Spatenstich, 16. September 2016

 

Michael Müller ahnte nichts Gutes: Der Regierende Bürgermeister ist – obwohl auf der Einladung großartig angekündigt – gar nicht erst erschienen! Dem Spatenstich fehlte damit der sehnlichst gewünschte ganz große Glanz. Zwei Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten hat sich Müller, Berlin – so der Wahlslogan des SPD-Spitzenkandidaten – entschieden, dem Baustart auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf fernzubleiben. Die Enttäuschung darüber war dem Chef der BÖAG, Lars Böge, anzusehen. Wahlkämpferin Dilek Kolat (SPD) und der Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Engelbert Lütke Daldrup (SPD), waren ein schwacher Ersatz.

 

Und wer fehlte noch? Die Friedenauer selbst, denen Bezirk und BÖAG ein wahnwitziges Bauprojekt vor die Nase setzen wollen. Sie waren schlicht nicht eingeladen worden. Die betroffenen Bürger wollte man beim Spatenstich nicht dabei haben. Sogar die unmittelbaren Nachbarn aus der Bennigsenstraße mussten draußen bleiben. Groß ist offenbar die Furcht von Investor und Politikern vor dem Unmut der Bürger. Grünflächen werden zugebaut, Luftschneisen zerstört und zukünftiges Verkehrschaos provoziert. Das ahnte offenbar auch Müller, Berlin, der im Wahlkampf-Endspurt mit dem ungeliebten Kind nicht in Verbindung gebracht werden wollte.

 

Die feiern sich dort oben doch nur selbst, war von denen zu hören, die beim Spatenstich ausgeladen waren. Polizei und Sicherheitsdienst schirmten die Veranstaltung ab. Wer durchkam, gehörte dazu: In der Mehrheit waren es Immobilienhändler und Bauleute, die Pinguine, wie sie eine Besucherin ob der schwarzen Einheitsanzüge spöttisch bezeichnete. Und natürlich die ganz große Politik: Neben Kolat und Lütke Daldrup waren unter anderem Bezirksstadträtin Sibyll Klotz (Bündnis `90/Grüne), Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD), Bezirksstadträtin Jutta Kaddatz (CDU), Bezirksstadtrat Daniel Krüger (CDU), Matthias Geisthardt (SPD-Friedenau), Christoph Götz (SPD, BVV) und Ralf Kühne (Grüne, BVV) erschienen. Auch die der Rot-Grünen-Zählfraktion nahestehenden Ottmar Fischer und Joachim Glässel von der BI Breslauer Platz und Evelyn Weissberg vom Verlag Friedenauer Brücke waren zum erlauchten Kreis hinzugebeten und vom Investor herzlich begrüßt worden. Man kennt und schätzt sich.

 

Die Reden zum Wahlkampf-Spatenstich auf dem Bahndamm von Böge, Lütke Daldrup und Klotz sind schnell zusammengefasst. Das geplante Wohngebiet an Autobahn, S-Bahn und Güterzugtrasse sei beispielhaft für die neue Wohnungsbaupolitik Berlins. Was alle drei Redner in geradezu grotesker Überzeichnung hervorhoben: Die Friedenauer seien umfassend in die Planungen eingebunden gewesen, viele Anregungen aus der Bürgerschaft seien umgesetzt worden. Das wurde so lange gebetsmühlenartig wiederholt, bis klar war: Da ist was faul, da liegt der Hund begraben. Wer die Bürger zum Spatenstich nicht einlädt, der hatte auch davor schon wenig mit ihren Ansichten und Wünschen im Sinn.

 

Wie es um das umstrittene Projekt wirklich steht, konnte man nur zwischen den Zeilen erahnen. Investor Lars Böge dämpfte Hoffnungen, dass es mit dem Bau bald losgehen wird. Das ließ aufhorchen, besonders als Staatssekretär Lütke Daldrup forderte, in zwei bis drei Jahren müssten die Wohnungen stehen. Wir dürfen hier nicht lange über Bodenpreise philosophieren und über die Maximierung von Erträgen, sagte Lütke Daldrup. Das aber ist offenbar die Strategie des Investors und entlarvt den Spatenstich als Wahlkampf-Show. Was viele Friedenauer befürchten, wurde nun offen ausgesprochen. Die Freifläche des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf ist zum Spekulationsobjekt gemacht worden – mit Unterstützung der Bezirksfraktionen von SPD, GRÜNEN und CDU.

 

So war der feierliche Spatenstich am Ende ein wenig feierliches Ereignis. Abgeschottet vom Rest der Welt, begaben sich die Gäste schließlich zum Buffet. Angerichtet hatte den kulinarischen Schlusspunkt natürlich Berlins erste Catering-Adresse, das KaDeWe. Man lässt sich nicht lumpen. Das erwartete Medieninteresse hielt sich sehr in Grenzen. Weder der Staatssender rbb noch die Berliner Tageszeitungen hielten ihr Erscheinen für erforderlich – ganz zu schweigen von den überregionalen Blättern. Da wir den nicht-geladenen Friedenauer Bürgern einen ungetrübten Eindruck geben wollen, haben wir dieses Event dokumentiert.

 

 

Filmbericht vom Spatenstich