Friedrich Bache (1841-1917)

Kommunalpolitiker

 

Es ist davon auszugehen, daß Friedrich Bache, Kanzleirat im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, mit Wohnung im III. Stocke der Gneisenaustraße Nr. 21, aus dem Centralblatt der Bauverwaltung 1884 von Baumeister Max Nagel und seinen Landhausbauten in der Umgegend von Berlin erfahren hatte. Bache erwarb das Grundstück Handjerystraße Nr. 50 (später Nr. 88) Ecke Albestraße und ließ sich von Nagel 1887 ein Landhaus errichten. Damit war er Mitglied des Haus- und Grundbesitzer-Vereins. Hinzu kamen Krieger-, Landwehr-, Flotten- und  Feuerwehrverein. Schon bald gehörte er auch dem Gemeindekirchenrat an. 1893 wurde er in den Gemeindevorstand gewählt und war dann über 25 Jahre ehrenamtlich ohne Unterbrechung Dezernent des Schulwesens. Bache vertrat die Gemeinde Friedenau im Teltower Kreistag und wurde schließlich auch als Vertreter des Kreises in den Provinziallandtag von Preußen gewählt.

 

Am 17. Februar 1910 beschloss die Friedenauer Gemeindevertretung, der Straße 12 den Namen unseres ältesten Schöffen und stellvertretenden Gemeindevorstehers, Herrn Gheimrat Bache, zu geben und sie ‚Bache-Straße‘ ‘zu nennen. Als der Friedenaus Ehrenbürger Friedrich Bache 1917 plötzlich und unerwartet verstarb und auf dem Friedhof Stubenrauchstraße bestattet wurde, beklagte Bürgermeister Erich Walger im Nachruf dieses um die Gemeinde hochverdienten Mannes. Wir werden ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren. Gebracht hat es nichts. Das Grab ist längst eingeebnet. Geblieben ist die Bachestraße und sein Landhaus. 1931 ging es an die diakonische Einrichtung Diakonissenhaus Friedenshort im Schloss Miechowitz, dem Stammsitz der Familie Tiele-Winkler in Oberschlesien. Das Anwesen gehört inzwischen zur Stiftung Diakonissenhaus und betreibt als Tiele-Winckler-Haus Wohnheim, Werkstatt und Tagesförderstätte für Behinderte.

 

 

Mit der Bebauung de Areals westlich der Kaiserallee durch die Terrain-Gesellschaft Berlin-Südwest hatte die Friedenauer Gemeindevertretung beschlossen,  auf der bisher unbebauten Fläche zwischen Kaiserallee, Mainauer Straße und Wilhelmstraße mit der Straße 12 eine weitere Verbindung für eine dichtere Bebauung zu schaffen. 1910 wurde daraus die Bachestraße. 1911 waren 13 Mietwohnhäuser errichtet und bezogen. Allerdings hatte das Bauamt übersehen, dass das Grundstück Wilhelmstraße Nr. 7 mit seinen Bauten bis 6,40 m in die Bachestraße hineinreicht.

 

Dies führte zum zum Streit zwischen dem aus Italien stammenden Besitzer Valentino Casal und der Gemeinde Friedenau, der letztendlich erst nach dem Ersten Weltkrieg vom Vergleichs- und Schiedsgericht Rom zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien 1926 mit Entschädigung beigelegt wurde.

 

Die Rechtslage war eindeutig. Am 24. Januar 1899 hatte Casal für sein erworbenes Grundstück Wilhelmstraße Nr. 7 Bauzeichnungen für ein größeres Atelier eingereicht. Am 16. März 1899 erteilt die Gemeindevertretung die Genehmigung zur Errichtung von Wohn- und Werkstattgebäuden. Allerdings musste sich der Bauherr verpflichten, der Gemeinde die anteiligen Kosten für die noch nicht erfolgte definitive Pflasterung der genannten Straßen sowie für die Anlage eines Entwässerungskanals zu erstatten, wenn die Pflasterung und Kanalisierung der genannten Straßen erfolgt, den Bürgersteig vor dem Grundstück in voller Breite zu pflastern, in der Mitte mit einer 1 m breiten Granitplattenbahn zu versehen und gegen den Straßendamm mit Granitbordschwellen abzugrenzen.

 

Nachdem die Häuser errichtet waren, sollte die Straße endgültig reguliert und mit Asphaltbelag versehen werden. Da aber die Casal'schen Ateliers weit in die Straße 11 (Bachestraße) hineinragen, so daß der Fuhrwerkverkehr auf derselben behindert werden würde, wenn dieselben bestehen blieben, wird daher deren Beseitigung erforderlich werden. Da Herr Casal diese Räume jedoch für seine Bildhauerwerkstatt nicht entbehren kann, wird der Wiederaufbau derselben an anderer Stelle des Grundstücks notwendig werden. Herr Casal hat seinerzeit seinen Widerspruch gegen die Fluchtlinien der Straße nur unter der Bedingung fallen lassen, daß die durch die Veränderung entstehenden Kosten nicht ihm zur Last fallen. Dieselben werden daher von den Anliegern der Straße gemeinschaftlich zu tragen sein. Der Bauausschuss empfiehlt die Regulierung der Straße unter der Bedingung, daß die Terraingesellschaft Süd-West die für die Regulierung der Straße und die bauliche Veränderung auf dem Casal'schen Grundstücke entstehenden Kosten solange zu verauslagen, bis die entsprechenden Beträge bei einer Bebauung derselben fällig werden.

 

 

Am 23. Oktober 1908 teilte Bürgermeister Schnackenburg mit, dass sich keine Einigung hat erzielen lassen und er die Verhandlungen mit Herrn Casal abgebrochen habe. Am 9. Juli 1909 erklärte Baurat Hans Altmann, daß die Straße auch ohne das Casal’sche Grundstück reguliert werden könne. Man hofft, vielleicht auf diese Weise Herrn Casal zu veranlassen, dass er seinen Widerstand aufgibt und den Abriss seines in die Straße hineinreichenden Ateliers veranlasst. Bürgermeister Schnackenburg fügte hinzu, daß man Herrn Casal zwingen könne, den auf der Straße liegenden Teil abzureißen, was  erhebliche Entschädigungskosten verursachen würde.

 

Am 27. Dezember 1909 erfolgte infolge Bebauung eine Umnummerierung. Dem in die Straße hineinreichenden bisher nicht nummerierten Casal’schen Grundstück wurde die Nr. 10 zugeteilt. Im Adressbuch stand ab 1911: Bachestraße Nr. 10 gehört zu Wilhelmstraße Nr. 7. bzw. Wilhelmstraße Nr. 7 gehört zu Bachestraße Nr. 10. Der Teltower Landrat ersuchte den Gemeindevorstand am 28. Februar 1912, auf eine Beseitigung der durch die auf dem Casal'schen Grundstück vorhandenen Mißstände in der Bachestraße hinzuwirken und dafür zu sorgen, dass durch Beseitigung der in den Fahrdamm der Bachestraße vorspringenden Baulichkeiten die Anlegung des fluchtlinienmäßig festgesetzten Straßenzuges auch vor dem Casal'schen Grundstücke sobald wie möglich durchführbar wird. Es sind daraufhin mit dem Bildhauer Herrn Casal zunächst mündliche, alsdann schriftliche Verhandlungen geführt worden.

 

Dazu Gemeindebaurat Hans Altmann: Auf die Vorschläge des Gemeindevorstands ist dieser Herr nicht eingegangen. Herr Casal will mit seinem Grundstück bis zur Vorgartengrenze zurücktreten, verlangt aber, dass ihm die Gemeinde dann nach der Wilhelmstraße zu einen neuen Schuppen errichtet. Die Kosten hierfür würden etwa 10.000 M. betragen. Ferner beansprucht er die Freistellung von jeglichen Anliegerbeiträgen, was ebenfalls einen Betrag von 2700 M. ergeben dürfte. Auch die Kanalisations- und gerichtlichen Kosten müsse die Gemeinde tragen, so dass bis zu 14.000 M. Kosten der Gemeinde erwachsen würden. Außerdem stellt Herr Casal aber noch die Bedingung, dass der Streifen, den er abtrete, ihn als bebauungsfähige Fläche angerechnet werde.

 

Es kam der Erste Weltkrieg. Am 28. August 1916 erklärte Italien Deutschland den Krieg. Valentino Casal musste Deutschland verlassen. Bereits am 22. September 1916 hatte der Friedenauer Lokal-Anzeiger ausländerfeindliche Töne angeschlagen: Unter dem Titel Der feindliche Vorsprung in der Bachestraße ist zu lesen: Ein schwerer Krieg ist uns aufgedrängt; von allen Seiten Feinde! Dass uns manche unserer Nachbarn nicht besonders grün waren und neidisch auf unsere Entwicklung blickten, wussten wir schon lange. Aber wir fühlten uns sicher, denn wir hatten auch Freunde. Dass wir von einigen derselben in der Stunde der Not verlassen werden würden, konnte niemand wissen, weil wir deren Charakter nicht kannten und die Hinterlist dieser Biedermänner nicht ahnten. Das Rathaus von Friedenau scheint sich noch im tiefsten Frieden zu wähnen, denn sonst wären schon längst Schritte getan worden, um das dem italienischen Staatsangehörigen Casal gehörige Grundstück zum Besten der Allgemeinheit zu enteignen.

 

Ungeachtet der Tatsache, daß Valentino Casal mit einer Deutschen verheiratet war, und ihre drei Kinder in Friedenau geboren wurden, beschloss die  Gemeindevertretersitzung am 16. August 1917 das Ende der Nutzung des dem Bildhauer Valentino Casal gehörigen Grundstücks.  Als der Italiener nach dem Weltkrieg nach Deutschland zurückkehren konnte, zog die Familie 1919 erst einmal nach Lichterfelde in die Hortensienstraße Nr. 12, später nach Heidelberg. 1921 ging das Anwesen an die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Schöneberg. Laut Baubuch wurden am 22. März 1922 die auf die Bachestraße ragenden Bauteile entfernt. 1925 ging das Grundstück an das Bezirksamt XI (Schöneberg). Am 18. Juni 1934 erklärte sich das Bezirksamt Schöneberg mit dem Abriss sämtlicher Gebäude auf dem Grundstück Wilhelmstraße Nr. 7/Bachestraße Nr. 10 und der Schaffung einer Parkanlage einverstanden. Die Abrissarbeiten wurden 1935 ausgeführt. Später entstand der Spielplatz zwischen Bache- und Görresstraße (früher Wilhelmstraße).

 

Klaus Roehler. Foto Renate von Mangoldt, 1970

Bachestraße Nr. 3

Klaus Roehler (1929-2000)

Ein Autor, der ein Lektor war

 

Die Geschichte von Klaus Roehler beginnt im thüringischen Königsee. Dort hatte sein Vater Walter 1936 eine Porzellanmanufaktur für Puppengeschirr gegründet. Als die Firma 1947 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet wurde, machte sich die Familie auf den Weg ins oberfränkische Forchheim, und Klaus Roehler machte das, was er gelernt hatte: Prozellandreher. Ab 1955 studierte er in Erlangen Geschichte und Philosophie.

 

 

 

 

 

Wer auch immer der Gruppe 47 den Namen eingeflüstert hat, Klaus Roehler bekam die (übliche) persönliche Einladung von Hans Werner Richter zur 17. Jahrestagung der Gruppe 47 vom 13. bis 15. Mai 1955 im Haus am Rupenhorn in Berlin. Dort gab er mit Die Würde der Nacht sein literarisches Debüt. Nach Vorstellung der sieben Erzählungen durch den Autor folgten Diskussionen der Anwesenden, darunter Martin Walser, Heinrich Böll, Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Paul Schallück, Helmut Heißenbüttel, Uwe Johnson und Günter Grass. 1958 erschien Roehlers Erstling im Piper Verlag München.

 

Günter Grass soll während der Gespräche über Roehlers Texte die analytischen Fähigkeiten des Autors erkannt, und Klaus Roehler freiberuflich als persönlichen Lektor beschäftigt haben. Das betraf vermutlich schon die Arbeit an der Blechtrommel, da Grass Auszüge des Romans 1958 der Gruppe 47 präsentierte. Die Blechtrommel nit der Geschichte von Oskar Matzerath erschien 1959 bei Luchterhand. Klaus Roehler soll seinen aus der Ehe mit der Germanistik-Studentin und späteren Schriftstellerin Gisela Elsner stammenden Sohn nach der Hauptfigur Oskar benannt haben. Zwischen Autor Günter Grass und Lektor Klaus Roehler ist offenbar eine Verbindung entstanden, von der die Literatur der folgenden Jahre geprägt wurde.

 

Nachdem der Luchterhand-Verlag in Berlin mit dem Luchterhand Literaturverlag eine Depandance eröffnete, wurde Klaus Roehler angestellter Lektor. 1964 zog er nach Friedenau in die Bachestraße Nr. 3 – nicht weit von Günter Bruno Fuchs, Uwe Johnson, Christoph Meckel – und Günter Grass, dessen Werke Katz und Maus (1961). Hundejahre (1963), Aus dem Tagebuch einer Schnecke (1972), Der Butt (1977) und Die Plebejer proben den Aufstand (1977) er lektorierte. Damit war er unterfordert.

 

Auf der Suche nach neuen Talenten kam Roehler auf die Idee, bei Einblattdrucke zu publizieren. Von 1966 bis 1970 erschien die heute berühmte Sammlung der Einblattdrucke des Luchterhand Verlags, pro Heft 7 Seiten mit diversen Graafikbeilagen, herausgegeben von Elisabeth Borchers, Günter Grass und Klaus Roehler – darunter besondere Stücke von Ilse Aichinger, Hans Arp, Wolf Biermann, Bert Brecht, Günter Eich, Günter Grass, Peter Handke, Sarah Kirsch, Karl Krolow, Günter Kunert, Reinhard Lettau, Gert Loschütz, Christph Meckel, Nelly Sachs, Gabriele Wohmann, Hans Magnus Enzensberger, auch Graphiken von Uwe Bremer, Günter Grass, Günter Bruno Fuchs, Christoph Meckel, Karl Schöning.

 

1973 war in Berlin Schluss – wegen des steigenden Kostendrucks im Verlagsgeschäft. Der Anfang vom Ende. Das literarische Programm von Luchterhand wurde mehrmals an andere Verleger weitergereicht. 2001 ging alles an die Verlagsgruppe Random Hous – ein Sammelsurium für geschwätzige Autoren. Ein Jahr zuvor verstarb Klaus Roehler, in mehr als 30 Jahren der stilsicherste Lektor der Nachkriegszeit.

 

 

1910 Willy Helwig, Selbstporträt. Archiv Ursula Prause

Bachestraße Nr. 8

Johann Franz ‚Willy‘ Helwig (1879-1957)

 

Dieser Mann wurde von der Friedenau-Literatur übersehen. Gefeiert wurden die Karikaturisten Johann Bahr, Lyonel Feininger, Franz Albert Jüttner, Paul Simmel und Walter Trier. Johann Franz Helwig blieb in ihrem Schatten. Weil er als Willy Helwig signierte oder nicht zugeordnet werden konnte? Maler, Modezeichner, Werbegraphiker, Illustrator, Kunstlehrer? Er war ein zeichnender Humorist, und mit Blick auf seine vielschichtige Hinterlassenschaft ein Hansdampf in allen Gassen.

 

In den Berliner Adreßbüchern taucht sein Name mehrmals auf: In Friedenau Niedstraße Nr. 37 Parterre (1905), Bennigsenstraße Nr. 2 (1906), Wilhelmstraße Nr. 10 (1908) und Bachestraße Nr. 8 (1911), in Wilmersdorf Weimarische Straße Nr. 2 (1915) und in Steglitz Forststraße Nr. 21 (1922).

 

Johann Franz Helwig wurde am 24. Februar 1879 in Hamburg als Sohn des Musiklehrers Johann Carl Ferdinand Helwig und dessen Ehefrau Margaretha Elisabeth Mathilde Hestner geboren. Von 1887 bis 1894 absolvierte er die Volksschule. Im Abgangszeugnis steht ein Sehr gut und statt dem offiziellen Geburtsnamen Johann Franz bereits der Künstlername Willy Helwig. Nach der handwerklichen Lehre und ohne Abitur blieben ihm die Kunstgewerbeschule und eine Ausbildung in Modeillustration und Karikatur mit dem Abschluß als Kunstmaler. Am 23. Mai 1903 ehelichte er die gleichaltrige Jakobine Johanna Wiencken. Hals über Kopf zog das Ehepaar 1904 nach Friedenau in die Niedstraße Nr. 37. Berichtet wurde, daß Willy Helwig in Berlin gut zurecht kam, für die Presse zeichnete und für den ULK arbeitete, die Humor-Beilage des Berliner Tageblatt.

 

 

 

So weit, so gut. Nachdem am 14. Januar 1905 Sohn Werner geboren war, nahm Vater acht Tage Ferien, um sich von der Geburt zu erholen. Heraus kam aber, daß er mit seinem Liebchen nach Wittstock gereist war. Da war natürlich alles aus zwischen uns. Die betrogene Ehefrau blieb des Sohnes wegen dennoch über 12 Jahre bei Euch. Sie zog 1911 mit in die Wohnung im dritten Stock der Bachestraße Nr. 8, bis es nicht mehr ging. Am 28. März 1917 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Willy Helwig, dem das Sorgerecht zugesprochen wurde, zog mit dem Sohn nach Wilmersdorf in die Weimarische Straße Nr. 2. Das ging schief. Werner kam in die Erziehungsanstalt nach Hamburg. Ich war ja nur das abgeschobene Überbleibsel einer Ehe, an die mein Vater nicht mehr erinnert werden wollte.

 

 

Willy Helwig kümmerte sich derweil um seine Karriere. 1911 war er schon auf der Großen Berliner Kunstausstellung vertreten. Seit 1910 unterrichtete er an der Kunstschule von Albert Reimann in Schöneberg Modezeichnen und Karikatur – unterbrochen nur durch seine Einberufung zum Heer im Jahre 1915, doch kehrte er bereits nach neun Monaten an die Schule zurück. Sein feinnerviges Temperament konnte den Erfordernissen des rohen Kriegshandwerks nicht länger standhalten.

 

Es mag wohl auch daran gelegen haben, daß seine von der Front an die ULK-Redaktion geschickten Zeichnungen – anders als die Arbeiten seiner kritischen Zeitgenossen mit ihren politisch zugespitzten satirischen Beiträgen eher harmlos, unverfänglich, auch unpolitisch daherkamen. So die .Zeichnung von W. Helwig im ULK vom 27. November 1914 mit dem Kommentar: Goddam, schon wieder ein Paar Stiebel durch!  Die Zeit war nicht für derart Humoristisches.

 

Ab 1910 unterrichtete er an der Kunstschule von Albert Reimann in Schöneberg Modezeichnen und Karikatur, ab 1912 leitete er das Zeichenatelier des Verlages L. Schottländer & Co. Für die Modezeitschrift Elegante Welt machte er die neuesten Kreationen der Pariser Couturiers für den deutschen Markt brauchbar. Mit Beginn des Weltkrieges erschien im ULK vom 27. November 1914 eine ganzseitige Zeichnung von W. Helwig mit dem Kommentar: Goddam, schon wieder ein Paar Stiebel durch! Schon diese Arbeit macht deutlich, daß sich Willy Helwig – anders als seine kritischen Zeitgenossen mit ihren politisch zugespitzten satirischen Beiträgen für eher Humoristisches entscheidet. Das bleibt auch nach seiner Einberufung zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg so. Was er von der Front an die ULK-Redaktion schickt, bleibt harmlos, unverfänglich, auch unpolitisch.

 

Wichtig war ihm, seine Schülerin und Geliebte Hanna Goerke beim ULK unterzubringen. Das gelingt am 25. Januar 1918 in der Nr. 4 mit ihrer schlichten Zeichnung und der Anmerkung: Der Mensch läuft mir schon stundenlang nach. Ich glaube, das beste ist, ich gehe in ein Standesamt. Am 28. Dezember 1921 heiratete Willy Helwig die 18 Jahre jüngere Frau. Sie ziehen in die Forststraße Nr. 21 in Steglitz.

 

Zeichnung Schülerin Hanna Goerke

Im hauseigenen Mitteilungsblatt ‚Farbe und Form‘ ließ Schulgründer Reimann wissen, daß Helwig seiner ganzen Veranlagung nach zum Lehrberuf prädestiniert war. Seine flüssig elegante Zeichentechnik, die bei seinen Korrekturen unterstützt wird durch das zwar oft etwas sarkastische, aber immer treffsichere und schlagfertige Wort, hat seinen Unterricht außerordentlich beliebt gemacht. Sein unermüdliches Interesse, auch für die künstlerische Tätigkeit seiner Schüler außerhalb der Unterrichtsstunden, stachelt deren Ehrgeiz an und zwingt sie zur Anspannung ihrer besten Kraft. Die bekanntesten jungen Berliner Modezeichnerinnen waren seine Schülerinnen, und haben seinem Einfluß viel zu verdanken – vor allem Hanna Goerke (1897-1963). Es begann in Farbe und Form mit einer selbstständigen Arbeit der Schülerin Hanna Goerke aus der Illustrationsklasse Helwig. 1918 brachte er seine Geliebte im ULK Nr. 4 mit einer Illustration unter: Der Mensch läuft mir schon stundenlang nach. Ich glaube, das Beste ist, ich gehe in ein Standesamt unter. Eine Vorankündigung: Am 28. Dezember 1921 heiratete Willy Helwig die 18 Jahre jüngere Frau und zog mit ihr in die Forststraße Nr. 21 in Steglitz.

 

Seit 1912 leitete Helwig das Zeichenatelier des Verlages L. Schottländer & Co. Für die Zeitschriften Der Konfektionär und Elegante Welt machte er die neuesten Kreationen der Pariser Couturiers für den deutschen Markt brauchbar und entwarf die modischen Reklamen für fast sämtliche namhafteren Waren- und Modenhäuser Deutschlands

 

 

 

1925 meldete sich der abgeschobene Sohn: Die Zeit ist nun reif, so dass mich nicht weiter Scham abhält, dir zu schreiben. Ich versuche nun die immer nur geahnte Brücke sehbar über alle Mißverständnisse zu wölben. Ich bin allein und selbstständig. Es ist mir keines Menschen Hilfe oder Tat mehr nötig. Ich trage nur Verlangen, meinen Vater wieder zu erhalten. Deine Versündigung am Werk und an der Aufgabe war, dass du Weib und Kind nahmst. Nun bin ich, dein Sohn, dein Werk im Kind, der letzte Spross des alten Mannes, still verpflichtet das Werk das du nicht gut gebären konntest, leuchtend in die Welt zu stellen. Du wirst das still verstehen oder lächeln. Beides gilt mir gleich. Ich spüre nur die tiefe Nötigung das dir zu sagen. Ich grüße dich und meine fremde Mutter. Werner.

 

In Steglitz bastelte das Ehepaar derweil an zahlreichen Illustrationen für Kinder- und Jugendbücher, die sich nach Ansicht des Berliner Graphikers und Helwig-Bücher-Sammlers Ulf S. Graupner stilistisch so stark nähern, daß die Illustrationen von Hanna Helwig-Goerke und Willy Helwig kaum noch einem der beiden zuzuordnen sind.

 

Deutschland war inzwischen auf dem rechten Weg. Die kritischen Geister Bahr, Jüttner, Simmel und Zille waren nicht mehr, ULK eingestellt, Lyonel Feiniinger und Walter Trier emigriert. Als 1933 eine Mitgliedschaft der Künstler in der Reichskunstkammer für die weitere Arbeit erforderlich wurde, kam Helwig in Bedrängnis. Da er seit Anbeginn nicht unter dem Geburtsnamen Johann Franz Helwig, sondern unter dem Künstlernamen Willy Helwig publizierte, fehlte dafür ein Nachweis. Am 5. Januar 1934 teilte die Landesjustizverwaltung Hamburg mit, daß Johann Franz Helwig fernerhin den weiteren Vornamen Willy an dritter Stelle zu führen hat. Nun konnten fast jährlich Bücher mit den Geschichten von diversen Autoren mit Illustrationen von Willy Helwig in den verschiedensten Verlagen erscheinen. Nach einer schöpferischen Pause kam das nächste Buch erst 1948 in den Buchhandel: Rip van Winkle mit vielen Bildern von Willy Helwig im Verlag Alfred H. Linde Berlin-Halensee. Wohl bedacht und unverfänglich, ein Märchen aus Nord-Amerika von Washington Irving, erstmals veröffentlicht im Jahr 1819.

 

Johann Franz ‚Willy‘ Helwig verstarb am 5. Juli 1957 in seiner Wohnung Steglitz, Forststraße Nr. 21. Die Beerdigung fand am 9. Juli auf dem Dahlemer Waldfriedhof Hüttenweg statt. Seine zweite Ehefrau Hanna folgte ihm am 8.. Februar 1963. Der Nachwelt bleiben die digitalisierten Ausgaben von Ulk und Lustigen Blättern der Universitätsbibliothek Heidelberg und in Berlin die Helwigsche Büchersammlung des Grafikers Ulf S. Graupner.

 

 

Willy Helwig, ULK & LUSTIGE BLÄTTER. Universitätsbibliothek Heidelberg

 

Willy Helwig, Buchillustrationen. Sammlung Ulf S. Graupner