Namen: Chausseestraße (1873), Saarstraße (1883), Kirchstraße (1890), Schmiljanstraße (1962), benannt nach dem Schöneberger Stadtrat Hans Schmiljan (1901-1961), der 1960 als Senator für Gesundheitswesen die unrühmliche Schluckimpfung an Schulen und Kindergärten veranlasste, nach der 50 Kinder mit schwerem Polio-Verdacht in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten, und obendrein beteuerte, daß kein Anlass zur Beunruhigung bestehe. Nichtsdestotrotz wurde sein Grab von 1961 bis 2014 zum Berliner Ehrengrab erhoben.

 

Kaum war die ehemalige Kaiserallee in Bundesallee umbenannt,  präsentierte das Bezirksamt Schöneberg 1957 den Bebauungsplan XI-58 für die Verbreiterung der Kirchstraße zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Rheinstraße, gefolgt vom Bebauungsplan XI-71 für die Verbreiterung der Saarstraße zwischen Kaisereiche und Fregestraße.bzw. Friedenauer Brücke.

 

Nach dem Mauerbau und dem Verlust der Verkehrswege von Nord nach Süd bestand eine gewisse Notwendigkeit, Bundesallee, Kirchstraße (Schmiljanstraße) und Saarstraße für den West-Berliner-Verkehr auszubauen. War im Plan von 1957 die ursprüngliche Baufluchtlinie noch beibehalten worden, die Häuser der Grundstücke Nr. 24 bis Nr. 27 noch erhalten, wurden diese nach 1962 abgerissen und in der zweiten Baureihe durch einen Neubaublock ersetzt. Die Allee mit Bäumen, großzügigen Vorgärten, breiten Bürgersteigen und üppig dekorierten Jugendstilhäusern . Selbst die alliierten Bomber scheinen dieses Ambiente im Zweiten Weltkrieg respektiert zu haben. Nur das Haus Nr. 14 wurde von einer Bombe getroffen. Der Fotograf Herwarth Staudt hatte die Ruine am 19. Dezember 1950 im Auftrag der Schöneberger Bauverwaltung fotografiert. Nach Sichtung dieser Aufnahmen entschied sich die Behörde für den Abriss. Unverständlich, da lediglich Dach – und teilweise drittes Obergeschoss zerstört waren – und an den benachbarten Häusern Nr. 13 und Nr. 15 nur Schäden an den Dächern zu beklagen waren.

 

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Bebauungsplan-XI-58. Bezirksamt Schöneberg,1957

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Bebauungsplan XI-71. Bezirksamt Schöneberg, 1957

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Schmiljanstraße 1, 1905. Archiv Rüdiger Barasch

 

Schmiljanstraße Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 & Bundesallee Nr129.

 

Der Südosten der Platzrandbebauung zwischen Bundesallee und Schmiljanstraße wird von einer Gruppe von vier keilförmig angeordneten Miethäusern eingenommen: Alle vier Mehrfamilienhäuser wurden 1892 nach Plänen von Maurermeister R. Miethe errichtet und sind viergeschossig, wie dies durch die Bauordnung von 1892 ermöglicht worden war.

 

Das Eckhaus Schmiljanstraße 1/Bundesallee 130/Friedrich-Wilhelm-Platz 9 besteht aus drei Zweispännern, die sich von drei Hauseingängen aus erschließen. Die dreiachsige Stirnseite zum Platz hin ist durch einen Mittelrisalit und eine Freitreppe aus Granit betont, die mit einem schönen schmiedeeisernen Geländer zum Eingang führt. Von den beiden Wohnungen pro Geschoß orientiert sich die eine zur Bundesallee und die andere zur Schmiljanstraße. Jede hat einen Erker mit zwei Balkons. In den beiden Zweispännern in der Bundesallee 130 und Schmiljanstraße 1 ist jeder Wohnung wieder ein - diesmal - dreiachsiger Erker mit zwei flankierenden Balkons zugeordnet.

 

Als weitere Häuser schließen Bundesallee 129 und Schmiljanstraße 2 an. Bei beiden handelt es sich jeweils um ein siebenachsiges Haus mit Mittelerker und flankierendeb Seitenbalkons.

 

Das letzte Wohnhaus dieser Miethausgruppe, Schmiljanstra0e 3, wurde auf einer schmaleren Parzelle als Einspänner gebaut, es ist nur fünfachsig und besitzt einen Mittelerker mit Seitenbalkons. Es ist über dem Eingang inschriftlich AD 1893 datiert und offenbar das zuletzt fertiggestellte Haus der Gruppe von Miethe. Die Fassaden der Hausgruppe haben ein durchgängiges, rhythmisiertes Fenster-Erker-Kompositionsschema. Das Eckhaus hat eine durchlaufende zweigeschossige Sockelzone mit reicher Stuckdekoration, darüber sind die Wandflächen durchgehend mit roten Ziegeln verblendet, die Erkerpfeiler und Fenstergewände verputzt. Die anschließenden Häuser sind insgesamt verputzt. Kleine Dachpavillons betonen die Mittelachsen des Eckhauses, die Mittelachsen der anschließenden Häuser zeigen kleine Quergiebel. Topographie Friedenau, 2000

 

Bauherr dieser Häuser war Ferdinand Warnke. Er wurde am 14. Februar 1857 in Greifenhagen geboren und als Kalkulator im Reichsversicherungsamt tätig. Am 14. Oktober 1889 heiratete er in Berlin Margarethe Dietzschold, Tochter des zu Wyk auf Föhr verstorbenen Fabrikanten Friedrich August Dietzschold. 1894 nennt sich Warnke Privatier und wirkt als Vertreter des Fabrikbesitzers Dietzschold’sche Erben am Friedrich-Wilhelm-Platz 14. In diesem Jahr sind die Grundstücke Kirchstraße 1 bis 3 (Schmiljanstraße) und Kaiserallee 129 (Bundesallee) bereits im Besitz der Dietzschold’schen Erben und als Neubauten eingetragen. Im Haus- und Grundbesitzerverein von Friedenau spricht er sich 1896 für ein Gymnasium aus. Bei Vermietung der Wohnungen trete die Frage überwiegend in den Vordergrund. Alle umliegenden Orte renommirten mit ihren höheren Schulen, aber in Friedenau sei in dieser Hinsicht alles still.

 

Dem Friedenauer Lokal-Anzeiger ist zu entnehmen, daß Ferdinand Warnke zur Geburtstagsfeier des Kaisers 1897 im Rheinschloß mehrere Gesangsvorträge mit eigenen Kompositionen darbot, darunter ‚Kaiserhymne‘ und ‚Sängergruß‘, dem Kaiser gewidmet und von demselben angenommen. In der musikalischen Welt hatte sein Name einen guten Klang, mit Erfolg wurde in Kiel am 22. März 1898 die von ihm komponierte Oper in 2 Akten ‚Andalusia‘, Text Enrico Manufuerte, uraufgeführt. Ein langes Leben war ihm nicht beschieden. Er starb mit 48 Jahren am 4. Mai 1905 in Friedenau. Die Häuser blieben bis Mitte der 1920er Jahre im Besitz der Dietzschold’schen. Ab 1927 heißt der neue Eigentümer Dr. Schünhoff. Die vier Häuser haben den Zweiten Weltkrieg überstanden.

 

Schmiljanstraße Nr. 5, 1999. Topographie Friedenau

Schmiljanstraße Nr. 5

Baudenkmal Mietshaus

Entwurf W. Kind & P. Kind

Bauherr Georg Eichwald

1910-1911

 

In der Schmiljanstraße 5 (Abb. 74, Liste Nr. 140) steht ein viergeschossiges, zwölfachsiges Mietwohnhaus mit hohem Souterrain, das 1910-11 von den Architekten W. und P. Kind erbaut wurde. Das Haus hat - als seiner Entstehungszeit entsprechender Reformmietshausbau - eine asymmetrische, frei komponierte Straßenfassade. In der Südhälfte springt ein oben gerundeter Standerker mit spitzem Turmhelm vor, in der Nordhälfte ein Kragerker mit Quergiebelbekrönung. Außen sind Loggien angeordnet, über dem zweiten Obergeschoß läuft ein Fußwalm, darunter ein Akanthusrankenfries. Ansonsten ist das Haus glatt verputzt. Die Fensterformate wechseln von Geschoß zu Geschoß. Das Haus besitzt im Souterrain ein holzgetäfeltes Vestibül mit einer Marmortreppe und einem ausgemalten Tonnengewölbe. Topographie Friedenau, 2000

Schmiljanstraße 6. Foto Hahn & Stich, 2022

Schmiljanstraße Nr. 6

 

In Vorbereitung

Schmiljanstraße Nr. 11. H&S 2019

Schmiljanstraße Nr. 11

Ecke Handjerystraße Nr. 44-45

Baudenkmal Verwaltungsgebäude

Entwurf Robert Schöffler

Bauherr AOK Berlin

1956-1958

 

Das dreigeschossige AOK-Gebäude mit Flachdach an der Ecke Schmiljanstraße Nr. 11 und Handjerystraße Nr. 44-45 wurde 1956-58 auf einem L-förmigen, zweibündigen Grundriss erbaut. Schöffler hat um diese Zeit eine Reihe von AOK-Bezirksstellen in Berlin (Spandau, Tiergarten, Wedding) errichtet. Es ist einer der wenigen Bauten der fünfziger Jahre in Friedenau. Das Gebäude hat eine dem Verlauf der Handjerystraße folgende, konvex gebogene Fassade mit eng gestellten vertikalen Pfeilern. Die zurückgesetzten Brüstungsfelder zwischen den Pfeilern sind mit rotbraunen Keramikfliesen verblendet, einige frei verteilte gelbe, blaugrüne, rote und grüne Einzelfliesen lockern die Brüstungsfelder auf. Der Eingang mit dem gerundeten Vordach ist asymmetrisch in der Fassade angeordnet. Die Fassade des Kopfbaus an der Ecke ist nicht durch Pfeiler gegliedert, sondern als glatte Wandfläche mit beigen und einzelnen andersfarbigen Keramikfliesen verkleidet. Die dreiläufige Treppe im Inneren wird durch ein dreigeschossiges Treppenhausfenster mit Glasbausteinen an der Hofseite erhellt. Der Bau wird durch ein weit überstehendes Flachdach abgeschlossen. Topographie Friedenau, 2000

 

Nach diesen blumigen Worten wird klar, dass auch die Denkmalexperten nicht so recht wussten, warum ausgerechnet dieses Gebäude auf die Liste der Kulturdenkmäler von Friedenau gesetzt wurde. Gebaut für die AOK als Verwaltungsgebäude, später genutzt von der WTG (Westfälische Telefongesellschaft) und schließlich, als es Denkmal war, wurde das Gebäude 2013 dem Bezirksamt Schöneberg „günschtig“ angeboten und dem vom Bezirk subventionierten Nachbarschaftsheim (NBHS) angetragen. „Nachdem (im Bezirksamt bzw. NBHS) diverse Nutzungskonzepte erörtert wurden, entschied sich das NBHS für die Einrichtung und Betreibung eines Wohnheimes für Frauen und Kinder, also keine Notunterkunft, sondern ein richtiges zu Hause, solange die Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sind. Das wiederum veranlasste die auch vom Bezirksamt subventionierte Stadtteilzeitung sogleich zu einem Jubelartikel: Es ist ein Schmuckstück geworden und macht Friedenau alle Ehre. Von außen hat sich das Haus nicht verändert. Aber das Innenleben wurde komplett umgestaltet. Helligkeit und freundliche Farben dominieren. Auf drei Ebenen (Erdgeschoss, 1. und 2. Etage) sind wohnlich gestaltete Zimmer entstanden, je nach Personenzahl für 2, 3 oder 4 in unterschiedlicher Größe. Selbst für eine Familie bis zu 8 Personen gibt es ein Apartment. Die Einrichtung ist funktional, die blauen Teppichböden in den Zimmern und das gelbe Linoleum in den Fluren vermitteln eine wohnliche Atmosphäre. Ein Großteil der Möbel verdankt das Haus übrigens einer Spende von Ikea. Auf jeder Etage gibt es eine Teeküche mit Aufenthaltsraum und Toiletten, im 1. Stock einen geräumigen Sanitärbereich mit Duschen. In der Großküche mit Speiseraum im Untergeschoss wurden 6 Arbeitsbereiche eingerichtet, jede Bewohnerin erhält eine Komplettausstattung an Koch- und Essgeschirr. Weiterhin gibt es natürlich ein Büro, Spielzimmer für die Kinder, Lernzimmer mit Computern für Kurse und Hausaufgaben, ein Krankenzimmer.

 

Schmiljanstraße Nr. 12, 1999. Topographie Friedenau

Schmiljanstraße Nr. 12

 

 

 

 

In Vorbereitung

Schmiljanstraße 16. Aufnahme von 1988. Topographie Friedenau

Schmiljanstraße Nr. 16

Ecke Rheinstraße Nr. 19

Baujahr 1891

Bauherr Hermann Phächen

 

 

In Vorbereitung

Schmiljanstraße 17. Aufnahme von 1988. Topographie Friedenau

Schmiljanstraße Nr. 17

Ecke Rheinstraße Nr. 18

Baujahr 1893/1894

Bauherr Hermann Pählchen

 

 

 

 

In Vorbereitung

Schmiljanstraße Nr. 21/Handjerystraße um 1906. Archiv Barasch

Schmiljanstraße Nr. 21

Ecke Handjerystraße Nr. 42-43

Baudenkmal Mietshaus

Entwurf & Bauherr Klitscher und Afdring

Ausführung Zimmermeister H. Sonntag

1908-1909

 

Das viergeschossige Mietwohnhaus an der Ecke Schmiljanstraße Nr. 21 und Handjerystraße Nr. 42-43 entstand als Reformmietshaus mit asymmetrischer Fassadengliederung. Das Haus hat zwei Treppenaufgänge, die jeweils als Zweispänner ausgelegt sind. Im Erdgeschoss war das vornehme Restaurant „Zum Prinzen Handjery“ eingerichtet, in dem der Haus- und Grundbesitzer-Verein Friedenau seine Vereinsabende abhielt. Das Restaurant war nach dem Landrat des Kreises Teltow, Nikolaus Prinz von Handjery, der seine schützende Hand über die Anfänge der Gemeinde Friedenau gehalten hatte, benannt. Auch heute befindet sich hier ein Restaurant. Das Haus weist durchweg eine asymmetrische Gliederung der beiden Straßenfassaden auf. Erker mit Loggien und Wintergärten, ein Jugendstilportal und durch Säulchen gegliederte Reihenfenster des Restaurants im Erdgeschoss an der Handjerystraße sind kompositorisch frei verteilt. Die Einfriedung an der Handjerystraße besteht aus einem floralen schmiedeeisernen Jugendstilgitter. Die Fassade an der Schmiljanstraße ist vereinfacht worden, während die an der Handjerystraße gut erhalten blieb. Topographie Friedenau, 2000

 

Soweit wir uns zurückbesinnen können, gab es in diesem Haus im Erdgeschoss immer ein Restaurant. Das war um 1910 das wohlfeile Etablissement „Zum Prinzen Handjery“, das war in den letzten Jahren eine gutbürgerliche Wirtschaft mit süddeutscher Küche. An lauen Abenden waren die Terrassenplätze hinter der Einfriedung an der Handjerystraße gefragt, aber wegen dem Autolärm auf der Schmiljanstraße etwas problematisch. Nun scheinen die Tage gezählt zu sein. Am Fenster prangt ein Schild: „Demnächst Neueröffnung Tagespflege.“