Entwurf Gipsmodell für das Goethe-Denkmal in Rom von Gustav Eberlein. Archiv Rolf Grimm

Das Goethe-Denkmal aus Friedenau in Rom

 

Zur Geschichte der Bachestraße gehört auch die Geschichte des Goethe-Denkmals in Rom. 1902 kam Kaiser Wilhelm II. auf die Idee, der Stadt Rom ein Goethe-Denkmal für den Park der Villa Borghese zu schenken. Ohne den üblichen Wettbewerb und zum Ärger der Kollegen erhielt der Bildhauer Gustav Eberlein (1847-1926) den Auftrag. Die heute schier unglaubliche Entstehungsgeschichte des Goethe-Denkmals hat Eberlein 1907 unter dem Titel Carrarischer Marmor in der Gartenlaube geschildert:

 

Mir selbst war eine interessante Aufgabe zuteil geworden: ich sollte in Carrara den Block zum Denkmal Goethes, das der Kaiser der Stadt Rom schenken wollte, auswählen. So fuhr ich nun eines schönen Tags mit zwei Schülern und einem jungen Freund frühmorgens in die Berge, in denen sich in bedeutender Höhe die berühmten Steinbrüche befinden ...

 

 

 

 

Selbst in dieser Einöde hat sich die soziale Frage schon seit Jahrzehnten aufgerollt. Die extremen Ideen zweier Parteien. ‚Arbeiter und Steinbruchbesitzer‘, stehen sich beständig kämpfend gegenüber, und gerade in jeden Tagen unseres Besuchs fanden wir einzelne Brüche in hellem Aufruhr. Feurige Reden hallten von den einsamen Höhen und in den düstern Abgründen der Brüche. Die Arbeiter der größten Firmen Fabricotti, Binelli, Fredericiani und Taggioni drängten mit lebhaften Gesten an uns heran, ihre Nöte schildernd, die wir nur durch einige Liter dunklen Weins zu lindern vermochten ... Auf einem Kamm der majestätischen Bergwelt endlich fanden wir den mächtigen Block, den wir suchten. Aus diesem Koloss hätte ich vier Denkmäler wie das des Goethe meißeln können, er war so hoch wie ein dreistöckiges Haus und fast quadratisch… Dieser Art Gestein wird Marmor statuaria genannt, man wählt ihn zu allen im Freien aufzustellenden Monumenten, auch die Statuen der Berliner Siegesallee sind aus ihm gefertigt, und der italienische Bildhauer Casal in Berlin hat mein Goethe-Denkmal in diesen Marmor nach meinem Gipsmodell übertragen. Außer diesem gibt es an Marmorsorten Marmor bianco zu Innenräumen, ordinario zu Postamenten und Stufen und paronazzo, Cardiglia usw. … Der von uns ausgewählte Block schien ein besonders schönes Exemplar zu sein, und schon stand vor meinem Geist das Bild unseres größten Dichters in blendender Weise, von antikem korinthischen Kapitäl herniederschauend ... Man legte eine Leiter an den Fels, und als ich hinaufstieg und in die Riesenfläche den unsterblichen Namen „Goethe“ primitiv einmeißelte, schien es uns allen, als ob die deutsche Heimat, deutsches lebendiges Wesen nunmehr eingezogen sei in den Kristall, der das Antlitz eines der größten Menschen tragen sollte.

 

Der Block kam nach Friedenau und der italienische Bildhauer Valentino Casal in Berlin hat mein Goethe-Denkmal in diesen Marmor nach meinem Gipsmodell übertragen. Nach der Fertigstellung wurde das neun Meter hohe neobarocke Monument zerlegt, in Einzelteilen nach Rom transportiert und im Park der Villa Borghese an der Viale Goethe wieder zusammengebaut: Im Zentrum der junge Goethe und drumherum die Skulpturen von Mignon und der Harfner, Iphigenie und Orest sowie Faust und Mephisto als Symbole für Lyrik, Dramatik und Philosophie.

 

Zur Enthüllung am 5. August 1904 erschien der italienische König Viktor Emanuel III., der bei dieser Gelegenheit Valentino Casal den Ritterorden der Krone von Italien Cavaliere dell’Ordine della Corona d’Italia überreichte. Gustav Eberlein starb am 6. Februar 1926. Sein Grab auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof war seit 1990 Ehrengrabstätte des Landes Berlin. 2014 wurde dieser Status aberkannt. Nach Protesten aus dem In- und Ausland entschloss sich der Berliner Senat am 6. November 2018, das Grab wieder zur Ehrengrabstätte zu erheben.

 

Die Kunsthistorikerin Dr. Uta Lehnert hat 1998 im Dietrich Reimer Verlag Berlin unter dem Titel Der Kaiser und die Siegesallee - Réclame Royale eine ausführliche Beschreibung dieser im Tiergarten nicht mehr vorhandenen Anlage veröffentlicht, in der neben den damals beteiligten Bildhauern auch die Arbeit von Valentino Casal gewürdigt wird. Das Buch ist leider vergriffen. Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Vortrag, den Uta Lehnert am 21. Juli 2017 gehalten hat: Was hat Gustav Eberlein mit der Berliner Bildhauerschule und der Siegesallee zu tun?

 

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Originaltext: Gustav Eberlein, Carrarischer Marmor. Gartenlaube,1907

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Uta Lehnert, Was hat Gustav Eberlein mit der Berliner Bildhauerschule und der Siegesallee zu tun? 2017

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