorso markiert sind. So kommt es, dass die Häuser Nr. 1-17 und Nr. 60-77 zu Friedenau (PLZ 12161) und die Häuser Nr. 18-59 zu Wilmersdorf (PLZ 14197) gehören. Nachfolgend finden Sie Beschreibungen von Häusern, die vom Landesdenkmalamt Berlin in die Liste der Kulturdenkmale aufgenommen wurden. Diese Beiträge haben wir um weitere Fundstücke ergänzt.

Südwestkorso 1. Foto Hahn & Stich, 2019

Südwestkorso Nr. 1

 

Der Eingang vom Südwestkorso an der Ecke zur Varziner Straße gibt Rätsel auf. Das Helvetia-Haus firmiert unter Südwestkorso Nr. 1, was natürlich klangvoller daherkommt als Varziner Straße, aber das Landesdenkmalamt listet als Nr. 1 das viergeschossige, sechsachsige Mietwohnhaus als  Südwestkorso Nr. 1 auf, das 1909 nach Plänen des Architekten Ernst Selge gebaut wurde. So steht es auch in der „Topographie Friedenau“, die im Jahr 2000 erschienen ist. Die asymmetrische Straßenfassade wird von einem leicht ausmittig angeordneten breiten Standerker mit seitlichen Balkons bestimmt. Das Erdgeschoss zeigt Putzrustika, die Obergeschosse weisen eine feine Putznutung auf, der Erker ist dagegen glatt verputzt mit wenig Dekor (Girlanden, Baluster, leere Medaillons). Das Pfeilerportal mit Löwenmasken an den Pfeilern trägt einen dorischen Architrav. Ein erhöhter zentraler Dachpavillon betont das Dach. Der Vorgarten wird durch ein Jugendstilgitter eingefriedet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte ist schon ein wenig alt. Anfang Januar 1909 hatte Gemeindebaurat Hans Altmann die Erteilung einer Ausnahme vom Bauverbot ersucht, um dem Bauunternehmer B. Danziger aus Charlottenburg die Bauerlaubnis zur Errichtung eines Gebäudes Südwestkorso Nr. 1 Ecke Varziner Straße Nr.7 zu erteilen. Die Bauerlaubniserteilung wird notwendig, da die Varziner Straße noch nicht reguliert ist. Bürgermeister Bernard Schnackenburg, der am 16. Juni 1909 zum Oberbürgermeister von Altona gewählt wurde, springt Altmann zur Seite und schlägt vor, sich gleich mit der Bauerlaubniserteilung für die ganze Varzinerstraße einverstanden zu erklären“. Dem tritt GV Kunow entgegen, der zunächst eine vollständige Regulierung der Straße wünscht. GV Schultz pflichtet dem ebenfalls bei; es wäre gut, wenn unsere Gemeinde endlich einmal die Varziner Straße eingemeindet bekommt. Er erinnert an die Zustände in der Laubacher Straße, wodurch die teilweise Regulierung dieser Straße, soweit sie zu Friedenau gehört, der eine Teil hoch, der andere Teil tiefer liegt. Schöffe Dräger bemerkt, dass in der Varziner Straße die Sache noch ungünstiger läge, da der Fahrdamm nicht zu Friedenau gehöre, nur ein kleiner Streifen vom Bürgersteig gehöre Friedenau; Vorgärten gibt es hier auch nicht. Er ist auch der Meinung, dass man nicht ohne weiteres die Bauerlaubnis für die ganze Straße erteilt. Bürgermeister Schnackenburg fügt noch an, dass man bei der Verhandlung betr. Einverleibung der Varziner Straße nach Friedenau immerfort auf neue Schwierigkeiten stoße; er hoffe ja, dass in nicht zu ferner Zeit die Sache endlich erledigt wird; aber bei der Varziner Straße sind alle nicht vorausdenkbaren Schwierigkeiten möglich, so dass sich Bestimmtes nicht sagen lässt. Es wird dann beschlossen, die Bauerlaubnis nur für das Grundstück Varziner Straße Ecke Südwestkorso zu erteilen (Friedenauer Lokal-Anzeiger, 08.01.1909).

 

Am 09.11.1909 berichtet der Friedenauer Lokal-Anzeiger von einer Neuen Grundstücksgesellschaft: Unter der Firma Neue Kaiserallee, Hausgesellschaft mbH Sitz Charlottenburg. Gegenstand des Unternehmens: Erwerb des Grundstücks Südwestkorso Nr. 1, Ecke der Kaiserallee und der Varziner Straße in Friedenau. Das Stammkapital beträgt 66000 M. Geschäftsführer: Generalagent Alex Bernstein in Charlottenburg, Kaufmann Hermann Sachs in Posen.

 

Zu den ersten Mietern (im III. Stock) gehörte 1910 der Instrumentenmacher Friedrich Schwechten (1880-1954), ein Spross der großen Berliner Klavierbauerfamilie. Sein Onkel Georg Schwechten (1827-1902) hatte 1853 mit seinem jüngeren Bruder Wilhelm Schwechten (1833-1900) in der Kochstraße Nr. 11 eine Werkstatt für Tafelklaviere gegründet. Nach seinem Tod wurde das Stammhaus von seiner Tochter Anna Maria Clara Fiebelkorn geb. Schwechten (1853-1921) geführt. Ihre Cousins Wilhelm und Friedrich Schwechten (1880–1954) stiegen aus der Firma aus und gründeten 1910 die Pianofabrik Schwechten & Boes.

 

Der Familienzwist ist selbst aus dem Berliner Adressbuch herauszulesen:

 

— Schwechten, Friedrich, Fabrikant, Friedenau, Südwestkorso 1, III., siehe Schwechten & Boes

— Schwechten, Wilhelm, Fabrikant, Wilmersdorf, Ringbahnstraße 260, II., siehe Schwechten & Boes — Schwechten & Boes, Flügel- u. Pianofortefabrikation, SW 18, Wilhelmstr. 118, Inh. Arthur Boes (Hamburg), Wilhelm u. Friedrich Schwechten

— G. Schwechten, Hof-Pianofabrikant usw. SW 68, Kochstr. 61, 62, Inh. Leopold Thiel und Ww. Clara Fiebelkorn

 

1911 wurde aus Schwechten & Boes die Firma Gebr. Schwechten. 1918 übernahmen die Brüder Wilhelm und Friedrich das Stammhaus G. Schwechten wieder und lösten ihren eigenen Betrieb auf. Friedrich Schwechten verließ Friedenau und zog in die Lützowstraße Nr. 78. Im Jahr 1921 ließen sie zum 100. Geburtstag des Firmengründers Georg Schwechten in der Lützowstraße einen eigenen Konzertsaal errichten. Der Schwechtensaal wurde bis 1938 von der Deutschen Grammophon AG für Schallplattenaufnahmen genutzt.

 

Südwestkorso 4 Ecke Fehlerstraße 1. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 4

Ecke Fehlerstraße Nr. 1

Baudenkmal Mietshaus, 1908

Entwurf Georg Karmann

 

Weithin wirkt die mächtige, von einem hohen Rundgiebel beherrschte Fassade des Doppel-Mietwohnhauses in das Straßenbild. Das Doppelhaus hat Aufgänge am Südwestkorso und an der Fehlerstraße. Der Kopfbau zum Korso hin mit dem Rundgiebel ist zehnachsig, der Flügelbau in der Fehlerstraße fünfachsig. Die beiden Fassaden sind jeweils symmetrisch aufgebaut: Der Kopfbau wird durch je einen Standerker beiderseits der Mittelachse gegliedert, zwischen denen in jedem Geschoss durchlaufende Balkons angeordnet sind. Der große Rundgiebel darüber ist durch schmale Ziegellisenen in der verputzten Fassade gegliedert, desgleichen die Erker und das gesamte zweite und dritte Obergeschoss. Der Haupteingang seitlich der Mittelachse wird durch ein großes Portal mit Marmorsäulen und Dreiecksgiebel betont. Der Flügelbau Fehlerstraße 1 wird durch einen Mittelerker, unter dem sich der zweite Eingang befindet, gegliedert. Topographie Friedenau, 2000

 

Im Haus Fehlerstraße Nr. 1 hatte der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) ein Atelier. Am 4. Januar 1915 abends 8 Uhr wurde die Sanitätskolonne vom Roten Kreuz zu einem Lazarettzug gerufen, der mit 270 Schwerverwundeten auf dem hiesigen Ringbahnhof eingetroffen war. Am Morgen um 3 Uhr fand das Ausladen der Verwundeten und Überführen in die Lazarette statt. 200 Verwundete kamen in die zum Reservelazarett umfunktionierte Friedenauer III. Gemeindeschule. Mit dabei Wilhelm Lehmbruck, der nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit Frau und Söhnen von Paris nach Deutschland zurückgekehrt war und sich ein Atelier in der Fehlerstraße Nr. 1 einrichtete. Er war vom Militärdienst freigestellt, aber dafür als Sanitäter für das Hilfslazarett in der Gemeindeschule Offenbacher Straße verpflichtet. Dort trifft er den auch als Sanitäter eingesetzten Malerkollegen Arthur Degner (1888-1972) aus der Steglitzer Humboldtstraße Nr. 11. Nachdem am 10. November 1914 in der Schlacht von Langemarck 2.000 deutsche Soldaten ihr Leben verloren hatten, die Heeresführung deren Tod zum heldenhaften Opfergang stilisierte, wollte auch seine Geburtsstadt Duisburg ein Kriegerdenkmal errichten. Lehmbruck verweigerte diese Heldenverehrung und schuf stattdessen in der Fehlerstraße seinen Gestürzten. Arthur Degner stand Modell für die Skulptur, die Lehmbruck im Februar 1916 auf der Freien Secessionn präsentierte: Ein nackter, schmalhüftiger Jüngling mit einem Schwertstumpf in der rechten Hand, vornüber gebeugt, auf den Knien liegend, mit seinen langen Gliedmaßen eine Brücke bildend, der seinen Nacken präsentiert. Kein sterbender Krieger, keine Brutalität – ein am Boden ausharrender zarter junger Mann. Über 600 verwundete Krieger beherbergt jetzt unser Reservelazarett in der Offenbacher Straße. Leider hat auch der Tod schon manches Opfer gefordert. Fast täglich erliegt einer der Schwerverletzten seinen Wunden trotz sorgfältigster Pflege und aufmerksamster ärztlicher Überwachung und Behandlung.

 

Lehmbruck und Degner brauchten den Bericht des Friedenauer Lokal-Anzeiger vom 11. Januar 1915 nicht. Sie erlebten das tagtäglich. Einen ausführlichen Beitrag zu Wilhelm Lehmbruck finden Sie unter Fehlerstraße Nr. 1.

 

Blumenkorso Südwestkorso 8. Foto Hahn & Stich, 2019

Südwestkorso Nr. 8

 

Nachdem die Gemeinde Friedenau am 20. Mai 1881 notgedrungen Teile des Hamburger Platzes für eine Begräbnisstätte zwischen Stubenrauch- und Fehlerstraße „opfern“ musste, weil sich die Nachbargemeinde Wilmersdorf weigerte, weiterhin Friedenauer Tote zu bestatten, eröffneten rund herum einschlägige Branchen Ladenlokale. Grabmale, Kränze und Blumen waren gefragt. Das Geschäft schien vielversprechend, da schon unmittelbar nach der Einweihung die Friedenauer Prominenz mit dem Gemeindevertreter Robert Hertel (1886), dem Königlich Preußischen Stadtbauschreiber Eduard Roenneberg (1888) und dem Unternehmer Karl Bamberg (1892) ihre letzte Ruhe fand. 1888 entstand die Kapelle, 1914 das Columbarium und immer wieder wurde die Anlage bis auf ihre heutige Größe von 21.062 Quadratmetern erweitert.

 

So ganz genau konnte bisher nicht recherchiert werden, in welchem Jahr bestimmte Geschäfte eröffnet wurden. Die historische Aufnahme aus dem Archiv des Antiquariats von Rüdiger Barasch dokumentiert, dass an der Ecke Südwestkorso und Stubenrauchstraße bereits 1910 – und vor Inbetriebnahme der Straßenbahnlinien O und 69 – ein Laden für „Frische Blumen und Kränze“ existierte. So ist es bis heute geblieben, nun unter dem Namen „Blumenkorso“. Darüber müsste man kein Aufhebens machen, wenn dem Besucher des Friedhofs an der Stubenrauchstraße nicht an vielen Gräbern das Schild „Blumenkorso – Gießen + Pflegen“ auffallen würde. Das Geschäft könnte, jedenfalls gehen wir davon aus, ganz erträglich sein. Erstaunlich ist aber immer wieder auf diesem Quartiersfriedhof, wie viele Nachfahren sich um die Pflege der Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen kümmern. Und dann gibt es auch noch die Friedhofsverwaltung des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg, die sich um die Ehrengrabstätten des Landes Berlin kümmern muss, die, mit Ausnahme der Gräber von Marlene Dietrich und Helmut Newton, mitunter auch weniger gepflegt ausschauen. Ganz zu schweigen von jenen ehemaligen Ehrengrabstätten, deren Pflege durch Senatsbeschluss eingestellt wurde und danach schlagartig sich selbst überlassen sind.

 

Südwestkorso 10. Foto Hahn & Stich, 2019

Südwestkorso Nr. 10

Ecke Offenbacher Straße

 

Das Haus Südwestkorso Nr. 10 erlangte ünerregionale Bekanntheit, als der Autor Tobias Timm im November 2010 einen Tag lang im Zeitungslädchen von Pelagia Petrick am Südwestkorso verweilte und in der ZEIT eine Art Kulturgeschichte des Kioskbesuchers veröffentlichte: Im Kiosk. Was wären Zeitungen ohne Zeitungshändler? Reportage über ein Zentralorgan der öffentlichen Meinung – und sein drohendes Ende. Schöner Text – weit über Friedenau hinaus aktuell.

 

Vier Jahre später überbrachte Karen Noetzel am 5. Mai 2014 in der Berliner Woche dann die traurige Nachricht: Aus für den Zeitungskiosk am Südwestkorso. Nach 24 Jahren gab die Pächterin, die gebürtige Griechin Pelagia Petrick, den Laden auf – aus Altersgründen, wohl aber auch wegen der sinkenden Nachfrage, und fügt hinzu: Der Kiosk sei ein kommunikativer Ort gewesen, eigentlich förderungswürdig. Das wars.

 

Im Kiosk. Was wären Zeitungen ohne Zeitungshändler

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Pelagia Petrick, 2014. Foto Karen Noetzel

Pelagia Petrick gab ihren Kiosk am Südwestkorso auf

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Südwestkorso 11 Offenbacher Straße 30. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 11

Offenbacher Straße 30

Baudenkmal Mietshaus, 1910

Entwurf Max Traeger

Bauherr Paul Lengowski

 

Das Haus verfügt über einen Z-förmigen Grundriss, da sich das Grundstück vom Südwestkorso bis zur Offenbacher Straße erstreckt, wo es an Nr. 31 anschließt und zum Haus Nr. 29 einen Bauwich bildet. Die beiden Hauseingänge befinden sich seitlich in den Bauwichen und erschließen jeweils Zweispänner. Ein weiterer Aufgang befindet sich im Verbindungsflügel, der vom Südwestkorso aus zugänglich ist. Am Südwestkorso tritt ein neoklassizistischer, vierachsiger Erker-Loggien-Vorbau vor die schmale Fassade, die symmetrisch gegliedert ist. An der Offenbacher Straße wird die breitere Fassade asymmetrisch gegliedert durch einen Erkervorbau mit seitlichen Loggien im Westen und einen schmalen Erker mit seitlichen Balkons im Osten. Die Erker der beiden Fassaden sind mit Reliefs, Medaillons, Kartuschen und Balustern in den Brüstungsfeldern geschmückt. Topographie Friedenau, 2000

 

Südwestkorso 11A Ecke Deidesheimer Straße 1-1A. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 11A

In Vorbereitung

Südwestkorso 12-12A Ecke Deidesheimer Straße 29. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 12 & 12A

Deidesheimer Straße 29

Baudenkmal Mietshaus

1909-1910

Entwurf Architekt Alfred Lowitzki

Ausführung Zimmermeister August Kirschke

Bauherr Zimmermeister August Kirschke

 

Das viergeschossige Eckhaus besitzt drei Treppenaufgänge und ist offenbar entdekoriert worden, denn es verfügt nur noch über wenige gliedernde Fassadenelemente und Reste von Dekor. Die breite Nordfassade an der Straßenecke zeigt seitliche Balkons und im dritten Obergeschoss eine durchgehende Lisenengliederung, die auch um die Ecken geführt ist. An allen drei Fassadenseiten sind je zwei übereinanderliegende Fenster des ersten und zweiten Obergeschosses durch rahmende Pfeiler, Sohlbänke und Architrave zusammengefasst. Topographie Friedenau, 2000

 

 

Südwestkorso 15. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 15

Baudenkmal Mietshaus

1909-1910

Entwurf & Ausführung & Bauherr Maurermeister Franz Hebold

Ausführung Architekt Friedrich Bredow jr.

 

Das viergeschossige Mietwohnhaus hat zwei Aufgänge. Der Kopfbau an der Ecke zeigt einen Mittelerker und einen überhöhten Dachpavillon mit Puttenreliefs; die Erdgeschoßzone ist durch eine Ladenfront stark verändert. Die Fassade an der Taunusstraße wird durch die beiden Standerker beiderseits des straßenseitigen Treppenhauses strukturiert, deren seitliche Loggien mit Medaillons und Reliefs geschmückt und durch hohe Quergiebel bekrönt sind. Den Eingang flankieren Pfeiler, die einen Architrav mit Blumenvasen tragen. Die Fassade am Südwestkorso wird durch einen breiten, auskragenden Doppelloggiablock im ersten und zweiten Obergeschoß mit Altanen im dritten Obergeschoß akzentuiert. Die Loggien sind zum Teil mit Fenstern mit ornamentaler Sprossung versehen. Am südlichen Rücksprung des Hauses kragt ein schmaler Erker aus. Hinter dem Rücksprung befindet sich der zweite Hauseingang. Das Haus ist mit einem Mansarddach gedeckt, das Traufgesims an seiner Unterkante mit klassischen Regulae besetzt. Topographie Friedenau, 2000

Südwestkorso 15A. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 15A

Baudenkmal Mietshaus

1909-1910

Entwurf & Ausführung & Bauherr Maurermeister Franz Hebold

Ausführung Architekt Friedrich Bredow jr.

 

Die beiden Mietwohnhäuser Südwestkorso 15 A und 16, von Franz Hebold 1909-10 errichtet, sind als symmetrische Gebäudegruppe zu beiden Seiten des Bauwichs ausgeführt. Die viergeschossigen, neunachsigen Häuser auf hohem Souterrain werden bestimmt von den Ecktürmen mit Pyramidendach, die beiderseits des Bauwichs die Öffnung des Wohnblocks markieren. Im ersten Obergeschoß der beiden Ecktürme ist in die Brüstung jeweils ein Relief eingelassen: Zwei Putten halten eine Wappenkartusche. Das Gegengewicht zu den Ecktürmen bilden die Loggienbalkons in den nördlichen und südlichen Achsen der Häuser. Die Eingänge sind jeweils im Souterrain angelegt. Auf den Eingangspfeilern ruht ein Architrav, auf dem beim Haus Nr. 16 zwei Putten stehen, die beim Haus Nr. 15 A zugunsten eines späteren Balkons über dem Eingang verschwunden sind. Die Vorgarteneinfriedung ist teilweise erhalten. Topographie Friedenau, 2000

Südwestkorso 16. Wikipedia Foto Bodo Kubrak, 2013

Südwestkorso Nr. 16

Baudenkmal Mietshaus

1909-1910

Entwurf & Ausführung & Bauherr Maurermeister Franz Hebold

 

Die beiden Mietwohnhäuser Südwestkorso 15 A und 16 sind als symmetrische Gebäudegruppe zu beiden Seiten des Bauwichs ausgeführt. Die viergeschossigen, neunachsigen Häuser auf hohem Souterrain werden bestimmt von den Ecktürmen mit Pyramidendach, die beiderseits des Bauwichs die Öffnung des Wohnblocks markieren. Im ersten Obergeschoß der beiden Ecktürme ist in die Brüstung jeweils ein Relief eingelassen: Zwei Putten halten eine Wappenkartusche. Das Gegengewicht zu den Ecktürmen bilden die Loggienbalkons in den nördlichen und südlichen Achsen der Häuser. Die Eingänge sind jeweils im Souterrain angelegt. Auf den Eingangspfeilern ruht ein Architrav, auf dem beim Haus Nr. 16 zwei Putten stehen, die beim Haus Nr. 15 A zugunsten eines späteren Balkons über dem Eingang verschwunden sind. Die Vorgarteneinfriedung ist teilweise erhalten. Topographie Friedenau, 2000

Südwestkorso 63. Aufnahme von 1999. Topographie Friedenau

Südwestkorso Nr. 63

Baudenkmal Mietshaus

1910-1911

Entwurf & Ausführung & Bauherr Architekt Willi Wanderscheck

 

Das stumpfwinklige viergeschossige Eckhaus zeigt einen in sich symmetrischen Fassadenaufbau mit der Hausecke als Symmetrieachse: Beiderseits der Ecke treten Standerker mit seitlichen Balkons vor. Nur der Hauseingang ist nicht mittig angeordnet. Die völlig schmucklose Fassade ist offenbar entdekoriert worden, die Fenster sind aber original erhalten. Auch das Vestibül mit Holztäfelung, Stuckmarmorwänden und Kassettendecke ist erhalten. Topographie Friedenau, 2000

 

Im obersten Stock wohnte ab 1963 für vier Jahrzehnte die Kostümbildnerin Barbara Baum (1933.2023). Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Stubenrauchstraße (Abt. 15, Nr. 6). Eine ausführliche Würdigung finden Sie unter Friedhof Stubenrauchstraße.

Südwestkorso Nr. 64

Kleines Theater

Baudenkmal Mietshaus

1910-1911

Entwurf Architekt Franz Helding

Ausführung Maurermeister Danneberg

Ausführung Zimmermeister August Kirschke

Bauherr Architekt Franz Helding

 

In einem ehemaligen Kinosaal dieses Hauses wird seit 1973 das private Kleine Theater betrieben. Das Haus hat je einen Treppenaufgang an der Taunusstraße und am Korso. Das Doppelhaus besteht eigentlich aus zwei Baukörpern, die sich an der stumpfwinkligen Ecke treffen und in der nach innen einspringenden Ecke durch einen Zwischenbau sowie im Hof durch den Theatersaal miteinander verbunden sind. Dort befindet sich auch der Theatereingang. Die beiden Straßenfassaden werden durch je einen Erker mit seitlichen Balkons gegliedert, die Erker durch Quergiebel betont. Im ersten und zweiten Obergeschoß werden die Brüstungszonen jeweils mit Relieffriesen geschmückt: im ersten Obergeschoß sind Pfauenpaare und Köpfe, im zweiten Kinder im Rankenwerk und Köpfe zu sehen. Im übrigen sind die Fassaden sparsam mit kleinen Medaillons dekoriert. Die originale Einfriedung (Pfeiler mit Gittern) ist erhalten.

Topographie Friedenau, 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Keine dreißig Wochen wird das Kleine Theater am Südwestkorso überleben, prophezeite der Theaterkritiker Dietrich Steinbeck (1937-2011) nach der Eröffnung am 14. November 1973 im SFB (Sender Freies Berlin). Sein Kollege Friedrich Luft (1911-1990) vom RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) war anderer Meinung: Lassen Sie sich vom schlechterzogenen Wotan (so nannte er Steinbeck) nicht herunterkriegen! Dieses Haus hat Zukunft. Er behielt Recht, obwohl die Spatzen Jahr um Jahr von den Dächern pfiffen, dass es um die Finanzen des Etablissements gar nicht so gut bestellt war.

 

Das Doppelhaus Ecke Südwestkorso und Taunusstraße wurde 1910/11 nach Plänen des Architekten Franz Helding errichtet. Es besteht aus zwei aufeinanderstoßenden Bauten, die mit einem Zwischenbau verbunden sind. Dort entstand ein Raum, in den 1956 die Korso-Lichtspiele einzogen. Als das Kino 1973 dichtmachte, erfüllten sich die Dramaturgin Sabine Fromm (1946-2001) und der Regisseur Pierre Badan (geboren 1942) einen Lebenstraum, das eigene Theater.

 

Aller Anfang ist schwer. Die Idee war gut, aber Friedenau war kein Theaterstandort. Kurzum, es musste geholfen werden. Da fügte es sich, dass sich die Berliner Festwochen im Jahr 1977 die Zwanziger Jahre vorgenommen hatten. Veranstalter war die Berliner Festspiele GmbH, gegründet 1967, finanziert von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin. Geld spielte auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges (fast) keine Rolle. Berlin musste Schaufenster des Westens sein. Zwanziger Jahre, das war auch Kabarett, Chanson, Sketche, Rezitation und anderes mehr, das war Solo, Duo, Trio, mit und ohne Musik, geringer Aufwand, intime Atmosphäre. Das Kleine Theater am Südwestkorso in Nr. 64 mit 99 Plätzen (und Bar) lieferte den Raum für Künstler, denen der Erfolg noch bevorstehen würde. Einen Monat lang gab es Festwochen-Gastspiele in Friedenau. Und das Publikum kam in Scharen. Sabine Fromm sorgte für zusätzliche (nicht genehmigte) Klappstühle, verlegte ihren Ausschank in den Vorgarten – die Nächte am Südwestkorso waren ziemlich lang.

 

Die Katakombe Frankfurt servierte das Tucholsky-Porträt eines Demokraten und Walter Mehrings Golden Twenties. Ernst Schwitters entwickelte mit MERZ noch einmal das dadaistische Gesamtweltbild seines Vaters Kurt. Der Satiriker Dietrich Kittner erwies sich mit seiner Erich-Weinert-Revue als würdiger Erbe seines großen Vorbildes. Aus Wien brachte Lore Krainer ihre Kabarettlieder mit. Susan Avilés und Peter Ludwig kamen mit den Schöpfungen von Peer Raben und Rainer Werner Fassbinder. Die Schweizer Schauspielerin Silvia Jost kredenzte Lieder und Texte von Kurt Tucholsky, eigentlich aber Faux Pas de Deux, jenes Programm, das sie mit ihrem damaligen Lebenspartner Hanns Dieter Hüsch kreiert hatte. Der Steiermärker Wolfram Berger brillierte mit Sketchen des Wortzerklauberers Karl Valentin. Carola Regnier nahm sich zusammen mit dem Gitarristen Leonard Regnier die sittenwidrigen Lieder ihres Großvaters Frank Wedekind vor. Susanne Tremper, deren Stimme mit der Synchronisation von Walt-Disney-Filmen bekannt geworden war, gab nun nicht mehr Schneewittchen oder Bambi, sondern die Gassenhauer von Claire Waldoff zum Besten. Und dann gab es noch Klaus Hoffmann, damals Geheimtipp der Szene, der in seinen Chansons über das geteilte Berlin immer wieder Fragen stellte: Was fang ich an in dieser Stadt?

 

Ein bisschen waren die Festwochen von 1977 daran beteiligt, dass Künstler und Theater bekannt(er) wurden. Jahre später gelang dem Kleinen Theater am Südwestkorso ein Dauerbrenner: Das Küssen macht so gut wie kein Geräusch. Die musikalische Revue durch 100 Jahre Berliner Geschichte erlebte zwischen 1986 und 1994 insgesamt 2222 Vorstellungen. Mittlerweile besteht die Bühne über 40 Jahre, allerdings, nach dem frühen Tod der Prinzipalin Sabine Fromm, unter neuer Leitung. Gemacht wird das, was hier immer gemacht wurde – Nischentheater. (Website http://kleines-theater.de).

 

 

 

 

Berliner Festwochen 1977 im Kleinen Theater am Südwestkorso

SSüdwestkorso 65 Ecke Taunusstraße 10. Topographie Friedenau, Aufnahme 1999

Südwestkorso Nr. 65

Baudenkmal Mietshaus

1910-1911

Entwurf & Bauherr Maurermeister Hermann Völcker

Ausführung Architekt Alfred Winker

 

Auf der Ostseite des Korsos hat Hermann Völcker 1910-11 das Mietwohnhaus Südwestkorso 65 Ecke Taunusstraße 10 errichtet. Es hat zwei Treppenaufgänge. Der Kopfbau an der Straßenecke zeigt eine leicht gerundete Frontwand mit seitlichen Loggien. Die Fassade am Korso ist asymmetrisch konzipiert und wird von einem dreiseitigen Erker und seitlichen Loggien gegliedert. Die Fassade an der Taunusstraße wird von einem mächtigen Doppelerkerblock mit mittleren Loggien beherrscht, unter dem in einer Nische der Eingangsvorbau mit Säulen und Rundbogen angeordnet ist. Den Vorgarten frieden eine niedrige Mauer und Hecken ein. Topographie Friedenau, 2000

Südwestkorso 66. Foto Wikipedia Bodo Kubrak, 2013

Südwestkorso Nr. 66

Baudenkmal Mietshaus

1909-1910

Entwurf & Ausführung & Bauherr Architekt Franz Helding

 

Das Haus Südwestkorso 66 steht halbseitig frei, ist an das Haus Nr. 67 angebaut und teilt den Bauwich mit Nr. 65A. Das viergeschossige Haus hat eine malerische, asymmetrische Fassade mit zwei Standerkern, die Loggien einschließen. Der Erker zum Bauwich korrespondiert mit dem der Nr. 65A. In der nördlichen Außenachse des Hauses springen Balkons vor. Im dritten Obergeschoß sind Teile der Fassade mit Ziegelbehang versehen. Das Haus ist mit einem Mansarddach gedeckt. Topographie Friedenau, 2000

 

Südwestkorso 69. Foto Wikipedia Bodo Kubrak, 2013

Südwestkorso Nr. 69

Baudenkmal Mietshaus

1909-1910

Entwurf Architekten Leberecht Thon & Paul Jatzow

Ausführung Architekt Willibald Kübler

Bauherr Fritz Schieke

 

Jatzow plante um 1910 die Bebauung der "Gartenterrassenstadt" im "Rheinischen Viertel" am Südwestkorso in Wilmersdorf und baute dort auch selbst zahlreiche Wohnhäuser. Aufgrund der spitzwinkligen Kreuzung der Stubenrauchstraße mit dem Südwestkorso wurde das Haus mit drei Schauseiten auf U-förmigem Grundriss errichtet. An jeder der beiden Straßen befindet sich ein Aufgang. Vor der Mittelfront liegt ein kleiner Vorplatz. Die drei Straßenfronten sind ähnlich aufgebaut: Die Ostfassade weist zwei Erker mit Quergiebeln und dazwischen angeordneten Loggien auf, die Nordfassade wird in der Mittelachse durch einen Erker mit Quergiebel gegliedert, die Westfassade zeigt einen Erker in der Mittelachse mit Quergiebel und einen polygonalen Eckerker am Rücksprung des Baukörpers am Südwestkorso. Das Haus ist mit einem Walmdach gedeckt, das von einem hohen Turm überragt wird, der zum Korso hin einen Schildgiebel vor dem Walmdach zeigt. Topographie Friedenau, 2000

Südwestkorso 70. Foto Hahn & Stich, 2019

Südwestkorso Nr. 70

Mainauer Straße Nr. 7

Görresstraße Nr. 30

Baudenkmal Mietshaus, 1908-1909

Bauherr Maurermeister Franz Beck (wohnhaft Steglitz, Lepsiusstraße)

 

Am Sonnabendnachmittag, den 3. Juli 1909 um 5 Uhr, bat Kommerzienrat Georg Haberland eine erlauchte Friedenauer Gesellschaft zu einem Imbiss in einen leeren Laden des von Herrn Maurermeister Franz Beck neuerbauten Hauses Wilhelm- Ecke Mainauerstraße. Dort waren mehrere Tische gedeckt. Es hatten sich hierzu eingefunden: Einige Herren vom Vorstande der Terrain-Gesellschaft Berlin-Südwesten, der Schöpfer des Brunnens Herr Bildhauer Paul Aichele, unser Gemeindeältester Herr Kommerzienrat Moeller und von unserer Gemeindeverwaltung Herr Bürgermeister Schnackenburg, die Herren Schöffen Wossidlo und Lichtheim, die Herren Gemeindevertreter Hendrich, Homuth, Knaak, Lehment, Matthies, Ott, Schu und von Wrochem, ferner die Herren Baurat Altmann, Direktor Mulertt und Obergärtner Körte. Die hübsche Ausschmückung mit Blumen und grünen Blattpflanzen hatte unsere Gemeindegärtnerei besorgt. Die dargereichten vorzüglichen Speisen, sowie die Weine bester Güte, machten dem vornehmen Wirt alle Ehre.

 

 

Dem vorausgegangen war die Enthüllung des Sintflutbrunnen auf dem Hamburger Platz. Das war ein Geschenk an die Gemeinde Friedenau, da Haberland als Chef der Terraingesellschaft das Gefühl hatte, dass diese Allee einer Unterbrechung bedarf, eines Ruhepunktes, auf dem das Auge mit Wohlgefallen ruht. Er erinnerte daran, dass im Herbst des Jahres 1906 die Anlage des Südwestkorsos, in dessen Mitte wir uns jetzt befinden, von der Gemeinde Friedenau beschlossen worden ist, und dass kaum zwei Jahre danach ein großer Teil des Korsos bereits der Bebauung erschlossen worden ist. Das war in der Tat so.

 

Maurermeister und Bauherr Franz Beck aus Steglitz hatte am Südwestkorso zwischen Wilhelmstraße (Görresstraße) und Mainauer Straße ein zweifach abgewinkeltes, viergeschossiges Mietwohnhaus mit drei Treppenaufgängen geschaffen, die jeweils Zweispänner erschließen und von einem hohen, achteckigen Turmbau mit Aussichtsplattform und Balustrade überragt werden, der ursprünglich Turm und Helm aufgesetzt worden waren. Der reich gegliederte Eckbau zeigt an jeder Straßenfront eine ausbalancierte, frei komponierte Fassade mit Erkern, Loggien, Balkons und einer mit Medaillons und Girlanden dekorierten Fassade. Kein Wunder, das dieser repräsentative Bau schnell seine Mieter fand, darunter Bankbeamter, Redakteur, Prokurist, Postsekretär, Fabrikbesitzer, Bürovorsteher, Ingenieur, Kaufmann, Dr. phil., Röntgenologe und diverse Witwen. Das Erdgeschoss gab es Ladenlokale. Im Adressbuch werden Gastwirt, Bäcker und Schlächter genannt, auch eine Centrale Annahmestelle für Einlagen.

 

Während Georg Haberland in seiner Rede betonte, dass den Bürgern der Großstadt in hohem Maße die Neigung innewohnt, sich da anzusiedeln, wo sie Freude an der Natur genießen können, wo sie nach harter Arbeit im Schatten grüner Bäume der Ruhe pflegen können, ging Bürgermeister Bernhard Schnackenburg auf die große Bedeutung der Terraingesellschaft für unsere Gemeinde ein, in deren Hand sich fast der ganze Rest des noch unbebauten Geländes befinde. Da sei es uns eine Genugtuung zu wissen, dass die Gesellschaft nicht nur die Terrains aufschließe und sie nach Belieben bebauen lasse, sondern, dass diese Gesellschaft auch dahin wirkt, solche Häuser zu errichten, die unserem Ort zur Zierde gereichen. Eine deutliche Mahnung.

 

Der Eckladen, in dem am 3. Juli 1909 die Enthüllung des der Sintlutbrunnen von Paul Aichele (1859-1920) gefeiert wurde, muss in den Jahrzehnten danach einige Nutzungen erlebt haben. Nun ist dort Steinmetzmeister Andreas Knurbien zu Hause. Er hat die seit 1906 existierende Firma von Karl-Heinz Dretzke übernommen. Hinter der niedrigen Vorgarteneinfassung lagern Grabsteine für jeden Geschmack. Das Geschäft ist nicht einfacher geworden. Standen einst Grabsteine im Vordergrund, so werden die Aufträge heute von Bausanierung und Baudenkmalpflege und erst dann von Grabmälern bestimmt. Fast zwangsläufig musste sich Andreas Knurbien neben dem Standort am Südwestkorso noch Filialen in Baruth und Dahme zulegen. Da die Bearbeitung der Rohmaterialien am Südwestkorso heute nicht mehr so einfach ist, verlegte er die entsprechenden Techniken nach Baruth.

 

Die Bausanierung beschäftigt sich überwiegend mit Gebäuden, Treppen, Fassadenplatten und Werkteilen aus Naturstein, die Baudenkmalpflege mit Restaurierung von Häuserfassaden und Skulpturen, die Grabmalherstellung mit vertieftgehauenen oder metallenen Inschriften. Zum Service gehören Steinrestaurierung, Steinmetzarbeiten sowie Vergolden, Reinigen und Entsalzen.

 

Immer wieder geht es auch um den Friedhof an der Stubenrauchstraße. Aus der Schweiz kam von den Nachfahren von Baurat Wilhelm Haeger (1834-1901), dem engen Mitarbeiter von Paul Wallot beim Reichstagsbau, der Auftrag, das aus rotem Sandstein gefertigte Grabmal samt den goldenen Inschriften zu restaurieren. (Weiteres unter Friedhof Stubenrauchstraße Grab Wilhelm Haeger.)

 

Viele Jahre war das Grab von Pfarrer Paul Vetter (1869-1938) in einem unwürdigen Zustand. Schließlich wurde auch noch das Grabkreuz gestohlen. Vor dem 150. Geburtstag des lange vergessenen Pfarrers fanden sich Friedenauer, sammelten Geld und sorgten dafür, dass das schwarze Granit-Kreuz mit der Inschrift Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn von Steinmetzmeister Andreas Knurbien zum 16. Oktober 2019 wieder hergestellt wird. (Weiteres unter Friedhof Stubenrauchstraße Grab Paul Vetter).

 

Und da ist auch der Grabstein des Malers Gerhart Bergmann (1922-2007). Der Bildhauer Hans Scheib hatte dafür eine Bronze-Skulptur geschaffen, deren metallener Sockel in den Stein eingefräst war. Die Skulptur wurde im Jahr 2018 oberhalb des Steins abgesägt und gestohlen. Bergmanns Sohn hat nun für die Wiederherstellung der Grabstätte eine Kopie in Stahl gießen lassen – weil Stahl nach Aussage von Andreas Knurbien für Diebe „uninteressant ist“. Noch steht die Nachbildung in der Werkstatt, aber die Restaurierung wird auch dem Steinmetzmeister Schwierigkeiten machen.

(Weiteres unter Friedhof Stubenrauchstraße Grab Gerhart Bergmann.)

 

Südwestkorso 74. Topographie Friedenau, Aufnahme 1988

Südwestkorso Nr. 74

Baudenkmal Mietshaus

1907-1908

Entwurf Architekt Johann Emil Schaudt

 

Die Mietwohnhäuser entlang des Südwestkorsos aus der Zeit zwischen 1907 und 1911 verkörpern Tendenzen dieser Zeit in städtebaulicher Hinsicht. Sie markieren teilweise mit ungewöhnlichen Turmbauten und Straßenfronten die Kreuzungsbereiche und Ecksituationen des Friedenauer Südwestkorsos. Eine Sonderstellung nimmt dabei das viergeschossige Haus Südwestkorso Nr. 74 ein. Es wurde 1907-1908 nach Plänen des Architekten Johann Emil Schaudt (1874-1957) errichtet.

 

 

 

 

 

 

 

Die geringfügig asymmetrische Fassade ist in Sichtziegelmauerwerk ausgeführt, nur die beiden Standerker mit seitlichen Balkons sind im Kontrast dazu verputzt. Das Treppenhaus ist straßenseitig angeordnet. Die Fassade wird dominiert von einem Quergiebel, den ein auskragender, hochaufragender Ziegelpylon durchbricht. Im Erdgeschoss nehmen zwei Rundbogen Einkaufsläden auf. Das Eingangsportal wird von zwei strukturierten Ziegelpfeilern gebildet, über dem sich ein Rundbogenfenster befindet. Verschiedene Fensterformate, unterschiedliche Ziegelfarben beleben die Fassade. Die ursprüngliche Vorgarteneinfriedung aus Ziegelmauern ist erhalten. Topographie Friedenau, 2000

 

Johann Emil Schaudt (1871-1957) studierte Architektur an den Technischen Hochschulen in Stuttgart und Wien. Ab 1901 arbeitete er als Architekt in Berlin und Hamburg. An den wenigen von ihm entworfenen Wohnhäusern sind in Berlin erhalten Südwestkorso Nr. 74 (1908), Scabellstraße Nr. 12 (1910) und sein eigenes Wohnhaus mit Atelier in der Ahornallee Nr. 36 (1929). Bekannt ist Schaudt als Architekt von Geschäftshäusern, Verwaltungsgebäuden sowie dem U-Bahnhof Rathaus Schöneberg (1910) und der Königlich Dänischen Gesandtschaft in der Drakestraße Nr. 1 (1940). Parallel zum Bau des Mietwohnhauses am Südwestkorso war Schaudt seit 1905 für das Unternehmen A. Jandorf & Co. mit dem Bau des KaDeWe beschäftigt, dessen Eröffnung für den 27. März 1907 vorgesehen war.

 

Der Friedenauer Lokal-Anzeiger war zur Vorbesichtigung eingeladen und berichtete am 24. März 1907: Die Führung in dem gewaltigen modernen Gebäude am Wittenbergplatz hatten die Herren Professor Wrba, Architekten Schaudt und Habich übernommen. Der Rundgang in den einzelnen äußerst geräumigen Stockwerken bot so viel elegantes, technisch neues und interessantes, dass es nicht möglich ist auf alles näher einzugehen, das muss man alles selbst in Augenschein nehmen. Jedenfalls ist die Ausstattung eine hochnoble, ersten Künstlern war die Schaffung übertragen und die besten Materialien sind zur Herstellung, sowie die feinsten Gegenstände zur Ausschmückung verwendet worden. Recht vornehm wirken die über all eingebrachten verschiedenen edlen, teilweise ausländischen Holzarten, und effektvoll nehmen sich die Münchener Kunstschmiede arbeiten aus. Alle Abteilungen für den Gebrauch des Lebens sind vorhanden. Zum geschäftlichen Betrieb des Riesenhauses und zur Bedienung des Publikum sind ca. 2000 Personen angestellt, 26 Fahrstühle dienen dem Verkehr. Besonders seien noch die kostbar ausgestatteten Ankleidezimmer der Konfektions-Abteilung, der Teesalon, das Korrespondenzzimmer und der Erfrischungsraum erwähnt.

 

Fünf Monate nach der Eröffnung des KaDeWe lagen dem Magistrat von Schöneberg zur künstlerischen Ausgestaltung des Stadtparkes bereits am 22. August 1907 zwei recht beachtenswerte Entwürfe des Architekten Schaudt vor. Diese reizvollen Lösungen bringen die Straßen- und Parkanlagen mit der Untergrundbahn in glücklicher Weise in Einklang. Die Bahn tritt in dem tieferliegenden Stadtpark (dem ehemaligen Luch) als geschmackvoll gegliederter Viaduct zu Tage, so dass man die elektrischen Züge von außen durch die romanischen Bogenfenster vorüberrollen steht. Zu beiden Seiten des etwa 250 Meter langen Viaducts führen breite Steintreppen in den lauschigen Stadtpark hinab.