Die Haustein-Gräber
Während unserer Recherchen über die Abteilung 12 hatten wir herausgefunden, dass der Architekt Oscar Haustein (1866-1920) auf der Grabstelle 13-15 bestattet wurde – unmittelbar neben der Grabstelle 16-17, auf der seine Eltern Gustav (1826-1918) und Auguste (1824-1853) Haustein beigesetzt worden waren.
Vor Ort dann das Entsetzen. Von der Grabstätte steht nur noch das fünfteilige Wandgrab mit dem Spruch LIEBET EINANDER WIE ICH EUCH GELIEBT. Entfernt wurden die Metallbuchstaben der Inschrift, damit kein Besucher erfährt, dass hier einst das Grab von Oscar Haustein war. Die Fläche davor ist nun Lagerplatz für ausrangierte Grabsteine und Schutt, obwohl der Friedhof hinter den Wandgräbern auf ganzer Länge der Abteilung 12 über einen Wirtschaftshof verfügt.
Gleich nebenan vor dem roten Klinkergrab 9-12 (Familie Carl Wendt) steht ein Schild: Pate/Patin gesucht! Bei Interesse an einer Grabpatenschaft für diese historische Grabstätte, melden Sie sich bitte bei der Friedhofsverwaltung. Ist die Friedhofsverwaltung wirklich der Ansicht, dass sich für dieses verwahrloste Umfeld Grabpaten finden, die die erheblichen Kosten für Restaurierung und Sicherung des historischen Grabmals übernehmen?
m Telefonat mit der Friedhofsverwaltung von Tempelhof-Schöneberg wurde uns bestätigt, dass die Hausteins in der Abteilung 12 Gräber 13-15 und 16-17 bestattet wurden. Da wir gebeten wurden, die Sache per Mail noch schriftlich vorzutragen, erhielten wir postwendend folgende Nachricht: Im Zusammenhang mit den Maßnahmen des Berliner Senats zum Schutz der Bevölkerung vor dem neuartigen Coronavirus ist auch der Dienstbetrieb des Straßen- und Grünflächenamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin betroffen. Es wird deshalb zu Einschränkungen in der Bearbeitung Ihres Anliegens kommen. Unsere Büros sind derzeit nur für einen Notbetrieb besetzt, so dass eine kurzfristige Bearbeitung meist nicht gewährleistet werden kann. Wir bitten aufgrund der außergewöhnlichen Situation um Ihr Verständnis! Bleiben Sie gesund. Ihre Friedhofsverwaltung. Wir haben Verständnis und warten weiter auf eine Aufklärung.
Um was geht es? Die Haustein-Grabstätten machen einen kulturhistorischen Zusammenhang deutlich. Der Berliner Schneidermeister Gustav Haustein erwarb 1871 – drei Jahre vor der Gründung von Friedenau – vom Landerwerb- und Bauverein ein Grundstück in der Ahornstraße (Moselstraße), auf dem 1872 sein Landhaus stand. Sein Sohn Oscar wurde Maurer- und Zimmermeister und schließlich Baumeister und Architekt. Ab 1895 betrieb er ein Baugeschäft am Friedrich-Wilhelm-Platz Nr. 1, entwarf und baute Mietswohnhäuser in Friedenau, Schöneberg und Kreuzberg. Diese haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, wurden in die Liste der Kulturdenkmale aufgenommen und stehen heute bei der Umwandlung von Miet in Eigentum im Fokus der Immobilienbranche.
Die Grabstätte von Oscar Haustein, wahrscheinlich ausgeführt von dem in der Wilhelmstraße tätigen Bildhauer Heinrich Mißfeldt (1872-1945), ist von kultur- und kunsthistorischer Bedeutung. Hausteins Schwester Ada (1857-1922) war mit dem Königl. Preuß. Kammervirtuosen Felix Meyer (1847-1914) verheiratet. Beide wurden wie ihre Kinder Wolfgang (1891-1906) und Felix G. Meyer (1890-1963) auf der Grabstelle 16-17 der Großeltern Haustein bestattet. Am Grab befinden sich außerdem zwei weitere Schilder der Friedhofsverwaltung mit den Angaben Liselotte Meyer (1903-1991) und Adelheid Meyer (1938-2002) sowie ein urnenähnlicher Stein mit der Inschrift Niels Kallmann (1881-1962) – wobei es sich um den Sänger von Schumann-Liedern handelt, dessen Konzerte von der Konzertdirektion Adler organisiert wurden. Ein Zusammenhang Haustein-Adler ist bisher nicht ersichtlich.
Die noch vorhandenen Teile des Grabes von Oscar Haustein sollten erhalten – und der Schutthaufen davor entfernt werden.